Mehr Wert im stationären Lebensmitteleinzelhandel - Felix Lehmann - E-Book

Mehr Wert im stationären Lebensmitteleinzelhandel E-Book

Felix Lehmann

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Beschreibung

Gibt es eine Strategie aus Sicht des stationären Lebensmittelhändlers, das Geschäftsmodell des klassischen Austauschs von Waren aus einem begrenzten Sortiment gegen Geldleistungen des Endkunden zu erweitern? Wenn ja, woraus könnte eine Wertsteigerung bestehen, von der interne aber auch externe Stakeholder profitieren würden? Ich habe versucht, mich einer Antwort auf diese Fragestellungen wissenschaftlich zu nähern und meine Ergebnisse in diesem Buch zusammengefasst. Meine theoretischen sowie möglichst praxisdienlichen Erkenntnisse beziehen sich auf eine Formel nach Michael Grübbeling. Die Komponenten dieser Formel sollen im reibungslosen Zusammenspiel die Möglichkeit zur Erschließung von mehr Wert bieten. Experteninterviews aus unterschiedlichen Fachbereichen haben mich dabei unterstützt, meine Idee für mehr Wert im stationären Lebensmittelhandel mit einigen technischen, anwendungsbezogenen sowie nachhaltigen Anforderungen abzugleichen.

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Seitenzahl: 230

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Vorbemerkung

Mit der erfolgreichen Graduierung zum Bachelor of Arts im November 2017 an der DHBW Heilbronn konnte ich meine Karriere in dem Unternehmen fortsetzen, in dem mir das vorangegangene duale Handelsstudium ermöglicht worden war. Parallel zu meiner beruflichen Tätigkeit als Nachwuchsführungskraft hat mich dabei die Frage gefesselt, worin mehr Wert für den stationären Lebensmittelhandel liegen könnte. Der Weg zu deren Beantwortung führte mich in bereits bekannte, aber auch viele unbekannte Wissensbereiche. Die Flut an verfügbaren Informationen, die allein mit den Stichworten des Titels abrufbar sind, führte zu einem ersten inhaltlichen Grundgerüst.

Die 20 Seiten meines Notizbuches waren nach meinem ersten Event zum Thema, dem Brand Day in Berlin, mit vielen Ideen gefüllt, die eine Antwort auf meine Frage geben sollten und das inhaltliche Grundgerüst zu einem ersten Inhaltsverzeichnis konkretisierten. Es folgten weitere Fachsymposien wie die Retail Innovation Days in Heilbronn sowie die Microsoft Innovation Days in München. Diese Veranstaltungen haben mir weitere spannende und insbesondere sehr praxisnahe Einblicke in die zukünftige Handelswelt ermöglicht. Zwischenzeitlich habe ich die Ausarbeitung in der mir nun sehr vertrauten Universitätsbibliothek in Leipzig vorangetrieben und die Vielzahl an Impulsen in die theoretischen sowie praktischen Lösungsansätze dieses Buches mit einbezogen. Die Motivation während der dortigen Morgen- bzw. Abendstunden wuchs aus dem primären Willen, ein Buch zu schreiben, welches mich persönlich, aber besonders fachlich qualifizieren sollte.

Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Ludwig Hierl, der mir die Möglichkeit geboten hat, die Idee der Publikation in die Realität umzusetzen. Bedanken möchte ich mich insbesondere für seine konstruktive Kritik und Geduld, die meinen Ehrgeiz gefordert und meine Motivation gefördert haben. Mein Dank gilt außerdem Xenia Giese, Elisabeth Voigt und Erik Kusch für die wertvolle fachliche Unterstützung dieser Publikation.

Ich widme dieses Buch meinem Freundeskreis und insbesondere meinen Eltern und Geschwistern, die mir während meines Studiums jederzeit zur Seite standen.

Bad Düben im Oktober 2018 Felix Lehmann

Inhaltsverzeichnis

VORBEMERKUNG

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

TABELLENVERZEICHNIS

1.

EINLEITUNG

1.1 A

KTUELLE

R

ELEVANZ UND

P

ROBLEMSTELLUNG

1.2 Z

IELSETZUNG UND METHODISCHE

V

ORGEHENSWEISE

2.

AUßERGEWÖHNLICHE KUNDENORIENTIERUNG

2.1 D

IE

W

IRKUNGSKETTE DER

K

UNDENBINDUNG

2.1.1 Erstkontakt

2.1.2 Kundenzufriedenheit

2.1.3 Kundenloyalität

2.1.4 Kundenbindung

2.2 Ö

KONOMISCHER

E

RFOLG

2.3 K

ONSUMENTENVERHALTENS

-

FORSCHUNG

2.4 F

AKTOREN DER

K

ONSUMEINSTELLUNG

2.5 D

AS KUNDENORIENTIERTE

U

NTERNEHMEN

3.

RIGOROSER PRAGMATISMUS IM INNOVATIONSPROZESS .

3.1 S

TRATEGISCHE

O

RIENTIERUNG

3.2 K

ONZEPTENTWURF UND

B

EWERTUNG

3.3 T

ECHNISCHE

A

NFORDERUNGEN

3.3.1 Best-of-Breed-Lösung – Make

3.3.2 All-in One-Lösung – Buy

3.4 A

NFORDERUNGEN AN DIE

U

MSETZUNG

4.

EINZIGARTIGE KREATIVITÄT

4.1 D

IE

H

ERAUSFORDERUNGEN

4.2 C

USTOMER

R

ELATIONSHIP

M

ANAGEMENT

4.3 D

IE MODERNE

C

USTOMER

J

OURNEY

4.4 N

EUROLINGUISTISCHES

P

ROGRAMMIEREN

5.

KONTINUIERLICHE INNOVATION

5.1 D

ER

I

NNOVATIONSPROZESS

5.2 D

IE

H

ERAUSFORDERUNGEN

5.3 E

NTWICKLUNGSPOTENZIALE

6.

SCHLUSSBETRACHTUNG

6.1 F

AZIT

6.2 A

USBLICK

6.3 H

ANDLUNGSEMPFEHLUNGEN

ANHANGSVERZEICHNIS

LITERATURVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis

ACT

Assistive Consumer Technology

API

Anwendungsprogrammierung

AR

Augmented Reality

ART

Assistive Retailer Technology

B2B

Business-to-Business

B2C

Business-to-Customer

BDSG

Bundesdatenschutzgesetz

BR

Betriebsrat

CERT

Consumer Entertaining Retailment Technology

CJ

Customer Journey

CLV

Customer Lifetime Value

CRM

Customer Relationship Management

CSR

Corporate Social Responsibility

DINK

Double income no kids

DSGVO

Datenschutzgrundverordnung

EDI

Electronic Data Interchange

ENL

Evolved Nutrition Labelling

EPVO

E-Privacy-Verordnung

ERP

Enterprise Resource Planning

GAFAA

Google, Amazon, Facebook, Apple, Alibaba

GBF

Get big fast

GfK

Gesellschaft für Konsumforschung

HDE

Handelsverband Deutschland

IoT

Internet of Things

IPP

Internet Pure Player

IVA

Informationsverarbeitungsansatz

KI

Künstliche Intelligenz

KNA

Kosten-Nutzen-Analyse

LEH

Lebensmitteleinzelhandel

LOHAS

Lifestyle of Health and Sustainability

MDM

Master-Data-Management;

Mobile-Device-Management

NLP

Neurolinguistisches Programmieren

NPS

Net Promoter Score

POS

Point of Sale

PIM

Product-Information-Management

PM

Proximitätsmatrix

ROI

Return on Investment

SDK

Software Development Kits

SEU-Modell

Subjectively-Expected-Utility- Modell

SEU

Subjectively-Expected-Utility-Theorie

SOR-Paradigma

Stimulus-Organism-Response Paradigma

SR-Paradigma

Stimulus-Response Paradigma

TAM

Technology Acceptance Model

UML

Unified Modelling Language

USP

Unique Selling Proposition

VR

Virtual Reality

WKZ

Werbekostenzuschüsse

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Wirkungskette der Kundenbindung

Abbildung 2: Confirmation/Disconfirmation-Paradigma

Abbildung 3: Dominante Motive und Verhaltensweisen

Abbildung 4: Erhebung der Weiterempfehlungsrate

Abbildung 5: Der Kundenbeziehungs-Lebenszyklus

Abbildung 6: Determinanten des Kundenwerts

Abbildung 7: Einfluss der Kundenbeziehung auf die Rentabilität

Abbildung 8: Physische und soziale Einflussfaktoren auf die Kaufentscheidung

Abbildung 9: Affektive und kognitive Prozesse nach dem SOR-Ansatz

Abbildung 10: Modell nach Howard und Sheth

Abbildung 11: Dreispeichermodell kognitiver Prozesse

Abbildung 12: Lambda-Hypothese

Abbildung 13: Means-End-Kette

Abbildung 14: Emotionen

Abbildung 15: Elaborations-Modell

Abbildung 16: Customer Centricity

Abbildung 17: Gesetz der Profilierungsdynamik

Abbildung 18: Technologische Innovationen im Handel

Abbildung 19: Framework IoT-Plattform

Abbildung 20: Datenquellen für B2B und B2C

Abbildung 21: Funktionen des mobilen Assistenten

Abbildung 22 Exemplarisches Aktivitätsdiagramm

Abbildung 23: Prozess der Markenführung

Abbildung 24 Wirkungskette Customer-Relationship-Management

Abbildung 25: Die Customer Journey

Abbildung 26: Landscape of Digital Experience

Abbildung 27: Konstruktivismus

Abbildung 28: Ausgestaltung des Brand Reframing

Abbildung 29: Wirkung zweiseitiger Kommunikation

Abbildung 30: Kondratieff Zyklus

Abbildung 31 Kumulierter Konjunkturzyklus nach Schumpeter

Abbildung 32: Innovationskategorien im Einzelhandel

Abbildung 33: Der Innovationsprozess

Abbildung 34: Messmodell für Innovationsfähigkeit

Abbildung 35: Typologien der Unternehmenskulturen

Abbildung 36: Die Taylorwanne

Abbildung 37: Digitalisierungstrends

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Entwicklung der Konsumentenverhaltensforschung

Tabelle 2: Vergleich zwischen Produkt- und Kundenorientierter Ausrichtung

Tabelle 3: Gegenüberstellung der Kosten und Nutzen

1. Einleitung

„Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, es ist diejenige, die sich am ehesten dem Wandel anpassen kann.“1Charles Darwin (1809–1882)

Die Globalisierung, die rasanten Technologiesprünge sowie die branchenübergreifend voranschreitende Digitalisierung bedrohen zunehmend den stationären Lebensmittelhandel und können diesen vor existenzielle Herausforderungen stellen. Die Entwicklungen heben die Anforderungen an eine konsequentere Ausrichtung der Leistungserstellung an die tatsächlichen Bedürfnisse der Kunden.2 Ein aktuelles Indiz für ein sich wandelndes Wettbewerbsumfeld und ein verändertes Kaufverhalten zeigt sich bereits heute in den Filialmodernisierungs- und Sortimentsoffensiven der stationären Händler. Ein wesentliches Motiv ist, den klassischen Austausch von Waren aus einem begrenzten Sortiment gegen Geldleistungen erlebbarer zu gestalten, damit dem Kaufverhalten des Endkunden zeitgemäß begegnet werden kann. Offen bleibt bislang, welche Strategie im Hinblick auf die Digitalisierung langfristig positive Auswirkungen auf die Wertschöpfung des stationären Lebensmittelhändlers haben wird. Aus diesem Grund ist gemäß dem Zitat von Charles Darwin die Fragestellung naheliegend, welcher konkrete Wandel parallel zu der Aufwertung der Verkaufsflächen dazu beitragen kann, die Überlebenschance des Unternehmens zu erhöhen. In engem Zusammenhang dazu stehen strategische Entscheidungen innerhalb des Handelsunternehmens, mit denen dem bevorstehenden digitalen Wandel langfristig begegnet wird. Die angestrebte zusätzliche Wertsteigerung steht der Herausforderung gegenüber, möglichst alle Interessen interner und externer Stakeholder zu vereinen, damit sowohl die Profilierung gegenüber dem Wettbewerb gelingen kann, als auch das Markenversprechen möglichst beibehalten wird.

1.1 Aktuelle Relevanz und Problemstellung

Die inhaltliche Ausrichtung und die notwendigen Maßnahmen für eine zukunftsfähige Strategie könnten auf Grundlage der Ergebnisse unterschiedlicher Zukunftsstudien abgeleitet werden. Die darin prognostizierten Entwicklungen deuten auf technische, soziale, ökonomische, rechtliche sowie ökologische Rahmenbedingungen hin, deren Zusammenspiel aus unterschiedlichen Auswirkungen komplexe Veränderungen für Anbieter und Kunden beinhalten und fordern. Ein wichtiger und wesentlicher Trend besteht aus dem Zusammenhang zwischen Wissen und Macht, der sich in Zukunft in unterschiedlichen Bereichen zunehmend bemerkbar machen wird. Dieser Trend könnte innerhalb der kommenden Jahre verstärkt vom stationären Händler eine Lösung verlangen, die den gegenseitigen Austausch relevanter Informationen mit Kunden, aber auch Mitarbeitern effizient ermöglichen muss. Mittel zum Zweck könnten bisher weitverbreitete täglich genutzte moderne Medien sein, welche Informationen jederzeit und an fast jedem Ort abrufbar machen. Wenn die Handhabung für den Nutzer einfach ist und der persönliche zusätzliche Wert klar erkennbar wird, könnte der stationäre Lebensmittelhändler dem erlebten Komfort während der Onlinebestellung mit einer Lösung am POS etwas entgegensetzen.3 Die Schnelllebigkeit im digitalen Fortschritt erfordert zunehmend eine Unternehmensstruktur, die einen Umsetzungsaufwand mit geringer Zeitintensität im Sinne einer schnellen Erfüllung von sich ändernden Kundenbedürfnissen ermöglichen kann.

Der Ausbau der Konnektivität und somit der Verfügbarkeit der Möglichkeiten des Internets profitiert zukünftig zunehmend von neuen Schlüsseltechnologien wie beispielsweise künstlicher Intelligenz. 4 Das Internet der Dinge umspannt nahezu den gesamten Globus und gibt Plattformen die Möglichkeit, mit virtuellen Infrastrukturen neue Maßstäbe zu setzen.5 Hinzu kommt, dass die neue vernetzte Mobilität zwischen zwei Orten den Begriff von Heimat oder Bindung relativiert. Ein Beispiel zeigt sich schon heute in der wachsenden Verfügbarkeit von Sharing-Konzepten innerhalb der Automobilbranche, die z. B. mit autonomen Fahrzeugen das Potenzial besitzen, das bisher bekannte Auto zu einer kostenintensiven Freizeitbeschäftigung zu wandeln.6 Ein weiterer Trend ist mit dem Thema Sicherheit verbunden. Neben juristischen Instanzen stehen auch Unternehmen schon heute vor der Herausforderung, trotz der fehlenden Transparenz der ausgetauschten und verarbeiteten Daten innerhalb der digitalen Welt eine Sicherheitsgarantie zu gewährleisten. Das Bewusstsein über die eigenverantwortliche Schaffung einer Sicherheitskultur wird zunehmen müssen, da besonders Prozesse zunehmend digitalisiert werden. Die Anforderungen an eine neue Sicherheitskultur beinhalten einen klareren Handlungsspielraum, Flexibilität sowie Agilität. 7 Weiterhin wichtig sind einerseits die zunehmende Rohstoffknappheit sowie andererseits die spürbaren Auswirkungen des Klimawandels. Diese Entwicklungen werden nicht spurlos am Verantwortungsbewusstsein der Menschen vorbeigehen. Damit steigt die Erwartung gegenüber Händlern, neben der ökonomischen auch der ökologischen und gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Dies kann aus ökologischer Perspektive z. B. über das aktive Engagement für den Umweltschutz sowie die Schonung der Ressourcen erfolgen.

Eine weitere Prognose ist mit dem Fortschritt im Gesundheitssektor verbunden, der unumkehrbar ist. Dieser führt dazu, dass die Lebenserwartung auf der ganzen Welt steigt und den Ältesten unserer Gesellschaft, der „Silver Society“, eine neue Bedeutung zukommt. Das Alter wird für jeden nur eine absolute Zahl sein, die lediglich mit jedem Jahr steigt. Der traditionelle Rhythmus, nach der Jugend in das Arbeitsleben einzusteigen, endet in einem Un-Ruhe(zu)stand. Die Haltung gegenüber der persönlichen Gesundheit wird durch vorhandene medizinische Erkenntnisse gestärkt und lenkt den Fokus für den Händler auf Schwerpunkte wie z. B. die optimierte individuelle Ernährung.8

Die dargestellten zukünftigen Trends und Veränderungen zeigen einige Aspekte, die für den stationären Lebensmittelhändler nach dem Vorbild Darwins erhebliche Anpassungen bedeuten können. Mit diesen potenziellen Herausforderungen sind neue Kompetenzen verbunden, mit deren Aufbau ein zusätzlicher Wert für interne und externe Stakeholder geschaffen werden kann. Die Erschließung zusätzlicher Wachstumschancen ergibt sich aus der aktuellen Wettbewerbssituation, die aufgrund der hohen Wettbewerbsintensität und der vorrangigen Profilierung über den Preis zu niedrigen Gewinnmargen besonders im deutschen Marktumfeld geführt hat.9

„Die beste Art, die Zukunft vorherzusagen, ist, sie selbst zu gestalten.“10Willy Brandt (1913-1992)

Mit Blick auf das durchschnittliche Wachstum des Onlinehandels von 12,2 Prozent in den letzten zehn Jahren zeigt sich zudem die Dringlichkeit im Aufbau neuer Kompetenzen, da das mittlere Wachstum des stationären Handels von lediglich 0,2 Prozent im Vergleich dazu eher gering ausfällt. 11 Neben den Onlinehandelsgiganten Amazon und Alibaba dominieren ehemalige Start-ups wie Google, Apple oder Facebook den Weltmarkt mit jährlich steigenden Umsätzen. Der Gesamtumsatz der GAFAA belief sich im Geschäftsjahr 2016 auf 573,9 Mrd. USD. Betrachtet man den Börsenwert dieser Unternehmen, so übersteigt die Summe von 3256 Mrd. USD die Vorstellungskraft von durchschnittlichen Unternehmen bzw. das Volumen der Haushaltspläne von Kleinstaaten. Im Vergleich dazu liegt die Summe der besten deutschen Unternehmen SAP, Siemens, Bayer, Allianz, BASF, Deutsche Telekom, VW und Daimler bei etwa 780 Mrd. USD. Im Jahr 2016 belief sich allein der Gewinn von Apple auf 69,9 Mrd. USD, dahinter lagen Alphabet und Microsoft in etwa gleichauf mit knapp 30 Mrd. USD. Facebook ist im Verhältnis zwischen erzieltem Umsatz von 28 Mrd. USD und dem resultierenden Gewinn von 14,7 Mrd. USD deutlich profitabler als die Onlinehändler Alibaba oder Amazon.12 Der Jahresumsatz von Amazon wurde für 2016 in Höhe von 135 Mrd. USD ausgewiesen, wobei ein Ergebnis vor Steuern von 3 Mrd. USD bleibt. Alibaba hingegen erzielte im Jahr 2016 einen Umsatz von 13 Mrd. USD, das Ergebnis vor Steuern belief sich auf 2,9 Mrd. USD.13 Die beiden Onlinehändler stehen auf globaler Ebene in direkter Konkurrenz zueinander. Auf dem deutschen E-Commerce-Markt teilen sich Amazon, Zalando sowie Otto 45 Prozent Marktanteil und sorgen somit für eine ernst zu nehmende Marktkonzentration.14

Die Vergleichbarkeit der Preise über Onlinehändler sowie die bedeutend effizienteren Möglichkeiten, ein breites und tiefes Sortiment kostenoptimiert über eine Handelsplattform anbieten zu können, treiben den Erfolg. Aus Sicht der Wettbewerbskommission tragen Onlinehändler zum Wettbewerb im Einzelhandel bei, weshalb stationäre Händler aktuell (indirekt) gefordert sind, sich zu verändern, und ihre Strategien auf eine nachhaltige Ausrichtung zu prüfen.15

Wie unterschiedlich die Konzepte zur Wertsteigerung im stationären Handel sein können, zeigt das Beispiel „Click and Collect“. Mit dieser Lösung wird auf die notwendige Problematik der Verknüpfung virtueller und realer Einkaufswelten abgezielt, die eine neue Art und Weise des Einkaufs des Kunden zu etablieren versucht. Offen bleibt, ob diese Vorgehensweise innovativ und funktional genug ist, um langfristig eine messbare Wertsteigerung zu erzielen. Daher bietet sich für eine wertstiftende Innovation an, den Wunsch von 40 Prozent der Befragten nach Beratung am POS als Ergebnis einer Studie zum Thema Zukunft im Handel mit einzubeziehen.16

1.2 Zielsetzung und methodische Vorgehensweise

Gibt es eine Strategie aus Sicht des stationären Lebensmitteleinzelhandels, das Geschäftsmodell des klassischen Austauschs von Waren aus einem begrenzten Sortiment gegen Geldleistungen des Endkunden wertschöpfend zu erweitern? Wenn ja, was könnte mit diesen Wertsteigerungen für interne aber auch externe Stakeholder in diesem wettbewerbsintensiven Marktumfeld gemeint sein?

Diesen Fragen möchte ich mich in diesem Buch widmen. Meine Antwort für mehr Wert im stationären Lebensmittelhandel soll in dieser wissenschaftlichen Annäherung aus zielführenden Erkenntnissen bestehen, die sich auf eine Formel nach Michael Grübbeling beziehen. Die Komponenten dieser Formel - bestehend aus der außerordentlichen Kundenorientierung, dem rigorosen Pragmatismus im Innovationsprozess, der einzigartigen Kreativität sowie der kontinuierlichen Innovation - sollen im reibungslosen Zusammenspiel nach Grübbeling, die Möglichkeit zur Erschließung von mehr Wert bieten.17 Mein persönlicher Anspruch für jedes der vier Kapitel besteht darin, eine Antwort mit theoretischen und praxisrelevanten Inhalten für jede Komponente dieser Formel zu geben. Drei Experteninterviews aus unterschiedlichen Fachbereichen haben mich dabei unterstützt, meinen Konzeptentwurf für mehr Wert im stationären Lebensmittelhandel mit einigen technischen, inhaltlichen sowie nachhaltigen Anforderungen abzugleichen.

Das erste Kapitel der außergewöhnlichen Kundenorientierung geht auf die notwendigen Voraussetzungen zur Bedürfnisbefriedigung des Kunden ein und beginnt mit dem Prozess der Wirkungskette der Kundenbindung. Ergänzt wird diese Methode durch eine Validierung des damit verbundenen ökonomischen Erfolgs und somit der ersten potenziellen Möglichkeit zur Wertsteigerung. Hinzu kommen Erkenntnisse aus neurowissenschaftlicher Forschung, Konsumenteneinstellung und deren Beeinflussung sowie langfristig ausgerichtete Lösungsmöglichkeiten für die Umstrukturierung zu einem kundenorientierten Unternehmen. Der rigorose Pragmatismus im Innovationsprozess steht für die zweite Komponente der Formel und zielt auf ein Markenerlebnis ab, auf das sich der Kunde angewiesen fühlt. Der inhaltliche Fokus liegt auf der Eingrenzung des strategischen Umfeldes und den daraus resultierenden Perspektiven. Ergänzend kommt ein Konzeptentwurf hinzu, der sich an den Anforderungen bestehend aus allen vier Formelvariablen orientiert. Außerdem wird versucht, den Perspektiven aus der strategischen Orientierung möglichst gerecht zu werden. Der Wertbeitrag dieses Kapitels ergibt sich aus der Gegenüberstellung von potenziellen Kosten und Nutzen. Die technischen Anforderungen werden aus zweierlei Ausgangssituationen betrachtet, wie sie aktuell auch von Entscheidern diskutiert werden. Mit den Anforderungen an die Umsetzung endet dieses Kapitel.

Die einzigartige Kreativität als dritter Bestandteil der Formel beleuchtet die Anforderungen an eine Marke, die ein den Kunden inspirierendes Markenerlebnis zu realisieren versucht. Die Verbindung zwischen Theorie und Praxis zielt in diesem Abschnitt auf die Auswirkungen des Konzeptentwurfs auf eine Marke, mit Blick auf die sich damit ergebenden Möglichkeiten zur Profilierung. Der inhaltliche Fokus liegt neben den Herausforderungen auch auf dem Customer Relationship Management, der modernen Customer Journey sowie dem neurolinguistischen Programmieren. Die vierte Variable, die kontinuierliche Innovation, folgt der Fragestellung, wie ein Unternehmen nachhaltig innovativ bleibt. Ergänzt wird die Annäherung um einen Blick auf die Eckpunkte des Innovationsprozesses, die Herausforderungen sowie die Entwicklungspotenziale. Der Praxisbezug entsteht hier auf Grundlage eines Experteninterviews zum Thema nachhaltige bzw. ökologische Ausrichtung. Die Handlungsempfehlungen ergeben sich aus dem Zusammenspiel aller Entscheidungsgrößen. Mit dem Fazit enden die Ausführungen für mehr Wert im stationären Lebensmittelhandel.

1Gritsch 2017, S.12

2Vgl. Wirtz 2018, S. 27 f.

3Vgl. Wirtz 2018, S. 30.

4Vgl. WirtschaftsWoche 2018.

5Vgl. Probe/Seidel 2018, S. 14 ff.

6Vgl. GELD-Magazin 03/2014, S. 54 f.

7Vgl. Pohlmann 2016, S. 38 ff.

8Vgl. Zukunftsinstitut 2018.

9Vgl. ebd.

10Vgl. Hippel 04/2002.

11Vgl. PwC Deutschland 2015a.

12Vgl. Spiegel Online 2017.

13Vgl. Statista 2016.

14Vgl. Welt 2016.

15Vgl. ebd.

16Vgl. PwC Deutschland 2015b.

17Vgl. Michael Grübbeling 2018

2. Außergewöhnliche Kundenorientierung

Dies bedeutet aus Sicht eines Unternehmens, die Investitionen in die bereitgestellten Angebote anhand der Bedürfnisse der Kunden auszurichten.18 Das Ziel besteht darin, ein Markenerlebnis bzw. einen erlebbaren Kundennutzen zu schaffen, ohne den der Kunde nicht leben möchte. „Der Kunde ist König“, dessen Bedürfnisse und Erwartungen den modernen Begriff der Customer Centricity prägen – nach einfacher Übersetzung die „außergewöhnliche Kundenorientierung“. Doch was umfasst dieser Begriff noch? Die unterschiedlichen Definitionen vergrößern den Radius der thematischen Zusammenhänge: „Understand(ing) your customers requirements“19 oder „Customer Centricity is the sense of putting the customer at the center. However the customer is defined, meant are stakeholders, prospective buyers, customers of customers or their influential social connections, employees, suppliers, channel partners or even journalists.“20

Firmen kommunizieren heute mit ihren Kunden auf eine andere Art und Weise, als es noch vor wenigen Jahrzehnten der Fall war. Mit der Veränderung technischer Möglichkeiten ist auch ein neues Verständnis für die Kundenorientierung eines Unternehmens entstanden. Gründe dafür sind u. a. die Vernetzung und deren tief greifende Auswirkung auf den einzelnen Menschen sowie die Verhaltensweise der gesamten Gesellschaft. Der Wandel vom Buchdruck zu den modernen Medien unterstreicht diese Entwicklung, die zukünftig weiter voranschreitet. Die maschinelle Kommunikation wird nur schwer, wenn nicht sogar unmöglich von der menschlichen Kommunikation zu unterscheiden sein. Mit Blick auf die kundenorientierte Ausrichtung eines Unternehmens ist deshalb das technische Zusammenspiel aus Codes, Datenspeichern und Algorithmen stets zu überprüfen und an Veränderungen anzupassen.21 „No computer has ever been designed that is ever aware of what it´s doing, but most of the time we aren´t either.“22

Der Ursprung dieser Realität führt zurück in die Epoche der Industrialisierung, in der die Nachfrage durch die bereitgestellten Angebote bestimmt wurde. Die bestehende Knappheit machte eine Orientierung an vorherrschenden damaligen Kundenwünschen und bestehenden Erwartungen nicht notwendig. Aufgrund des zunehmenden Wettbewerbsdrucks, der fortschreitenden Innovations- und Experimentierfreude sowie des Internet of Things (IoT) veränderten sich jedoch die Ansprüche des Kunden. Der technologische Wandel beeinflusst das Preis- und Qualitätsempfinden jedes Einzelnen. Im Ergebnis ist dieses neue Level an vorherrschender Erwartung zu einer Grundvoraussetzung geworden, mit der sich ein Lebensmittelhändler nicht mehr vom Wettbewerber abheben kann. Die neue Kundenerwartung ergibt sich aus der besten Erfahrung, die der Kunde unabhängig der Situation macht. Besonders die für den Kunden erlebbare Bequemlichkeit, Produkte jeglicher Ausführungen durch neue digitale Möglichkeiten nach Hause geliefert zu bekommen, beeinflusst dessen Einstellung erheblich und verändert das Kaufbewusstsein sowie die Kundentypologien. Kunden in den Märkten zu halten, wird in Anbetracht der aktuellen und zukünftigen Möglichkeiten des Einkaufens davon abhängig sein, welche innovativen und mehr Wert stiftenden Konzepte jeder stationäre Händler profilieren kann.

Der Kunde von heute ist auf der Suche nach einem Erlebnis bzw. einer Inspiration im stationären Geschäft, nur dann lohnen sich für die meisten der Weg und die Zeit, einkaufen zu gehen. Hinzu kommt, dass auch die bekannten Onlinehändler wie Amazon Filialkonzepte wie Amazon Fresh auf dem amerikanischen und dem europäischen Markt etablieren, um Marktanteile insbesondere am stationären Handel zu gewinnen. Bestehende Formate zeigen beispielsweise unbemannte Convenience Stores, in denen anonymes Einkaufen ohne Personal und ohne Zeitverlust an der Kasse möglich ist. Insbesondere die Großfläche muss sich den erheblichen Veränderungen stellen, da bisher die Kundenerwartungen nach Inspiration und schnellem Einkauf dort nicht mehr zeitgemäß erfüllt werden. Die Neuauflage kann eine Mischung aus attraktiver Verkaufsfläche, Gastronomie und Veranstaltung sein. Kundenbindung entsteht in dieser Konstellation durch den erlebbaren Service. 23 „Der Lebensmittelhandel befindet sich in einem grundlegenden Umbruch. Traditionelle Händler werden in zwei Richtungen gezogen. Sie müssen nahtlose, günstige und schnelle Online-Einkaufsmöglichkeiten schaffen und gleichzeitig das Ergebnis auf der Fläche steigern.“24

Der Kunde kauft dort, wo die Handelsleistung aus einer Verknüpfung zwischen virtueller und realer Einkaufswelt resultiert. Wie unterschiedlich diese These in der Praxis ausgelegt und getestet wird, zeigen exemplarisch Händler wie Aldi, Globus, die Schwarz-Gruppe, Rewe oder Alibaba. Aldi Süd und Aldi Nord nehmen mit einer Gesamtsumme von etwa 9 Mrd. Euro das größte Investitionsvolumen in der Firmengeschichte auf. Bis 2019 sollen 3,5 Mrd. Euro bei Aldi Süd dazu beitragen, das Sortiment zu optimieren sowie 1900 Filialen zu modernisieren. Aldi Nord investiert 5 Mrd. Euro in 3500 Standorte mit dem Ziel eines freundlicheren und helleren Erscheinungsbildes. Der Fokus liegt dabei besonders auf frischen Waren wie Obst und Gemüse sowie Fleisch und Fisch. Die Aufnahme zusätzlicher Markenartikel soll ebenfalls vorangetrieben werden.

Ein alternatives Konzept neben der Flächenmodernisierung sind die „Drive-in-Stationen“ von Globus, die allerdings wegen fehlender Frequenz vorerst eingestellt wurden. Das „Click und Collect“-Konzept sowie den Handel mit Lebensmitteln über das Internet legte Lidl im Gegensatz zur Unternehmensschwester Kaufland bereits im Februar 2017 auf Eis. Nach über einem Jahr der Testphase ist man bei Kaufland im Dezember 2017 zu dem Ergebnis gekommen, dass Lebensmittel mit dem Ziel, gleiche Preise online wie offline anzubieten, nicht kostendeckend über das Internet verkauft und ausgeliefert werden können.25 Edeka Xpress oder Manora fresh to go sind ebenfalls Konzepte, die nicht flächendeckend ausgerollt werden konnten. Rewe to go hingegen wurde nach langer Testphase durch die Kooperation mit der Tankstellenkette Aral um weitere Standorte national erweitert. Zusätzlich baut Rewe die Lieferung nach Hause als zusätzlichen Service aus, der vom Kunden erwartet wird. Jan Kunath, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Rewe, behauptet: „In Zukunft wird sich der Kunde jeden Tag neu entscheiden, ob er seine Lebensmittel im Laden kauft, abholt oder sich liefern lässt.“26 Der Vorstandsvorsitzende Lionel Soque greift das Ergebnis der Investitionen von mehr als 2 Mrd. Euro in das Filialnetz, die Mitarbeiterentwicklung sowie die Digitalisierung wie folgt auf: „Ob die Digitalisierungsstrategie erfolgreich war, werden wir in zehn Jahren nicht daran sehen, wie viel Umsatz wir beim Lieferdienst machen. (...) Was zählt, ist: Wie haben wir durch die Digitalisierung unsere Märkte verstärkt, die es nach wie vor geben wird?“27 Schlüssel zum Erfolg ist die Verzahnung von virtuellen Möglichkeiten mit den realen Gegebenheiten wie beispielsweise die Abholung im Markt, Kunden-W-LAN in allen Filialen, Artikel scannen per App sowie das Bezahlen per App.28

Ähnlich zu den europäischen bzw. deutschen Formaten ist Alibaba auf dem asiatischen Markt mit Hema Fresh präsent. Hier hat der Kunde die Möglichkeit, Waren zu einer beliebigen Zeit und an einem beliebigen Ort abzuholen oder sich liefern zu lassen. Jack Ma, der Gründer von Alibaba, prophezeit, dass durch das Verschmelzen von Online und Offline der „klassische“ E-Commerce verschwindet und in ein paar Jahren ein neues Ganzes entsteht. 29 Die Investitionssummen in verschiedene Verkaufskonzepte zeigen, dass der erwartete Wertbeitrag immensen landestypischen Anforderungen unterliegt und deshalb längerer Testphasen anstehen, bevor ein Konzept marktreif ist. Ein wesentlicher Erfolgstreiber ist die Orientierung am Wunsch der Kunden. Die notwendigen Informationen werden im Wege der Ausrichtung auf die Customer Centricity erzeugt, also über die regelmäßige und systematische Erfassung und Analyse von positiver sowie negativer Kritik der Kunden. Dieser Prozess beginnt bei Investitionen in die Grundlagen für eine langfristig stabile und wirtschaftlich gewollte Beziehung zum Kunden. Das Ziel besteht darin, die wirklich wichtigen Bedürfnisse der Kunden zu erkennen und das angebotene Endprodukt dahingehend zu optimieren.30

Die Dauer der Beziehung zum Kunden validiert die Customer Lifetime Value (CLV). Sie beziffert den investitionstheoretischen Kundenwert, der sich rückwirkend aus der Verrechnung von geleisteten Ein- und Auszahlungen ergibt. Dieser Wert macht unterschiedliche Käufertypen vergleichbar. Auf Basis einer Historie an Werten sind zudem vorhandene Budgets zielgerichteter und längerfristig planbar. Die Grundlage der Berechnung ist – analog zur Kapitalwertmethode – die Summe der diskontierten Differenzen aus Ein- und Auszahlungen des Kunden im Zeitablauf.

Die zeitlichen Abstände der Zahlungen enthalten Informationen über eine mögliche kontinuierlich auftretende Kauf- bzw. Produktgewohnheit. Die Erkenntnisse beeinflussen die Art und Weise der Interaktion mit dem Kunden. Eine wichtige Voraussetzung bei einer bestehenden Transaktionskontinuität ist ein funktionierendes und über alle Kontaktpunkte agierendes Beziehungsmarketing. Dabei sind zwei Aspekte zu beachten. Die Ausrichtung als Diagnose- und Aktionsinstrument prognostiziert den Markterfolg von Produkten und lernt aus eigenen Schwachstellen. Diese gewünschte Attitude ermöglicht die Marktsegmentierung und hilft diese zu verbessern. Die zweite Komponente umfasst Ziel- und Kontrollgrößen, um alle Kennzahlen genauer zu analysieren. Bestandskunden, die kategorisierbar sind, können mithilfe personalisierter Daten und der Kaufkontinuität (messbar im CLV) zu einer valideren Investitionsplanung beitragen. Kundendaten können also dabei hilfreich sein, Investitionsmotive zu entwickeln. Außerdem kann eine Community bzw. Kundengruppe in Social-Media-Kanälen sowie durch Influencer oder den Unternehmensauftritt in ihrer Meinung beeinflusst werden, was sich ebenfalls auf den CLV auswirkt. Ein Markenerlebnis kann neben einer Digitalisierungsstrategie auch durch „ein selektives, innovatives und Daten-gestütztes Category-Management im Verbund mit einer zielgruppenadäquaten Warenpräsentation und arrondierenden Serviceleistungen gegenüber dem Kunden“32 gesteuert werden.

2.1 Die Wirkungskette der Kundenbindung

Der Kunde ist das immaterielle Vermögen eines Unternehmens, wobei der Wert dieses Guthabens nur durch den Fortbestand dieser Beziehung bestehen bleiben und insbesondere bei bestehenden Kunden durch die gezielte Steuerung unterschiedlicher Einflussgrößen wie z. B. der Steigerung der Wiederkaufrate, den Nutzen von Cross-Buying-Potenzialen, aber auch die Steigerung von Weiterempfehlungen gesteigert werden kann. Jeder Wertschöpfung stehen Kosten für Erstkontakte des Unternehmens mit dem Kunden entgegen, welche regelmäßig deutlich höher ausfallen als die Bedürfniserfüllung und Bindung bestehender Kunden durch eine funktionierende Kundenorientierung.33

„Die beste Sprache ist immer jene des Kunden.“34Anton Fugger (1493–1560)

Der Grundansatz der Kundenorientierung sollte laut Anton Fugger darin bestehen, die Sprache des Kunden zu verstehen und zu sprechen. Sie zielt auf die Bedürfnisse ab, die tief im menschlichen Unterbewusstsein angesiedelt und emotional behaftet sind. Die Bedürfnispyramide nach Maslow soll hier als Modell herangezogen werden. Die Basis bildet das Grund- bzw. Existenzbedürfnis, worauf die Bedürfnisse nach Sicherheit (materiell/beruflich), sozialer Anerkennung (Freundschaft), Selbstachtung sowie Selbstverwirklichung folgen.35 Aus Sicht des Kunden ist es wichtig, die gelebte Kundenorientierung glaubhaft zu vermitteln, um somit das höchste Maß an Zufriedenheit zu erzielen. Damit dies gelingt, ergeben sich für das Unternehmen drei Ziele: Das Erste bezieht sich auf die Informationsorientierung und besteht in der Erhebung und Analyse kundenbezogener Informationen. Das Zweite steht für Leistungs- und Interaktionsorientierung. In diesem Zusammenhang geht es um die Ausprägung der wesentlichen Einflussfaktoren, die mit der Leistungserstellung verbunden sind. Bedürfnisse und Erwartungen sollen einerseits von den Mitarbeitern sowie andererseits vom Leistungsangebot inklusive zusätzlicher Serviceleistungen erfüllt werden. Die Kultur- und Philosophieorientierung umfasst das dritte Ziel. Dies beinhaltet Normen, Werte und Überzeugungen, die gegenüber dem Kunden von jedem Mitarbeiter repräsentativ gelebt werden sollten. Der Grad der Ausprägung kann für Führungskräfte zudem ein Indiz für die Identifikation des Mitarbeiters mit dem Unternehmen sein. Das Zusammenspiel aller Ziele prägt in der Austauschbeziehung zwischen Kunde und Unternehmen die Stärke der Bindung. Somit entsteht ein Einfluss auf die rationale Entscheidungsfindung. Bereits in dieser Hinsicht kann die kleinste Verletzung der emotional gekoppelten Bedürfnisse bzw. Erwartungen einen Abbruch der Geschäftsbeziehung bedeuten und den Fortlauf der Wirkungskette verhindern.36

Die Wirkungskette der Kundenbindung nach Bruhn und Homburg unterteilt den fortlaufenden Prozess in unterschiedliche Phasen. Der höchste Reifegrad ist mit der erfolgreichen Kundenbindung erreicht. Aus dieser langfristig ausgerichteten und stabilen Beziehung zum Kunden resultiert im Anschluss ein ökonomischer Erfolg. 37 Bevor allerdings dieser unternehmerische Wert entstehen kann, sind unterschiedliche Arten der Kaufentscheidung zu berücksichtigen. Die extensive Entscheidungsfindung beruht auf den persönlich präferierten Produkten (Choice Set), die nur nach intensivem Abwägen der Vor- und Nachteile gekauft werden. Zu diesem Prozess gehört auch das Abwägen der Produktalternativen. 38