Mein Opa, der Hunsrück, die Schule und ich - M. Schneider - E-Book

Mein Opa, der Hunsrück, die Schule und ich E-Book

M. Schneider

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Beschreibung

Es ist eine Zusammenstellung verschiedenster Kurzgeschichten über eine Kindheit in den 50ern und Beginn der 60ern des 20. Jahrhunderts. Angefangen mit der Einschulung in die "Volksschule" und die Erfahrung mit Lehrern, über den ersten selbständigen Einkauf mit "gewichtigen" Hindernissen, bis hin zu der Liebe zu einer Gans. Ein "Lausemädchen" kam auf allerhand ungewöhnliche Einfälle für die ersten Rauchversuche mit Opas Zigarren, den Umgang mit des Bäckers Katzen oder der Behandlung von Papas Schuhen. Lustiges und Nachdenkliches gehen aber auch hier Hand in Hand. Ein kurzweiliges Buch zum selber lesen oder vorlesen für jung und alt.

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Seitenzahl: 151

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M. Schneider

Mein Opa, der Hunsrück, die Schule und ich

Ein Lausemädchen entdeckt die Welt

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Einführung

Fröhliche Kindertage. Meine Einschulung und der Ernst des Lebens kann jetzt beginnen.

Mein Opa erklärte mir die Menschen, das Leben und die Welt

1957 - als Erstklässler in der Volksschule

Die schwergewichtige Milchkanne

Unsere Volksschule in den 50ern

Mal wieder alleine zu Hause

Des Bäckers Katzen

Schuhmacher, wäre das nicht ein Beruf für mich?

Waschtag

Das Schönste an der Schule waren die großen Ferien

Die Martinsgans

Erste Rauchversuche

Handarbeitsstunden

Fronleichnamsprozession

"Schinderhannes" - Filmdreh auf dem Hunsrück (Aus der Sicht einer Siebenjährigen)

Zu Fuß von Hahnenbach nach Morbach

Nachtrag

Impressum neobooks

Einführung

Mein Vater arbeitete vor dem 2. Weltkrieg in einem großen und wirtschaftlich gut gehenden Unternehmen. Die Firma, bei der er vor dem Krieg als Angestellter mit gutem Einkommen arbeitete, die gab es nach seiner Entlassung aus der kurzen Kriegsgefangenschaft in der früheren Art nicht mehr. Er kam aus dem Krieg nach Hause, wollte in sein altes Leben zurück, doch beruflich wurde er bei seinem früheren Arbeitgeber nicht mehr gebraucht. Alles hatte sich geändert.

Nach einer Übergangszeit, in der er unter anderem auch mal Bohnerwachs kochte, das von meiner Mutter und ihrer Cousine dann an die Bauern verkauft wurde, fing das Leben an, sich wieder zu normalisieren. Die Währungsreform war der Startschuss in ein neues, geordnetes Leben.

Kurze Zeit später gründeten meine Eltern ein kleines Unternehmen. Während mein Vater im Außendienst tätig war, arbeitete meine Mutter den ganzen Tag vor Ort in dem kleinen, neu gegründeten Geschäft.

Für den Haushalt und ihre Familie blieb meiner Mutter zum eigenen Leidwesen, nicht viel Zeit. Das wichtigste Ziel war damals für alle, wieder ein regelmäßiges Einkommen zu erlangen und zu einer neuen Normalität zurück zu kehren. Haushalt und Familie mussten warten.

Fröhliche Kindertage. Meine Einschulung und der Ernst des Lebens kann jetzt beginnen.

Wir Kinder empfanden die Zeitnot unserer Mutter wahrscheinlich weniger schlimm als sie selbst, denn ganz in unserer Nähe wohnten unsere Großeltern, die Eltern unserer Mutter. Sie liebten uns vorbehaltlos und aus vollem Herzen und taten alles, damit wir eine schöne und sichere Kindheit hatten. Mein Opa, er wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts geboren, hatte sowohl tiefste Armut, als auch später im Alter finanzielle Sicherheit erlebt. Dazu kamen noch zwei verlorene Weltkriege mit den entsprechenden Folgen. Ihn konnte so schnell nichts mehr erschüttern. Er war bereits seit einigen Jahren Rentner oder besser gesagt Pensionär, als ich geboren wurde.

Das beschauliche Leben meiner Großeltern brachte ich wohl ziemlich durcheinander und für meinen Opa begann nun sein Unruhestand. Da ich schon im ersten Lebensjahr die Woche über bei meinen Großeltern verbrachte, wurden er und ich unzertrennlich. Ihm galt meine ganze kindliche Liebe.

Sobald ich einigermaßen laufen konnte, gingen wir mehrmals die Woche spazieren. Machte er auf dem Heimweg noch einen kleinen Abstecher zu seinem Stammtisch, war ich natürlich auch mit dabei. Er trank einen Schoppen Wein und ich bekam einen Apfelsaft und manchmal noch eine Brezel. Bei den älteren Männern des Stammtisches, waren er und ich gerne gesehen. So nach und nach brachten auch andere Stammtischbrüder ihre Enkelkinder mit und wir Kinder spielten dann in der Wirtsstube, während die Opas um den runden Tisch saßen und sich gegenseitig Geschichten erzählten oder ihre Kindheit und Jugend mit großen Gesten wieder aufleben ließen. Ich kann mich nicht mehr an die genauen Worte erinnern, doch irgendwie ist mir in Erinnerung, dass jeder dieser alten Männer von einer harten Kindheit voller Entbehrungen sprach.

Aber die meiste Zeit spazierten mein Opa und ich durch Wald und über Wiesen und dabei erklärte er mir mit viel Geduld die Natur und wie die Welt funktioniert. So gut wie alle heimischen Vogel- und Baumarten waren ihm namentlich bekannt. Auf diesen Spaziergängen gab er sein Wissen wie selbstverständlich an mich weiter. Ich erinnere mich noch heute an das Krächzen der Eichelhäher wenn wir durch den Wald gingen. Mit erhobenem Zeigefinger und einem Lächeln auf den Lippen, machte er mich darauf aufmerksam, das sei die Waldpolizei. Ihre Rufe würden die Tiere vor uns menschlichen Eindringlingen warnen. Erstaunt fragte ich dann wieso, wir wollten doch keinem Tier etwas tun.

Kamen wir dann am späten Nachmittag zurück, gab es von Oma für mich einen warmen Kakao mit einem Butterbrot und für Opa einen Kaffee vom zweiten Aufguss und ein „Schmierche“ ( Brot mit Belag ). Gute Butter musste es für uns Enkelkinder sein, auch wenn die Großeltern selbst meist billigere Margarine aßen. Wurde es dann Zeit für mich ins Bett zu gehen, dann war es ganz selbstverständlich, dass sich auch mein Opa schon um 19 Uhr den Schlafanzug anziehen musste, sich aufs Bett neben mich legte und mir so lange selbsterfundene Geschichten über Kasperle, Afrika und die wilden Tiere erzählte, bis ich endlich eingeschlafen war. Das war ein Ritual, auf das ich jeden Abend bestand. Danach ist er wohl immer wieder aufgestanden, denn für ihn war es doch noch etwas zu früh sich schon ins Bett zu legen. Außerdem war morgens immer meine ältere Schwester in dem Bett neben mir, worüber ich mich sehr wunderte. Aber ohne Opa an meiner Seite, wollte und konnte ich abends einfach nicht schlafen gehen. Dieses wohlige Gefühl, die Geborgenheit dieser Momente so kurz vor dem Einschlafen - ist für mich heute noch immer spürbar, wenn ich die Augen schließe.

Wir zwei waren ein unzertrennliches und eingespieltes Team. Mit vier oder fünf Jahren ging ich dann auch mal zeitweise in den Kindergarten, weil es bei der Betreuung der Enkelkinder eine Erleichterung war und man auch schon damals meinte, Kinder brauchten die Gesellschaft Gleichaltriger. Außerdem sollten wir schon mal das unvermeidliche Stillsitzen für den anschließenden Schulalltag einüben. Ich ging gerne in den Kindergarten. Aber nicht  wegen der anderen Spielkameraden und all der nützlichen Dinge die wir dort lernten. Das war mir ziemlich egal. Viel wichtiger war, dass mich ein gleichaltriges Mädchen aus der Nachbarschaft morgens abholte. Sie und ich durften uns meist so kurz vor neun Uhr alleine auf den Weg machen. Ohne die Begleitung Erwachsener fühlten wir zwei uns im Alter von fünf Jahren schon ganz groß und selbständig. Was waren wir stolz!

Doch der morgendliche Besuch des Kindergartens war nur eine zeitweise, unwichtige Störung des Beisammenseins von Opa und mir. Die Tage im Kindergarten empfand ich als so unbedeutend, dass ich mich weder an die Kindergartentante – wie man damals Erzieherinnen nannte – noch an irgendwelche Begebenheiten aus dieser Zeit erinnere. Der Aufenthalt in dieser Einrichtung war für mich ziemlich belanglos. Mein bester Lehrmeister war eben mein Opa und mit ihm konnte eine noch so gute Kindergärtnerin nicht Schritt halten. Zu meinem großen Glück redete man damals den Eltern noch nicht ein, dass fremde Leute die besseren Erzieher und Bezugspersonen für die eigenen Kinder seien. Unter der Anleitung meines Opas lernte ich die Welt sehen und auch verstehen, wie sie eben war. Durch ihn bekam ich einen festen und stabilen Boden unter die Füße.

Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte es ewig so weitergehen können. Ganz nebenbei hatte ich gelernte mit Zahlen umzugehen und auch Buchstaben waren mir irgendwann wie von selbst verständlich. Ich konnte fließend lesen. Aber es half ja alles nichts, Kinder müssen, auch wenn sie schon lesen und kleine Rechenaufgaben lösen können, nun mal ab dem 6. Lebensjahr zur Schule gehen.

Einschulungstermin war damals der 1. April. Für diesen großen Tag hatte ich eine wunderschöne, dunkelblaue Schultüte bekommen, verziert mit bunten, aufgedruckten Motiven und aufgeklebtem rosa Krepppapier. Die Schultüte wurde zwar im unteren Drittel locker mit Zeitungspapier ausgestopft, damit durch diesen einfallsreichen Trick nicht mehr so viele leckere Sachen in die Tüte passten, wogegen ich kräftig, aber erfolglos protestierte. Trotzdem war sie immer noch mit reichlichen Süßigkeiten der damaligen Zeit gefüllt. Zusammen mit meiner Mutter trottete ich dann am Einschulungstag los. Zuerst ging es in die Kirche, in der wir Kinder für das neue Schuljahr Gottes Segen bekamen und anschließend machten wir uns auf den Weg Richtung Schule. Auch an diesen Tag habe ich keine genauen Erinnerungen. Aber wenn ich daran denke, dann fühle ich immer noch diese erwartungsvolle Anspannung, gepaart mit Neugierde auf das Neue was da kommen sollte.

Mein Lehrer war schon ein älterer Herr im Alter von ungefähr 58 oder auch schon 60 Jahren, wurde von allen damals als äußerst streng bezeichnet und dass ihm gerne und leicht mal die Hand ausrutschen würde. Auch das war damals Schulalltag und wurde allgemein gebilligt. Niemand regte sich groß darüber auf.

Die ersten Tage wurden wir Mädchen noch von den Jungen getrennt unterrichtet. Die Jungs mussten morgens schon um 8 Uhr zum Unterricht erscheinen und konnten gegen 10 Uhr wieder nach Hause gehen. Ab dann wurden wir Mädchen unterrichtet. Ich konnte morgens ausschlafen und anschließend gemütlich mit meinen Großeltern frühstücken, bevor ich zu Fuß zur nahegelegenen Schule ging. Die zwei Stunden Unterricht gingen schnell vorbei und ich war nach diesen zwei Stunden endlich wieder in meiner gewohnten Umgebung.

Leider war diese Herrlichkeit nur von kurzer Dauer. Nach ungefähr einem Monat wurden wir Mädchen mit den Jungen zusammen unterrichtet und das hieß - bereits morgens um 8 Uhr in der Schule erscheinen. Ach, was war der Morgen jetzt so einsam und lang für mich! Kein gemütliches Frühstücken mehr mit Oma und Opa, bei dem uns Opa Artikel aus der Tageszeitung vorlas. Erst gegen Mittag war mein Schultag beendet und erst dann konnte ich wieder zu meinen Großeltern zurück. Auch dass meine ältere Schwester an der selben Schule, nur einen Stock höher unterrichtet wurde, linderte nicht meinen kindlichen Schmerz über die verlorene Zweisamkeit mit meinem Opa.

Von den großen Erwartungen und der Freude, als ich am letzten Weihnachtsfest vor der Einschulung meinen Ranzen samt Schiefertafel und Griffel bekam, war nichts übrig geblieben. Jeden Morgen machte ich mich nun schweren Herzens auf den Schulweg. Eine gewisse Zeit konnte ich es ertragen, aber dann war es vorbei.

Es war ein Wochenende wie immer gewesen. Nichts Besonderes war geschehen. Es waren lediglich zwei glückliche und freie Tage in einem Kinderleben. Dann war Montag und die Herrlichkeit hatte wieder ein Ende. Das war zu viel!

Direkt nach Unterrichtsbeginn, wir waren gerade zum morgendlichen Gebet aufgestanden und sprachen die ersten Worte, fing ich jämmerlich an zu schluchzen und zu heulen. Obwohl ich es wollte, konnte ich einfach nicht mehr aufhören. Es war, als wäre an diesem Tag ein Damm gebrochen. Von nun an liefen mir jeden Morgen, direkt nach Unterrichtsbeginn, wie von selbst Tränen über das Gesicht. Die ersten Tage versuchte es mein Lehrer noch zu ignorieren. Er dachte wohl, das sei nur von kurzer Dauer, bis ich mich richtig eingewöhnt hätte. Aber dem war nicht so. Ich war todunglücklich. Alle Versuche meines Lehrers und meiner Mitschülerinnen mich zu beruhigen schlugen fehl. Es half einfach nichts.

Als wäre es erst gestern gewesen, kann ich in Gedanken noch immer die ansonsten strenge Stimme unseres Lehrers hören. Aber diesmal klang sie ganz weich und freundlich, als er mich fragte, warum ich denn so weinen würde. Aus tiefstem und unglücklichstem Herzen sagte ich ihm dann: „ Ich habe so Heimweh nach meinem Opa. „

Zum Glück hatte mein Lehrer trotz seiner Strenge ein Herz und Verständnis für meinen kindlichen Schmerz und meinte dann nur:

„Wenn du so Heimweh nach deinem Opa hast, dann geh‘ nach Hause zu deinem Opa."

Glückselig packte ich meine Schultasche zusammen und lief im Sauseschritt heim. Dort war man gar nicht so glücklich über mein Erscheinen. Ich konnte zwar schon lesen, schreiben und etwas rechnen als ich eingeschult wurde, aber das war auch damals nicht Grund genug, dem Schulunterricht fern zu bleiben. Also wurde am nächsten Tag ein neuer Versuch gestartet. Und prompt fing ich während des Morgengebets wieder an herzzerreißend zu weinen. Meine Augen waren so voller Tränen, dass ich weder meinen Lehrer noch meine Mitschüler sehen oder wahrnehmen konnte.

So ging es dann noch einige Tage weiter und mein Lehrer ging zu meiner Mutter ins Geschäft und machte ihr den Vorschlag, mich aus der Klasse zu nehmen und ein Jahr später erneut einzuschulen, wenn ich denn jetzt so gar nicht mit der neuen Situation klar käme. Meine Mutter suchte Rat bei meiner Oma. Zum Glück war sie eine kluge und vorausschauende Frau und hatte erkannt, dass dies keine gute Lösung wäre.

Eines Nachmittags, meine Oma und ich saßen noch gemeinsam am Tisch und ich war am malen, als sie wie nebenbei anfing, sich mit mir zu unterhalten und das Gespräch wie zufällig die Wendung in Richtung Schule nahm. Wir unterhielten uns dann sehr ausgiebig. Ich beantwortete ihre Fragen und konnte mir dann gleichzeitig den ganzen kindlichen Kummer von der Seele reden und wie sehr ich morgens die gemeinsame Zeit mit meinem Opa vermissen würde. Dann meinte sie, der Opa müsste doch jeden Morgen die Arbeiten verrichten, die sie wegen ihres starken Rheumas nicht mehr machen könnte. Aber jeden Mittag, wenn ich aus der Schule käme, wäre er zu Hause und würde auf mich warten und dann könnte ich doch am Nachmittag mit ihm so viel Zeit verbringen, wie ich wollte. Sie zeigte sich sehr verständnisvoll, aber auch etwas besorgt über den Werdegang meiner Schullaufbahn. Während sie mich erzählen ließ, erfragte sie dann so nebenbei auch meine geheimsten Wünsche. Ich glaube, es war ein Bagger, den ich im Schaufenster eines Spielwarenladens gesehen hatte. Ich kann mich nicht mehr an die Größe und Farbe erinnern, aber ich wünschte mir nichts so sehnlich wie dieses Spielzeug. Jedoch, es war weder Weihnachten noch hatte ich Geburtstag und so war es undenkbar, dass sich dieser Wunsch erfüllen würde. Für die damalige Zeit war das einfach zu teuer. Außerdem, Mädchen häkelten oder fertigten mit der Strickliesel lange Wollschläuche, die später für unnützes Zeug zusammen genäht wurden, sie spielten mit Puppen und Puppenstuben, aber nicht mit einem Bagger. Aber dann sagte meine Oma zu mir: „Wenn du morgen in der Schule nicht weinst und dem Unterricht folgst, dann geht Opa mit dir am Nachmittag in die Stadt und kauft dir den Bagger. Aber nur, wenn du morgen nicht weinst."

Dann nahm sie mich liebevoll in die Arme, fuhr mir mit ihren, durch das Rheuma verknöcherten Händen sanft und liebevoll über den Kopf, drückte mich an sich und meine kleine Welt war wieder heil.

Den ganzen Nachmittag und Abend über konnte ich an nichts anderes mehr denken! Meine Oma hielt immer was sie versprach. Ein Bagger war in greifbare Nähe gerückt !!!!

Am nächsten Morgen ging ich, wie schon die Tage zuvor, schweren Herzens zur Schule. Der Unterricht begann und wir stellten uns zum Morgengebet auf. Schon während ich die Hände faltete merkte ich, wie sich ein Schluchzen in meinem Innersten formte, in die Kehle aufstieg und sich wie jeden Morgen ein unglückliches Heulen anbahnte. Aber in diesem Moment sah ich in Gedanken meine Oma vor mir und dass sie für meinen Kummer großes Verständnis und Mitgefühl hatte. Das tat mir einfach gut und gab mir Selbstvertrauen. Außerdem stimmte es ja, wenn ich aus der Schule kam, war mein Opa immer da und erwartete mich. Uns beiden blieb genügend Zeit am Nachmittag für Spaziergänge, im Garten das Gemüse ernten oder Karten spielen. Gleichzeitig erinnerte ich mich an ihr Versprechen, dass ich meinen heißersehnten Bagger bekommen sollte. Das Wissen um ihre Besorgtheit und ihre Liebe, der Wunsch und die Vorfreude auf den Bagger vermischten sich miteinander, waren so stark und übermächtig, dass die Traurigkeit in mir davon überlagert wurde. Ganz langsam formte sich in meinem Bewusstsein ein Erkennen für die in mir liegende Kraft. Ich kann heute noch das Erstaunen und den Stolz darüber nachempfinden, als ich es mit meiner eigenen Willensentscheidung schaffte, nicht zu weinen. Diese Erkenntnis war so ein tolles Gefühl!

Vor allem erinnere ich mich noch an dieses neu erworbene Empfinden meiner eigenen Stärke und des damit einhergehenden Selbstbewusstseins, als ich zu meinen Großeltern nach Hause kam und ehrlich verkünden konnte, dass ich es geschafft hätte. Ich hatte an diesem Morgen im Unterricht nicht weinen müssen.

Instinktiv wusste ich, jetzt war der Bann gebrochen!

Es war noch nicht mal 2 Uhr nachmittags, als mein Opa mit mir in die Stadt zum Spielwarengeschäft gehen musste und ich meinen heißersehnten Bagger bekam. Ich glaube, ich war an diesem Nachmittag der glücklichste Mensch.

Wissbegierig war ich schon immer und gelernt habe ich auch gern. Aber von diesem Tag an ging ich auch täglich gerne zur Schule.

Mein Opa erklärte mir die Menschen, das Leben und die Welt

Wenn ich an die Zeit mit meinem Opa zurück denke, dann sehe ich ihn in meinen Gedanken immer sehr groß und schlank, leicht vorne über gebeugt stehend und sich dabei mit einer Hand abstützend, vor mir. Die meiste Zeit hatte er ein Schmunzeln in den Augen und hatte ein gutmütiges Lächeln auf den Lippen, wenn er einen ansah. Mit Wonne pfiff er fröhlich irgendwelche unbekannten Melodien vor sich hin, was meine Großmutter bei guter Zeit schrecklich aufregte und ihr ab und zu fürchterlich auf die Nerven ging.