Mein Stadt-Kräuter-Buch - Ursula Stratmann - E-Book

Mein Stadt-Kräuter-Buch E-Book

Ursula Stratmann

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  • Herausgeber: Kailash
  • Kategorie: Lebensstil
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2016
Beschreibung

Die essbare Stadt

Kräuter und Wildgemüse ernten in der Stadt? Kein Problem! Im Stadtpark wachsen wilde Vitaminbomben, zwischen Pflastersteinen Heilkräuter und im Hinterhof Beeren und Baumfrüchte! Die Biologin und »Kräuterverliebte« Ursula Stratmann veranstaltet seit vielen Jahren Kräuterführungen. Mit »wilden« Geschichten aus dem städtischen Kräuter-Eldorado, Rezepten für Smoothies, Suppen und Salate und einem unterhaltsamen Ausflug in die »essbare Stadt« Andernach lädt sie uns in die »grüne City« ein. Mit Stadtkräuter-Apotheke und vielen Tipps zum Kräutersammeln im urbanen Umfeld.

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Seitenzahl: 210

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Inhalt

Vorwort

GROSSSTADTBOTANIK

Kräuter in der Stadt?

So viel Grünzeug … oder auch nichts

Ein Herz fürs Grünflächenamt: Ernten Sie Kräuter!

Stadtwildnis: Berlin, Köln, München, Ruhrgebiet

Muss man die Kräuter waschen?

Macht die Stadt gesund?

Nehmen Sie die Stadtflächen in Beschlag

Essbare Stadt: Todmorden – die Bürgergemüsetheke

Essbare Stadt: Andernach – ein Traum!

Meine Vision

WILDES STADTGEMÜSE

Der essbare Rasen

Karnickelschönheit und Achtsamkeitsmeditation

Mein Rasensalat

Vitamindrops vom Rasen

Frühling! Meine 10 wichtigsten Salatkräuter im Porträt

Giersch ist mein Liebling

Knoblauchsrauke: bei »DSDS der Kräuter« die Nr. 1!

Rhabarber für alle oder: Japanischer Staudenknöterich

Forever schön mit der »Stadt-­klette«: Kletten-Labkraut

»Pissenlit« oder auch: Löwenzahn

Gegen Vitamin-C-Mangel: Scharbockskraut

Delikatesse nicht nur für Kinder: Gartenschaumkraut

Nussige Vitamin-B-Quelle: Gänseblümchen

Salat mit großer Heilkraft: Gundermann

Macht in jeder Hinsicht stark: Brennnessel

Mehr städtische Salatschätzchen

Ehrenpreis oder: Der Lenz ist da

Taubnesseln – so ganz und gar zart

Meine Lieblinge: Eisbegonien

Nachtkerze – die duftende Schinkenwurz

1000 weitere essbare Wildpflanzen

Städtische Baumnaschereien im Frühling

Smoothie-Happening

… mit Hindernissen

Fruchtiger Münchner Isar-Smoothie

Deftiger Münchner Suppen-Smoothie

Naschbares im Sommer

Kräuter, Kräuter, Kräuter

Wegerich-Pilzpfanne

Wildblütensalat für alle

Süße unbekannte Felsenbirne

Naschbares im Herbst

Maronen aus dem Stadtpark

Baumhaseln – lecker fürs Müsli

Liebessmoothie mit Kornelkirschen

Walnüsse aus dem Park

Schmackhafte Kalorienquelle: Wilde Samen

Naschbares im Winter

Vogelmiere für den städtischen Wintersalat

Und wieder: Karnickel-Schönheiten

Winter-Potpourri

MEINE WILDEAPOTHEKE

Detox ist so was von »in«

Einfach entgiften mit Kräutertee

Machen Sie Ihre Heilmittel ganz einfach selbst!

Stadtkräuter für alle Fälle

Tees und mehr aus eigener Produktion

Die wichtigsten Schätzchen meiner City-Apotheke

Number One für die Haut: Spitzwegerich

Gold für Haut und Seele: Johanniskraut

Blütentee gegen Fieber: Holunder und Linde

Borreliosekur von der Baustelle: Wilde Karde

Warzenmittel an der Mauer: Schöllkraut

Rescuekraut neben der Mülltonne: Stinkender Storchschnabel

Universalkraut gegen alles: Kamille

Königliches Gold auf der Halde: Königskerze

Keine Tussi, sondern Tussilago: Huflattich

Und noch mehr Apotheke

Die Apotheke im Blumenkasten

Leckere Antibiotika gegen Blasenentzündung: Kapuzinerkresse & Co.

Kräuter-Potpourri mit ätherischen Ölen

Aloe vera von der Fensterbank

Ein Kraut für jedes Leiden

Partygespräche

Selbstbehandlung von Akne bis Warzen

Tabelle: Wildkräuter-Apotheke

Meine persönliche Notfall-Apotheke

Nachwort

Anhang

Die Pflanzen von A bis Z

Die Rezepte

Ursulas botanische Lieblingslektüre

Über die Autorin

Danksagung

Impressum

… aber bitte mit Vorsicht!

Wenn Sie ein Kraut essen oder anwenden möchten, müssen Sie es genau erkennen können. Bei Verwechslung drohen Vergiftungserscheinungen! Nehmen Sie Kräuterbestimmungsbücher mit oder lernen Sie die Kräuter vor Ort bei einer Kräuterwanderung kennen.

Dieses Buch soll Ihnen den Spaß an der Stadtflora vermitteln. Es ist kein Bestimmungsbuch und beschreibt nur einen Bruchteil der in der Stadt vorkommenden Pflanzen. Es beschränkt sich auf die häufigsten und auf die, die am besten zu erkennen und zu gebrauchen sind. Eine vollständige Stadtflora würde viele Hundert Arten beschreiben!

Vorwort

Ich will es gleich vorweg sagen: Ich bin eine Kräuternärrin. Ich liebe sie einfach, diese grünen Schätzchen allüberall. Ein hoffnungsfroher Anblick im tristen Einheitsgrau der Städte, etwas Lebendiges zwischen all den Steinen. Etwas, das sich täglich verändert, auf interessanteste Weise, das mich grüßt mit frohen Farben und vollendeter Schönheit!

In den letzten Jahren sind sie alle zu meinen Freunden geworden. Das böse Wort mit »Un-« habe ich aus meinem Sprachschatz gestrichen. Stattdessen betrachte ich jedes Kraut als Geschenk – zum Essen und Heilen, zum Räuchern und für die Vase, als Gabe für Bienen, Käfer, Schmetterlinge, Asseln, Schnecken, Kaninchen, Schwebfliegen … und für alle Stadtbewohner.

Manchmal stelle ich mir vor, es wäre wieder wie früher, in einem meiner und Ihrer früheren Leben: als wir Neandertaler waren und gemeinsam durch die Gegend zogen, ganz selbstverständlich als Sammler und Jäger, immer auf der Suche nach der nächsten naschbaren Pflanze oder dem nächsten jagdbaren Tier. Nun, meine Vorstellung ist allerdings rein vegetarisch.

Oder wie im Mittelalter, als Barbiere und falsche Doktoren durchs Land zogen, denen man möglichst entgehen wollte. Da waren die Wundermedizin-Fläschchen schon mal mit Pferdeurin gefüllt. Ich will damit nicht sagen, dass das nicht eventuell geholfen hätte. Heutzutage verwenden wir ja auch Harnstoff (vornehm: Urea) in Cremes, doch ich wüsste immer gerne, was drin ist … Aber es gab auch Kräuterkundler, die ein großes Wissen über die Heilkraft der Pflanzen hatten. Wir wussten damals auch sehr genau, was essbar war und was nicht.

Und nun stellen Sie sich vor, Sie müssten in der heutigen Stadt heilsame und essbare Pflanzen selbst sammeln. Wenn Sie Berliner, Münchner oder Hamburger sind, wird Ihnen sogleich das Blut in den Adern gefrieren. Es wäre niemals genug für alle da! Wenn Sie in einem Dorf oder einer Kleinstadt leben, könnte es reichen.

Eine »essbare« Stadt, die zugleich Apotheke ist, alles natürlich gewachsen, wäre das nicht ein Traum? Wäre das nicht gleichzeitig eine wunderbare Sicherheit, wenn einmal alle Apotheken oder Lebensmittel-­Discounter geschlossen hätten? Und das üppige Grün wäre so schön, dass man nicht mehr in Urlaub fahren muss: mit der Kräuterapotheke im Stadtpark, den Kiwis an der Hauswand, den Salatkräutern aus dem Rasen, den Gemüsebeeten auf jedem freien Fleckchen Grün? Naschen auf dem Weg zur Arbeit, hier ein Apfel, da ein Salatblatt, dort einen Löwenzahn, biologisch, regional, gerade eben gepflückt mit einer Frische, die nicht zu übertreffen ist, ein unverfälschter Genuss und ein wunderbar leichtes Umweltgewissen? Ich sehe, Sie stimmen mir zu: Der Garten Eden ist nichts dagegen!

Mit diesem Büchlein könnten Sie meiner Vision ein ganzes Stück näher kommen.

Herzliche Kräutergrüße!

Ursula Stratmann

Kräuter in der Stadt?

Die Bauerntochter

Ein Dschungel in der Stadt? Früher war das für mich undenkbar! Dazu müssen Sie wissen, dass ich vom Bauernhof stamme, aus einer Idylle, wie man sie sonst nur aus Bilderbüchern kennt: einige Kühe, Hühner, ein Hund, eine oder mehrere – das wusste man nie so genau – Katzen, Kaninchen, ein plätschernder Bach, eine Tante, die im Gemüsegarten jätete, eine Oma, die immer in der Laube Kartoffeln schälte, mein Vater hoch auf der Leiter beim Kirschenernten, mein Onkel und wir Kinder mitten­­­­ auf dem großen Heuwagen, unan­geschnallt übrigens (!), meine Mutter beim Marmeladekochen …

Immer wenn wir zu meiner anderen Oma in die Stadt fuhren, war das für mich eine kleine Katastrophe. Unvorstellbar! Wie konnte man nur so wohnen? Im zweiten Stock, nur mit einem Minigarten, in dem ein wenig Gemüse wuchs? Daneben ein Stahlwerk und Straßen, Autos und Straßenbahnen!

Schon als Zweijährige habe ich immer gerne im Garten »geholfen«. Foto: Olga Stratmann

Für heutige Verhältnisse hatte meine Oma in der Stadt einen Traumgarten, fast eine Gemüse-Selbstversorgung. Für meine damaligen Verhältnisse? Zu eng, zu laut, zu wenig Auslauf, zu viel Abgase. Ich konnte die Besuche kaum aushalten und es nicht erwarten, endlich wieder in meinen geliebten wilden Wäldern und Elfenwiesen unterwegs zu sein.

Silber-Fingerkraut vor der Siegessäule in Berlin. Eine schmucke Zutat: Die Blättchen mit der silbrigen Unterseite dürfen in den Salat, die Pfanne, das Kartoffelpüree … Foto: Felipe Kohlhörster

Der Stadtdschungel …

Und heute? Sehe ich in der Stadt ein »Paradies in Grün«! Hier ist es mittlerweile viel artenreicher als auf dem Land: Es gibt Gärten, Parks, Zierpflanzen, kräuterreiche Straßenränder, Friedhöfe mit exotischen Immergrünen aus aller Welt – und am spannendsten: Pflanzen mit Migrationshintergrund, die mit Lastwagen, Schiffen und Flugzeugen oder als Samen unter den Fußsohlen der Reisenden aus aller Welt zu uns gekommen sind. Oder auch mal verwilderte Bubiköpfchen, die sonst nur als Zimmerpflanzen überleben, aus einem weg­geworfenen Blumentopf, die es im städtischen Rasen unwiderstehlich gemütlich fanden. Welch spannende Entwicklung, welch zukunfts­trächtige Möglichkeiten! Mittelmeerflora in Freiburg, die Indische Scheinerdbeere in Berlin, Springkraut aus dem Himalaya in Düsseldorf, Rudbeckia aus Nordamerika in Wuppertal und Dänisches Löffelkraut an deutschen Autobahnen. Nicht zu vergessen: das Schmalblättrige Greiskraut als gelber Herbstsonnenschein an Autobahnrandstreifen – aus Südafrika. Und all das auch in den warmen Innenstädten. Die Flora der Welt, mitten in Dortmund! Muss man da noch in Urlaub fahren?

… und die Landlangeweile

Auf dem Land dagegen gibt es heutzutage für Kräuterverliebte wie mich und sonstige Veganer und Ökos viel zu viele Monokulturen, selten noch die alte Idylle, es sei denn, da sind solche »Ökotanten« (Originalton meiner Tochter) wie ich am Werk. Ansonsten finde ich dort auf Quadratkilometern (!) nur eine einzige Art, meist Mais oder Weizen. In der Stadt finde ich auf einem Quadratmeter oft zehn Arten.

Raritäten!

Das Stadtklima ist im Gegensatz zum Landklima meist wärmer, trockener und windstiller. Das kann dazu führen, dass auf einmal Kiwis gedeihen (in Bochum) oder wild gewachsene Feigenbäume aus städtischen Abwasserkanälen ragen, denen es auf dem windumtosten Land zu kalt ist (in Gelsenkirchen). Oder es finden sich subtropische Pflanzen, die einem Botanikprofessor aus dem fünften Stock gefallen sind und unterhalb eines Lüftungsgitters neu austreiben – was von Stadtflora-Kartierern als eine Sensation publiziert wird (Uni Köln).

Ein Graus für Geologen – ein Paradies für Botaniker

Die Stadtböden sind, anders als auf dem Land, oftmals nicht über Jahrtausende natürlich gewachsen, sondern künstlich aufgeschüttet und mit Mutterboden obenauf geschönt. Oder sie sind einfach nur steinig und trocken oder bestehen aus reinen Steinhaufen wie an Halden und ehemaligen Bahnstrecken oder wurden extrem verdichtet an Parkplätzen. Unschön? Ja, aber auch Standorte für eine neue Pflanzenwelt.

Magerrasen …

In Parks wird je nach Finanzlage der Stadt kräftig gedüngt oder, wenn die Kassen leer sind, gar nicht. In letzterem Fall ist der Boden ausgemagert, was dazu führt, dass auf einmal Kräuter im Rasen auftauchen, die nur auf magersten Wiesen vorkommen: Kräuter, die man schon in die Rote Liste für gefährdete Arten aufgenommen hat, weil es bei uns kaum noch ungedüngte Standorte gibt. Da tauchen dann Kleiner Sauerampfer, Margeriten oder Echtes Labkraut auf. Oder auch das sogenannte Hasenbrot, die Feld-Hainsimse, deren Samen nicht nur für Hasen essbar sind. Sie sehen: Die Stadtflora ist superspannend und immer für eine Überraschung gut!

Glauben Sie nicht, wenn in den Büchern steht, der Blutweiderich würde am Wasser wachsen. Zumindest dieser wusste davon nichts!

So viel Grünzeug … oder auch nichts

Wüste in der City

In manchen Städten gibt es: nichts. Neulich in der Dortmunder Innenstadt wollte ich einmal wissen, ob es theoretisch für einen Bewohner möglich wäre, vor Ort einen Wildkräutersalat zu sammeln.

Langer Rede kurzer Sinn: Das einzige essbare Kraut stand in einem Lokal auf dem Tisch: ein Blumentopf, zur Zierde, mit Petersilie.

Ansonsten? Bodendecker in Dunkelgrün, dafür winterfest; Rasenflächen, wenn überhaupt, als Monokultur; Zierpflanzen mit wachsartigen Blättern, ungenießbar.

Ich bin einige Kilometer gewandert, immer mit dem keuschen Blick nach unten. Da muss doch wenigstens in den Ritzen jemand wohnen! Ab und zu zeigte sich ein einsamer Löwenzahn zwischen den Pflastersteinen oder ein Breitwegerich am Wegesrand. Wenigstens ein Universalpflaster für Notfälle gibt es also dort (quetschen oder kauen und auflegen, wirkt antibiotisch). Der einzige Nussbaum (Türkische Hasel, leckere Früchte!) war fast nussfrei, und die wenigen Nüsse waren von Würmern durchbohrt. Immerhin könnte man von den Rosen, die überall gepflanzt sind, die Blütenblätter ernten und über einen Salat streuen. Theoretisch. Denn wenn Sie es wirklich tun, riskieren Sie den gerechten Zorn der Stadtgärtner ... und nehmen beim Blütennaschen vielleicht noch einen Schwung Pestizide auf.

Vorstädte sind wahre Salattheken!

Wenn Sie noch etwas weiter aus der City hinauswandern, werden Sie sehr schnell fündig: Es gibt Hecken, Rasenstreifen, kleine Parks oder Waldbestände. Und da sind sie, unsere wilden Schätzchen!

Soll ich mit Ihnen einen kulinarischen Spaziergang durch die Stadt veranstalten? Laufen fördert ja die Kondition und die Gesundheit! Jogger, Walker und Hundebesitzer wissen, was ich meine, und sind an diesen Stellen sicher auch schon vorbeigekommen.

Was ich eigentlich damit sagen will: Bei einem kulinarischen Spaziergang an einem wilden Fluss kann man eher satt werden, in der Stadt überwiegt beim Sammeln manchmal der gesundheitliche Vorteil durch das Ausdauertraining …

Rotklee setzt nicht nur auf dem Grünstreifen hübsche Farbakzente. Auch als Salatdeko ist er ein Hingucker – und enthält zudem viel Vitamin A und Eiweiß. Foto: Heinz Lappe

Vorgärten und ungepflegte Wege

In vielen Städten muss ich vorerst noch städtische Rasenflächen plündern, die voll schmackhafter Wildkräuter sind, wenn das Ganze nicht von einem Golfrasen-verliebten Gärtner vertikutiert und mit der Fingernagelschere auf gleiche Blattlänge geschnitten worden ist. Oder ich nasche in kleinen, ungepflegten Vorgärten. Zwischen den Pflastersteinen wächst ziemlich oft Löwenzahn, manchmal auch Vogelmiere oder Hohlzahn, zu meiner besonderen Freude auch schon einmal das Gourmet-Franzosenkraut.

Auch findet sich oft eine kleine Apotheke zwischen den Steinen vor Ort: Vogelknöterich gegen Ekzeme oder Hirtentäschel zum Blutstillen. Beiden ist die Trockenheit in der Stadt ganz angenehm. Oder es wächst mitten auf dem Weg ein Breitwegerich, der als Wundheilkraut einfach wunderbar ist.

Salatbar im Gras

Wenn ich einen saftigen Salat suche, wende ich mich vertrauensvoll an Wiesen und Wegesränder. Hier finden sich fast immer Löwenzahn, Wegerich-Arten, Giersch, Vogelmiere, Gänseblümchen: alle köstlich und knackig im Kräutersalat.

Ochsenzunge vor dem Berliner Sony-Center: Blüten für den Salat. Foto: Felipe Kohlhörster

Halden-Apotheke

Wenn ich eher die Apotheke im Sinn habe – mit Kräutern gegen Husten und Depressionen, gegen Borreliose und Hautkrankheiten –, werde ich an Baustellen fündig, auf Brachflächen, an schon lange stillgelegten Bahntrassen oder an steinigen Orten wie Bergehalden, den Relikten des Steinkohleabbaus.

Hier warten viele heilkräftige Kräuter, zum Beispiel Nachtkerzen mit ihren Omega-6-Fettsäuren gegen Hautprobleme, Johanniskraut gegen Depressionen und Schlafstörungen (als Tinktur) oder gegen alle Hautleiden (als Öl), Königskerze gegen Husten (Blüte) und eiternde Wunden (Blätter) und die Karde (Wurzel) gegen Borreliose, Osteoporose und zur Anregung der Verdauung.

Fluss-Apotheke

Sollte bei Ihnen ein Fluss durch die Stadt fließen, finden Sie dort möglicherweise die geballte Heilkraft gegen Grippe. Da, wo wir nasse Füße bekommen, wachsen genau die Kräuter, die dagegen helfen, zum Beispiel Mädesüß gegen Fieber, Grippe und Schmerzen.

Ein Teelöffel der frischen oder getrockneten Blüten mit 150 ml heißem Waser überbrühen, zehn Minuten ziehen lassen, trinken – und alle Schmerzen sind vergessen. Allein der unbeschreiblich süße Duft ist schon ein Traum.

Daneben steht meist der Wasserdost, dessen Tinktur zur Stärkung des Immunsystems dient.

Außerdem findet man fast immer Blutweiderich zur Wundheilung, die Weiden, aus deren abgeschälter Rinde man Tee gegen Schmerzen kochen kann, Eschen, deren Blättertee gegen Verstopfung hilft, und viele weitere heilsame Gewächse.

Bei meinen Erkundungen in den Citys bin ich an vielen Flüssen fündig geworden. Wo im Ruhrgebiet die Ruhr mitten durch die Städte fließt – wie in Schwerte, Herdecke, Wetter, Essen und Duisburg –, brauchen die City-Bewohner nur kurz zum Fluss zu gehen, um sich schnell ein Heilmittel zu holen, inklusive Wasserminze mit ihrem exzellenten Aroma, die gegen Übelkeit hilft.

Aber auch in München an der Isar, in Berlin an der Spree, in Frankfurt am Main, in Hamburg an der Elbe findet man diese Apotheken.

Münchner Salattheke am Isarufer mit Wiesen-Bärenklau. Bitte nicht mit dem hautschädigenden Riesen-Bärenklau (Herkulesstaude) verwechseln!

Ein Herz fürs Grünflächenamt: Ernten Sie Kräuter!

So schöne Blumenbeete …

Hier finden Sie Ihre ersten kleinen Appetithäppchen, ohne selbst viel tun zu müssen: Ein üppiger Salat lässt sich fast überall in den städtischen Blumenbeeten sammeln. Nein! Nicht die Blumen! Obwohl man auch alle Glockenblumen-, Nelken-, Dahlien-, Taglilien- und Rosenblüten essen könnte. Die dürfen Sie natürlich nicht einfach pflücken, aber gern in Ihrem eigenen Garten ernten!

Ich meine das wilde Zeug. Das kommt einfach so, gratis und ungefragt, und wird im Zeitalter leerer Stadtkassen nicht allzu oft gejätet. Die meist gut gedüngten, fruchtbaren Böden der Blumenbeete bieten herrlichen Salatkräutern ein Zuhause. Ernten Sie die Wildkräuter also ruhig! Natürlich ohne die Beete zu betreten und ohne die Zierpflanzen zu beschädigen. Die städtischen Gärtner wird das freuen.

Da lässt sich ein saftiger Salat komponieren mit würziger Vogelmiere, mit den kleinen, senfig schmeckenden Schaumkräutern, mit Giersch, Wegerich und vielleicht auch Gundermann. All das sind ideale Kräuter für Salat oder Kräuterquark, zum Entschlacken im Frühjahr und für die ewige Schönheit sowieso.

Beim Giersch können Sie sich darauf verlassen, dass er nächstes Jahr auch noch da ist, selbst wenn die Gärtner diesen Bestseller gelesen und ihn selbst geerntet haben …

Der keusche Blick

Wenn Sie eine Frau sehen, die mit gesenktem Blick durch die Stadt wandert, kann es sein, dass ich das bin. Immer auf der Suche nach dem nächsten grünen Zwinkern zwischen zwei Pflastersteinen.

Sollten Sie das einmal selbst gemacht haben, wissen Sie, was ich sehe: manchmal nichts, depressives Einheitsgrau, manchmal interessanteste zarte Salatkräuter!

In meinen Heimatstädten (Sie wundern sich über den Plural? Ich komme aus dem Ruhrgebiet, dort wissen Sie nie so genau, wo die eine Stadt aufhört und die andere anfängt, und irgendwie bin ich in mehreren zu Hause ...) weiß ich mittlerweile sehr genau, wo die Gänsedistel, das Vergissmeinnicht, der Giersch, die Schaumkräuter wohnen. Nämlich nur an bestimmten Stellen, eins an diesem Straßenrand, das andere vor Haus Nr. 3 in der Nachbarstraße, das dritte an der ehemaligen Bahn­trasse links. Das ganze Suchen kommt Ihnen mühsam vor? Aber nein! Es fördert die Intelligenz!

Wilde Möhre in Köln

Aktiv gegen Alzheimer: Kräutersuchen macht schlau!

Als ich mich über viele Jahre mit den tropischen Regenwäldern beschäftigt habe (lesen Sie ruhig weiter, es hat unbedingt mit dem Thema zu tun!), habe ich gelernt, dass Schimpansen auf der Suche nach Nahrungsmitteln im Regenwald ganz schön schlau sein müssen. Dort gibt es keine Jahreszeiten, alle Bäume haben ähnliche Blätter, die wenigen Fruchtbäume können zu jeder Zeit des Jahres fruchten, und die wenigen fruchtenden stehen auch noch weit auseinander. Deshalb muss ein Schimpanse sich, wenn er satt werden will, genau merken, wann ein Baum geblüht hat und wann es sich lohnt wiederzukommen!

Die Situation ist ähnlich wie unsere in der heutigen Stadt. Wer komplett mithilfe der Stadtwildnis überleben will, kann diese Leistung nur als intelligentes, ausdauerndes Lebewesen erbringen, ansonsten verhungert er zwischen all dem fruchtlosen Grün!

Ein Kräuterparadies auf einer stillgelegten Bahntrasse – mit süßen Walderdbeeren. Foto: Heinz Lappe

Und genau so betrachte ich dieses Suchen: als Gehirnjogging, gratis, draußen und an der frischen Luft. Ich trainiere meinen brain, werde daher konsequenterweise niemals Alzheimer bekommen und habe mittlerweile nicht die Straßennamen, sondern die Kräuterlandkarte meiner Umgebung im Kopf.

Stadtwildnis: Berlin, Köln, München, Ruhrgebiet …

Berliner Plätze: krautfrei

Neulich war ich in Berlin. Und nun wissen Sie ja schon, dass mein zweiter Blick immer den Kräutern gilt! Am Brandenburger Tor war … nichts. Solche Szenerien wirken auf eine Kräuterverliebte wie mich irgendwie surrealistisch. Kann das sein?! Ein völlig krautfreier Standort in Deutschland? In der Natur sind die einzigen völlig von Grün befreiten Flächen Wüsten!

Ganz in der Nähe, vor dem Schloss Bellevue, wo oft ausländische Ehrengäste empfangen werden: ein Monokulturrasen. Wie schaffen sie das nur? Nicht ein einziger Ausreißer! Ich nehme an, dass der englische Premierminister auf der Gästeliste stand und man zeigen wollte: Was ihr mit eurem englischen Rasen könnt, können wir auch! Oder man hatte Angst, dass bei dem feierlichen Staatsakt 2015, als die Queen zu Besuch war, etwas Peinliches passieren könnte: dass sie nämlich möglicherweise im Rasen eine köstliche Vogelmiere entdecken würde, sich bücken, sie verspeisen und das gesamte Protokoll durcheinanderbringen könnte.

Berliner Park- und Rasensalat

Ein paar Meter von den Citys entfernt gibt es aber überall herrliches Zeug. In Berlin finden sich Rasenkräuter in Parks, Sauerampfer mit Blick auf Fernsehturm und Gourmet-Wildsalattheken in den Wiesen an der Spree. Und natürlich die »essbare Stadt«, die Prinzessinnengärten und viele weitere Initiativen, wo Gemüse, Obst und Kräuter in Gemeinschaftsprojekten angebaut werden.

Dazu empfehle ich Ihnen das herrliche Buch Prinzessinnengärten. Anders gärtnern in der Stadt (DuMont Buchverlag 2012).

Köstlicher Sauerampfer mit Blick auf den Berliner Fernsehturm. Das macht er doch extra! Der Ampfer! Foto: Felipe Kohlhörster

Köln-City: Betongrau …

Bei meinem letzten Besuch in Köln wollte ich auch dort Kräuter sammeln für den abendlichen Salat, den ich mir immer mache, wenn ich auf dem Campingplatz übernachte. Ich hatte Tomaten dabei, Schafskäse im Glas, Salz und Pfeffer und eine Schüssel und geplant, ihn mit meinen Funden vor Ort zu ergänzen.

Am Kölner Dom (Pflichtprogramm in Köln) fand ich erst mal nichts. Alles ordentlich beseitigt, nicht der kleinste Löwenzahn. Ich bin durch die schöne City gewandert, zwischen Tausenden von Touristen aus aller Welt: kräuterfreie Zone. Alles aufgeräumt. Leider. Vielleicht denken die Stadtplaner, die Millionen bunter Touristen seien Leben genug … Nur ein einziger Blumenkasten mit Eisbegonien, lecker, schön rot, aber das verbietet sich ja von selbst, die dort für den Salat zu pflücken.

Kölner Parkplatz-Apotheke

Als ich zu meinem staubigen, etwas verwahrlosten Parkplatz zurückkam, zwischen Bahnhof und Oper, mit Domblick sozusagen, fand ich sie dann. Ich hätte gar nicht so weit gehen müssen! Eine kleine Apotheke: Johanniskraut gegen Depressionen, Spitzwegerich als Universalpflaster, Nachtkerze, deren Samen mit ihrem Öl gegen Neurodermitis helfen, Honigklee mit dem unbeschreiblichen Cumarinduft im getrockneten Zustand für das Einschlaf-Kräuterkissen, Beifuß, der gegen alle bösen Geister hilft und zum Räuchern benutzt werden kann. Leider stand ich beim Fotografieren in der Hundetoilette. Und nun? Bis auf den Spitzwegerich sind alle genannten Kräuter Hochstauden. Blüten sammeln erlaubt, denn so hoch pinkelt kaum ein Hund.

Grünes Köln

Vision? Für die Touristen stehen auf dem Domplatz Hunderte von Kübeln mit Johannisbeersträuchern: zum Naschen in der »trockenen Wüste«, wo nicht das kleinste Spitzchen Grün zu sehen ist. Als Willkommensgeste sozusagen. Als Erfrischung in den immer heißer werdenden Sommern. Als Augenweide zwischen all dem tristen Grau …

Ein paar Meter weiter am Rhein wurde ich dann für den Salat fündig. In Rasenflächen und in den Uferwiesen gibt es genug Salatkräuter. Und natürlich gibt es auch in Köln urban gardening, unter anderem den Campus-Garten an der Universität Köln. Nur wenige Hundert Meter vom Dom entfernt findet man überall grüne Oasen, Parks, Rasenflächen, ungepflegte kräuterreiche Beete mit Seltenheiten und saftigen Salatkräutern, Apotheken an Baustellen. Wenn man sich mit Kräutern auskennt, kann man eine wilde Gourmettheke abernten!

München-City: auf den ersten Blick krautfrei

Die Frauenkirche und den Marienplatz kennt fast jeder. Auch hier: Für die Millionen Angereisten aus aller Welt gibt es viel Kultur, aber nichts Grünes zu naschen. Ein paar rote Geranien am Rathaus, nur fürs Auge. Um die weltberühmte Frauenkirche: wie gefegt. Nichts. Bergahornbäume drum herum, also auch kein Speiselaub.

Mittendrin ein grüner Platz!

Auf dem Marienhof gleich hinterm Rathaus, wo Touristengruppen sich ausruhen, endlich einige Kräuter im Rasen, wenngleich der eher durch sein hartes Gras mit Trittfestigkeit punktet als mit Salatzartheit. Mit Blick auf die Frauenkirchentürme lassen sich immerhin ein paar Eselsdisteln entdecken, deren geschälte Stängel zur Not verspeist werden können – wenn man ein Taschenmesser dabeihat. Es gibt auch etwas­­­­ Weißklee zum Naschen, in Spuren Wegerich. An einer Seite stehen in überdimensionalen Töpfen Felsenbirnensträucher. Endlich! Yippie! Da hat schon jemand ein wenig in Richtung »essbare City« gedacht. Hoffentlich wissen alle, dass die Beeren lecker sind.

In der Perusastraße dann ein paar Blumentröge. Da könnten doch Duftkräuter rein – zum Erfrischen im heißen, stickigen Stadtsommer: Melisse, Minze oder Zitronengras, ein Beerenstrauch in der Mitte …

Seltenheiten und Lebensgefahr an der Isar

Ich fahre in die Vorstadt ans Isarufer. Hier sieht es so grün aus, dass mein Botanikerherz sofort höher schlägt. Und genau: Auf dem Weg zur Wittelsbacher Brücke finde ich gleich eine mir bisher unbekannte Karde: Dipsacus pilosus, die Behaarte Karde, deren Wurzel gegen Borreliose hilft, das Immunsystem anregt und die Verdauung fördert. Wer sagt’s denn? Alles da!

Beim Fotografieren am Ufer, mit Blick auf die Wittelsbacherbrücke, werde ich dann allerdings von Hunderten kleiner Mücken angefallen, von frei laufenden Hunden angekläfft, und ab und zu muss ich vor einem heranrasenden Fahrradfahrer zur Seite ins hohe Gras springen. Was ich damit sagen will: An einigen Stellen der Welt kann das Wild­salatsammeln durchaus als lebensgefährlich eingestuft werden. Und der Salat muss gewaschen werden, denn hier kann man neben den Kräutern der Welt auch die Hunderassen der Welt bestaunen.

Zottiges Weidenröschen am Isarufer, lecker im Salat und farblich passend zur Graffiti.

Die Münchener Fülle

… gibt es hier und in den vielen Münchner Parks! Im Rasen findet sich für den Salat Breit- und Spitzwegerich, Schafgarbe, Herbst-Löwenzahn, Gänsefingerkraut, Wiesen-Bärenklau und Rotklee. Dazu Apothekenpflanzen wie Wiesensalbei, Kleine Klette und das Zottige Weidenröschen, das nicht nur gegen Blasenentzündung und Prostata­leiden hilft, sondern auch im Salat herrlich schmeckt.

Im Park stehen Ulmen, Holunder und noch viel mehr! Hier ist sie also: die Salattheke für alle Münchner. Man muss nur einige Hundert Meter aus der Innenstadt rausgehen. In Schwabing zum Beispiel mit seinem Englischen Garten braucht man sich über Kräutermangel gar nicht mehr zu beklagen. Da ist es so grün, dass es für die halbe Stadt reicht.

Pastinak, der geerntet werden will – mal wieder direkt an der Straße!

Ruhrgebiet – ein Kräuterparadies

Auch hier in den Innenstädten: meist nichts. Aber zwischen den Städten und in den unzähligen Parks und auf den aufgegebenen Industrieflächen ist es grün, ebenso an der Ruhr, der Emscher, der Lippe, auf den Rasenflächen und den Mittelstreifen zwischen den Hauptverkehrsstraßen – da wächst zum Beispiel in Mengen der Pastinak oder der Japanische Stauden­knöterich, dessen Stängel im Frühjahr wie Rhabarber zubereitet werden können. Eine ungeahnte Kräuterfülle findet sich hier an den vielen stillgelegten Bahntrassen, über die früher Kohleloren fuhren. Das sind heute, 40 bis 100 Jahre nach der Still­legung, Radler- und Kräuterparadiese mit Komplettapotheken.

Muss man die Kräuter waschen?

Dogpoop: Zweieinhalb Milliarden …

Die Hundehäufchen – Sie sehen, ich drücke mich sehr diplomatisch aus, mit der Verniedlichungsform »chen« – sind ein Problem.