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Elisabeth Reicharts zweiter Gedichtband beginnt mit einem zärtlichen TROTZDEM, sieht mit Eulenaugen auf verstörende Zusammenhänge, wird zu einem Zyklus der Elemente, die nicht für sich allein stehen, sondern als untrennbarer Teil von uns selbst aufleuchten, vielschichtig in ihren Funktionen, mythisch verankert. Für das Wasser, lebenswichtig und verschlingend, findet die Lyrikerin außergewöhnliche Bilder, die uns tief hineinziehen in eine faszinierend grausame Wahrheit. Wir verschmelzen mit den Elementen, bis wir das Wasser als unser Sein erkennen, den Wind als unseren Atem-Wind. So wird der als störend und zerstörerisch wahrgenommene Außenseiter zum Symbol für das Abgelehnte. Nach "In der Mondsichel und anderen Herzgegenden" überzeugt Elisabeth Reichart mit dem vorliegenden Gedichtband erneut als Lyrikerin. In teils wortgewaltigen, teils leisen Gedichten entwirft sie eine Poetik der Elemente und Himmelsrichtungen, der gewaltigen (auch gewaltig schönen) Natur, der Liebe und ihres Verschwindens. Ihre Sprache verzaubert, weist alle Zumutungen von sich, erhebt uns zu sich. Reichart schafft Bilder, vibrierend vor Sehnsucht, deren Schönheit durch vielfältige (nicht nur elementare) Bedrohungen in die Sprachlosigkeit aufgelöst wird. Zurück bleibt eine Poesie der Gratwanderung zwischen trügerischer Leichtigkeit und dem Abgründigen – verführerisch nach beiden Seiten.
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Seitenzahl: 39
ELISABETH REICHART
Gedichte
Die Drucklegung dieses Buches wurde gefördert von denKulturabteilungen der Stadt Wien (Literatur), Oberösterreich und Stadtund Land Salzburg.
www.omvs.at
ISBN 978-3-7013-1273-3
eISBN 978-3-7013-6273-8
© 2019 OTTO MÜLLER VERLAG SALZBURG-WIEN
Alle Rechte vorbehalten
Satz: Media Design: Rizner.at
Druck und Bindung: Christian Theiss GmbH, A-9431 St. Stefan
Cover: Media Design: Rizner.at
TROTZDEM
Schüttle die Worte
Mondsüchtig
Glücksrausch
Medusa
An dich geschmiegt
In der Dämmerung
Vertraue
Der Gesang des Frühlings
Der Schmerz wacht in den Worten
In die Stunde der Geister
Deine Augen träumen dich
Herzzungen reden
Nahe/Ferne
Vollkommene Schönheit
Wortgeister
Freundinnen flüchteten
Der Ring passte nicht
Fremdes Stiegenhaus
I/II
Atemmusik
Im Traum
In dir lache ich
Ich bin ein Lied
Die harten Schreie der Krähen
EULENAUGEN
Bevor wir lachten
I/II
Sie geht mit leisen Schritten
Wohin
Zungen reden
Fastenzeit
Spinnenland
I/II
Mit ihrer verzweifelten Hand
Vorgestern wollten wir
Die Dichterin
Mein Gesicht
Die schwarzen Winde
Verstaubter Koffer
Vergorene Sätze
WASSER
Lethe/Mnemosyne
Springt Worte, springt
Die Flüsse lachen
Im heißesten Sommer
Der kleine Bach
Vor dem Taifun
Springende Fische
Ägäische Fluten
See
Das Orakel von Delphi
Abschiedstränen
Wasser I
Wasser II
ERDE
Vollmond
Vielleicht
Heute würde der seit Tagen
Die Wölfe heulen
Siegfried und Achill
Gaia
FEUER/LICHT
Wortsonnen wollen
Schweben
Endlich vogelfrei
Sternschnuppen
Der Geliebte der Wolken
Erste Liebe
Leuchtkäfer erschrecken
Fegefeuer
Feuer I
Feuer II
Ein Blatt tanzt
Kairo
All die Zauberstäbe
Bergmolche bewegen sich
Der Wald
Dämmerung
MEIN GELIEBTER, DER WIND
Mein Geliebter, der Wind
aus dem Mantel der Freude
lass sie aufleuchten
verglühen
als wären sie
begabte Selbstdarsteller
im Karussell des Lachens
inmitten des Flussdeltas
gepeitscht vom Flügelschlag
durchziehender Vögel
im Gepäck den Wortkosmos
mit den vergilbten Lauten
schrillen Tönen
Wortungeheuern
gebrochenen Silben
Wortkelche werden gereicht
das Wasser perlt den Satz entlang
verschluckt ein Wort
spuckt auf ein anderes
Die Sätze weigern sich
noch einmal zu leuchten
inmitten der Lautgespenster
Im freien Fall halte ich den Atem an
fangen die Worte mich auf
Im Wortgefieder
träume ich
in verklungenen Sprachen
Aus dem Wald kommend
steht mitten am Tag
der Vollmond vor mir
riesig und durchsichtig
nah genug für eine Umarmung
Staunende Augen
groß wie der Mond
Bleiben, immer so bleiben wollen
inmitten der Schönheit
süchtig nach ihr
bereit zu jeder Unterwerfung
Die Vögel sind verstummt
sie sind auf den Mond ausgewandert
ohne mich
Allein gelassen
bleibt mein Kopf
mein einziger Spielplatz
Ich verschlinge den Mond
in mir singen die Vögel
und sie wissen von nichts
Wintersonnenwald
funkelnde Kristalle
Glitzermeer
Schnee/Erde
Meine Hündin
wälzt sich
auf dem vereisten Weiß
mit ihrem breitesten Lächeln
Nur auf hartem Schnee
erlebt sie diesen Glücksrausch
Betört von ihrer Freude
folge ich ihr in den Gesang der Kristalle
Träume zu Albträumen vergoren
jagen mich wie Fallgeräusche
Nichts schützt mich
vor der Erstarrung
in die ich gleite
bis das Feuer mich wärmt
weiche Erde
sinkendes Sein
Der Schnee
löscht das Feuer
bedeckt mich
mit seiner Stille
Im Frühling
fließe ich talwärts
rauschendes Schmelzwasser
bereit auszuufern
Erde dringt ein
Erde dringt aus mir
zu Schlamm geworden
entstehe ich neu
an Medusas Hand
Herrscherin
Schönste der Schönen
und ich, Schlammweib
fließen in grenzenlosen Flüssen
erheben uns in den Südwind
Fliegen können
uralter Traum
ich vermisse
die Fantasie
der Griechen
lasse Medusa auferstehen
und Pegasus
der Enthaupteten
entsprungenes Dichterpferd
Poseidon und der Dreizack
eingegrabenes Bild
Gott der Meere und aller Gewässer
Verbündeter der Winde
konnte die Erde erschüttern
verkörperte sich im Meeressturm
drängte seine Vorgänger
ins Vergessen
begehrte die Schönste:
Medusa
Im Märchen die Frage:
Wer ist die Schönste im ganzen Land
Abhängige Königin
Unabhängige Medusa
Schönste der Schönen
nie hätte sie diese Frage gestellt
wie Lilith sie nie stellte
die auf Erden nicht bleiben durfte
Medusa, Lilith
ins Urschweigen gedrängt
auferstanden von den Toten
in die Sprache zurückgeholt
den schlecht versiegelten Schmerz
Die mächtige Gorgonin Medusa
beauftragte ihren Sohn
alle Frauen ihresgleichen
in den Norden zu fliegen
zu Gaias Gebirgen
mit Eis und Schnee bedeckt
In ihnen will ich auferstehen
nach dem Schlaf der Musen
Gewöhne dich nicht an dich
mein Dichterpferd
schmecke den Staub
deiner Gedanken
bade im Schnee
er wird dich
beflügeln
ertrage ich die
Kreidestimmen
Ohne dich
wird mein Körper
zum fernsten Stern
Die Wölfe
kommen wieder
Rotkäppchen lauscht
den Angstgespenstern
gefallener Engel
Gestern
ist sie an ihnen
erstickt
während sich
Tag und Nacht
umarmen
flüsterst du
dein Nein
Voll Hass
starrst du
in die Verschwommenheit
Meine Lippen
zittern
auf deinen Lidern
Wimpernberührt
den Gezeichneten
Lachenden
Weinenden
Ich habe tausend und einmal
das Grinsen
aus der Leere gewischt
bis meine Hand
mich verlassen wollte