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Der Elternratgeber für eine glückliche Grundschulzeit Jedes Jahr werden in Deutschland fast eine Dreiviertelmillion Kinder neu eingeschult. Nicht nur für die Kinder beginnt damit ein neuer Lebensabschnitt, auch Eltern stehen mit dem Schulbeginn plötzlich vor ganz neuen Fragen. Welche Ausstattung benötigt ein Kind? Wie können wir die Freude am Lernen fördern? Was verändert sich für das Kind und die Familie? Hier finden Sie verlässlichen Rat zu allen Fragen, die Eltern von Schulkindern bewegen! Die körperliche und seelische Entwicklung werden ebenso erklärt wie praktische Alltagsfragen, etwa zum Umgang mit Medien und Smartphone, aber auch zu Taschengeld oder Sicherheit auf dem Schulweg. Ein Schwerpunkt des Buches liegt auf der gelungenen Kommunikation – innerhalb der Familie ebenso wie mit Lehrerinnen und Lehrern oder in der Klassengemeinschaft. Experteninterviews bieten vertiefte Einblicke, praktische Tipps und Checklisten unterstützen bei den vielen Entscheidungen, die im Laufe der Grundschulzeit zu treffen sind. Von Schulreife und Schulwahl über Motivation und richtiges Lernen bis zum Umgang mit Misserfolgen, Lernschwächen (ADHS bzw. ADS) oder Problemen wie Stress oder sogar Mobbing – Dieses Elternhandbuch begleitet Sie und Ihr Kind auf dem Weg durch die Schulzeit, von der Einschulung bis zum Übergang in die weiterführende Schule. - Bereit zum Absprung: Wann Kinder schulreif sind - Schulranzen, Stifte, Schreibtisch: Die erste Ausrüstung - Halbtag oder Ganztag: Unterrichtsformen in der Grundschule - Freundschaften und Konkurrenz: Kinder in der Klassengemeinschaft - Mobbing und Ausgrenzung: Probleme früh erkennen und lösen - Medien und Smartphone: Wie viel ist zu viel?
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Seitenzahl: 404
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Das Familienhandbuch
Michael LeichtAnnette Miller
DIE ENTWICKLUNG IM GRUNDSCHULALTER
Entwicklung – was ist damit gemeint?
Ein ganzheitliches Entwicklungsmodell
Schritte, Sprünge, Rückschritte
Entwicklung begleiten
Kinder entwickeln sich von selbst
Körperliche Entwicklung
Groß und stark werden – Wachstum und Gewicht
Körperliche Veränderungen in der Pubertät – ein kurzer Ausblick
Klettern, Fußball und Ballett – motorische Entwicklung
Bewegung ist gesund!
Gesundheitserziehung
Gesunde Ernährung – was gehört auf unseren Tisch?
Körper und psychisches Wohlbefinden – eine Gesamtheit
Was gibt´s zu tun bei der Kinderärztin?
Keine Chance für Karius und Baktus: Zahngesundheit
Waschen, duschen, Wäsche wechseln – Hygiene und Körperpflege
Kindliche Sexualentwicklung – woher kommen die Babys?
Sexualität und kindliche Sexualität
Mit Kindern über Sexualität sprechen
Was Grundschulkinder wissen sollten
Sprachentwicklung
Ich kann benennen, was ich sehe – Spracherwerb
Ich erkenne, was ich benennen kann – Wissensaneignung
Lesen lernen, schreiben lernen – Schriftsprachentwicklung
Psychosoziale und emotionale Entwicklung
Gefühle wollen gelernt sein!
Ich sehe, was du fühlst – Empathie
Ich fühle, was du siehst – Scham, Schuld und Stolz
Kognitive Entwicklung
Ich weiß, was ich nicht weiß
Neue Denkwege
Was alles in den Kopf passt
RUND UM DIE EINSCHULUNG
Vor der Einschulung
Schuleingangsuntersuchung und Schulanmeldung
Ganztags- oder Halbtagsschule – was passt für unser Kind und uns?
Vielfalt der Kinder – Vielfalt der Schulen: einige wichtige Ansätze
Auf die Plätze, fertig, los! – Wann ist mein Kind bereit für die Schule?
Namen schreiben, Ordnung halten, Schuhe binden – Förderung vor Schulbeginn?
Den Übergang gestalten
Das letzte Kindergartenjahr
Abschied nehmen und neu beginnen
„Jetzt bin ich Schulkind!“ – Eine neue Identität entsteht
Auf dem Schulweg
Weg in die Schule – Weg in die Selbstständigkeit
Gefahr erkannt, Gefahr gebannt! – Sicher zur Schule
Begegnungen auf dem Schulweg
Die Einschulung vorbereiten
Schulranzen, Stifte, Schreibtisch – die erste Ausrüstung
Die Kraft der Rituale
Die Einschulungsfeier: Weniger ist mehr
ALLES NEU: DAS ERSTE SCHULJAHR
Was steht auf dem Stundenplan?
Die Welt der Buchstaben
Die Welt der Zahlen
… und weitere Fächer
Unterrichtsformen in der Grundschule
Platz für alle – Interkulturalität in der Schule
Schule und Inklusion
Tablet statt Tafel? – Digitales Lernen
Kinder unter sich: Klasse und Jahrgangsgruppe
Freunde – wichtige Verbündete
Gemeinsam stark – Klassengemeinschaft und soziales Lernen
Wichtige Wegweiser – Regeln in der Schule
„Aber Lea kann das längst!“ – Vergleich und Konkurrenz
Schule verändert sich
Was Eltern von der Grundschule erwarten
Die schönste Zeit des Lebens oder bloß nie mehr zurück?
Kinder entdecken ihre Schule selbst
Familie: ein sicherer Hafen
Gemeinsam wachsen – Geschwisterbeziehungen
Voneinander lernen – was lernt ein Kind in seiner Familie?
Eltern sein – Verantwortung und Erziehungsauftrag
Andere Familien, andere Sitten
Schule und Eltern
Tragfähige Netze – Zusammenarbeit von Schule, Eltern und Kind
Verstehen und verstanden werden – wie Kommunikation gelingt
Mitmachen und Mitgestalten – Partizipation der Eltern
Mein Kind ist heute krank – was nun?
Wenn Eltern sich trennen
Auseinander gehen … und trotzdem Eltern bleiben
Zwischen den Stühlen – was Kinder bei elterlicher Trennung brauchen
Trennung und Schule
ANGEKOMMEN: VOM ZWEITEN BIS ZUM LETZTEN GRUNDSCHULJAHR
Schulalltag: nicht immer einfach
Klassenklima – Freude am Unterricht
„Nicht den Mut verlieren!“ – Vom Umgang mit Misserfolgen
Fördern und nicht überfordern
Der Ernst des Lebens – Zeugnis, Beurteilung, Noten
Ein Jahr wiederholen … wenn ein Kind „sitzenbleibt“
Hausaufgaben
Gute Übung oder soziale Spaltung? – Die Kontroverse über die Hausaufgaben
Arbeiten und spielen – der Arbeitsplatz
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen? – Tageseinteilung und Wochenrhythmus
Unterstützen statt übernehmen – Eltern und Hausaufgaben
Probleme rund um die Schule
Die Not mit den Suchstaben – Legasthenie
Zwei mal drei macht vier – Dyskalkulie
„Mein Kind kommt in der Schule einfach nicht mit!“
„Am liebsten will ich nie mehr hin!“ – Schulangst
Träumen, zappeln und vergessen – Aufmerksamkeitsprobleme
Mobbing, Gewalt, Ausgrenzung
„Die sind so gemein zu mir!“ – Mobbing erkennen
Opfer und Täter
„Licht an – Mobbing aus!“ – Mobbing verhindern und lösen
Wenn es nicht mehr aufhört – Cybermobbing
Hilfe, Beratung, Unterstützung
Erziehungsberatung – individuelle Hilfe, damit Familie gelingt
Onlineberatung – eine virtuelle Unterstützung
Hilfe-Hotlines – Beratung am Telefon
Das Jugendamt – viele Aufgaben unter einem Dach
Schulsozialarbeit – Schnittstelle zwischen Schule und Jugendhilfe
Lerntherapie – Förderung bei Lern- und Leistungsschwierigkeiten
Kinderpsychotherapie – wenn die Seele leidet
Kinderärztin … und andere Fachärzte
Von Langeweile bis Freizeitstress
Wer den Cent nicht ehrt … – die Taschengeldfrage
Außerschulische Aktivitäten und Hobbys
Digitale Lebenswelten
Alles auf dem Schirm? – Medien im Kinderalltag
Medienkompetenz – was ist das eigentlich?
Kinder vor der Flimmerkiste – Fernsehen in der Familie
Mit Sicherheit online – Internet und Smartphone
Kinder spielen – auch digital!
Schützen statt überwachen – Kinderschutz-Apps
Das letzte Grundschuljahr
Mittelschule, Realschule, Gymnasium – die Schulformen
Weiterführende Schulen finden – Entscheidungshilfen
Viele Wege führen nach Rom – Bildungsbiografien
Service
Man kann das Pferd zum Wasser führen, aber man kann es nicht zum Trinken zwingen. Das Trinken ist seine Sache. Aber selbst wenn das Pferd durstig ist, kann es nicht trinken, solange Sie es nicht zum Wasser führen. Das Hinführen ist Ihre Sache. (Gregory Bateson)
Entwicklung bedeutet andauernde Bewegung. Kinder verändern sich kontinuierlich, manchmal sprunghaft, manchmal unvorhersehbar, und immer ist es spannend, all die Veränderungen wahrzunehmen und unsere Kinder auf ihrem Weg zu begleiten. Wie also können wir unsere Kinder hinführen zu jenen Quellen, aus denen sie schöpfen können, um all die Potenziale, die in ihnen liegen, zu verwirklichen?
Was bedeutet Entwicklung? Durch welche Kräfte wird sie bestimmt? Worauf können Eltern achten, um gute Entwicklungsbegleiter für ihr Kind zu sein?
Paula ist zu Besuch bei ihren Großeltern.Gerade hat sie ein Fotoalbum entdeckt und blättert gebannt durch die Seiten. Ein Bild interessiert sie besonders: Viele Kinder stehen in Reihen hintereinander und halten eine Schultüte in der Hand. Nach den Ferien wird auch Paula in die Schule kommen. Sie entdeckt ein Mädchen, das ihr ähnlich sieht. „Das ist deine Mutter“, beantwortet die Oma Paulas neugierige Frage. Paula findet das faszinierend: Auch ihre Mutter ist einmal in die Schule gekommen. Jetzt ist sie schon so groß! „Wie werde ich wohl einmal sein, wenn ich groß bin?“, fragt sich Paula …
Nicht nur für Kinder ist es faszinierend, wie wir Menschen uns im Laufe des Lebens verändern. Vom Neugeborenen zum alten Menschen verändern wir uns so stark, dass es fast wirkt wie eine Verwandlung. Und in allen Lebensabschnitten warten neue Aufgaben, Abenteuer und Überraschungen auf uns. In welche Richtung unsere Entwicklung verläuft, wird von unterschiedlichen Einflüssen bestimmt.
In den menschlichen Genen und Hormonen ist vieles angelegt, was uns wachsen und reifen lässt. Dieses innere Programm zeigt uns, was wir gerade für unseren nächsten Schritt in der Entwicklung brauchen. Kleinkinder suchen sich automatisch irgendwann den Stuhl zum Hochziehen und Stehen. Sie lauschen den Worten der Erwachsenen und lernen sprechen, sie werden immer größer und üben sich im Umgang mit anderen Menschen. Aus Jungen und Mädchen werden Männer und Frauen. All das läuft in seinem eigenen Tempo und ohne weiteres Zutun ab.
Dann gibt es unsere Familie: Wir lernen die Werte und Weltansichten unserer Eltern kennen, wir erfahren, was ihnen wichtig ist und was sie am Leben schätzen. Vielleicht haben wir auch Geschwister, Onkel, Tante, Oma und Opa. Und neben der Familie treffen wir auf Lehrerinnen und Freunde, Nachbarn und Trainerinnen. Im Laufe der Entwicklung begegnen uns viele Menschen, bei denen wir uns abschauen können, wie das Leben funktioniert.
Jeder, der schon einmal das Glück hatte, die Welt zu bereisen, konnte erfahren, dass auch das Land, in das wir geboren werden, Einfluss nimmt auf unser Denken und Handeln. Überall gibt es andere Regeln und Gewohnheiten des Zusammenlebens, der Höflichkeit oder des Alltagstempos. Die Kultur, in die wir geboren werden und in der wir aufwachsen, prägt unsere Entwicklung entscheidend mit.
Dazu bestimmen schließlich auch die eigenen Vorlieben und Interessen, Fähigkeiten und Talente, in welche Richtung und in welchem Tempo wir uns entwickeln.
All diese Einflüsse wirken dauerhaft und gleichzeitig auf unsere Entwicklung. Ihr Zusammenspiel bestimmt, welche unserer Möglichkeiten wir ausleben und welche eher verborgen bleiben. Sie prägen unsere Wertvorstellungen und unseren Blick auf die Welt und unsere Mitmenschen. In der Fachsprache nennt man dies ein biopsychosoziales Modell der Entwicklung. Dabei steht der Begriff „Bio“ für unsere Gene und Hormone. „Psycho“ meint unsere eigenen Fähigkeiten und Interessen. „Sozial“ bezieht sich auf alle Menschen und Gemeinschaften, mit und in denen wir leben.
Wahrscheinlich haben auch Sie sich schon Gedanken gemacht, welche sozialen, biologischen und psychologischen Einflüsse mit dem Eintritt in die Schule auf Ihr Kind wirken werden. Auf welche Lehrerinnen und Lehrer wird Ihr Kind treffen? Welche Freunde wird es finden? Ist es groß genug, um seinen Schulranzen zu tragen und mit den anderen körperlich mitzuhalten? Wie wird es damit umgehen, wenn die ersten Misserfolge anstehen? Und was werden voraussichtlich seine Lieblingsfächer sein?
Lorenas Mutter macht sich Sorgen.Sie hat sich mit dem Vater von Mia unterhalten. Lorena und Mia gehen in dieselbe Klasse. Mias Vater hat erzählt, dass seine Tochter seit Kurzem große Freude daran hat, Geschichten zu lesen. Lorena kann zwar gut erzählen und sie ist sehr sportlich, aber mit dem Lesen tut sie sich noch ziemlich schwer …
Jedes Kind entwickelt sich entsprechend seiner Vorlieben und Stärken in verschiedenen Bereichen unterschiedlich schnell und zu verschiedenen Zeitpunkten. Die neuere Forschung zeigt, dass das bei jedem so ist. Unregelmäßigkeiten in der Entwicklung stellen eher die Regel als die Ausnahme dar.
Kinder entwickeln sich sozial, emotional, körperlich und geistig. Dabei müssen einzelne Bereiche manchmal abwarten und einem anderen Bereich den Vortritt geben. Will es mit dem Lesenlernen einfach nicht vorangehen? Dann steht vielleicht ein Wachstumsschub an. Oder das Kind übt sich darin, loyale Freundschaften zu knüpfen und kann deswegen im Wettlaufen mit anderen gerade nicht mehr mithalten.
Wer als Kleinkind nicht gerne geklettert oder nie Laufrad gefahren ist, kann in seiner Jugend immer noch zu einer Sportskanone werden. Ebenso kann man während der gesamten Grundschulzeit in Mathe eher im Durchschnitt liegen und später trotzdem BWL studieren.
Wenn ein Entwicklungsstand besonders „schön“ und angenehm ist, können Kinder auf diesem Stand auch längere Zeit verweilen. Vielleicht kann man in diesem Stadium momentan besonders gut seinen Interessen und Fähigkeiten nachgehen. Vielleicht entwickelt sich in dieser Zeit auf einer anderen Ebene gerade etwas Wichtiges.
Schließlich können im Lauf der Entwicklung auch Rückschritte auftreten. Ereignisse wie der Tod eines nahen Verwandten, aber auch der Abschied vom Kindergarten oder ein Umzug können Kinder vor große emotionale Herausforderungen stellen. Um diese zu bewältigen, wandern sie dann in anderen Bereichen noch einmal ein wenig zurück. Dann klappt es vielleicht (vorübergehend) nicht mehr so gut mit dem Lesen oder dem Fahrradfahren. Die aktuellen Anpassungsaufgaben haben dann Vorrang in der Entwicklung.
Machen Sie sich bewusst, dass man sich Entwicklung als Weg vorstellen kann, aber nicht als gerade Autobahn. Vielmehr gleicht die Entwicklung einem Wanderweg durch eine hügelige Landschaft: Hier gibt es Anstiege und auch Abstiege, es gibt Sprünge über kleine Bäche oder große Steine, und wenn die Landschaft besonders schön ist, verweilen wir vielleicht auch einen Moment, bevor wir weiterziehen. Diese Unregelmäßigkeit im Tempo und in der Größe der Schritte ist eher normal als besorgniserregend.
Florian zieht sich nach der Schule in sein Zimmer zurück.Er möchte in seinen Büchern über die Planeten lesen. Sein Vater spült unten das Geschirr ab und beobachtet die anderen Kinder draußen auf der Straße. Sie düsen mit ihren Fahrrädern durch die Nachbarschaft. Florian fährt nicht mit ihnen mit. „Die fahren immer zu schnell, Papa, das mag ich nicht“. Wieso ist er nur so anders als alle Jungs?
Die meisten Eltern kennen die Sorge, ob sich ihr Kind in dem einen oder anderem Bereich „zu langsam“ entwickelt. Was können Sie tun?
Sie können Ihrem Kind zeigen: Du entwickelst dich in dem für dich passenden Tempo, und das ist für uns Eltern völlig in Ordnung. Unseretwegen musst du dich weder beeilen noch bremsen. Kindern gibt es Kraft, wenn sie spüren, dass ihre Eltern ihnen vertrauen. Ihr Kind weiß, was es gerade für seine Entwicklung braucht – haben Sie ruhig den Mut, Ihre eigenen Vorstellungen von einer „guten“ Entwicklung etwas hinten anzustellen.
Außerdem hat die Forschung wiederholt gezeigt, dass Menschen sich lebenslang immer wieder neu anpassen und neu erfinden können. Damit ein Kind diese Möglichkeit auch wahrnehmen kann, sollte es nicht zu oft auf feststehende Aussagen über sich selbst treffen. „Jonathan ist eben nicht so sportlich“ – das sagt sich schnell. Jonathan ist aber erst fünf Jahre alt und wird seine motorischen Fähigkeiten vielleicht erst später entdecken! Oder: „Marie hat für Zahlen nichts übrig“. Wenn Marie diesen Satz in der ersten Klasse hört, wird sie vielleicht denken, dass ihr augenblickliches Desinteresse an Mathe ein fester Bestandteil ihrer Person sei. Beziehen Sie sich in Ihren Aussagen deshalb besser auf den Moment: „Gerade findet Luise Lesen eher langweilig.“
Ob emotional, im Umgang mit anderen Menschen, im Bereich der Wahrnehmung oder der körperlichen Fähigkeiten: Die Schule bietet für Kinder auf allen Ebenen Herausforderungen und Entwicklungsmöglichkeiten. Es gilt, sich in die neue soziale Gemeinschaft einzufinden. Neben den Regeln der Lehrerinnen und Lehrer sind da auch noch die neuen Mitschüler, die sich in Freundesgruppen zusammenfinden und Hierarchien ausbilden. Die eigenen Gefühle und Bedürfnisse müssen vermehrt kontrolliert werden. Der Bewegungsdrang muss in der Mathestunde gezügelt werden, und das Spiel in der Pause muss ein Ende finden, sobald es klingelt.
Es ist wichtig, Entwicklung in der Schule nicht auf die Fähigkeit zu reduzieren, neues Wissen aufzunehmen und sich zu merken. Für die Kinder steht die Ausbildung dieser kognitiven Fähigkeiten gleichberechtigt neben den anderen Ebenen der Entwicklung. In der Schule können die Kinder in den vielen neuen Fächern ihren Wissensdurst stillen, sie können sich in ihren motorischen und feinmotorischen Fähigkeiten ausprobieren, sie finden Platz in einer Gruppe und schließen neue Freundschaften. Welche dieser Anreize Ihr Kind am interessantesten findet, wird es weitestgehend selbst bestimmen. Lassen Sie Ihr Kind also sein eigenes Tempo finden.
Kinder sind nicht gleich. Jedes Kind entwickelt sich einzigartig. Für Eltern ist es wichtig, die individuellen Bedürfnisse, Fähigkeiten und Interessen des Kindes sensibel wahrzunehmen.
Entwicklung benötigt Zeit und Geduld. Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht. Deshalb sollten Sie Ihrem Kind nur das beibringen, wofür es entsprechend seines Entwicklungsstandes auch bereit ist. Fragen Sie im Zweifel Ihre Kinderärztin, was Ihr Kind in seinem Alter schon kann.
Beobachten Sie Ihr Kind. Welche Interessen zeigt es aktuell, und was möchte es gerade lernen? Greifen Sie die kindliche Erkundungslust auf und bieten Sie Möglichkeiten an, die Interessen in die Tat umzusetzen.
Erwartungen an das Kind müssen klar kommuniziert werden. Sagen Sie Ihrem Kind so verständlich wie möglich, was Sie von ihm möchten – nicht nur, was Sie nicht möchten.
Unterstützen Sie Ihr Kind in seinem Streben nach Selbstständigkeit. Bieten Sie Gelegenheiten, Dinge selbst zu probieren. So kann sich Ihr Kind neue Handlungsmöglichkeiten erschließen und Selbstvertrauen entwickeln.
Rückschläge gehören zum Leben. Es ist ganz natürlich, dass Kinder auch gelegentlich Enttäuschungen erleben. Als Eltern können Sie Ihr Kind nicht vor allen Misserfolgen bewahren. Sie können ihm aber helfen, mit Enttäuschungen umzugehen, indem sie ihm vermitteln: „Du bist wertvoll, auch wenn du mal Fehler machst!“
Entwicklung braucht Kontakt. Im Kontakt mit Gleichaltrigen lernen Kinder, Rücksicht zu nehmen und die eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu steuern.
Entwicklung braucht Ermutigung. Funktioniert etwas nicht, können Sie Ihr Kind dazu motivieren, nicht sofort aufzugeben, sondern es noch einmal zu versuchen. Bestärkung tut gut. Manchmal gelingen Dinge mit ein bisschen Unterstützung!
Gehen Sie auf Fragen Ihres Kindes ein, auch wenn sie schwierig zu beantworten sind. Auch Eltern können nicht alles wissen – das dürfen Sie zugeben. Entscheidend ist, das Kind in seiner Neugier ernst zu nehmen und bei der Suche nach Antworten zu unterstützen. Wissensdurst ist eine wichtige Grundlage für die Schule.
Eltern stoßen immer wieder auf Themen und Begriffe aus der Entwicklungspsychologie: Schon im Kindergarten gibt es „Entwicklungsgespräche“, bei der Schulreife wird der „Entwicklungsstand“ erfasst … Aber worum geht es dabei genau? Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick über einige ausgewählte Begriffe, denen Sie vermutlich häufiger begegnen werden.
ReifungAls Reifung bezeichnet man einen Teil des Entwicklungsvorgangs. Dabei entfalten sich im Zuge des Wachstums genetisch angelegte Erlebens- und Verhaltensweisen. Es geht also um „vorprogrammierte“ Prozesse, die auf unserem biologischen Erbe beruhen. Auf diese Weise entwickelt sich unser Körper mit seinen Organen, mit seinem Muskel- und Nervensystem und seinen Hormonen. Reifung geschieht, ohne dass dafür Lernen erforderlich ist. Reifung braucht keine Lehrer. Schon Säuglinge werden mit Fähigkeiten geboren, die nicht auf Lernen zurückgeführt werden können.
PrägungDer Begriff bezeichnet jene Einflüsse, die nachhaltig und nicht nur vorübergehend auf unser Leben einwirken. Der Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz fand heraus, dass Gänseküken allem folgen, was sie nach dem Schlüpfen zuerst erblicken: Ist keine Gans zur Bemutterung da, erfolgt die unwiderrufliche Prägung auch auf eine Attrappe. Eine solche Prägung bewirkt auch Veränderungen im Gehirn. Aus biologischer Sicht gewährleistet die Prägung Sicherheit und Nahrung.
EntwicklungsaufgabenJe nach Lebensalter stehen Menschen vor bestimmten Aufgaben: Dazu gehören beispielsweise die Entwicklung körperlicher Geschicklichkeit oder die Herausbildung von Gewissen, Moral und Werten. In der Auseinandersetzung mit diesen Herausforderungen entwickelt sich nicht nur die Persönlichkeit; ihre Lösung hilft uns auch dabei, künftige Aufgaben zu bewältigen, die uns über unser ganzes Leben hinweg begegnen und uns immer von Neuem fordern – zum Beispiel die Bewältigung des Schulabschlusses oder die Bewältigung des eigenen Älterwerdens.
EntwicklungsalterUnabhängig vom Lebensalter ist das Entwicklungsalter ein – relativ grober – Versuch, den Entwicklungsstand eines Kindes in Bezug auf einen durchschnittlichen Entwicklungsverlauf auszudrücken. Man versucht also, das Ergebnis von Entwicklungstests in Lebensjahren zu benennen. So kann beispielsweise ein siebenjähriges Kind aufgrund von Beeinträchtigungen die Testleistung eines durchschnittlichen fünfjährigen Kindes zeigen. Das Problem: Was ist ein „durchschnittlicher“ Entwicklungsverlauf? Gibt es einen allgemeingültigen, für alle Kinder „normalen“ Verlauf, der eine Bestimmung des jeweiligen Entwicklungsalters erlaubt?
Sensible PeriodenDieser Begriff beschreibt Phasen der Entwicklung, in denen sich bestimmte (Lern-)erfahrungen besonders stark auswirken. Das bedeutet, dass innerhalb dieser Entwicklungsabschnitte eine erhöhte Empfänglichkeit für bestimmte Einflüsse, Anregungen und Bedingungen besteht. In diesem Zusammenhang spricht man auch von Phasen erhöhter Plastizität. Ein bekanntes Beispiel ist das Erlernen einer Sprache. Während Kleinkinder, die zweisprachig aufwachsen, zwei Sprachen wie eine Muttersprache erlernen können, gelingt uns Erwachsenen das auch mit viel Übung nicht mehr richtig.
PassungBei der psychischen Entwicklung geht es nicht ausschließlich um die genetischen Anlagen, genauso wenig nur um die Einflüsse der äußeren Umwelt: Wesentlich ist die Passung zwischen dem einzelnen Menschen und seiner Umwelt. Jeder Mensch hat seine Eigenarten und Fähigkeiten. Von Bedeutung ist, wie diese mit den Anforderungen der Umwelt übereinstimmen.
Kontinuität/DiskontinuitätMan kann unterscheiden zwischen einer aufeinander aufbauenden, durchgängigen Entwicklung (wie zum Beispiel das Körperwachstum im Kindesalter) und Entwicklungsschritten, die nicht aufeinander aufbauen, also diskontinuierlich sind. Entwicklung kann kontinuierlich verlaufen – sie kann jedoch auch vorübergehend stehen bleiben, Sprünge oder Rückschritte machen. Schritte, Sprünge, Rückschritte sind vollkommen normal.
SelbstwirksamkeitKinder entwickeln ein Bewusstsein dafür, dass sie in ihrer Umwelt Dinge bewirken können, die sie bewirken möchten. Indem sie sich selbst als Urheber beabsichtigter Effekte erfahren, wächst die Überzeugung, auch in schwierigen Situationen erfolgreich und selbstständig handeln zu können. Diese Überzeugung wird als Selbstwirksamkeitserwartung bezeichnet.
Krisen/kritische LebensereignisseMenschen verändern sich ebenso wie die Welt um sie herum. Manchmal sind diese Veränderungen mit Freude verbunden: Ein Kind bekommt ein Geschwisterchen. Manchmal können die Veränderungen aber auch dramatisch sein: Ein Elternteil erkrankt plötzlich ernsthaft oder stirbt. In jedem Fall erfordern bedeutsame Veränderungen eine Anpassungsleistung: Etwas ist nicht mehr, wie es zuvor gewesen ist. Ein Gleichgewicht muss wiederhergestellt werden. Nicht selten sind Lebenskrisen schwierig zu meistern. Trotz allem bieten sie jedoch eine Möglichkeit zur Weiterentwicklung. Oft machen wir in einer Krise die mühsamsten, aber auch die größten Schritte.
LernenObwohl wir alle über eine ungefähre Vorstellung darüber verfügen, was Lernen bedeutet, ist der Begriff doch nicht einfach zu erklären. Alle Menschen lernen. Lernen kann sowohl absichtlich als auch unabsichtlich und auf unterschiedlichen Ebenen geschehen. Menschen lernen ganzheitlich: Mit ihrem Kopf, mit ihrem Körper, durch Gefühle, und sie lernen in Beziehungen. Kurz gesagt: Lernen passiert im Wesentlichen durch Erfahrungen und führt zu Veränderungen unseres Handelns, Denkens und Erlebens. Auf diese Weise wird die notwendige Anpassung an das Leben und die Umwelt möglich.
Kinder zeigen von früh an ihre eigenen Interessen, ihre ganz persönlichen Ideen, Vorlieben und Abneigungen. Sie beeinflussen bereits früh ihr eigenes Leben. Sie werden erzogen, aber sie gestalten ihre Erziehung auch mit. Jedes Kind entwickelt sich anders, und als Erwachsene sollten wir die Einmaligkeit des Kindes annehmen und respektieren.
Eltern dürfen darauf vertrauen, dass all jene Kräfte, die die Entwicklung antreiben, mit Sicherheit auch bei ihren Kindern vorhanden sind und dass diese Kräfte nicht einfach erlöschen werden. Entwicklung, körperlich und seelisch, hört nicht auf, solange wir atmen.
Kinder bringen ihre eigenen Begabungen mit in die Welt, aus denen sich eigene Entwicklungskräfte bilden. Diese Entwicklungskräfte können aber nicht beliebig gesteuert werden.
Eltern sind Vorbilder, Begleiter, Beschützer und hoffentlich verlässliche Unterstützer. Sie sind jedoch keine Bildhauer, die nach ihren Wünschen und Vorstellungen das „ideale“ Kind in seinen Eigenheiten, Fähigkeiten und Interessen gänzlich formen können.
Als Erwachsene können wir Kindern zum Beispiel ansprechende und altersgerechte Materialien zum Basteln anbieten. Wir können zeigen, wie man mit Schere und Buntstiften umgeht. Wir können uns Zeit nehmen und Ideen einbringen. Wir können dem Kind behilflich sein, Dinge erklären und Fragen beantworten. Aber es wird nicht möglich sein, ein Kind kreativ zu machen.
Diese Einsicht in Bezug auf die Entwicklung eines Kindes kann bei Eltern gelegentlich ein Gefühl der Hilflosigkeit oder Ohnmacht erzeugen. Anderseits kann es durchaus entlastend sein, zu wissen: Als Mutter oder Vater bin ich zwar verantwortlich, aber ich bin nicht für alles verantwortlich.
Wie verändert sich der Körper in der Grundschulzeit? Auf welche Weise entwickeln sich die motorischen Fähigkeiten? Welche Bedeutung hat Bewegung?
Mangelnde Bewegung ist ein großes Gesundheitsrisiko in unserer Gesellschaft. Eine Vielzahl der Erwachsenen verbringt den Arbeitstag weitgehend unbeweglich vor dem Computer. Körperliche Ertüchtigung wird aus dem Alltag in die Freizeit verschoben, ins Wochenende. Doch das Problem betrifft schon Kinder: Viel zu oft werden sie mit dem Auto zur Schule gefahren, anschließend sitzen sie mehrere Stunden im Klassenzimmer, zu Hause wieder an ihrem Schreibtisch und dann vor dem Fernseher. Dabei ist es für die körperliche Gesundheit sehr wichtig, die Kraft, die in Muskeln und Gelenken steckt, auch auszuschöpfen! Und noch etwas belastet den Körper stark: Essen wird mehr und mehr zu einer lästigen „Zeitverschwendung“. Wir essen auf dem Weg zur Arbeit und kaufen uns beim Imbiss an der Ecke ein schnelles Mittagessen. Dabei ist es erwiesen, dass selbst zubereitetes Essen, das in ruhiger Atmosphäre und mit genügend Zeit verzehrt wird, am gesündesten für unseren Organismus ist. Versuchen Sie daher, Bewegung und gesundes Essen zu selbstverständlichen Teilen Ihres Familienlebens machen. Das hält gesund und macht sogar glücklich! Und Kinder, die sich in ihrem Körper wohlfühlen und sich selbstsicher mit ihm bewegen, entwickeln mit höherer Wahrscheinlichkeit eine ausgeglichene Persönlichkeit.
Sowohl im Kleinkindalter als auch zu Beginn der Pubertät erleben Kinder deutliche Wachstumsschübe. Dagegen zeigt sich im Grundschulalter – also in der Phase zwischen sechs und elf Jahren – eine eher kontinuierliche und langsame Größen- und Gewichtszunahme. Natürlich setzt das Wachstum auch während dieser Zeit nicht vollkommen aus: Im Durchschnitt wächst ein Grundschulkind etwa vier bis acht Zentimeter jährlich und nimmt ungefähr 30 Prozent (also zwei bis drei Kilogramm pro Jahr) an Gewicht zu. Die für ein Kleinkind typischen körperlichen Merkmale, die man als Kindchenschema bezeichnet, lösen sich bei Schulkindern auf. Im Zusammenhang mit der Veränderung der Körperproportionen spricht man vom Gestaltwandel: Der erste Wandel findet beim Übergang vom Kleinkind zum Schulkind statt, ein weiterer Wandel erfolgt in der Pubertät.
Gestaltwandel im Grundschulalter: Das Kindchenschema löst sich auf, die Proportionen verändern sich. Wachstums- und Gewichtsentwicklung werden bei den Vorsorgeuntersuchungen überprüft.
Auf das Wachstum haben die Gene, also die Größe der Eltern, bedeutenden Einfluss. Darüber hinaus wirken sich Ernährung, Hormonstatus und Umgebungsbedingungen auf das Wachstum aus. Das Körpergewicht hängt ebenso von unterschiedlichen Faktoren und nicht ausschließlich vom Längenwachstum ab: Auch das Geschlecht, das Ernährungs- und das Bewegungsverhalten spielen eine Rolle.
Bei den Vorsorgeuntersuchungen Was gibt`s zu tun bei der Kinderärztin?, S. 35 wird mittels sogenannter Perzentilkurven eingeschätzt, ob die Wachstums- und Gewichtsentwicklung eines Kindes „normal“ verlaufen. Diese Kurven beruhen auf Durchschnittswerten. Gewicht oder Körpergröße eines Kindes werden also mit jenen der Altersgenossen in Bezug gesetzt. Die aktuelle Körpergröße wird von der Kinderärztin in ein Koordinatensystem im U-Heft eingetragen, um den Verlauf beobachten zu können. „Normal“ oder „regelrecht“ sind sämtliche Werte zwischen den Perzentilen 3 und 97 Prozent. Zur Einordnung: 3. Perzentile bedeutet, dass 97 Prozent der Altersgenossen größer und lediglich drei Prozent kleiner sind. 97. Perzentile bedeutet hingegen, dass nur drei Prozent der Gleichaltrigen größer, 97 Prozent kleiner sind.
Wichtig: Wenn Größe oder Gewicht Ihres Kindes nach unten oder oben von den „Normalwerten“ abweichen, kann es sich auch um eine vorübergehende Entwicklungsverzögerung handeln. Wenn Abweichungen allerdings über einen längeren Zeitraum andauern oder „plötzlich“ auftreten, muss dies kinderärztlich abgeklärt werden.
Je älter ein Kind wird, desto besser lässt sich anhand der Perzentilkurven bestimmen, wie groß es einmal werden wird. Dies ist möglich, weil eine gesunde Entwicklung in der Regel anhand der persönlichen Perzentile eines Kindes verläuft. Die altersabhängigen Normwerte der Wachstumskurven unterscheiden sich für Mädchen und Jungen, weshalb es je nach Geschlecht unterschiedliche Kurven gibt.
Die Wachstumskurven geben den Kinderärzten Hinweise, ob sich Ihr Kind körperlich gesund entwickelt. Der „Normalbereich“ hat entsprechend der Entwicklungsdiversität eine große Spannbreite.
Im Laufe der Entwicklung nehmen Kinder nicht nur an Körpergröße und -gewicht zu. Als Pubertät bezeichnet man jenen stürmischen Entwicklungsabschnitt, in dem Kinder sich körperlich zu Erwachsenen entwickeln und schließlich zu voll geschlechtsreifen Frauen oder Männern werden. In dieser Zeit sind die hormonellen Veränderungen größer als in jeder anderen Lebensphase (ausgenommen der Schwangerschaft). Dies und die rasante körperliche Entwicklung können vorübergehend zu Unsicherheiten, zu einem größeren Bedürfnis nach Privatsphäre und verstärktem Schamempfinden führen: Was passiert mit meinem Körper? Wie reagieren andere auf mich? Was bedeutet es, ein erwachsener Mann oder eine erwachsene Frau zu werden? Aus diesem Grund ist es keineswegs ungewöhnlich, wenn Mädchen sich in dieser Phase auf einmal nicht mehr im Badeanzug zeigen möchten oder Jungen plötzlich die Badezimmertür abschließen.
Wann und in welcher Reihenfolge sich körperliche Veränderungen in der Pubertät vollziehen, ist sehr unterschiedlich. Die nebenstehende Tabelle gibt einen Überblick darüber, in welchem durchschnittlichen Alter welche Veränderungen eintreten. Unterschiede im Entwicklungstempo sind aber ganz normal und müssen Eltern keinen Anlass zur Sorge geben. Fest steht, dass die Pubertät im Vergleich zur Zeit vor 100 Jahren heutzutage früher im Leben eintritt. Die Gründe hierfür werden von der Wissenschaft in einer kalorienreicheren Ernährung, in einer Verbesserung unserer Umweltbedingungen sowie in einer Verbesserung der sanitären und medizinischen Bedingungen gesehen.
Jedes Kind reagiert unterschiedlich auf das Einsetzen der pubertären Veränderungen. Um als erwachsener Mensch nachvollziehen zu können, wie diese Veränderungen sich anfühlen, kann es hilfreich sein, sich an die eigene Jugend zu erinnern: Welche Unsicherheiten hatten wir selbst? Was war während unserer Pubertät wichtig für uns? Wie haben wir damals unsere körperliche Metamorphose erlebt? Und welche Gedanken und Gefühle waren damit verbunden?
Sprechen Sie mit Ihren Kindern rechtzeitig darüber, dass und wie sich ihr Körper entwickeln wird. Dann werden sie nicht überrascht von dem, was mit ihnen geschieht, und haben die Chance, sich auf die anstehenden Veränderungen einzustellen Was Grundschulkinder wissen sollten, S. 54.
Wie verändert sich der Körper in der Pubertät?
Körpergröße
Wachstumsschub zu Beginn der Pubertät
Mädchen ca. 10.–14. Lebensjahr;Jungen ca. 12.–16. Lebensjahr
Anschließende Verlangsamung und Abschluss des Wachstums
Mädchen ca. 16–17 Jahre;Jungen ca. 17–19 Jahre
Körpergewicht
Mit dem Wachstum erhöht sich das Körpergewicht.Es entsteht eine erwachsene Körperform.
Mädchen: Größere Zunahme des subkutanen Fettgewebes;
Jungen: Größere Zunahme des Anteils an Muskelgewebe
Organische Veränderungen
Wachstumsschub des Herz-Kreislauf-Systems
Das Herz verdoppelt seine Größe und die Herz-frequenz sinkt
Anstieg des systolischen Blutdrucks
Veränderung der Zusammensetzung des Blutes
Die Größe der Lunge nimmt zu
Der Stoffwechsel verlangsamt sich
Die Schweißdrüsen entwickeln sich
Insgesamt steigt die Leistungsfähigkeit
Sekundäre Geschlechtsmerkmale bei Mädchen
Ausbildung der Brüste (Thelarche)
ca. 11–15 Jahre
Wachstum der Schambehaarung (Pubarche)
ca. 9–14 Jahre
Wachstumsschub der inneren Geschlechtsorgane
Vergrößerung der Gebärmutter
Entwicklung der Gebärmutterschleimhaut
Vergrößerung der Vagina
ca. 12–13 Jahre
Sekundäre Geschlechtsmerkmale bei Jungen
Wachstum der Hoden und des Penis
ca. 11–15 Jahre
Wachstum der Schambehaarung (Pubarche)
ca. 11–15 Jahre
Wachstum der Achsel- und Bartbehaarung
ca. 13–15 Jahre
Stimmbruch
ca. 14–15 Jahre
Erster Samenerguss (Spermarche)
ca. 13–14 Jahre
Quellen: Schneider, W. & Lindenberger, U. (Hrsg.). (2012). Entwicklungspsychologie. Weinheim, Basel: Beltz Verlag. S. 238 Fenwick, E & Smith, T (1995). Pubertät, Ein Survival Guide für Eltern und Teenager. Ravensburger Buchverlag. S.19]]
„Lauf nicht so schnell, da vorne fahren Autos!“– „Pass bloß auf, dass du da nicht runterfällst!“ – „Setz dich ordentlich hin und zappel nicht so rum!“ – „Alle hinsetzen und zuhören!“
Neben dem Spiel ist Bewegung die wichtigste Ausdrucksform von Kindern. Doch leider ist ihr Alltag durchsetzt mit Bewegungseinschränkungen. Ein Großteil des Schulunterrichts findet im Sitzen statt. Die öffentlichen Plätze, an denen sie nach der Schule gefahrlos toben und sich bewegen können, werden immer seltener, insbesondere in Städten. Dabei ist es nicht immer nur der Autoverkehr, der dem Bewegungsdrang Grenzen setzt: Auch ruhebedürftige Erwachsene konkurrieren mit Kindern um den knappen öffentlichen Raum und empfinden ihr Spiel als „störend“. Die Folgen sind besorgniserregend. Ein hoher Prozentsatz der Kinder in Deutschland hat bereits in der Grundschule Haltungsschäden, Herz-Kreislaufprobleme, Koordinationsschwächen oder Übergewicht.
Dabei ist die motorische Entwicklung ein sehr wichtiger Bestandteil der ganzheitlichen Entwicklung eines Menschen. Defizite in der motorischen Entwicklung wirken sich auf alle anderen Entwicklungsbereiche negativ aus. Die menschliche Wahrnehmung ist auf Bewegung eingestellt. Wir begreifen unsere Welt nur, indem wir uns in ihr bewegen, sie fühlen und erforschen können. Daher darf Bewegung nicht aus dem Alltag unserer Kinder verschwinden, sondern muss im Gegenteil ein selbstverständlicher Teil ihres Lebens werden!
Motorische Fähigkeiten, das sind Kraft und Ausdauer (die sogenannten konditionellen Fähigkeiten) auf der einen, Schnelligkeit und Bewegungssteuerung (die koordinativen Fähigkeiten) auf der anderen Seite. Für das Erlernen dieser Fähigkeiten stellt die Kindheit eine sensible Periode der EntwicklungWas bedeutet eigentlich …, S. 14 dar. Das heißt, dass es Kindern in der Grundschulzeit besonders leichtfällt, die Koordination von Bewegungen zu erlernen und dass sie ihre Kondition schnell aufbauen können. Auch wenn diese Fähigkeit im Laufe des Lebens allmählich abnimmt, so bleibt sie denjenigen Menschen, die als Kinder viel Bewegungserfahrung hatten, noch lange erhalten! In die Bewegungsfähigkeiten Ihrer Kinder zu investieren, ist daher wie eine Gesundheitsvorsorge für ihr ganzes Leben.
Grundschulkinder haben die grundlegenden motorischen Fähigkeiten bereits erlernt. Darauf lässt sich nun aufbauen: Bereits beherrschte Fähigkeiten werden genauer, komplexere Bewegungsverbindungen werden erlernt. Oft zeigt sich das am deutlichsten beim Sport: Aus Springen „wird“ Hochsprung und Weitsprung, aus Rennen ein Langstreckenlauf oder ein Sprint.
Behalten Sie die motorische Entwicklung Ihrer Kinder gut im Blick. Sie als Eltern können dafür sorgen, dass es in ihrem Alltag Raum für Bewegung gibt. Orientieren Sie sich dabei an den Interessen Ihrer Kinder. Es gibt eine Fülle an Sportarten, die jeweils ganz unterschiedliche Aspekte von Bewegung betonen. Wer nicht gerne Fußball spielt, freut sich vielleicht über Jonglierbälle. Wer nicht gerne tanzt, springt vielleicht lieber ins kühle Nass und schwimmt. Ermuntern Sie Ihr Kind dazu, sich mit anderen zum Ballspielen auf dem nächsten Bolzplatz zu verabreden, und erkundigen Sie sich nach den Angeboten der Sportvereine und Jugendgruppen in Ihrer Nähe. Aber nicht nur sportspezifische Bewegung ist sinnvoll. Kinder können sich auch in der Natur frei bewegen. Es geht nicht darum, dass jedes Mädchen Ballett lernt und jeder Junge Fußball spielt. Wichtig ist, den Spaß an Bewegung zu erhalten!
Nicht nur auf die körperliche Entwicklung hat Bewegung einen immensen Einfluss. Das Gespür für unseren Körper und die Einschätzung unserer motorischen Fähigkeiten bestimmt das Bild, das wir uns von uns selbst machen. Grundschulkinder vergleichen sich mit anderen und stellen sich die Frage: „Wer bin ich?“ Für ein positives Selbstwertgefühl ist es wichtig, dass Kinder wissen, wie sie ihren Körper gut steuern können und welche Bewegungen ihnen Spaß machen. Sie sollten wissen, dass sie mit ihren Altersgenossen mithalten können. Kinder mit wenig Bewegungserfahrung oder mangelnden Möglichkeiten, das eigene Können zu testen, leiden im Vergleich öfter an einem geringeren Selbstbewusstsein.
Neben der positiven Wirkung, die Bewegung auf die Entwicklung und das Selbstbild hat, leistet sie auch einen enormen Beitrag zu unserer Gesundheit. Es gibt kein anderes Mittel, dass sich so ganzheitlich wohltuend auf die Gefühle, die Gedanken und den Körper auswirkt wie die richtige Dosis an Bewegung. Bewegung festigt die Knochen, was vor allem in der Wachstumszeit wichtig ist. Kinder in Bewegung haben im Allgemeinen ein widerstandsfähiges Immunsystem und einen gesunden Stoffwechsel. Denn auch Nahrung kann nur richtig verdaut und verwertet werden, wenn wir uns bewegen. Sogar die Organe nehmen ihre Arbeit erst dann richtig auf, wenn sich der Körper ausreichend bewegt.
Wie wird eine altersgerechte motorische Entwicklung kinderärztlich untersucht?
Wenn Sie sich Sorgen um die motorische Entwicklung Ihres Kindes machen, ist die kinderärztliche Praxis die geeignete Anlaufstelle, um Ihre Fragen und Bedenken zu besprechen. Kinderärzte und -ärztinnen können eine erste Einschätzung geben, ob Ihre Bedenken berechtigt sind und ob es einer weiterführenden Untersuchung bedarf. Diese wird meist in spezialisierten Förderzentren durchgeführt. Allgemein lässt sich sagen, dass ein „Nicht-Können“ von bestimmten sportlichen Fähigkeiten wie Schwimmen oder Fahrradfahren allein nicht auf eine Fehlentwicklung in der Motorik hindeutet. Das Erlernen dieser Fähigkeiten ist maßgeblich abhängig von Förderung und dem Interesse der Kinder. Der Arzt achtet darauf, ob im Alltag motorische Defizite auffallen: Kann sich das Kind alleine anziehen, Treppen steigen, einen Löffel und einen Stift zielführend koordinieren et cetera? Außerdem wird die Struktur des Alltags unter die Lupe genommen: Erhält das Kind in einem ausreichenden Maß Möglichkeiten, seine Beweglichkeit zu erproben? Insgesamt müssen in mehreren grob- oder feinmotorischen Bereichen Defizite zu erkennen sein, um von einer problematischen Entwicklung zu sprechen. Kinder, die nicht gerne malen, aber trotzdem schöne Ketten fädeln oder auf andere Weise ihre Feinmotorik erproben, sind altersangemessen entwickelt. Ebenso müssen nicht alle Kinder gerne Fahrrad fahren, solange sie beispielsweise gerne klettern, tanzen, Rad schlagen oder andere koordinative Bewegungsabläufe üben.
Welche Empfehlungen geben Sie zur Förderung der Motorik?
Bewegung ist ein menschliches Grundbedürfnis. Es steht gleich neben Essen, Trinken und Schlafen. Daher muss Bewegung eigentlich nicht spezifisch gefördert werden. Doch ebenso wie Kinder nur dann ausreichend essen und trinken, wenn sie dies von den Erwachsenen angeboten bekommen, bewegen sie sich auch nur ausreichend, wenn sie die Möglichkeit dazu erhalten. Eltern sollten Bewegung daher in den Alltag der Kinder integrieren. Oft genügt schon ein Spaziergang am Nachmittag zum Spiel- oder Bolzplatz. Naturnahe Spielräume fördern die Bewegungserprobung meist ganz automatisch: Bäume laden zum Klettern ein, und das Laufen auf unebenem Untergrund fördert Gleichgewicht und Koordination. Natürlich ist es auch förderlich, wenn Kinder entsprechend ihrer Interessen Sportkurse besuchen. Die freie Bewegung steht jedoch im Vordergrund, da sie Stress abbauen kann, ohne ein weiterer Termin in den ohnehin vollen Terminkalendern unserer Kinder zu sein.
Bewegung ist außerdem ein wirksamer Bestandteil unserer Stressregulation. Mit dem Schuleintritt werden Kinder früher oder später mit Klassenarbeiten, Noten oder Referaten konfrontiert – bislang ungewohnte Situationen, die im Körper Stressreaktionen auslösen können. Das ist für sich genommen nicht schlimm, sondern sogar wichtig, damit sich die Kinder gut konzentrieren können. Doch die im Körper entstandene Anspannung muss später unbedingt wieder abgebaut werden. Bewegung leistet dazu einen unersetzbaren Beitrag. Kinder, die regelmäßige Bewegung gewohnt sind, werden diese Strategie automatisch anwenden. Sie werden dadurch stresstoleranter, und die physiologische Stressreaktion fällt insgesamt geringer aus.
Diese vielfältig positive Wirkung von Bewegung wird aktuell in der Medizin und Sportmedizin erst richtig erforscht. Bewegung hält in immer mehr Therapien Einzug, beispielsweise wird sie aufgrund ihrer beeindruckenden Wirkung gegen Depression und Krebs unterstützend eingesetzt. Auf alle interessanten Auswirkungen von Bewegung und die genauen zellulären Zusammenhänge kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Doch natürlich stellt sich die Frage: Was bedeute das für die Erziehung unserer Kinder?
Körperliche Betätigung wirkt auf sozialer, persönlicher und gesundheitlicher Ebene. Kinder, die Bewegung als selbstverständlichen Bestandteil des Alltags erfahren, können die Effekte besser für sich nutzen. Wer in der Kindheit Bewegung und Sport als etwas Freudestiftendes und Wohltuendes empfunden hat, wird dies mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Erwachsenenalter beibehalten.
Als Eltern haben Sie großen Einfluss darauf, welchen Stellenwert Bewegung im Alltag erhält und wie sie bewertet wird. Bauen Sie regelmäßige Bewegung in Ihren und in den Alltag Ihrer Kinder ein. Sport bietet schließlich eine tolle Gelegenheit, als Familie etwas zusammen zu unternehmen. So fördern Sie mit dem gemeinsamen Schwimmbadbesuch oder der gemeinsamen Wanderung nicht nur die Gesundheit, sondern auch den Zusammenhalt in der ganzen Familie.
Was brauchen Grundschulkinder, um gesund zu bleiben? Wie können Eltern in der Erziehung zu einem Gesundheitsbewusstsein beitragen? Was raten Zahnärztin und Kinderarzt?
Ein bewusster und achtsamer Umgang mit der eigenen Gesundheit gehört zu jenen wichtigen Lebenskompetenzen, die wir unseren Kindern auch im Laufe der Grundschulzeit vermitteln möchten. Kinder sollen lernen, was gut und was schlecht für ihre Gesundheit ist und möglichst selbstständig danach handeln – also ein Gesundheitsbewusstsein entwickeln. Für die Auseinandersetzung mit gesunder Ernährung, körperlicher und psychischer Gesundheit ebenso wie mit Routinen der Körper- und Zahnhygiene bietet der Alltag vielfältige Gelegenheiten.
Ernährung bedeutet mehr als die Versorgung unseres Körpers mit Energie und Nährstoffen – Essen hat mit Genuss zu tun, an dem viele Sinne zugleich beteiligt sind. Wem läuft beim Gedanken an sein oder ihr Lieblingsessen nicht das Wasser im Mund zusammen? Für Kinder ist es wertvoll, wenn sie Freude an gesunder und abwechslungsreicher Ernährung entwickeln. Gute Ernährung sorgt für Wohlbefinden, Widerstands- und Leistungsfähigkeit. Kinder, die sich gesund ernähren, haben mehr Energie für ihre spielerischen, sportlichen und schulischen Aktivitäten. Umgekehrt verbrauchen all diese Aktivitäten Energie, und das Hungergefühl wird somit auf ganz natürliche Weise reguliert. Kompliziertes Kalorienzählen oder spezielle Diäten sind im Allgemeinen nicht erforderlich Groß und stark werden – Wachstum und Gewicht, S. 17.
Von der Ernährungsindustrie eigens entwickelte Kinderlebensmittel sind in der Regel überflüssig – und zudem nicht nur relativ teuer, sondern häufig zu süß, zu fett oder zu salzig. So zeigte sich in einem Test von Kinderdesserts der Stiftung Warentest vom Oktober 2020, dass einige explizit für Kinder vermarktete Joghurts und Puddings eher Süßigkeiten waren. Immerhin fanden die Tester auch empfehlenswerte Produkte – im Test vorne lagen Frischkäsezubereitungen. Und es ließ sich feststellen, dass einige Anbieter ihre Rezepturen im Lauf der letzten 20 Jahre deutlich verschlankt haben, sodass etwa Fruchtzwerge oder Monsterbacke heute nur noch halb so viel Fett, ein Drittel weniger Zucker und ein Drittel weniger Kalorien enthalten als vor 20 Jahren. Trotzdem: Naturjoghurt oder Quark mit Obst bieten im Vergleich zu gekauften Desserts weniger freien Zucker und eine Extra-Portion Vitamine – daran reichte keines der getesteten Desserts heran.
Aber wie können Kinder Freude an gesunder und abwechslungsreicher Ernährung entwickeln, die sie körperlich und geistig agil hält und stressresistent macht? Nicht jedes Kind liebt Gemüse und Vollkornbrot, und den Verlockungen von Pizza, Pommes & Co. ist nicht leicht zu widerstehen …
Im Wesentlichen gleicht eine gesunde Ernährung von Schulkindern jener für Erwachsene. Das bedeutet auch, dass Eltern eine wichtige Vorbildrolle zukommt! Weil Kinder maßgeblich aufgrund von Beobachtung und Imitation lernen, findet auch die Prägung des Essverhaltens zu einem großen Teil im Elternhaus statt. Die elterliche Vorbildrolle beginnt bei gewissen „Tischregeln“, an die sich auch die Erwachsenen halten (zum Beispiel regelmäßige Mahlzeiten, kein Handy am Esstisch, gemeinsames Essen am Tisch und nicht nebenbei vor dem Fernseher, bestimmte Tischmanieren et cetera). So können die Kinder sich bewusst auf das Essen einlassen und ein angemessenes Hunger- und Sättigungsgefühl entwickeln. Darüber hinaus lässt sich bei gemeinsamen Familienmahlzeiten in vertrauter und entspannter Atmosphäre miteinander sprechen – ein verlässlicher Anker im oftmals straff durchgetakteten Alltag!
nach aid infodienst; Idee: S. Mannhardt
Wie viele Portionen wovon? Viel trinken ist wichtig, dazu Gemüse, Obst und Getreideprodukte. Milchprodukte und Fleisch sparsamer, Fett erst recht. Snacks und Süßes möglichst nur einmal am Tag.
Kinder haben in der Regel große Lust, Neues auszuprobieren und Unbekanntes zu entdecken. Nutzen Sie diese Neugier, und beziehen Sie Ihr Kind bei der Essensplanung, beim Einkaufen im Supermarkt oder auf dem Wochenmarkt und beim Kochen mit ein. Dabei können Sie Ihrem Kind beispielsweise erklären, welche Gemüse- oder Obstsorten es gibt, wie und wo diese wachsen, welche Produkte aus Milch hergestellt werden und welche aus Getreide, Sie können erklären, woher das Fleisch kommt oder was Hülsenfrüchte sind.
So können Kinder lernen, dass Essen und Ernährung keine „Nebensachen“, sondern höchst spannende und vielseitige Angelegenheiten sind. Auch wenn es mehr Mühe kostet als der Griff zu Fertiggerichten: Kinder, die aktiv erfahren, wie gut selbst zubereitete Mahlzeiten schmecken können, werden sich in der Regel mehr für gesunde Ernährung interessieren.
Eines steht jedenfalls fest: Kinder zum Essen zu zwingen, hilft nicht. Bei Lebensmitteln, die Kinder noch nicht gekostet haben, ist es ratsam, diese in verschiedener Form (zum Beispiel Gemüse roh und gekocht) und in Verbindung mit bereits bekannten Speisen anzubieten – manches müssen Kinder erst einige Male probieren, bis sie tatsächlich Gefallen daran finden.
Aber was bedeutet eigentlich vollwertige, „gesunde“ Ernährung? Eine solche Ernährung beinhaltet sämtliche Nährstoffe, die ein Kind für seine Entwicklung benötigt. Außerdem beugt sie zahlreichen Krankheiten vor. Vom Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund stammt das Konzept der Optimierten Mischkost (optimiX), das im Wesentlichen auf drei Regeln basiert, die in Form eines einfachen Ampelsystems eine gesunde Ernährung gewährleisten sollen:
Wichtig ist eine ausreichende Versorgung mit Flüssigkeit, am besten mit Wasser oder ungesüßtem Tee. Kinder im Grundschulalter sollten täglich gut einen Liter trinken und stets so viel trinken dürfen, wie sie möchten. Unverzichtbar für die tägliche Ernährung sind außerdem Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte (wie Erbsen, Bohnen und Linsen), die notwendige Vitamine, Ballast- und Mineralstoffe liefern. Wesentliche Grundnahrungsmittel sind Getreideprodukte (etwa Brot oder Müsli), am besten Vollkornprodukte, und Kartoffeln. Durch ihren hohen Anteil an Kohlenhydraten wirken sie sättigend und fungieren als Energielieferanten. Milchprodukte (wie Milch, Käse, Quark und Joghurt) sowie andere tierische Lebensmittel (wie Fleisch, Wurst, Fisch und Eier) liefern unter anderem hochwertiges Eiweiß und Eisen. Dennoch sollten sie eher in Maßen verzehrt werden: Zwei bis drei Fleischmahlzeiten wöchentlich decken den Eisenbedarf. Wurst ist relativ fettreich und daher nicht täglich zu empfehlen. Sparsam sollte grundsätzlich mit Fett umgegangen werden, das sich in vielen Snacks „versteckt“. Beim Backen und Kochen sollte man pflanzliche Fette (wie Olivenöl) bevorzugen. Auf Süßigkeiten, die nichts zur Nährstoffversorgung beitragen, könnte der Körper im Prinzip völlig verzichten, sodass sie nur in geringen Mengen genascht werden sollten.
„Die Angst sitzt mir im Nacken.“– „Ich habe einen Kloß im Hals.“ – „Etwas schnürt mir die Kehle zu.“ – „Ich fühle mich ganz angespannt.“ …
Zahlreiche Formulierungen, die man im Alltag verwendet, weisen auf die engen Zusammenhänge zwischen psychischem und körperlichem Erleben hin.
Körper und Psyche, also die Gesamtheit menschlichen Fühlens und Denkens, gehören zusammen. Wenn wir körperlich aktiv sind, dann wirkt sich das auch auf unser psychisches Gleichgewicht aus. Umgekehrt sind wir körperlich leistungsfähiger, wenn wir uns psychisch wohlfühlen. Psychische Gesundheit fördert unsere körperliche Gesundheit, ebenso wie körperliches Wohlbefinden zu psychischer Stabilität beitragen kann. Gute Gefühle sind wichtig – auch für unseren Körper! Gesundheit in einem ganzheitlichen Sinn bedeutet deshalb mehr als die Abwesenheit von körperlicher Krankheit.
Psychisches Wohlbefinden ist eine wesentliche Voraussetzung für ein gesundes Aufwachsen. Psychisch gesunde Kinder sind leistungsfähiger, zufriedener und können Entwicklungs- und Alltagsaufgaben besser bewältigen. Anhaltende Belastungen wie (Leistungs-)Stress, Versagensängste, Konflikte in der Familie oder Probleme mit Gleichaltrigen und Lehrern erhöhen das Risiko für psychische und physische Erkrankungen. Nicht selten führen seelische Belastungen zu körperlichen Symptomen wie Kopf- und Bauchschmerzen.
Zum Glück gibt es zahlreiche Wege, die eigene Gesundheit positiv zu beeinflussen. Unterschiedliche äußere und innere Bedingungen wirken auf unser körperliches und psychisches Befinden. Eine wichtige Rolle spielt die Resilienz. Damit ist eine psychische Widerstandskraft gemeint, also die Fähigkeit, auf persönliche und erlernte Ressourcen zurückzugreifen, um Krisen, Stress und Konflikte gut bewältigen zu können. Belastungen gehören unweigerlich zum menschlichen Leben. Sie lassen sich nicht vollkommen vermeiden – jedoch ist es möglich, einen „gesunden“ Umgang damit zu entwickeln.
Wichtig für die Entwicklung dieser psychischen Widerstandskraft ist der kompetente Umgang mit den eigenen Gefühlen. Dazu gehört, dass Kinder ihre Gefühle bewusst wahrnehmen und die Gefühle anderer erkennen können Ich sehe, was du fühlst – Empathie, S. 64. Darüber hinaus sollten Kinder ein positives Selbstbild entwickeln.
Was können Eltern dafür tun? Bieten Sie Ihrem Kind Möglichkeiten für Erfolgserlebnisse, fördern Sie seine Eigeninitiative und schenken Sie Ihrem Kind Anerkennung! Dadurch stärken Sie das Selbstwertgefühl Ihres Kindes. Kinder, die Sicherheit und Geborgenheit spüren, können ihre Umwelt frei und kreativ erforschen. Dabei können sie Dinge ausprobieren und erleben, dass sie selbst etwas bewirken. Diese Erfahrungen sind wichtig, um ein Gefühl der Selbstwirksamkeit auszubilden Was bedeutet eigentlich …, S. 14. Auf diese Weise kann Ihr Kind Vertrauen in seine eigenen Fähigkeiten und Talente entwickeln – eine wichtige Ressource im Umgang mit allen möglichen Schwierigkeiten!
Aber nicht nur das Vertrauen in die eigene Person ist wichtig – auch das Vertrauen in die Unterstützung durch feinfühlige Bezugspersonen ist eine entscheidende Quelle der Resilienz: eine sichere Bindung, liebevolle Fürsorge, tragfähige und verlässliche Beziehungen, auf die Kinder stets zurückgreifen können. Geteiltes Leid ist halbes Leid! Ein wertschätzendes Familienklima ermöglicht es Kindern, ihre Probleme, Ängste oder Sorgen mitzuteilen. Das erleichtert die Bewältigung innerer und äußerer Herausforderungen.
Der Soziologe Aaron Antonovsky hat sich in seinen Arbeiten sehr eingehend mit der Frage beschäftigt, was Menschen trotz kritischer Lebensereignisse und Belastungen gesund erhält. In diesem Zusammenhang entwickelte er das Konzept des Kohärenzsinns, der sich aus drei Komponenten zusammensetzt:
Handhabbarkeit meint die Überzeugung und das Vertrauen, dass Probleme lösbar und Anforderungen zu bewältigen sind. Diese Überzeugung kann durch Selbstwirksamkeit gestärkt werden.
Verstehbarkeit bedeutet, dass es wichtig ist, die Zusammenhänge des Lebens zu verstehen und somit nach Möglichkeit vorhersehen zu können. Durch verständliche Erklärungen können Eltern und Schule hier einen großen Beitrag leisten.
Sinnhaftigkeit bezieht sich auf den Glauben an den Sinn des Lebens: Wenn Kinder ihr Leben als sinnhaft erfahren, können sie Anforderungen als Herausforderungen begreifen und diese engagiert und motiviert in Angriff nehmen.
Kinderärztinnen und -ärzte sind wichtige Ansprechpartner über die gesamte Kindheit und Jugend hinweg. Bei gesundheitlichen Fragen, aber auch bei Erziehungsfragen oder Schulproblemen können die kinderärztlichen Praxen eine erste Anlaufstelle sein. Sie sind gut mit anderen sozialen und therapeutischen Einrichtungen vernetzt und wissen, wo Sie mit Ihrem jeweiligen Anliegen gezielt Hilfe bekommen können.