Mein Affe macht Theater - Wolfgang Haberl - E-Book

Mein Affe macht Theater E-Book

Wolfgang Haberl

0,0

Beschreibung

Aus "Der Flirt #3" MICK: Schweißfüßiger Mulatte hatte Gefühle im Furzkoffer und wienert rehäugigem Krankenpfleger die Fresse. Rhesus-Negativ verstärkt die Putzkraft von Sand und Soda. Ata sieht alt aus. DICK: Steig aus der Bindung, Ludwig. Berg ruft schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Selbst aus den bayerischen Wäldern und Wiesen erhebt sich vernunftbegabter Nebel. Aus: "Das Wochenende" WILLY (aus dem Off): "Neu". Ein Wort mit drei Buchstaben. Ein Wort, mit dem ich nicht spielen kann. Ein Wort, von dem jeder spricht. Ein Wort, von dem auch ich spreche. Ein Wort, das ich in den Mund nehme. Ein neues Paar Schuhe. Eine neue Schallplatte. Ein neues Leben. Ein Beginn vom Nullpunkt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 72

Veröffentlichungsjahr: 2017

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mein Affe macht Theater

Titel SeiteVorwortDer Flirt #3Das Wochende

Mein Affe macht Theater

2 Bühnenstücke

Wolfgang Haberl

Impressum:

Texte: © Copyright by Wolfgang Haberl

Umschlag::© Wikipedia-Eintrag „Orang-Utans“

                   Aus: Illustrierter Leitfaden der Naturgeschichte des Thierreiches, 1876

Verlag:Wolfgang Haberl

Via dei Dauni 24

00185 Rom

Italien

[email protected]

ISBN: 978-3-7450-7027-9

Vorwort

Es ist inzwischen mehr als 30 Jahre her, als ich Mitte der achtziger Jahre im damaligen West-Berlin den 2007 leider viel zu früh verstorbenen Tom Cuson kennen lernte. Ich studierte damals Nordamerikanistik, aber mein Englisch war nicht gut genug für das anspruchsvolle Advanced Writing des Hauptstudiums. Deswegen mussten Nachhilfestunden mit Tom her, der sich als freischaffender Künstler mit disparaten Jobs über Wasser hielt, vor allem mit seinen Capoeira-Kursen (ein brasilianischer Kampfsport) und Tipp-Arbeiten auf damals noch ziemlich unbekannten Wordprocessing-Programmen. Der Berliner „Tagesspiegel“ pappte ihm in einem Interview aus dem Jahre 2003 das Etikett eines Journalisten und Wissenschaftlers auf. Na ja. Zutreffender waren da wohl die Berufsbezeichnungen Lyriker, Musiker und Fotograf, die im Nachruf Jesse Hamlins vom 13. September 2007 zu lesen sind. Die biographischen Notizen dort sind spärlich. Geboren in Dayton in Florida, veröffentlichte Tom Cuson seit den Sechzigern seine Gedichte in heute legendären Zeitschriften und Anthologien („New York Quarterly“, „City Lights Anthology“). Eine 1974 veröffentlichter Lyriksammlung „The Vision oft he Burning Gate“ blieb wohl sein einziges eigenständiges Buch. In diesen Jahren veranstaltete er in San Fancisco auch Lyriklesungen in der „Coffee Gallery“, leitete das „Intersection for the Arts' literary program“ und war in Kontakt mit vielen wichtigen damaligen Schriftstellern Nordamerikas der Counter-Culture. Während meiner Englischstunden erzählte er mir auch von Sam Shepard, den er persönlich kennengelernt hatte. Ich begann etliche von Shepards Theaterstücken zu lesen, ließ mich von seinem Cowboy-Schreibstil beeindrucken und versuchte mich unverschämt dilettantisch an zwei eigenen Theaterstücken, die sowohl inhaltlich als auch stilistisch stark an Shepards Thematiken und Duktus erinnern. Im Jahre 2012 habe ich dann diese schreibmaschinengeschriebenen Manuskripte in Word-Dateien eingetippt, aber außer Rechtschreibfehlerkorrekturen nur behutsam Veränderungen und Aktualisierungen vorgenommen. Ganz klar: Die Texte hatten offensichtliche Schwächen, ihre kulturellen Bezüge waren inzwischen oft veraltet, aber allzu heftige Eingriffe hätten nur ihre Authentizität zerstört. Weitere fünf Jahre waren ins Land gegangen, als ich beschloss, diese zwei Stücke in einem kleinen Buch zu veröffentlichen. Aber hatte es überhaupt Sinn, zum Manuskriptgrabräuber zu werden und zu glauben, dass diese Texte für ein heutiges Publikum von Interesse sein könnten? Unabhängig von ihrem schwankenden Niveau war es doch reichlich surreal, pathetisch und wahrscheinlich auch hundsgemein, meine ödipalen Konflikte in eine wie auch immer große deutschsprachige Öffentlichkeit hinauszuplaudern. Im Vergleich zur Mitte der achtziger Jahre hatte sich in Deutschland und anderswo so ziemlich alles verändert. Auch meine ureigenen privaten und intimen Befindlichkeiten hatten sich radikal gewandelt. Meine Eltern waren beide inzwischen verstorben. De mortuis nil nisi bene. Das Verhältnis gerade zu meinem Vater hatte sich schon vor der Jahrtausendwende erheblich verbessert und besaß kaum mehr etwas von dem Generationenkrieg, den ich in den zwei Stücken anzettle. Doch alle diese durchaus berechtigten Einsprüche gegen eine Veröffentlichung änderten nichts daran, dass ich Betonkopf weiterhin davon überzeugt blieb, dass die von mir hier losgelassenen Todestriebe (um den Begriff Sigmund Freuds zu bemühen), die sich damals sowohl gegen mich selbst als auch gegen meine Eltern und die ganze Gesellschaft richteten, die Büchse der Pandora öffneten und den fauchenden Esso-Tiger in den Tank stopften, der mich aus meiner bayrischen Geburtsstadt wegscheuchte, zuerst nach oben zu den verachteten Preißn und später, nach einem U-Turn und weit nach unten, in ein unmögliches Südeuropa. Das war Rebellion pur gegen meine Herkunft. Eine solche Opposition, die sich aus den Quellen einer verschwindenden Späthippiekultur und einer damals in Westdeutschland noch recht umtriebigen Punkszene speiste, betraf aber nicht nur meine eigene kleine Person. Dann hätte ich auch den Deckel drauflassen können. Doch ein Großteil der damals von West-Deutschland nach West-Berlin verirrten, zwischen 1950 und 1965 geborenen Existenzen hatten, vermute ich, ähnliche Gefühlsgemengelagen und Weltansichten wie ich selbst. Das waren, so fand ich, wenn schon nicht gute, so zumindest hinreichende Gründe für den Schritt aus dem stillen Kämmerlein. Warum sollte ich mich über mein damaliges Seelenkorsett schämen (vor allem eine ziemlich lächerliche Macho- und Cowboy-Attitüde, die eigentlich nur meine Isolation und Traurigkeit verbarg), wie immer eng und abstrus es damals daherkam? Im günstigsten Fall waren meine zwei Stücke nicht nur private Fingerübungen, sondern auch authentische Zeitdokumente, in denen die Stimmungslage eines rebellischen West-Berlins in den Jahren kurz vor dem Mauerfall zur Sprache kam.

Der Flirt #3

Darsteller:

GALAXIANA – Mitte zwanzig; dunkler Typ; elegant

ALTE FRAU – siebzig; hässlich

MICK – Ende zwanzig; groß; hager; verlottert

DICK – um die zwanzig; dick

EDDY, FREDDY, TEDDY – Ende zwanzig; vulgär; streitlustig; angetrunken

Szene Eins

(Ein Schreibtisch, der von neben und übereinander gepackten Zigarettenpackungen, Papierseiten und jeder anderen Art von Krimskrams überquillt. Hinter dem Computer sitzt MICK, in einem billigen roten Bademantel, mit frisch gewaschenen ungekämmten, langen Haaren. Er sieht müde aus. Nach einiger Zeit betritt GALAXIANA die Bühne von der andren Seite. Sie trägt einen teuer aussehenden blauen Bademantel. In der einen Hand hält sie einen Kassettenrekorder, in der anderen eine große schwarze Schachtel aus Pappkarton. In ihr liegen verschiedene Tonkassetten, Magazine, Notizzettel, Taschenbücher, Postkarten, Briefe und anderes mehr. Als sie in der Mitte der Bühne ankommt, schüttet sie mit einem lauten Geräusch die Pappschachtel auf dem Bühnenboden aus. GALAXIANA kramt in den auf dem Boden herumliegenden Kassetten und spielt eine Reihe von Liedern für einige Sekunden auf dem Kassettenrekorder an. Schließlich findet sie das Stück „Stürzende Sterne“. Sie tanzt zu dem Lied)

Stürzende Sterne

Stürzende Sterne

In der nassen Nacht

Ein Tumor von Traum

Hält einsame Wacht

Morgensonne spielt in Wasserpfützen

Schau wie sie golden glänzen

Aber ich will keinen neuen Tag

Ich will mein Leben schwänzen

(Das Lied endet. GALAXIANA hört auf zu tanzen. Sie steht einige Sekunden unschlüssig auf der Bühne herum. Dann sucht sie unter den herumliegenden Kassetten eine neue. Sie legt sie in den Rekorder und spielt sie ab. Diesmal ist es ihre eigene Stimme, die zu hören ist. Während der aufgenommene Monolog läuft, sitzt GALAXIANA direkt vor dem Kassettenrekorder im Schneidersitz auf dem Bühnenboden und hört ihrer eigenen Stimme aufmerksam zu. Die Bühnenbeleuchtung geht aus. Die Bühne ist während des gesprochenen Monologs völlig dunkel. Nur GALAXIANAS Stimme aus dem Kassettenrekorder ist zu hören)

GALAXIANA (aufgenommene Stimme vom Kassettenrekorder): Es ist nicht so, dass ich mich beschissen fühle. Es ist nicht so, dass mir sein unausgeschlafenes Gesicht nicht gefällt, wenn er am Morgen neben mir aufwacht. Er taucht sogar in meinen Träumen auf. Es ist nicht so, dass ich seine Zunge nicht mag, wenn sie mein Rückgrat herunterstupst. Es ist nicht so, dass ich manchmal nicht weiß, wie ich es ihm sagen soll. Ich mag ihn. Eigentlich. Jeden dritten Tag will ich von ihm davonlaufen. Bei jedem siebten Satz verletzt er mich. Wir streiten mehr als wir reden. Ich erzähle ihm auch nicht alles, was ich tue. Manchmal lüge ich ihn auch an. Es ist nicht so, dass ich nicht launisch wäre. Es ist nicht so, dass ich nicht stolz wäre. Manchmal fürchte ich mich sogar vor ihm. Manchmal finde ich ihn zum Kotzen. Es ist nicht so, dass ich mich beschissen fühle. Es ist nicht so, dass mir sein unausgeschlafenes Gesicht nicht gefällt, wenn er am Morgen wortlos am Computer sitzt. Manchmal taucht er sogar in meinen Träumen auf. Nicht wirklich oft, zugegeben. An einmal kann ich mich jedenfalls noch ganz genau erinnern. Es ist nicht so, dass ich seine Zunge nicht mag, wenn sie mein Rückgrat heruntertastet. Die Delle im Rückgrat. Seine Hände sind manchmal heiß und schwitzen. Ich unterhalte mich oft mit ihm. Ich gebe ihm Ratschläge, welche Farben er für seine Socken und Unterhosen wählen soll. Ich ertrage sein Gesicht Tag für Tag und Nacht für Nacht. Manche Sachen von mir erzähle ich ihm einfach nicht. Manchmal lüge ich ihn auch an. Sein unausgeschlafenes Gesicht und seine wortlose Art am Morgen sind eigentlich unerträglich. Manchmal taucht er sogar in meinen Träumen auf. Nicht wirklich oft, zugegeben. An einen Traum kann ich mich jedenfalls noch ganz genau erinnern. Da ist kein Unterschied zum wirklichen Leben. Vieles von dem, was ich tue, verschweige ich ihm. Fast alles von dem, was ich denke, verheimliche ich vor ihm. Mit meinen wahren Gefühlen halte ich gern hinter dem Berg und Zaun. Vor ihm.

(MICK steht vom Schreibtisch auf und geht auf GALAXIANA zu. Er legt seine Arme von hinten um ihre Schultern, als er zum Publikum spricht)

MICK: Guck dir das Publikum an, Prinzessin. Warum gehen die Leute ins Theater? Warum sitzen sie nicht in einer Pizzeria? Was ist am Privatleben von anderen Menschen so interessant? Wie fühlt man sich dabei, sein Innenleben der Welt draußen zu zeigen? Was sind das nur für Scheiche, die nicht in einen modischen Harem gehen?

(beide ab)

Szene Zwei

(