Meine Zeit im geteilten Deutschland bei voller Beleuchtung - Joachim Sdunek - E-Book

Meine Zeit im geteilten Deutschland bei voller Beleuchtung E-Book

Joachim Sdunek

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Beschreibung

In seinem autobiographischen Erlebnisbericht erzählt Joachim Sdunek auf erfrischende und anschauliche Art von einem Land (DDR), in dem nicht alles gut, aber längst nicht alles schlecht gewesen ist.

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Seitenzahl: 139

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Joachim Sdunek

Meine Zeit im geteilten Deutschland bei voller Beleuchtung

Ein ostdeutscher Junge erzählt

2., erweiterte und überarbeitete Auflage 2021

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

2., erweiterte und überarbeitete Auflage 2021

© by edition fischer GmbH

Orber Str. 30, D-60386 Frankfurt/Main

Alle Rechte vorbehalten

Titelbild: © vlntn – fotolia.com

Schriftart: Palatino 11 pt

Herstellung: ef/bf/1A

ISBN 978-3-86455-212-0 EPUB

Inhalt

Vorwort

Meine Zeit im geteilten Deutschland bei voller Beleuchtung

Die Politik und ich

Meine Arbeitswelt ab dem Jahr 1980

Was man über die DDR wissen sollte

Der Wiederaufbau

Einige Fakten im innerdeutschen Handel in loser Folge

Die Beziehungen und der Handel mit der Sowjetunion

Die Wende in der Sowjetunion

Die Farben der DDR – von strahlendem Gelb bis zu tristem Grau

Internationale Solidarität

Das Ende der Deutschen Demokratischen Republik

Die Plünderung der Deutschen Demokratischen Republik

Mein Aufbruch in die Marktwirtschaft

Nachwort

Anhang

Literaturverzeichnis

Vorwort

Nachdem jetzt mehr als 30 Jahre ins Land gegangen sind und sich noch immer kein Arbeiter gemeldet hat, wird es Zeit.

Es fällt auf, dass sich viele berufen fühlen, über die Zeit der DDR zu schreiben.

Die Zurückhaltung der arbeitenden Menschen in der ehemaligen DDR ist sehr groß, obwohl es einiger Richtigstellungen bedarf. Wenn fast ausschließlich westdeutsche Journalisten über diese Zeit schreiben, entsteht ein falsches Bild. Es gibt die Menschen, die in der DDR gelebt haben und die Menschen, die über sie schreiben.

Heute reden viele über den Wettlauf zwischen der BRD und der DDR um gleiche Lebensverhältnisse und darüber, dass dieser Wettlauf für die DDR von vornherein verloren gehen musste.

Bei diesem Wettlauf sollte man schon dabei gewesen sein, um sich wirklich ein Urteil bilden zu können.

Die ganzen Widrigkeiten, die gemeistert wurden, die schönen Erlebnisse und guten Leistungen haben den Kahn immerhin 40 Jahre über Wasser gehalten. Dieser Kahn war nicht ständig am Absaufen, er hatte lange Zeit gute Fahrt.

Es war allen klar, dass der technologische Vorsprung des Westens durch viel Engagement und manuelle Arbeit ausgeglichen werden musste. Das war natürlich oft sehr aufwendig. Was ist schon aufwendig und schwer, wenn die eigene Arbeit immer wieder geschafft wird.

Die Arbeit im real existierenden Sozialismus der DDR war nichts anderes, als das Fortführen des kapitalistischen Weges unter ganz realen Zwängen im kulturellen Sinne. Die Arbeitskraft wurde nach wie vor verkauft. Im politischen Sinn erfüllte die Arbeit alle sozialen Aspekte. Jeder konnte seine Selbstbestätigung erfahren. Es war Platz für Erfolgsgefühle, Selbstwertgefühl, Gemeinschaftsgefühl und Zukunftsdenken. Allem, was Arbeitslosigkeit mit Menschen macht, fehlte der Boden. Es konnte nicht jeder werden, was er wollte und so mancher sozialistische Traum scheiterte an der Realität. Komponenten einer wirklich neuen Ökonomie blieben im Ansatz stecken. Der Durchbruch konnte leider nicht gelingen, weil die Bürger der DDR eine noch viel größere Arbeit zu leisten hatten. Sie mussten den Kriegsgewinner Sowjetunion zufriedenstellen.

Die nordamerikanischen Indianer sind auf Feuerwasser und bunte Glasperlen hereingefallen. Der DDR-Bürger wurde zudem noch verkauft und verraten.

Der real existierende Sozialismus in der DDR hatte mit dem theoretischen Entwurf des Gesellschaftsmodels von Karl Marx nicht viel, eher weniger zu tun.

Nach dem Jahr 1989 war es auch dem letzten DDR-Bürger klar, dass der Himmel im Westen nicht blauer ist und die Sonne auch nicht heller scheint. Er musste erstmalig um seine Existenz kämpfen und sich neu orientieren.

Meine Zeit im geteilten Deutschland bei voller Beleuchtung

Als meine Mutter sich sicher war, mit mir schwanger zu sein, öffnete sie eine Flasche Wein, nahm einen Hocker, stieg auf einen Tisch und sprang hinunter. Diesen Vorgang wiederholte sie, bis die Flasche Wein leer war.

Ich habe meine Mutter Zeit ihres Lebens nie mehr angetrunken erlebt.

Der Versuch mich auf diese Weise loszuwerden, hing im Wesentlichen damit zusammen, dass die Geburt meiner Schwester nur wenige Monate zurück lag. Sie war am 28. August 1951 geboren und ich kam am 28. November 1952 auf diese Welt.

Unsere gesamte Familie hat ihre Wurzeln in Vorpommern. Das Dorf Lassan und die Kleinstadt Gatzkow waren das Zentrum dieser kleinen Welt.

Nach meiner Geburt musste ich noch bis zum 24. Februar 1953 warten, bis mein Cousin geboren wurde. Der Familienfeier zur Doppeltaufe stand nun nichts mehr im Wege. Nach den Erzählungen meiner Mutter war ich bei dieser Tauffeier noch einmal kurz in Lebensgefahr. Die Täuflinge waren in einer Kammer vor einem Fenster abgelegt worden. Mit fortschreitender Feier musste mehr Luft in die Räumlichkeiten. Beim Öffnen des Fensters hinter uns Täuflingen hätte sich mein Vater beinahe auf mir abgestützt. Mein Vater konnte sich immer auf mich verlassen. In diesem Moment wäre es aber noch zu früh gewesen.

Einzeltaufen gab es zuvor und danach bei allen meinen Cousins und Cousinen.

Die frühen Jahre unserer Kindheit verbrachten wir in Lassan. Es war das Dorf unserer Kindheit, weil wir dort auch später unsere Ferien verbrachten.

Dorfleben ist Landwirtschaft. Ich kam sehr schnell dahinter, wie man sich einen Groschen oder gar eine Mark verdienen konnte. Meine Tante Hilde honorierte das Stallausmisten öfter mit einer kleinen Geldzuwendung. Pferdestall, Kuhstall brachten nicht so viel wie Hühner- oder Schafstall. Wer einmal einen Hühnerstall ausgemistet hat, weiß warum.

Mein Onkel Hermann arbeitete bei den Kühen. Es war nicht nur das Melken, er hütete sie auch auf der Weide. Ich ging gerne mit, weil er eine schwarze Stute namens Rösi bei sich führte.

Ich erinnere mich an einen herrlichen Sommertag. Mein Onkel legte sich ins Gras, schob den Hut vor die Augen und kaute auf Grashalmen, bis er einschlief.

Ich konnte mich dann an dem Pferd und den Kühen ausprobieren. Der Knoten des Pferdesattels fügte mir beim Reiten einige Schmerzen zu.

Ich konnte als Kind unbeschwert meinem Übermut Zucker geben. Das Kutschieren von Pferdegespannen machte mir genauso viel Spaß wie das Fahren eines Herrenfahrrads. Auf Grund meiner Körpergröße musste ich mit meinen Beinen unter die Stange des Fahrrades. Es klappte wunderbar.

Ich wuchs heran und meine Wünsche, mir das eine oder andere zu leisten auch. Der Tag, als ich 14 Jahre alt wurde, war für mich sehr wichtig. Mit 14 Jahren konnte man Ferienarbeit machen und ein gutes Taschengeld verdienen. Ich arbeitete als Zimmermädchen im Hotel »Warnow« oder auch im Straßenbau. Meine erste Ferienarbeit allerdings war in Lassan bei der Getreideernte. Ich schaufelte Getreide von Traktorenanhängern in ein Gebläse, welches das Korn auf den Kornboden förderte. Die Anzahl der Hänger nahm kein Ende, die Sonne brannte gnadenlos und ich bekam Blasen an den Händen. Mein Onkel Karl war LPG-Vorsitzender und wollte nachsehen, wie sich sein Neffe so machte. In dem Moment, als er neben dem Hänger stand und mir zuschaute, platzten die Blasen an meinen Händen. Der Staub und die Feuchtigkeit in meinen Händen verursachten große Schmerzen. Ich biss die Zähne zusammen und schaufelte weiter.

Es war für mich unmöglich aufzugeben, denn ich war mittlerweile ein Stadtkind geworden.

Der Weg meines Vaters führte ihn aus der Schreibstube der Bürgermeisterei von Gatzkow erst nach Greifswald und dann nach Rostock.

Mein Vater schlug nach dem Zweiten Weltkrieg eine politische Laufbahn ein. Er wurde in Rostock politischer Mitarbeiter der Bezirksleitung der SED. Das hatte nicht zur Folge, dass es uns finanziell besser ging als anderen.

Nachdem unsere Familie teilweise abenteuerliche Wohnbedingungen hatte, bezogen wir eine Zweieinhalbzimmerwohnung im Stadtteil Reutershagen. Meine Eltern und wir, mittlerweile drei Kinder, kamen damit gut zurecht. Ich hatte also eine große Schwester und eine kleine Schwester.

Meine Einschulung war kurz zuvor in einer reinen Jungenschule, der Borwinschule.

Die erste Lehrerin, Fräulein Schwaan, warf mir Kreide, einen Schwamm und auch einen Schlüsselbund hinterher. Es war gut, dass ich nach Reutershagen in die Türmchenschule umgeschult wurde. Da es zu der Zeit viele Kinder gab, waren die ersten Klassen eingeteilt in 1a, 1b und 1c. Das Lernen nahm ich zu Beginn nicht sonderlich ernst. Meine Schwester, die ein Jahr weiter war als ich, bekam eine Brille. Dieser Umstand war damit verbunden, Augentropfen zu bekommen. Die Teilnahme am Unterricht war also eingeschränkt.

Ich wollte auch eine Brille. Um an dieses Ziel zu kommen, las ich beim Augenarzt einiges falsch, so wie meine Schwester.

Die Augentropfen und die Brille verschafften mir ein wenig Freizeit im Unterricht. Vielleicht war es aber noch wichtiger, aus der Reihe zu tanzen.

Irgendwann merkt jeder Schüler, dass es ohne lernen nicht geht. Es stellte sich also ein Mindestmaß an Fleiß ein. Ich hatte Erfolge und Misserfolge, war nie ein Egoist und kam mit meinen Mitschülern sehr gut aus. Es entwickelten sich Kinder- und Jugendfreundschaften.

Wir gingen jeden Tag zu Fuß zur Schule, egal wie lang der Weg auch war. Es gab Frühschicht und Spätschicht. Die Anzahl der Schulen reichte noch nicht für alle Kinder. Der Heimweg im Winter war dann schon mal im Dunkeln. Ich besuchte in Reutershagen die 25., die 27., die 28. und 30. Polytechnische Oberschule. Ich siedelte mich zwischen den Zensuren 3 und 2 an. Manchmal habe ich heute das Bedürfnis, mich bei den Lehrern für meine Albernheiten zu entschuldigen.

Wichtiger als die Schule nahmen wir unsere Freizeit. Der Sportunterricht in der Schule konnte unseren Bewegungsdrang nicht befriedigen. Wir spielten und tobten, im Sommer wie im Winter bis zum Dunkelwerden.

Auf unserem Hof war eine Schaukel, die nicht für Überschläge konstruiert und gedacht war. Wir schafften es.

Eine Besonderheit im Stadtteil Reutershagen waren die »Reutershäger Füchse«. Es gab einen jungen Mann namens Ingo Ruepp, der sich der Aufgabe verschrieb, die Straßenjungen zum Fußballspielen in einer ganz besonderen Form zu bewegen. Er schaffte es, einen regelrechten Spielbetrieb zwischen Straßen- und Hofmannschaften aufzubauen. Manche Mannschaften organisierten sich nach ihrer Straße und andere nach den Hinterhöfen. Es gab logischerweise weder einheitliche Kleidung noch Schuhwerk. Man kannte sich, man wusste, wer zu seiner Mannschaft gehörte. Dieser Spielbetrieb lief bestimmt drei Jahre. Der Name »Reutershäger Füchse« war dem Journalisten Liebenberg zu verdanken. Er brachte die Spielergebnisse und Torschützen des Wochenendes in die regionale Tageszeitung. Es macht stolz, wenn man seinen Namen in der Zeitung lesen kann.

Viele der Jungs gingen dann in die bekannten Fußballclubs der Stadt. Ich ging zum FC Hansa Rostock. Es war ein kurzes Gastspiel. Mein Freund Berndt, der bei der BSG FIKO spielte, berichtete mir, dass es immer ein Mittagessen gab, wenn sie auswärts spielten. Meine Entscheidung stand fest, ich gehe zu FIKO. Es war die Betriebssportgemeinschaft des Fischkombinates Rostock. In dieser BSG wurden auch international bekannte Radsportler gefördert. Rostock hatte starke Sportclubs, Rostock war eine Sportstadt.

Mein Schulfreund Rainer schaffte es von den »Reutershäger Füchsen« mit dem FC Hansa bis in die Juniorenoberliga der DDR und zum DDR-Meister, bevor er dann zur See fuhr.

Rainers Mutter war alleinstehend und konnte ihren vier Kindern auch nicht jeden Wunsch erfüllen. Rainer war der jüngste in der Riege.

Unsere Mütter hatten in einem Winter nur die günstigen Kohlen bzw. Briketts bestellt. Der Winter dauerte aber leider länger als geplant. Rainer und ich mussten dann mit einem Handwagen vier Sack Kohlen von einem Kohlenhof holen. Es hatte geregnet, der Regen war wieder gefroren, die Fahrt wurde zum Abenteuer.

Wir Kinder waren in die Aufgaben, die wir leisten konnten, in der Familie eingebunden.

In meinem Stadtteil war ich bekannt als fleißiger Altstoffsammler. Die DDR hatte ein tolles System, um Altstoffe wieder in den Kreislauf der Wirtschaft zurückzuführen. Man nannte es SERO. Das bedeutet »Sekundärrohstoffe«. Mit diesem System konnte man sich auch wieder ein gutes Taschengeld verdienen. Flaschen, Gläser, Altpapier und Lumpen. Ich wusste über die Zeit ganz genau, wer viel trank. Das waren für mich gute Kunden. Wenn ich Lumpen nach Hause brachte, kontrollierte meine Mutter, ob Stricksachen dabei waren. Diese wurden aufgetrennt, gewaschen und wieder zu Pullovern verarbeitet. Wenn ich daran denke, tun mir meine vorgestreckten Arme, an denen die Wolle aufgewickelt wurde, heute noch weh,. Ich hatte nie einen einfarbigen Pullover. Meine Pullover bestanden immer aus Resten.

Mit meinen Nebentätigkeiten konnte ich allerdings nie das Geld für ein Fahrrad erwirtschaften. Ich vergoss viele Tränen, bis meine Mutter meinen Vater dazu bewegte, sein Fahrrad aus irgendeinem Dorf wieder nach Hause zu holen. Mein Vater war bei der Gründungsbewegung der LPG’s im Auftrag seiner Partei unterwegs und hatte sein Rad irgendwo stehen lassen. Das Rad kam tatsächlich in Einzelteilen bei uns an. Die Teile passten allerdings nicht so recht zusammen. In unserer Hausgemeinschaft wohnte ein Mann, der das mitbekam. Er schenkte mir seinen kaputten Hühnerschreck, man sagte auch Hackenwärmer. Das war ein fahrradähnliches Gefährt mit Motor. Aus allem baute ich mir mein erstes Fahrrad. Durch die Vollballonreifen vom Hühnerschreck waren Treppen und Kantsteine kein Problem. Mir fuhr jedenfalls keiner hinterher.

Mein erstes richtiges Fahrrad kaufte ich einem Jungen aus der Nachbarschaft mit meinem Jugendweihegeld ab. Er bekam von seinen Eltern ein neues Fahrrad.

Die Jugendweihen und Konfirmationen waren gleichzeitig große Familienfeiern. In unserer Familie wurde gern gefeiert und gesungen. Die Geburtsjahrgänge der Cousins und Cousinen sorgten für eine gewisse Kontinuität an Feierlichkeiten. Hinzu kamen natürlich noch andere wichtige Anlässe.

Das Erwachsenwerden kam nach dieser Zeit mit relativ großen Schritten. Vieles geschah gleichzeitig. Neue Interessen, neue Freunde und viele Einflüsse von überall her.

Mein Freund Berndt begann Gitarre zu spielen. Er konnte dann schon einen kleinen Chor begleiten, in dem ich mitsang.

Seine Eltern erlaubten, dass wir uns einen Partykeller einrichteten. Wir hörten Musik von einem Tonband »Smaragd«, sangen und spielten vieles nach. Es gab ja nicht nur uns, die dieser Welle des Beats folgten. Man lernte viele andere Jungs und Mädels kennen.

Es war schon nicht einfach, eine Gitarre zu haben, auf der man üben und spielen konnte. Die erste Wandergitarre, die ich hatte, kostete 35 Mark. Sie wurde zur Elektrogitarre, indem ich einen Tonabnehmer einbaute und mit der Endstufe unseres Radios verband.

Die Ansprüche an Instrumente und Technik wurden immer größer. Wir tauschten uns mit anderen aus und liehen uns auch manchmal Dinge aus. Die meisten Jungs, die wir kannten, waren keine Musikschüler, es waren fast alles Autodidakten, die voneinander lernten.

Es fanden sich schnell Leute, die eine Band gründeten. Man konnte im Sommer im Freien üben. Das hatte zur Folge, dass man von den Anwohnern verscheucht wurde.

In unserem Fall half der Vater von Richard. Er arbeitete in einem Großbetrieb und besorgte uns einen Probenraum. Über die FDJ-Leitung dieses Betriebes liehen wir uns auch später Verstärker und Mikrofone aus. So und ähnlich lief es bei anderen auch. Es gab Einzelfälle, die es in die Musikszene der DDR schafften. Das natürlich mit richtiger Musikausbildung und der nötigen Unterstützung.

Wir kamen mit unseren Künsten über einen Auftritt in einem Jugendclub, Brigadefeiern und Dorffeste nicht hinaus. Richard besorgte uns einen Auftritt in Mönchgut, einem Dorf bei Rostock. Unser Bühnenbild war großartig. Wir hatten zwei Tonsäulen, die jeweils aus fünf übereinander geschraubten Radios bestanden und mit blauem Fahnenstoff verkleidet wurden. Drei Notenständer waren auf der Bühne, obwohl keiner Noten lesen konnte. Weiterhin standen dort fünf Mikrofonständer, in denen zwei Mikrofone steckten, die gut funktionierten. In die anderen hatten wir rote PVC-Rohre mit Kristallmikrofonen gesteckt, die eigentlich nicht viel brachten. Es war wichtig, dass irgendwie ein Kabel auf die Bühne fiel. Für unsere Pauke schlugen wir einen 2 Zoll-Nagel in die Bühnenbretter, damit sie nicht weg sprang. Unser Schlagzeuger, Henning, saß auf einem Barhocker, weil die Pauke eine große Marschpauke war. Der Klang der Pauke war musiktechnisch völlig in Ordnung. Es standen geliehene Verstärker »Regent 60«, selbstgebaute Verstärker, Mischverstärker und Verzerrer auf der Bühne. Ein Lötkolben, Transistoren und Dioden waren bei Schäden immer einsatzbereit. Jeder von uns gab sich Mühe, gut gekleidet zu sein. Je nach Mode waren Schlaghosen angesagt oder enge Hochwasserhosen mit bunten Socken. Ich weiß von einer Rostocker Band, die einheitlich in Zimmermannshosen auftrat. Sie machten sich Schweißdraht in den unteren Hosensaum, damit die Glocken richtig zur Geltung kamen.

Der Tanzabend in Mönchgut war jedenfalls gut gelungen. Gegen Mitternacht gab es eine Saalschlägerei und der Clubchef bat uns weiter- und durchzuspielen. Wir hatten Zeit. Unser Zug fuhr erst morgens um 6.00 Uhr.

Es war eine tolle Zeit, die bis nach der Berufsausbildung andauerte.

Das Ende der Schulzeit und der Beginn der Lehrzeit waren prägende Ereignisse.

Ich ging zehn Jahre zur Schule und begann eine Lehre als Schiffselektriker beim VEB Fischkombinat Rostock.

Bevor ich dieses Ziel ansteuerte, hatte ich noch die kühne Idee, nur acht Jahre zur Schule zu gehen, Koch zu lernen und in der Hochseefischerei zur See zu fahren.

Ich hatte einen Onkel Siegfried mütterlicherseits, der dort zur See fuhr. Er war im Krieg bei der Luftwaffe als Funker. Als Funker fuhr er dann auch zur See. Wenn er bei uns zu Besuch weilte, war der Tisch reich gedeckt mit Dingen, die er mitbrachte. Ich wollte so schnell wie möglich auch in eine solche Situation kommen.

Mir war da noch nicht klar, dass es das nicht geschenkt gab.

Die letzte Hürde, um in der Hochseefischerei zur See zu fahren, war also meine Ausbildung zum Schiffselektriker.