Meine Adipositas-OP. Magenverkleinerung, Magenband, Bypass & Co. - Victoria Dorothea Witt - E-Book

Meine Adipositas-OP. Magenverkleinerung, Magenband, Bypass & Co. E-Book

Victoria Dorothea Witt

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Beschreibung

Adipositas OP – die Weichen neu stellen

Die Verkleinerung des Magens kann der richtige Schritt sein, dauerhaft viel Gewicht zu verlieren. Ob und welche OP für Sie geeignet ist und was Sie aktiv dazu beitragen können, dass sich der Traum von einem „leichteren“ Leben auch wirklich erfüllt, lesen Sie hier. Umfassendes Wissen, Checklisten, Experteninterviews sowie viele praktische Tipps und Tricks begleiten Sie durch alle Phasen Ihres neuen Lebens.

OP – ja oder nein? So treffen Sie gut informiert und sicher die richtige Entscheidung. Lernen Sie die verschiedenen OP-Verfahren kennen, die Voraussetzungen und wie Sie den Antrag erfolgversprechend stellen – mit praktischer Checkliste für die Kostenübernahme.

OP und die ersten Tage danach: Wie die Operation abläuft und worauf Sie sich einstellen sollten. Alles zur richtigen Ernährung rund um die OP, zu den Vitamin-Supplementen sowie zur Narben- und Hautpflege. Den Nahrungsaufbau richtig gestalten - mit Beispielrezepten für die Flüssig- und Breiphase sowie erste leichte Mahlzeiten.

Erstes Jahr und danach: OP geschafft – wie geht es nun weiter? Viele praktische Alltagstipps, um die neuen Gewohnheiten zu festigen, eventuelle Wiederherstellungs-Operationen zu planen, an Ihren Erfolgen dranzubleiben und Stillstände und Stolpersteine gut zu bewältigen.

Ein Buch, das Ihnen Wissen, Kraft und Mut gibt!

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Meine Adipositas-OP Magenverkleinerung, Magenband, Bypass & Co.

Der umfassende Begleiter durch alle Phasen: Die richtige Entscheidung, die OP und das Leben danach

Dr. med. Victoria Dorothea Witt

1. Auflage 2024

30 Abbildungen

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

immer häufiger wird Adipositas mit einer Operation behandelt. Binnen einer Handvoll Jahre hat sich in Deutschland die Zahl der Eingriffe verdoppelt und es erfüllen geschätzt knapp fünf Millionen Menschen theoretisch die Voraussetzungen für eine Adipositas-Operation.(1) Eine solche OP bringt Veränderungen im Magen-Darm-Trakt und Risiken mit sich, bietet aber die große Chance einer effektiven Gewichtsabnahme und Besserung von Begleiterkrankungen.

Ich als Ärztin bin selbst von Adipositas betroffen. Nachdem ich die meisten Jahre meines Lebens mehr, mal weniger erfolgreich versucht habe, mein Übergewicht zu reduzieren, entschied ich mich schließlich nach langer Abwägung für eine solche Operation. Bislang habe ich das nicht bereut und würde mich wieder dafür entscheiden. Ich musste jedoch auch feststellen, dass die OP kein Selbstläufer ist und Adipositas mein Thema bleibt. Vor diesem Hintergrund ist es mir ein echtes Anliegen, zu informieren und aufzuklären. In diesen Ratgeber ist ganz viel von dem Wissen, das ich als Ärztin, aber auch als Adipositas-chirurgische Patientin gesammelt habe, eingeflossen.

Vielleicht wollen Sie mehr über solche Operationen erfahren, beschäftigen sich aktuell mit dem Gedanken an eine zukünftige OP oder haben sogar schon eine Adipositas-OP durchgeführt? Oder hat Ihr Arzt oder Ihre Ärztin Sie an ein Adipositas-Zentrum überwiesen? Vielleicht sind Sie auch bereits in der Phase nach der Operation und beschäftigen sich mit körperformenden Operationen bei hängender Haut oder mit Ängsten, wieder Gewicht zuzunehmen?

Nicht für alle Betroffenen ist eine OP die richtige Entscheidung, aber nach einem langen Leidensweg mit zahlreichen erfolglosen Diätversuchen kann sie lebensverändernd sein. Die Wahrscheinlichkeit, bei sehr hohem Übergewicht allein durch Ernährungsumstellung und Bewegung abzunehmen, ist begrenzt. Insofern kann man die Perspektive einer Adipositas-OP als »Werkzeug« betrachten, das es ermöglicht, aus Gewohnheiten auszubrechen. Andererseits wird auch eine Operation langfristig nicht erfolgreich sein, wenn Sie nach der OP wieder in alte Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten zurückfallen oder neue ungünstige Verhaltensweisen wie das »Grasen« entwickeln.

Ein umfassender Ratgeber

Schon hier deutet sich an, wie umfangreich das Thema Adipositas-OP ist. In dem Prozess von der Informationssammlung über die Entscheidungsfindung bis hin zur Antragsstellung einer Operation entstehen in der Regel viele Fragen. Voller Veränderungen ist natürlich die Phase unmittelbar vor und nach der Operation. Die langfristigen Lebensstiländerungen und psychologischen Effekte der körperlichen Veränderungen sind dann herausfordernd.

Dieser Ratgeber hat sich zum Ziel gesetzt, Ihnen ein umfassender Begleiter durch alle Phasen zu sein. Zu den bereits erwähnten Themen und Fragen, aber auch weit darüber hinaus finden Sie Informationen, Tipps und Anregungen. Manchmal sind diese in Fallbeispiele verpackt, wobei es sich bei Johanna, Laura und Niklas um fiktive Personen handelt. Häufig wird auf die Leitlinie verwiesen, in der das Expertenwissen über Adipositas-Chirurgie nach aktueller Studienlage zusammengefasst ist. Sofern nicht anders erwähnt ist damit die S3-Leitlinie »Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen«(2) von 2018 gemeint.

Ergänzend finden Sie Interviews mit Experten sowie Betroffenen und erste Rezepte für die unterschiedlichen Phasen des Kostaufbaus. An dieser Stelle vielen Dank an Ökotrophologin und Ernährungsexpertin Dr. Heike Raab, deren Rezeptbücher(3) rund um die Adipositas-OP ich wärmstens empfehle!

Mit diesem Buch kann natürlich kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden. Zum einen entwickelt sich das Wissen im Bereich der operativen Adipositas-Behandlung stetig weiter, zum anderen machen betroffene Menschen mit diesen Operationen individuell unterschiedliche Erfahrungen.

Nützliche Rubriken und Gliederung

Das gesammelte Wissen in diesem Buch bietet jedoch eine gute Grundlage und regt dazu an, sich weiter zu informieren. In den Infokästen mit der Rubrik »Im Fokus« werden einzelne Themenschwerpunkte beleuchtet. Inhaltlich liegen zudem besondere Schwerpunkte auf praktischen Tipps für den Alltag nach einer OP und im Bereich der seelischen Gesundheit. Operierte berichten häufig, dass gerade am Anfang der Kopf mit den Veränderungen des Körpers noch gar nicht richtig mitkommt bzw. »der Kopf nicht mitoperiert« wird. An vielen Stellen gibt es daher unter der Rubrik »OP-Tagebuch« Anregungen zur Selbstreflexion, die einen Teil des äußerlichen und innerlichen Veränderungsprozesses unterstützen können. Eine Art Tagebuch zur Adipositas-Operation kann Ihnen behilflich sein, um den Prozess der Veränderung besser zu begleiten, zu dokumentieren, zu verarbeiten und auch im Nachhinein besser verstehen zu können.

Zwecks Übersichtlichkeit gliedert sich das Buch in vier Abschnitte entsprechend der Phasen einer Adipositas-OP. 1: Vor der Operation, 2: um die OP herum einschließlich der ersten Tage danach, 3: die Phase bis zwei Jahre danach sowie 4: die langfristige Perspektive. Diese vier Abschnitte wiederum sind in diverse Unterkapitel unterteilt. Dafür, wie Sie das Buch am besten lesen, gibt es keine Regeln. Nutzen Sie es so, wie es für Sie gerade nützlich ist. Vielleicht stehen Sie noch ganz am Anfang und möchten mit dem gänzlichen Durchlesen von Anfang bis Ende den umfassenden Überblick gewinnen? Vielleicht kennen Sie sich aber auch schon gut aus und haben eher Interesse daran, einzelne Themen gezielt nachzulesen? Hilfe beim Nachschlagen bieten Inhaltsverzeichnis vorn und Stichwortregister am Ende des Buches.

Mutmacher – finden Sie Ihren Weg

Abschließend möchte ich Sie in diesem Prozess ermutigen, Ihren eigenen Weg zu gehen, wie auch immer dieser aussieht. Wenn Ihr Körpergewicht trotz zahlreicher Diätversuche eine große Belastung ist, Ihre Lebensqualität beeinträchtigt und Ihre Gesundheit gefährdet: Verlieren Sie nicht den Mut! Es gibt Lösungen und es gibt Hilfen. Adipositas-chirurgische Eingriffe sind eine Variante davon. Lassen Sie sich individuell unter Einbeziehung Ihrer Vorgeschichte und Ihrer Beschwerden bei Fachleuten beraten. Umfassende Informationen sind eine gute Voraussetzung für gute, aufgeklärte Entscheidungen.

Als Autorin und selbst von Adipositas Betroffene würde ich mich freuen, wenn Ihnen dieses Buch dabei nützlich ist. Gehen Sie liebevoll mit sich um und halten Sie sich vor Augen, dass Wege selten geradlinig sind, aber auch bei steinigem Verlauf ans Ziel führen können. Betrachten Sie diesen Prozess als eine »Reise«, da sich Ihnen immer wieder neue Blickwinkel, aber auch neue Herausforderungen zeigen können. Falls Sie sich für eine Adipositas-Operation entscheiden oder schon entschieden haben, wünsche ich Ihnen hierfür alles Gute und dass Sie mit der OP als Werkzeug diese Chance einer Lebensveränderung gut für sich nutzen können.

Sollten Sie auf Ihrer persönlichen Reise besondere Erfahrungen machen, Vorschläge oder Anregungen für diesen Ratgeber entdecken oder Kritik äußern wollen, würde ich mich sehr über Ihre Nachricht freuen ( ▶ Kontakt).

Herzlichst,Ihre Dr. med. Victoria Witt

Leichter  Weg Adipositas-Operation?

»Ach, die hat ja nur wegen einer Magenoperation so viel abgenommen«, bekommen manche Betroffene aus ihrem Umfeld zu hören. Funktioniert das wirklich so einfach, wie manche behaupten? Einmal kurz zum Chirurgen und schon wird man für immer schlank? Der »easy way«, statt auf die Ernährung zu achten und sich auf dem Laufband abzustrampeln? Und was operiert der Chirurg da eigentlich?

Geschichte der Adipositas-Chirurgie

Unter Adipositas-Operationen versteht man ganz unterschiedliche Operationsverfahren am Magen-Darm-Trakt, die heutzutage viel risikoärmer als noch vor einigen Jahren sind. Aber natürlich, so werden Sie leider feststellen (spätestens, wenn man Ihnen einen OP-Aufklärungsbogen in die Hand drückt), nicht komplett risikofrei.

Begonnen haben Chirurgen mit Veränderungen der Magen-Darm-Anatomie circa Mitte des 20. Jahrhunderts, in den Pionierjahren noch mit zahlreichen Komplikationen und erhöhter Sterberate. Den Durchbruch erbrachten dann allerdings Weiterentwicklungen mit Eingriffen in sogenannter Schlüssellochtechnik, knapp vor der Jahrtausendwende. Diese machten die Adipositas-Chirurgie zur bisher »wirksamsten, zweckmäßigsten und wirtschaftlichsten Behandlungsform der Adipositas«(4), wie die Schweizer Fachgesellschaft für Adipositas (SMOB) einst festhielt. Der Berufsverband der Deutschen Chirurgen jubelte in einem Artikel sogar, dass wenige Bereiche in der Bauchchirurgie in den letzten Jahren eine »derart spannende Entwicklung«(5) erfahren haben wie die bariatrische Chirurgie.

Der Begriff Bariatrie steht für Medizin, die sich mit Adipositas befasst, und stammt aus dem Griechischen für báros (Schwere, Gewicht) und iatrós (Arzt). Bariatrische Chirurgie befasst sich also mit der Operation von adipösen Menschen mit dem Ziel, die Adipositas zu behandeln. Für junge Patientinnen und Patienten ist wichtig zu wissen, dass sich Adipositas-chirurgische Verfahren in den letzten Jahren zwar rasant weiterentwickelt haben, aber die Zeitspanne, die mit guter Datenlage überblickt wird, sich entsprechend den neueren Entwicklungen auf maximal etwa 30 Jahre erstreckt. Weitere Forschung ist daher notwendig und weitere Entwicklungen bzw. Erkenntnisse in den nächsten Jahren sind mit Spannung zu erwarten.

Eine schwierige Entscheidung

Gelegentlich hört man den Vorwurf vom vermeintlich »leichten Weg«, mit einer Adipositas-Operation Gewicht abzunehmen. Wer sich mit der Materie beschäftigt, weiß jedoch, dass dies mitnichten der Fall ist.

Üblicherweise geht der Entscheidung ein langjähriger Leidensweg oder zumindest ein akuter Leidensdruck voraus, bis jemand überhaupt bereit ist, sich den Risiken eines solchen Eingriffes auszusetzen. Viele Betroffene wissen zwar theoretisch von der Möglichkeit solcher Eingriffe, jedoch entscheidet sich bislang nur ein Bruchteil dafür, die spezielle Beratung in einem Adipositas-Zentrum in Anspruch zu nehmen und einen solchen Eingriff zu beantragen. Geprägt werden Vorstellungen von der OP beispielsweise durch soziale Medien oder TV-Sendungen wie »Mein Leben mit 300 kg«. Wie im Reality-TV, üblich werden die Hintergründe und Folgen einer OP stark vereinfacht dargestellt und häufig steht das persönliche Drama im Vordergrund.

Die Entscheidung für eine Operation kostet viel Mut, mitunter sogar Überwindung. Nicht nur eigene Zweifel, ob es nicht vielleicht doch ohne Operation schaffbar ist, sondern auch kritische Stimmen aus dem Umfeld können die Planung erschweren. Und nach der Operation ändern sich alte Gewohnheiten nicht automatisch, sondern verlangen langfristige Änderungsbereitschaft und Motivation, um die Starthilfe bzw. das »Werkzeug« einer Adipositas-OP richtig zu nutzen.

Herausfordernde Antragstellung und Veränderungen

Selbst die Antragstellung beinhaltet ganz eigene Herausforderungen. Dazu gehört in Deutschland beispielsweise häufig die seitens des Kostenträgers auferlegte Notwendigkeit, ein sechsmonatiges »MMK« zu absolvieren. Unter »MMK« versteht man ein »multimodales Konzept zur Gewichtsreduktion«, d. h. eine Kombination unterschiedlicher Behandlungsansätze, üblicherweise Ernährung und Bewegung, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Die Termine und Unterlagen nachzuweisen, um überhaupt einen Antrag bei einer Krankenkasse stellen zu können, kann frustrierend sein, wenn doch gefühlt »schon alles probiert« wurde. Ganz zu schweigen von der Unsicherheit, ob und wann dann die Zusage kommt.

Die erste Zeit nach der Operation ist geprägt von einer Umstellung des Lebensstiles. Werden die Empfehlungen zur Einhaltung neuer Regeln, wie beispielsweise dem Trennen vom Essen und Trinken, nicht umgesetzt, drohen Schmerzen, Erbrechen oder sogenannte Dumpings. Auch die regelmäßige Notwendigkeit der Einnahme von Vitaminen und Mineralstoffen verlangt Disziplin und den Willen zu einem »gesunden Leben«.

Im längerfristigen Verlauf, wenn die »Wirkung« der Adipositas-Operation nachlässt, kommen dann weitere Herausforderungen wie die Beibehaltung gesunder Routinen, angepasster (in der Regel proteinreicher) Ernährung und Sport hinzu. Unter die im Verlauf etwas nachlassenden Wirkungen der OPs fallen beispielsweise die restriktiven (d. h. Nahrungsaufnahme einschränkenden) und hormonellen Effekte, die das Hungergefühl anfänglich besonders stark vermindern. Insofern sind Adipositas-Operationen nur als Hilfsmittel oder Werkzeug, nicht aber als garantiertes Heilmittel zu betrachten.

Psychologische Effekte und Wiederherstellungs-OPs

Manche Betroffene gehen schließlich noch den Weg der sogenannten »postbariatrischen Wiederherstellungsoperationen« (WHOs). Das ist die Entfernung störender, sich gegebenenfalls immer wieder entzündender Hautlappen. Der Kampf – erst für die Bewilligung der Wiederherstellungs-Eingriffe, dann durch die tatsächlichen Operationen mit den anschließenden Heilungszeiten – kann sehr belastend sein.

Während dieses Prozesses um die Adipositas-OP passiert außerdem ganz viel, nicht nur im Körper, sondern vor allem auch im Kopf, der gemäß dem Mantra der Operierten eben nicht mitoperiert wird. Gleichzeitig sind die Angebote für seelische Begleitung durch diese Veränderungen je nach Adipositas-Zentrum sehr unterschiedlich und in der Tendenz eher spärlich. Es besteht ohnehin ein Mangel an psychotherapeutischen Behandelnden bzw. Psychotherapieplätzen. Ganz klar vorwegzunehmen ist, dass dieses Buch keine Therapie ersetzen kann, zumal in der Forschung gerade zu den psychischen Aspekten der Adipositas-und postbariatrischen Wiederherstellungsoperationen noch viele Fragen offen sind.

Es ist jedoch sinnvoll und lohnt sich, neben Faktenwissen auch die Rolle der eigenen Psyche im Zusammenhang mit der Adipositas-OP ein wenig zu beleuchten. Deshalb verweise ich immer wieder auf mögliche Selbstreflexion in einem OP-Tagebuch. Vor, während und nach der Operation können ganz unterschiedliche Themenaspekte mit Blick auf die seelische Gesundheit eine Rolle spielen, was in den bisherig verfügbaren Ratgebern kaum erwähnt wird und letztlich auch ein Auslöser für die Entwicklung dieses Buchkonzeptes war. Dazu gehören beispielsweise das psychologische Gutachten vor der OP, der Umgang mit Ängsten vor dem Rückfall in alte Verhaltensmuster oder Störungen der Körperwahrnehmung nach der OP. Diese herausfordernde Auseinandersetzung mit dem Selbst und den inneren Veränderungsprozessen wird bei der Betrachtung eindrücklicher »Vorher-Nachher-Fotos« oder der Darstellung respektabler Erfolgsgeschichten oft nicht gesehen.

Kein einfaches, aber ein oft sehr effektives Hilfsmittel

Insofern hat niemand, anders als manchmal behauptet wird, »nur« mit Magenoperation viel oder langfristig abgenommen. Es gehören Motivation, Mut und Durchhaltevermögen dazu, um mit der OP in ein anderes Leben zu starten.

Es ist nicht einfach, aber es ist möglich und viele Operierte ziehen für sich ein positives Fazit. Operierte sollten sich ihren eigenen Anteil am Erfolg der OP nicht kleinreden lassen und entsprechenden Respekt für ihre Entscheidung einfordern, aber sich auch selbst zugestehen. Im Allgemeinen bedarf es sicher noch mehr Aufklärung über Adipositas-Operationen. Am ehesten passt es, von einer Adipositas-OP als Chance, Hilfsmittel oder Werkzeug zu sprechen und sich auch bei der Entscheidung dafür oder dagegen klarzumachen, dass die OP zwar ein sehr effektiver »way out« sein kann, aber nicht unbedingt ein »easy way out« ist.

Erkrankung Adipositas und Therapieoptionen

Adipositas hat viele Gesichter und muss nicht automatisch mit einem Leidensdruck einhergehen. Nicht alle von Adipositas Betroffenen denken über Diäten oder Lebensstiländerungen, geschweige denn über medikamentöse oder operative Behandlungen nach. Die Wissenschaft beschreibt einen sogenannten »intermediate state«, eine Art Zwischenstatus, in dem jemand zwar schon adipös sein kann, aber noch nicht an Folgeerkrankungen leidet, sich daher auch noch nicht krank fühlt. Spätestens aber, wenn sich Alltagsprobleme und Folgeerkrankungen einstellen, kann die laut Definition der Weltgesundheitsorganisation »abnormale oder exzessive Fettakkumulation« ein ernstes Risiko darstellen.

Es kann dann plötzlich um Lebenserwartung und Lebensqualität gehen. Diese Entwicklung kann schleichend sein. Vom Hosenbund, der kneift, Armlehnen, die zu eng werden, Achterbahnen, die nicht mehr gefahren werden können und Bewegungseinschränkungen bis hin zur Unfähigkeit, sich selbstständig zu waschen oder im Alltag zu versorgen.

Gesundheitlich hängen zahlreiche Folgeerkrankungen mit Adipositas zusammen. In erster Linie fallen einem dazu wahrscheinlich Bluthochdruck oder die Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus Typ 2) ein. Kommen dann noch eine ungünstige Fettverteilung (betont am Körperstamm) und eine Blutfettwerterhöhung dazu, spricht man vom »metabolischen Syndrom«, das wiederum ein erhöhtes Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen, wie z. B. auch Schlaganfälle, bedeutet. Gesundheitliche Risiken umfassen jedoch auch darüber hinaus sogenannte muskuloskelettale Schäden wie Gelenkverschleiß und sogar manche Krebserkrankungen, z. B. der Leber oder des Darms.

Damit ist nur die Spitze des Eisberges genannt, da allein Diabetes Typ 2 wiederum zahlreiche Komplikationen und Folgeerkrankungen nach sich ziehen kann. Während die Häufigkeit von Adipositas immer weiter zunimmt, spricht die Weltgesundheitsorganisation von einer der größten Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit im 21. Jahrhundert, die mit den Folgeerkrankungen jährlich zu über 1,2 Millionen Todesfällen führt.(6)

Body-Mass-Index und Krankheitswert

Der Vergleich mit einem Glücksspiel hinkt, aber letztlich sprechen statistisch bzw. zur Risikoabwägung viele Gründe dafür, dass Betroffene sich mit ihrer Adipositas auseinandersetzen sollten. Das Tückische ist, dass die Folgeerkrankungen häufig erst im mittel- bis längerfristigen Verlauf auftreten, wenn die Adipositas langjährig chronisch besteht. Wer sich nicht so sicher ist, ob tatsächlich schon eine Adipositas vorliegt, kann sich am Body-Mass-Index (Körpermassenindex) orientieren.

Praxistipp: BMI berechnen

In der Formel zur Berechnung des BMI werden das Körpergewicht in Kilogramm und die Körpergröße in Metern zum Quadrat in Beziehung gesetzt (kg/m2).

Auswertung des BMI:Normalbereich: Werte von 18,5 bis 24,9 kg/m2»Übergewicht«: Werte über 25 kg/m2Adipös: Werte über 30 kg/m2Adipositas Grad 1: 30 bis 34,9 kg/m2Adipositas Grad 2: 35 bis 39,9 kg/m2Adipositas Grad 3: ≥ 40 kg/m2

Beispiel: Bei einem Körpergewicht von 70 kg und einer Körpergröße von 1,60 m lautet die Berechnung also 70/(1,6)2 = 27,34

In unserem Beispiel würde also Übergewicht, aber noch keine Adipositas vorliegen.

Anmerkung: Um Irritationen in der Terminologie zu vermeiden, wird durchgängig der medizinisch-klassifizierende Begriff »Übergewicht« und noch nicht der neutralere Begriff »Mehrgewicht« verwendet.

Bei aller berechtigten Kritik am BMI in Expertenkreisen (z. B. sprengen professionelle Bodybuilder durchaus die Normalgewichts-Kategorie, ohne adipös zu sein) bieten die Zahlen eine erste Einordnung.

Bedeutung des BMI aus Kostenträgersicht

Der BMI hat im Zusammenhang mit der Beantragung von Adipositas- oder Wiederherstellungsoperationen zur Hautstraffung nach großem Gewichtsverlust eine große Relevanz in den Bewertungsverfahren der Kostenträger bzw. bei der Begutachtung durch medizinische Dienste der Krankenkassen.

Insofern ist es bei der Abwägung für oder gegen eine Adipositas-Operation und die Chancen auf eine erfolgreiche Antragsstellung durchaus interessant zu wissen, wo der Wert liegt. Natürlich definieren nicht nur Zahlen auf der Waage, sondern das Körpergefühl und der erwähnte Leidensdruck die Adipositas als Krankheit. Nach Leitlinie liegt gegebenenfalls schon bei auffälligem BMI eine Behandlungsbedürftigkeit der Adipositas vor (wobei hier »behandlungsbedürftig« noch nicht gleichzusetzen mit der Notwendigkeit einer OP ist).

Risikofaktor und Krankheit

Spannenderweise ist die Adipositas erst seit einem Grundsatzpapier der Weltgesundheitsorganisation aus dem Jahre 2000 als Krankheit klassifiziert(7), vorher galt sie allein als Risikofaktor für Folgeerkrankungen – heute ist sie damit eigenständige Krankheit und Risikofaktor zugleich(8). Deutschland folgte dem offiziell sogar erst circa 20 Jahre später, als der Deutsche Bundestag mit Verabschiedung der Nationalen Diabetesstrategie die Adipositas als Krankheit anerkannte.

Im Fokus: Behandlungsbedürftigkeit Adipositas nach Leitlinie(9)

Bei einem BMI zwischen 25 und < 30 kg/m2

und

gleichzeitigem Vorliegen einer übergewichtsbedingter Gesundheitsstörung (z. B. Diabetes mellitus Typ 2),

vermehrter Ansammlung von Fett in der Gürtelregion (abdominaler Adipositas),

Erkrankungen, die durch Übergewicht verschlimmert werden (z. B. Gelenk- und Rückenleiden),

oder

einem hohen psychosozialen Leidensdruck.

Bei einem BMI ≥ 30 kg/m2 sind keine weiteren Kriterien erforderlich.

Aus Sicht der Bevölkerungsgesundheit muss in jedem Fall die Adipositas mehr Berücksichtigung finden, schließlich hat die Häufigkeit des Vorkommens, die sogenannte Prävalenz, deutlich zugenommen. In knapp 40 Jahren (1975 bis 2016) hat sich die Diagnose Adipositas statistisch verdreifacht, sodass weltweit 39% der über 18-Jährigen als übergewichtig und 13 % als adipös klassifiziert werden, wobei weltweit betrachtet Frauen von Adipositas etwas häufiger betroffen sind (15% vs. 11% der Männer)(10). In Deutschland gelten zwei Drittel der Männer (67 %) und die Hälfte der Frauen (53 %) mit einem BMI ≥ 25 kg/m2 als übergewichtig und ein Viertel der Erwachsenen als adipös mit einem BMI ≥ 30 kg/m2 (23 % der Männer und 24 % der Frauen)(11).

Die Folgen sind dramatisch, denn Adipositas im Kindesalter beispielsweise geht nicht nur mit einem erhöhten Risiko für Adipositas im Erwachsenenalter einher, sondern auch mit einem ebenfalls erhöhten Risiko für früheren Tod und Behinderungen. Gleichzeitig begründet die Diagnose Adipositas leider sozialrechtlich nicht automatisch den Anspruch auf Kostenerstattung der Therapie und zieht die Diagnose »kaum Ansprüche auf Leistungen zu Lasten der Krankenkassen nach sich«(12), wie die Deutsche Adipositas-Gesellschaft schreibt. Damit bleibt es in der Regel noch eine individuelle Entscheidung der Krankenkassen, ob ein Antrag auf eine Adipositas-OP bewilligt wird. Der politische Druck auf die restriktive Haltung der Krankenversicherungen und Druck auf die Sozialgerichte steigt jedoch, sodass mittlerweile zunehmend Krankenhäuser versuchsweise bei Erfüllung aller Voraussetzungen ohne vorherige Kostenzusage operieren.(13)

Bio-psycho-soziales Modell der Adipositasentstehung

Was sind die Ursachen der Adipositas? Wer hat nicht schon den gut gemeinten Ratschlag vom »weniger essen und mehr bewegen« gehört? Tatsächlich spielt ursächlich die Imbalance zwischen konsumierten und verbrauchten Kalorien eine Rolle, in deren Folge ein Überschuss in den Fettzellen (Adipozyten) eingespeichert wird. Das ist aber nur ein Teil der Erklärung, wie viele Betroffene am eigenen Leib erfahren müssen, und geht über ein biologisch rationales »weniger Energie rein als raus« hinaus.

Gewicht verlieren und insbesondere das reduzierte Gewicht zu halten ist alles andere als einfach. Gemäß dem sogenannten bio-psycho-sozialen Modell spielen zahlreiche Faktoren bei der Entstehung der Adipositas eine Rolle, die auch aus wissenschaftlicher Sicht bis heute nur teilweise verstanden werden. Dazu gehören genetische Faktoren, ein komplexes Zusammenspiel unseres Hormonhaushaltes, Erziehung, veränderter Lifestyle mit beispielsweise sitzenden Bürotätigkeiten, permanente Verfügbarkeit (und intensive Bewerbung) hochverarbeiteter, hochkalorischer Lebensmittel und vieles mehr.

Unter dem Begriff einer »adipogenen Umwelt« wird die Gesamtheit aller Umwelteinflüsse bezeichnet, welche die Entstehung von Übergewicht begünstigen. Das kann alles von der Kuchenwerbung in den Werbepausen der Lieblings-TV-Serie, über die sitzende Bürotätigkeit bis hin zu den vorgelebten Essgewohnheiten am Familientisch sein.

Vielleicht fallen auch Ihnen Faktoren in Ihrer Umgebung ein, die Übergewicht begünstigen oder zum spontanen Konsum hochkalorischer Lebensmittel führen. Im Krankenhaus beispielsweise bringen Kolleginnen und Kollegen, Patientinnen und Patienten manchmal eine Packung Pralinen als Dankeschön mit, was sehr nett ist, aber dazu führt, dass in schöner Regelmäßigkeit Pralinen oder Schokolade in den Dienstzimmern stehen und zum Essen einladen. Gerade an stressigen Tagen kann daher der Griff auch mehrmals zur Schokolade führen. Was einen weiteren Punkt berührt: Essen kann durchaus emotionale Funktionen haben, die über die reine Aufnahme von Energie hinausgehen, z. B. Stressabbau oder Belohnung an einem anstrengenden Tag.

Konservative Therapieansätze

Wie also lässt sich Adipositas behandeln? Auch wenn sich dieser Ratgeber mit Adipositas-Chirurgie befasst, ist es wichtig, sich noch einmal klarzumachen, dass dem in der Regel die sogenannte »konservative Therapie« vorangeht. Unter konservativer Therapie versteht man die zunächst nichtoperative Behandlung, z. B. mit Ernährungsberatung, Bewegungstherapie oder Medikamenten.

Wahrscheinlich ist Ihnen der »konservative« Ansatz schon gut bekannt. In Zeitschriften, Büchern, Funk und Fernsehen sind dazu unzählige Diäten (Low Carb, Paleo, Intervallfasten etc.) bekannt und beworben worden. Wahrscheinlich gibt es überhaupt nur wenige Menschen, die noch nie eine Diät ausprobiert oder von einer Diät gehört haben. Obwohl die grundsätzlich therapeutischen Angriffspunkte in einem Kaloriendefizit in der Ernährung und einer Steigerung der Bewegung liegen, ist von Crash-Diäten eher abzuraten. Vielmehr sollten solche Anpassungen von Energie-Einfuhr und -Verbrauch (z. B. durch Sport) im Idealfall als langfristige Lebensstiländerung erfolgen. Bei vorübergehenden Diäten drohen sonst sogenannte Rebound-Phänomene. Diese sind Ihnen vielleicht eher bekannt als »Jojo-Effekt« mit erneuten Zunahmen, manchmal über das Ursprungsgewicht hinausgehend. Eine Gruppenanbindung kann bei Versuchen der Gewichtsreduktion hilfreich und motivierend sein, nicht umsonst sind kostenpflichtige Anbieter von Abnehmgruppen gut im Geschäft. Das gute Geschäft ist allerdings auch in der mitunter wiederkehrenden Kundschaft begründet.

Adipositas ist nicht leicht zu behandeln, denn es ist eine chronische Erkrankung mit »Rückfallgefahr«. Sie ist zwar behandel-, aber nicht heilbar. Zumindest ist zum aktuellen Zeitpunkt keine Therapie bekannt, die garantiert und dauerhaft zu Normalgewicht ohne Rückfallrisiko führt. Moderne Ansätze, um diese Lebensstiländerungen zu fördern, sind elektronische Apps, manchmal sogar auf Rezept (Digitale Gesundheitsanwendungen, DiGA) oder als Coachings durch die Krankenkasse. Spielt die psychische Komponente, z. B. im Rahmen einer Essstörung, eine Rolle, kann Psychotherapie, beispielsweise in Form einer Verhaltenstherapie, erwogen werden. Gerade wenn die Arbeitsfähigkeit schon eingeschränkt oder gefährdet ist, kommen auch Rehabilitationsmaßnahmen in Frage. Für die erfolgreiche Beantragung einer Reha müssen allerdings meist Folgeerkrankungen mitbegründend angeführt werden, da hier noch immer die oben angedeuteten Schwierigkeiten in der Unterscheidung der Adipositas zwischen »nur« Risikofaktor und bereits Krankheit bestehen.

Prävention und Umwelt

Ernährungs- und Verhaltensmuster bedürfen langfristiger Veränderung, um den BMI im Normalbereich zu stabilisieren. Nicht vergessen werden sollte daher schon vor der Notwendigkeit von Therapie der vorbeugende Ansatz aus Sicht der Bevölkerungsgesundheit. Prävention beispielsweise durch Reduktion der beliebten Geschmacksträger Fett, Zucker und Salz in Nahrungsmitteln. Weniger Werbung für vermeintlich gesunde, tatsächlich jedoch irreführende Produkte, z. B. Pausensnacks oder Schokoladen für Kinder, die bei einem Blick auf die Zutatenliste vor allem eines sind: hochkalorisch. Auch ein unterstützendes Umfeld (Umwelt, Gemeinde, Familie etc.) kann Wunder bewirken, um Entscheidungen zugunsten gesünderer Lebensmittel und Einbau von Bewegung in den Alltag zu fördern.

Den bereits von Adipositas Betroffenen ist mit einem präventiven Ansatz zwar nur wenig geholfen, es ist jedoch hilfreich, um die Hintergründe von Adipositas zu verstehen, bei denen eben nicht einfach nur »die Dicken selbst schuld« sind. Neben der biologischen Komponente (Hormone, Genetik etc.) ist es schwer, sich dem Dauerfeuer von Werbung für Lebensmittel, den Köstlichkeiten in den Schaufenstern der Innenstädte (Bäcker, Imbiss & Co) oder den sozialen Faktoren mit gemeinsamem Nachmittags-Kaffee im Kreis der Familie zu entziehen. Nicht immer kann und will man »Nein« sagen. Nicht immer lässt der Alltag vorgeplante, selbstgekochte Mahlzeiten und regelmäßigen Sport zu. Umfeld und Umstände einer »adipogenen Umwelt« lassen sich nicht mal eben so auswechseln.

Medikamentöse Optionen und Perspektive

Nach dem heiligen Gral einer verlässlichen, unkomplizierten Gewichtsabnahme mit einer Zauberpille wird schon lange gesucht, immerhin handelt es sich um einen großen Markt potenzieller Kundinnen und Kunden mit der Option auf attraktive Gewinne. Über die Jahre gab es verschiedene Medikamente, die sich entweder als nicht effektiv oder gar als riskant erwiesen und teilweise wieder vom Markt genommen werden mussten.

Laut der abgelaufenen (veralteten, zur Überarbeitung ausstehenden) Leitlinie zur Prävention und Therapie der Adipositas aus dem Jahr 2014 sollen Medikamente überhaupt nur in Kombination mit einem »Basisprogramm« aus Ernährungs- und Bewegungstherapie zum Einsatz kommen, wobei dann ab bestimmten BMI-Werten Orlistat bzw. bei Vorliegen eines Diabetes mellitus Typ 2 weitere Medikamente für Behandlungsversuche (z. B. Metformin, Liraglutid) empfohlen werden.(14)

Laut Leitlinie zur Chirurgie der Adipositas sind in Deutschland zur Gewichtsreduktion Orlistat und Liraglutid zugelassen, worunter nach einem Jahr ca. 4,4 kg (Orlistat) bzw. etwas über einem Jahr 5,6 kg (Liraglutid) mehr als mit einem Scheinmedikament (Placebo) abgenommen wurden.(15) Bei Orlistat handelt es sich um einen Lipasehemmer, der die Aufnahme von Fett in den Körper verhindern soll, woraus sich aber auch unangenehme Nebenwirkungen wie Fettstühle, Durchfälle, Blähungen oder Bauchschmerzen ergeben können. Liraglutid ist ein sogenannter GLP-1-Agonist mit Einfluss auf Insulin- und Blutzuckerspiegel, der auch zur Therapie des Diabetes mellitus Typ 2 eingesetzt wird. Auch diesem Medikament werden unterschiedliche Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Schwindel und Nebenwirkungen auf den Magen-Darm-Trakt zugeschrieben. Gerade im Bereich der vielversprechenden GLP-1-Agonisten gibt es derzeitig viel Forschung mit wahrscheinlich für die Gewichtsabnahme noch effektiveren und als Fett-Weg-Spritze gehypten Varianten wie Semaglutid(16) (Handelsnamen: Ozempic/Wegovy) oder Tirzepatid. Es bleiben jedoch auch noch viele offene Fragestellungen, beispielsweise in Bezug auf die Langzeitwirkung und -risiken.

Mit Spannung sind daher zukünftige Forschungsergebnisse, Medikamentenzulassungen durch die EU-Kommission und Empfehlungen nach Überarbeitung der Leitlinien abzuwarten. Aus therapeutischer Sicht bleibt schwierig, dass bislang keines der genannten Medikamente zur Gewichtsreduktion erstattungsfähig ist. Das heißt, dass auch bei ärztlicher Verschreibung dieser Medikamente die Kosten privat getragen werden müssen. Es lässt sich diskutieren, ob ihre Einordnung in den »Lifestyle«-Bereich auch wirtschaftlich begründet bzw. Teil stigmatisierender Behandlung Adipöser ist. Perspektivisch wird weiter nach effektiven Therapiestrategien geforscht. So soll beispielsweise auf Bundesebene ein strukturiertes Behandlungsprogram (Disease Management Programm, DMP) zum leitliniengerechten und einrichtungsübergreifenden medizinischen Management der Adipositas etabliert werden.(17)

Chirurgische Therapie und Anlaufstellen

Chirurgische Maßnahmen zur Gewichtsabnahme sollten insbesondere dann erwogen werden, wenn Ernährungs-, Bewegungs- und medikamentöse Therapie nicht ausreichen, um nennenswerte Gewichtsabnahmen zu erzielen. Adipositas-Operationen werden als Spezialgebiet der Chirurgie auch bariatrische Operationen genannt. Der Begriff Bariatrie wurde bereits eingangs kurz erklärt. Er bezieht sich auf Medizin, die sich mit Adipositas befasst. Erwähnenswert ist zudem noch der Begriff der metabolischen (stoffwechselbedingten) Chirurgie, unter der man das Ziel einer Verbesserung der Stoffwechselsituation bei Diabetes mellitus Typ 2 versteht.

Mit chirurgischer Therapie der Adipositas befassen sich die folgenden Kapitel dieses Buches.

Beratung und Hilfe bei Adipositas allgemein

Erste Anlaufstelle ist sicherlich die hausärztliche Versorgung, von wo entsprechend auf Spezialistinnen und Spezialisten (z. B. Ernährungsberatung, Psychologinnen und Psychologen etc.) verwiesen werden kann. Erfahrungsgemäß kennen sich jedoch nicht alle Hausärztinnen und -ärzte gleichermaßen umfassend mit Adipositas aus, hier lohnen sich eigene Recherchen, wer sich in der eigenen Umgebung auf das Thema spezialisiert hat oder Beratungsgespräche (z. B. mit der Krankenkasse, Selbsthilfevereinen, Gesundheitsamt etc.). Eine mögliche Orientierung bietet eine Liste der Deutschen Adipositas-Gesellschaft mit Behandlungseinrichtungen auf der Website, zudem bietet die Patientenleitlinie zur Diagnose und Behandlung der Adipositas hilfreiche Informationen (siehe auch die ▶ Quellenangaben hinten im Buch).

Adipositas-Zentren als Anlaufstelle

Gerade wenn sich andeutet, dass die konservativen Behandlungsversuche versagt haben und eine chirurgische Therapie notwendig werden könnte, kommen Adipositas-Zentren in Betracht. Auch Unterstützung durch Selbsthilfegruppen in einem solchen Beratungs-, Entscheidungs- und Veränderungsprozess kann hilfreich sein. Konkreter wird all dies im nächsten Kapitel über die Zeit vor der ▶ Operation.

Im Fokus: Adipositas-Zentren

Adipositas-Zentren sind spezialisiert auf die Behandlung von Menschen mit krankhaftem Übergewicht, der Begriff ist allerdings nicht geschützt. Meist handelt es sich um Kliniken, die ein Zertifizierungsverfahren der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) und der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft für Adipositas-Therapie und metabolische Chirurgie (CAADIP) durchlaufen, also insbesondere eine chirurgische Ausrichtung haben und bestimmte Vorgaben erfüllen. Es ist daher sinnvoll zu klären, ob es sich um ein zertifiziertes Zentrum handelt und welche Therapien (chirurgisch und nichtchirurgisch) angeboten werden.

Die aufwendige Zertifizierung ist als Qualitätssiegel zu verstehen, wobei hierbei noch einmal zwischen Kompetenz-, Referenz- und der höchsten Stufe mit den umfänglichsten Anforderungen eines Exzellenzzentrums unterschieden wird. Risikopatienten mit besonders schweren Begleiterkrankungen oder besonders hohem BMI (≥ 60 kg/m2) sollten gemäß Leitlinie Eingriffe nur an Adipositas-Zentren mit besonderer Erfahrung durchführen lassen. In den Zentren können Sie sich allgemein beraten und ggf. nach einem Stufenkonzept zunächst konservativ behandeln lassen. Im August 2023 waren 113 Zentren zertifiziert, die Liste findet sich auf der Website der DGAV.

Inhaltsverzeichnis

Titelei

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Ein umfassender Ratgeber

Nützliche Rubriken und Gliederung

Mutmacher – finden Sie Ihren Weg

Leichter  Weg Adipositas-Operation?

Geschichte der Adipositas-Chirurgie

Eine schwierige Entscheidung

Herausfordernde Antragstellung und Veränderungen

Psychologische Effekte und Wiederherstellungs-OPs

Kein einfaches, aber ein oft sehr effektives Hilfsmittel

Erkrankung Adipositas und Therapieoptionen

Body-Mass-Index und Krankheitswert

Bedeutung des BMI aus Kostenträgersicht

Risikofaktor und Krankheit

Bio-psycho-soziales Modell der Adipositasentstehung

Konservative Therapieansätze

Medikamentöse Optionen und Perspektive

Chirurgische Therapie und Anlaufstellen

Vor der Operation

Was Sie über die OP wissen sollten

Die Adipositas-OP, ihre Vor- und Nachteile

Häufigkeit bariatrischer OPs und Informationssammlung

Unterscheidung restriktiver und malabsorptiver Verfahren

Schlüssellochtechnik

Risiken der Adipositas-Chirurgie

Kurzfristige Risiken

Mittel- bis längerfristige Risiken

Fazit zu den Risiken

Chancen der Adipositas-Chirurgie

Weniger Folgeerkrankungen und längeres Leben

Wehwehchen weg, Lebensqualität zurück

Setpoint-Theorie

Welche Operationsverfahren gibt es?

Magenband

Schlauchmagen (Sleeve Gastrektomie)

Magenbypass (Roux-en-Y-Magenbypass)

Ein-Anastomosen-/Mini-Magenbypass und Omega-Loop-Magenbypass

Biliopankreatische Diversion (BPD)

Was ist ein Duodenalswitch (BPD-DS)?

Neue Operationsverfahren und Revisionen

Voraussetzungen und Antragsstellung

Die Antragstellung

MMK häufige Voraussetzung für eine Kostenübernahme

Bringt das MMK etwas?

Wann gelten nichtoperative Therapien als erschöpft?

Antragstellung und Vorgehen bei Ablehnung

Was gehört in das persönliche Anschreiben?

Voraussetzungen in der Schweiz und in Österreich

Schweiz

Österreich

Lebensentscheidung Adipositas-OP

Ein langer Weg zur »richtigen« Entscheidung

Was spricht für eine Entscheidung zur Operation?

Wann bin ich nicht geeignet für die OP?

Was bedeutet eine Adipositas-OP für das Leben danach?

Schwieriges Abwägen und Informationen zur Unterstützung

Auf Veränderungen einstellen

Zwischen »altem« und »neuem« Ich

Lücken der Veränderung neu füllen

Anspruch und Erwartungen

Der seelische Faktor

Was ist eine Essstörung?

Essverhalten, Seele und Adipositas-OP

Damit der Kopf mitkommt

Einteilung der Essstörungen

Ursachen, Funktionen und Therapie der Essstörung

Hilfreiche Betrachtung zur Funktion

Psychotherapie, Adipositastherapie und Medikamente

Weshalb ein psychologisches Gutachten?

Unterstützung von allen Seiten? Das Umfeld

Sich dem Umfeld mitteilen?

Welche Rolle spielen die Angehörigen?

Abgrenzen lernen

Was können Angehörige tun?

Bedeutung von Selbsthilfegruppen

Angebotsformen der Selbsthilfe und OP-Zwillinge

Von der Idee zur OP

Termin im Adipositas-Zentrum

MMK mit Antrag – oder direkt in den OP?

Zusage und OP-Planung

Flüssig- bzw. Proteinphase vor der Operation

Rezepte für die Flüssigphase vor der OP

Operation und erste Tage danach

Gute Vorbereitung und Ablauf der Operation

Prähabilitation ist hilfreich

Seelisch auf Veränderung einstellen und tief durchatmen

Aufenthaltsdauer im Krankenhaus und Krankschreibung

Ablauf im Krankenhaus

Die OP – am Beispiel von Niklas

OP-Planung und -Termin

Das chirurgische Aufklärungsgespräch

Das Anästhesie-Aufklärungsgespräch

Ankommen am Operationstag

Im OP

Mögliche Beschwerden unmittelbar nach der OP

Trinken, Ernährung und Stuhlgang nach der OP

Nicht erschrecken!

Gewöhnung an das »neue« Leben

Klitzekleine Portionen – das soll alles sein?

Haarausfall

Heilungszeit zulassen und das veränderte Leben

Veränderter Magen-Darm-Trakt, aber altes Denken

Der Druck von Trinkpausen, Proteinmenge und Tageszielen

Trust the process

Neue Ernährung und Ideen für den Kostaufbau

Allgemeine Ernährungsempfehlungen nach der Operation

Wie essen?

Was essen?

Warum ist Protein so wichtig?

Proteinzufuhr über natürliche Lebensmittel

Proteinbedarf nach der OP

Proteinzufuhr über Pulver, Shakes und Co.

Convenience und gute Ernährung mit Protein

Flüssigphase als Einstieg in die proteinreiche Ernährung

Kostaufbau

Ideen für die Breiphase

Übergang zu leichten Mahlzeiten

Richtig essen und trinken lernen

Gefahr des Grasens

Das bariatrische Mindset

Unverträgliche und zu meidende Lebensmittel

Slider Foods mit Vorsicht genießen

Süßstoffe

Kohlensäure und Limonaden

Alkohol

Ernährungstagebuch

Drei Rezepte in neuem Gewand – mein allerliebstes Lieblingsessen

Supplemente und Medikamente

Die Versorgung wird zur Herausforderung

Welche Supplemente sind empfohlen?

Vitamine und Mineralstoffe unter der Lupe

Was ist zu den Supplementen zu beachten?

Supplemente richtig einnehmen

Wann mit den Supplementen beginnen?

Welche Supplemente und in welcher Form?

Wer zahlt für die Supplemente?

Welche Medikamente spielen eine Rolle?

Bei welchen Medikamenten ist Vorsicht geboten?

Alte Gewohnheiten und Ballast loslassen, Erfolge feiern

Gewohnheiten und Emotion als Ballast

Die zwei Seiten des Ballastabschüttelns

Reset-Knopf drücken und neu durchstarten

Erste Erfolge (und Misserfolge)

Sich das Feiern erlauben

Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt?

Wie sieht Erfolg überhaupt aus?

Die ersten ein bis zwei Jahre nach der OP

Hochzeit und Honeymoon-Phase

Wie frisch verliebt: die Honeymoon-Phase

Nichts ist perfekt, auch kein Honeymoon

Stillstände, Versagensängste, Vergleiche

Was sind die Gründe für den Gewichtsstillstand?

Vorher-Nachher-Vergleiche

Praktische Alltagsaspekte

Kleidung

Essensplanung

Proteinreiche Basics im Haus haben

Groß kochen und bevorraten

Restaurantbesuche

Urlaub

Gute Gewohnheiten festigen

Problematisches Essverhalten

Wenn essen mehr als essen ist

Umdenken und die Funktion des Essens beschränken

Ablenkungen und Skills zum Umgang mit Emotionen

Ein Krisenplan und grundsätzliche Änderungen

Nicht jede Mücke ist ein Elefant

Bedeutung von Bewegung und Sport

Anfang finden und im Kleinen große Änderungen bewirken

Sportlich steigern

Positive Beziehung zum eigenen Körper entwickeln

Seele, Sucht und Kinderwunsch

Gesünder und doch wieder krank?

Dem Risiko einer Suchtverschiebung trotzen

Was bedeuten Körperschemastörungen?

Hormonelle Veränderungen, Nährstoffmangel und Depression

Einen lang gehegten Kinderwunsch wahrmachen

Empfängnisverhütung nach der OP

Eine Schwangerschaft wird vielleicht möglich

Nachsorge

Was bedeutet Nachsorge überhaupt?

Wann erfolgt die Nachsorge?

Probleme, die in der Nachsorge besprochen werden können

Langfristige Perspektive

Diäten sind nicht effektiv

Ist der Magen wieder geweitet?

Nie mehr Diät?

Erfolgsverhindernde Faktoren und Blockaden

Problemanalyse

Innere Blockaden

Lifestyle-Faktoren als Hindernisse

Starke Ressourcen und veränderte Identität

Innere Ressourcen stärken

Protektive Faktoren und Resilienz

Drei Achtsamkeitsübungen

Vorbereitung als Ressource

Veränderte Identität

Anhaltspunkte für die neue Selbstdefinition

Freundschaften und Partnerschaften

Dating nach der Adipositas-OP

Partnerschaft und Ehe nach der Adipositas-OP

Sexualität

Kommunikation und Information als Beziehungs-Schlüssel

Wiederherstellungsoperationen

Cutis laxa und die Folgen

Allgemeine Hinweise zu Wiederherstellungsoperationen

Wer ist der richtige Ansprechpartner, wann der richtige Zeitpunkt?

Was sind die Risiken?

Wie lässt sich ein gutes OP-Ergebnis fördern?

Termin bei der Plastischen Chirurgie

Therapieplan

Kostenübernahme und Tipps zur Antragstellung

Psychologische Aspekte der Wiederherstellung

Prävention und Umgang mit Gewichtszunahme

Prävention

Supplemente nicht vernachlässigen

Gewichtszunahme

Wohlwollende Neugier für die Ursachen

»Back to basics«

Wenn mehr dahintersteckt oder gar nichts greift

Revisionsoperationen

Motivation und neue Perspektiven

Neue Ziele und Wünsche

Danksagung

Glossar

Empfehlungen der Autorin

Literatur

Fragebogen zu Essstörungen (EAT-26)

Anlaufstellen Deutschland

Anlaufstellen Österreich

Anlaufstellen Schweiz

Telefonseelsorge

Kontakt zu Autorin

Sachverzeichnis

Impressum

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Vor der Operation

Sich gut informieren, Vor- und Nachteile abwägen, Anträge stellen, sich auf große Veränderungen vorbereiten: Vor der OP gibt es für Sie vieles zu bedenken.

Was Sie über die OP wissen sollten

Eine Adipositas-OP bietet eine große Chance, viel Gewicht zu verlieren. Aber Sie sollten sich auch der Risiken bewusst sein, die jede Operation mitbringt.

Johanna

Der Alltag wird immer anstrengender für Johanna. Nachdem sie mit 145 Kilogramm ihr aktuelles Höchstgewicht erreicht hat, fällt es ihr immer schwerer, die zwei Etagen des Verwaltungsgebäudes, in dem sie arbeitet, hochzusteigen. Sie gerät schnell außer Puste. Peinlich war neulich, als sie mit Kollegen in der Mittagspause beim Italiener war und nicht in den Stuhl hineinpasste, weil die Armlehnen so eng beieinanderstanden. Der Kellner musste ihr einen Stuhl ohne Armlehnen organisieren, während die Kolleginnen sich vielsagende Blicke zuwarfen. Dann stellte auch noch der Hausarzt bei einer Routinekontrolle neben dem ohnehin schon bekannten Bluthochdruck erhöhte Blutzuckerwerte fest. Mit ernster Miene sagte Johannas Arzt ihr mal wieder, dass sie unbedingt Körpergewicht reduzieren müsse.

Johanna traten sofort Tränen in die Augen – sie hatte doch gefühlt schon jede Diät versucht, aber alles, was sie je abgenommen hatte, dann auch zügig wieder zugenommen, plus noch ein paar Kilogramm obendrauf. Nach einem Gespräch über den bisherigen Gewichtsverlauf und die erfolglosen Abnahmeversuche schlug der Hausarzt Johanna vor, sie an ein Adipositas-Zentrum zu überweisen.

Adipositas-Zentrum? Noch nie gehört. Johanna recherchierte zunächst auf der Website eines Zentrums in ihrer Nähe und las dort über Beratungs- und verschiedene Behandlungsmöglichkeiten der Adipositas in einer darauf hoch spezialisierten und zertifizierten Abteilung. Auf der Website fand sie auch ganz viele Informationen über Adipositas-Operationen, wie einen Schlauchmagen oder den Magenbypass.