Mein Leben mit dem Tod - Tom Werde - E-Book

Mein Leben mit dem Tod E-Book

Tom Werde

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Beschreibung

Kein Buch vom "Leben retten" Ein Notarzt, der nur vom Sterben schreibt – darf er das? Warum nicht? Viele "Retter", Ärzte, Krankenschwestern und –pfleger, kurz Menschen, die regelmäßig mit dem Tod anderer Menschen konfrontiert sind, pflegen einen eigenen Umgang mit dem Thema "Tod und Sterben". Während der Tod in der heutigen Gesellschaft häufig keinen Platz im Alltag finden darf, sind sie es gewohnt, offen darüber zu reden. Für "Unbeteiligte" wirkt das oft befremdlich, möglicherweise gar respekt- oder pietätlos. Doch ist das so? Sind wir so? Diese Frage ist das Grundmotiv von "Mein Leben mit dem Tod": Autobiographisch folgt dieses Buch dem Autor auf einer Reise durch seine Entwicklung, gewährt Einblick in seine Gefühlswelt und den stetigen Wandel seiner Einstellung zu Leben und Tod. Zwischen Analyse und eigener Verarbeitungsstrategie spricht Tom Werde die Einladung an den Leser aus, an seinem "Leben mit dem Tod" teilzunehmen und dabei sich selbst und die eigenen Normen und Werte zu hinterfragen.

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Seitenzahl: 127

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Tom Werde

Mein Leben mit dem Tod

...warum wir sind, wie wir sind

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Mein Leben mit dem Tod

Vorwort

Einleitung

Meine Großeltern

Erste Male

„Gehen dürfen“

Meine Eltern

Dreimal der Tod, drei Emotionen

Die Nähe

Das Jahr der Kinder

Jetzt und hier – Gott und die Welt

„Ich könnte das nicht“ – „Du bist so krass“

Danksagung

Impressum neobooks

Mein Leben mit dem Tod

…warum wir sind, wie wir sind

Impressum

Verlag: Dr. Thomas D. Werxhausen

Malteserstr. 6850859 Kö[email protected]

Meinen Eltern.

Köln in 2017

Vorwort

Ich liebe meinen Beruf. Nach nunmehr elf Jahren ärztlicher Tätigkeit und etwas mehr als sechs Jahren unfallchirurgisch-orthopädischer Facharztweiterbildung arbeite ich seit fünf Jahren hauptberuflich als Notarzt und weiß, dass ich keinen anderen Job machen möchte. Neben der Tatsache, dass ich das große Glück genieße, in unserem Rettungsdienstbezirk meine Arbeit gemeinsam mit großartigen Menschen tun zu dürfen (die meisten machen ihren Job offenbar ähnlich gern tun wie ich und betreiben hochprofessionell Notfallmedizin auf einem hervorragenden Niveau) ist es das Wesen meiner Tätigkeit, das mich erfüllt.

Die Unmittelbarkeit des Geschehens, der direkte – und anders als in der Klinik im Allgemeinen auf den einen Patienten konzentrierte – Kontakt und der unplanbare Abwechslungsreichtum jedes Dienstes macht diesen Beruf unverwechselbar. Und wie kaum eine andere Tätigkeit eröffnet er mir die Gelegenheit, in eigenverantwortlicher Arbeit für meine Patienten da zu sein und oftmals sogar sehr rasch den Erfolg meines Handelns unmittelbar zu erleben.

Der direkte Umgang mit jedem Einzelnen gewährt mir (in unterschiedlichem Maße) immer auch Einblicke in die persönliche Lebenssituation und lässt mich teils gar teilhaben an den dahinter stehenden Geschichten und Schicksalen meiner Patienten.

Natürlich ist es nicht so, als würde ich mich mit jedem Menschen, dem ich begegne, identifizieren.

Selbstverständlich kann sich niemand jedes einzelnen Schicksals und Geschehens annehmen, das ihm während seiner Tätigkeit im Rettungs- oder Notarztdienst über den Weg läuft. Die weit meisten Fälle sind eben doch „Routine“, die wir mit Erfahrung, guten Standards und dem notwendigen Engagement abarbeiten können, ohne zu sehr in das Leben der Menschen, die wir behandeln, eindringen zu müssen.

Und doch gibt es immer wieder Einsätze, Situationen und Geschehnisse, die uns näher kommen als die „übliche Alltagsarbeit“. Schicksale, die uns beschäftigen, manchmal weit über den Einsatzverlauf hinaus. Erlebnisse und Situationen, die uns unser eigenes Leben und unsere Einstellung und Wahrnehmung hinterfragen lassen.

In besonderem Maße gilt dies für Begegnungen und den Umgang mit dem Tod und dem Sterben. Jeder Mensch hat seine eigene Vorstellung davon und findet seinen eigenen Weg, mit diesem Thema umzugehen. Der wohl meist verbreitete Weg ist, den Tod so weit wie möglich aus der eigenen Wahrnehmung zu verdrängen – einfach, weil es uns sonst zwingt, uns mit der eigenen Sterblichkeit auseinander zu setzen – kein bequemes Thema für einen gemütlichen Plausch an der sonntäglichen Kaffeetafel, so ist wohl eine häufige Ansicht.

Ich sehe das anders. Mein Beruf lässt mir nicht die Wahl, ob ich mich mit dem Tod befassen möchte oder nicht – er gehört einfach dazu.

Aus diesem Grund entwickelt jeder, der im Notarzt- oder Rettungsdienst tätig ist, mit der Zeit seine eigene Beziehung zum Tod.

Dass diese Beziehung nicht nur unseren gesellschaftlichen Umgang mit Tod und Sterben, sondern eigentlich die gesamte Wahrnehmung und Lebenseinstellung verändert, konnte ich an mir selbst beobachten.

Davon handelt dieses Buch.

Ich möchte Sie gerne an meiner Geschichte teilhaben lassen und biete Ihnen an, in gewisser Weise „den Spieß herum zu drehen“.

Ich lade Sie ein, mich in meiner Entwicklung einer Einstellung zum Leben und zum Tod zu begleiten.

Aus Gründen der Pietät und zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte habe ich die Namen aller Beteiligten und Betroffenen sowie Ortsangaben verändert oder neutralisiert.

Einleitung

Immer wieder kreuzen sich unsere Wege – beruflich und privat – und nie habe ich vorher eine Ahnung, was er diesmal mit mir macht und wie er mich zurück lässt, der Tod.

Wie geht er mit mir um?

Und wie gehe ich mit ihm um?

Jedenfalls ganz offenbar anders als die Meisten –

aber warum?

Warum bin ich wie ich bin?

Das ist der Ansatz, aus dem die Idee zu diesem Buch geboren wurde. Um die folgenden Schilderungen vielleicht ein wenig leichter nachvollziehen zu können, mögen Sie mich zunächst auf einen kleinen biographischen Exkurs begleiten. Denn wie bei jedem von Ihnen begann auch meine Wahrnehmung von Leben und Sterben nicht erst mit dem Eintritt ins „Erwachsenenalter“ und wenngleich mein Beruf sicher einer der stärksten Einflüsse ist, so ist er doch nicht der einzige, der mich in meiner Entwicklung und meinen Ansichten prägte.

Die ersten Erlebnisse, die ich rückblickend als wegweisend empfinde, finden sich bereits in meiner Kindheit, die ich als allgemein „normal verlaufend“ beschreiben würde.

In weitestgehend intakten Verhältnissen wuchs ich als jüngstes Kind einer fünfköpfigen Familie in einer Mietwohnung am Stadtrand einer deutschen Großstadt auf und absolvierte meine reguläre Schullaufbahn ohne größere Auffälligkeiten.

Erwähnenswert ist allenfalls die Tatsache, dass ich seit meinem 13. Lebensjahr in der örtlichen Jugendfeuerwehr aktiv war und in konsequenter Folge seit dem Alter von 17 Jahren Mitglied der freiwilligen Feuerwehr bin. Ich erwähne dies nicht etwa wegen des dahinter stehenden, vermeintlich herausragenden sozialen Engagements im Ehrenamt, denn dies zeigen erfreulicherweise auch heute immer noch sehr viele Menschen in Deutschland.

All diesen Menschen gebührt große Anerkennung.

Vielmehr hatte dieser Weg aber allgemein einen großen Anteil an meiner Lebenseinstellung und hielt, wie sich im Weiteren zeigen wird, die ein oder andere Begebenheit für mich bereit, die mich fordern, berühren und teils bis an meine Grenzen führen sollte.

Weiterhin eröffneten mir meine pflegerische Aushilfstätigkeit in der Notaufnahme eines Krankenhauses während des Studiums und unterschiedliche, für das Medizinstudium notwendige Praktika ebenfalls noch vor dem Eintritt in das eigentliche notärztliche „Arbeitsleben“ Einblicke, die in dieser Form Otto Normalbürger verwehrt oder eben erspart bleiben.

Die so entstandene Mischung unterschiedlichster Einflüsse macht mein heutiges Ich und vor allem mein Bild von Leben und Tod aus. Aber folgen Sie mir doch gerne von Anfang an auf meinem Weg.

Meine ersten Erfahrungen mit dem Tod machte ich – wie wohl die Allermeisten von uns – in der Familie.

Meine Großeltern

Opa

Wie wohl beinahe jedes Kind habe ich meine Großeltern geliebt, zumindest die, die ich kennen lernen durfte. Mein Großvater väterlicherseits starb bereits vor meiner Geburt, was ich in meiner Kindheit nie hinterfragte. Insgesamt war ohnehin die familiäre Bindung an meine Großeltern mütterlicherseits deutlich enger als das Verhältnis zu meiner Großmutter väterlicherseits, das von gewissen zwischenmenschlichen Spannungen zwischen meinen Eltern und ihr geprägt war. Viele schöne Sommerurlaube verbrachte ich mit meinen Eltern auf dem gepachteten Bauernhof von Opa und Oma. Mein Opa und der benachbarte Landwirt brachten mir das Landleben, die Landwirtschaft und den Umgang mit den Tieren näher und ließen mich gar eine ganze Weile lang das Berufsbild „Bauer“ als meinen Zukunftstraum erleben.

Leider war mein Großvater der Erste in der Familie, an dessen Beispiel ich das Thema Tod erfahren musste. Er starb an Darmkrebs als ich sieben oder acht Jahre alt war.

Altersbedingt hatte ich weder seine Krankheit noch den Verlauf derselben bewusst wahrgenommen und so erlebte ich seinen Tod schlichtweg als „Nicht-mehr-da-sein“, härter gesprochen als „Nie-wieder-da-sein“.

Ein Absolutum, das mir in diesem Alter nicht so recht begreiflich und schon gar nicht akzeptabel war.

Ich erinnere mich, dass in relativ nahem zeitlichen Zusammenhang dann auf dem Hof meiner Großeltern mein Lieblingspony „Meike“, auf der ich dank meiner Tante reiten gelernt hatte, ebenfalls verstarb.

So makaber und unpassend diese gedankliche Verbindung erscheinen mag, so führte mich doch am ehesten dieses Zusammentreffen der Ereignisse zum ersten Mal zur bewussten Wahrnehmung der Endlichkeit des Seins. Sehr klar habe ich noch meine Reaktion darauf vor Augen. Weinend angesichts der unausweichlichen Tatsachen lag ich auf meinem Bett in meinem Kinderzimmer als meine Mutter zu mir kam, um zu erfahren, was los war und um mich zu trösten. Ich erklärte es ihr mit den Worten und der Sichtweise eines Grundschulkindes: „ Das ist so gemein, dass wir alle sterben müssen!“

Beherrschend war vor allem die Unbeeinflussbarkeit des Todes, die ich total unfair fand, denn eines war mir schon damals klar: Weder Opa noch Meike hatten sich ausgesucht, dass sie sterben wollten.

Die Tatsache, dass für ihren siebenjährigen Sohn nicht etwa der Verlust des Großvaters im Vordergrund stand, sondern die hieraus bereits resultierte Angst vor dem Sterben anderer Menschen, allen voran meiner Eltern, dürfte meine Mutter rückblickend nicht wenig erstaunt haben.

Oma Hertha

Wie bereits geschildert, war mein Verhältnis zu meiner Großmutter väterlicherseits von vornherein durch andere Einflüsse geprägt, ohne dass ich diese im Kindesalter eindeutig hätte identifizieren können.

Regelmäßig war das Klima zwischen meinen Eltern angespannt, schon bevor es zum Besuch bei ihr ging und bereits die Fahrt zu ihrem Wohnort (der mit ca. einer Stunde Fahrtzeit gerade mal halb so weit entfernt war wie der Hof meiner Großeltern) war immer wieder irgendwie problembelastet. Es gab Streit bis hin zu Unwohlsein und empfundener Kreislaufschwäche meines Vaters.

Diese Umstände und die Tatsache, dass Oma Hertha allgemein deutlich weniger vital wirkte, dies auch selbst eindeutig so empfand und regelhaft kundtat, mögen meinen Umgang mit ihrem Tod beeinflusst haben, so dass ich diesen vollkommen anders wahrnahm als den meines Großvaters fünf Jahre zuvor:

Oma Hertha wirkte einfach (und war biologisch auch objektiv) älter und weniger aktiv als meine andere Oma. Gefühlt klagte sie eigentlich immer über körperliche Gebrechen, Schwäche und Einschränkungen.

Sie starb als ich 13 Jahre alt war.

Teils sicher dank meines Alters, vor allem aber wegen der gefühlten Gewissheit, dass sie „jetzt an einem besseren Ort“ war und dort mutmaßlich unbeschwert ihr jetziges Sein genießen könnte, empfand ich ihren Tod kaum als etwas „Schlimmes“.

Dies ging so weit, dass ich mich an einzelnen Punkten schwer tat, die ungewohnt emotionale Reaktion meines Vaters zu verstehen.

Rückblickend ist objektiv klar, dass er gerade seine Mutter verloren hatte - ungeachtet aller zuvor dagewesenen Probleme einer der größten möglichen Verluste im Leben eines Menschen. Und doch fiel es mir irgendwie schwer, seine Trauer zu verstehen, war ich doch überzeugt und beseelt von dem sicheren Gefühl, dass es Oma nun besser ging als zuvor.

Angesichts seiner Situation und meiner Position in der Familie als gerade beginnend pubertierender Jüngster fand ich jedoch nicht den Mut, ihm das zu sagen.

Auch, dass sie mir im Traum begegnet war und ich dort den Eindruck hatte, dass es ihr ungewohnt gut ging, fand ich unpassend, ihm gegenüber zu erwähnen.

Für derlei Esoterik war mein Vater - seines Zeichens Berufssoldat der Bundeswehr - nie der Typ gewesen.

Oma Rosa

Mit meiner Großmutter mütterlicherseits verband mich, sicher auch aufgrund des deutlich intensiveren Erlebens während der Urlaube und der längeren gemeinsamen Lebenszeit, die engste emotionale Bindung.

Sie war eine liebevolle, tatkräftige, schlicht nicht klein zu kriegende Person, die auch im zunehmenden Alter noch immer ihren Haushalt und das „Drumherum“ selbst erledigte, Brennholz für den Ofen in ihrer Stube vom Speicher holte, Einkäufe selbst mit dem Auto erledigte und gefühlt immer lachte und zu allem einen Rat wusste. Eine „echte Oma“ eben.

Noch im Grundschulalter, nach dem Tod meines Großvaters, wusste sie mir – ungefragt – den Rat zu geben, bloß keine ältere Frau zu heiraten.

Hintergrund war offenbar die Idee, dass man sonst beim mutmaßlich früheren Ableben des älteren Partners schlichtweg allein zurück bliebe, wie es ihr widerfahren war.

So weit hinterblickte ich diese Äußerung zu jener Zeit allerdings noch nicht, schließlich war meine damalige Grundschulliebe, von der ich natürlich überzeugt war, dass ich sie später heiraten würden, gerade mal ein Jahr älter als ich. Also – „alles safe!“

Oma Rosa starb, als ich 23 Jahre alt war.

Inzwischen studierte ich seit 8 Semestern Medizin und arbeitete neben dem Studium als Aushilfe im Krankenhaus.

Damit hatte ich auch bereits einige Erfahrung in der medizinischen Praxis sammeln können und den ein oder anderen Kontakt mit dem Tod und Sterben hinter mich gebracht, von dem ich später noch berichten werde.

Sie war zuhause gestorben.

Meine Cousine - ihre seinerzeit vierjährige Enkelin - hatte sie gefunden, als sie ihrer Mutter vorweg eilend ins Haus gelaufen war.

Omas Tod berührte mich sehr und doch war diesmal das Gefühl, das ich mit Ihrem Sterben verband, wieder ein gänzlich anderes.

Sie war vierzehn Jahre zuvor von ihrem Mann „allein gelassen“ worden als er starb und ich war sicher, dass sie ihn all die Jahre schmerzlich vermisste, auch wenn ihre Kinder und Enkel ihr Leben weiterhin ein gutes Stück weit erfüllten.

Und so gönnte ich ihr, bei allem Schmerz über ihren Verlust, dass sie nun zumindest wieder mit ihrem geliebten Ehemann zusammen sein konnte.

Kirchlich gelebte Religion war in unserer Familie nie ein wirkliches Thema, aber auf dem ein oder anderen Weg hatten es meine Eltern (und vielleicht der Konfirmandenunterricht – auch wenn ich das seinerzeit nie so richtig wahrhaben wollte) offenbar geschafft, mir einen gut verwurzelten Glauben mit einem religiös geprägten Weltbild zu vermitteln.

Was mich aber am Tod meiner Großmutter emotional am meisten bewegte, war ein völlig anderer Aspekt. Mein inzwischen gesammeltes medizinisches Grundwissen führte mich dazu, die Umstände ihres Sterbens kritisch (vielleicht gar übertrieben kritisch) zu hinterfragen.

Es zeigte sich aus den Schilderungen meiner Tante, dass Oma offenbar schon seit einigen Tagen vor ihrem Tod eine Leistungsschwäche beklagt hatte.

Am Freitag vor dem Wochenende, an dem sie starb, hatte ihre Hausärztin sie noch zuhause aufgesucht, da sie über erhebliche Luftnot und Brustschmerzen klagte. Außer einer (aus meiner damaligen Sicht halbherzigen) Medikamentenverordnung hatte diese jedoch keine Maßnahmen getroffen.

Weder war meine Oma der meiner Meinung nach erforderlichen, leitliniengerechten Diagnostik (EKG, Laboruntersuchung) zugeführt worden, noch hatte die Hausärztin die notwendige Krankenhauseinweisung veranlasst.

Die mich daher hauptsächlich umtreibende Emotion war also eine Mischung aus Enttäuschung und in gewissem Maße Wut über die – von mir damals nicht anders bewertbare – mangelhafte Leistung dieser Hausärztin.

Sie hatte dadurch meiner Oma gefühlt die Chance verwehrt, noch länger ein Teil des Lebens ihrer Kinder und Enkel zu sein und deren Aufwachsen weiter zu erleben.

Das Gefühl, dass dies so nicht hätte passieren müssen, und noch mehr, dass meine Oma das „Opfer“ ihres ländlichen Wohnorts mit seiner schwächeren medizinischen Infrastruktur und Versorgungsqualität geworden war, beherrschte meine Bewertung des Geschehenen.

Rückblickend litt darunter auch meine Objektivität.

So relativierte ich nicht weiter, ob Oma Rosa, die zeitlebens eine starke Persönlichkeit war, (man könnte gar sagen, sie hatte einen massiven Dickschädel) vielleicht einfach durch ihren erklärten Willen eine Krankenhauseinweisung verhindert hatte und ihrer Hausärztin gar keine andere Option gelassen hatte.

Dieser Gedanke fand in meiner aufstrebenden, medizinisch fachlich die Heilung verfolgenden Denke schlichtweg keinen Platz.

Ich war sauer.

Erste Male

Prolog

Für alles gibt es ein „erstes Mal“ im Leben.

In Erinnerung bleiben uns meist die einschneidenden, als „das Leben verändernd“ empfundenen Erlebnisse.

An dieser Stelle möchte ich einige dieser Erfahrungen schildern, die ich in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen gemacht habe. Rückblickend ist es oft die Konfrontation mit einer „neuen“, anderen Situation, die den Blick auf vermeintlich Selbstverständliches Weg weisend verändert.

Der erste Tote

Nachdem meine ersten Erfahrungen mit dem Tod im familiären Umfeld eher abstrakt geblieben waren, sich also auf das „Verschwinden“ der Verstorbenen aus dem Lebensumfeld beschränkten, ohne dass ich meine Verwandten nach ihrem Tod nochmals gesehen hätte, traf mich mein erster „echter Kontakt“ mit dem Tod in Form eines massiven Eindrucks.

Im Alter von achtzehn Jahren versah ich mit einem erfahrenen Kollegen aus meiner Löschgruppe (der örtlichen Einheit der freiwilligen Feuerwehr) einen 24-Stunden-Dienst auf einer Berufsfeuerwache unserer Stadt.