19,99 €
Das wegweisende Buch für Menschen, die Hunde halten und trainieren Zum Wesen und zum Training des Hundes gibt es eine Fülle von Literatur. Was aber, wenn der Mensch zwar versteht, was der Hund braucht, ihm dies aber nicht geben kann? Souveränität? Konsequenz? Gelassenheit? Solche Qualitäten kann man dem Hund, diesem Meister der Körpersprache, nicht vorgaukeln. Das Zürcher Ressourcen Modell schließt eine Lücke, vor der Menschen mit ihren Hunden oft ratlos stehen blieben. Das Zusammenspiel von Hundetraining und ZRM- Coaching führt in erstaunlich kurzer Zeit zu bemerkens- werten Erfolgen, weil der Mensch lernt, nicht nur den Hund, sondern auch sich selbst zu verstehen. So weist "Mensch, Hund!" den Weg in eine Welt, in der zwei beste Freunde zu Hause sind.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 159
Veröffentlichungsjahr: 2022
Mensch, Hund!
Mensch, Hund!
Vera Bürgi, Maja Storch, Steve Lautz
Vera Bürgi
Maja Storch
Steve Lautz
Der ZRM®-Reiseführer für beste Freunde
Maja Storch
Vera Bürgi
Steve Lautz
Geschützte Warennamen(Warenzeichen) werden nicht überall besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Kopien und Vervielfältigungen zu Lehr- und Unterrichtszwecken, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Anregungen und Zuschriften bitte an:
Hogrefe AG
Lektorat Psychologie
Länggass-Strasse 76
3012 Bern
Schweiz
Tel. +41 31 300 45 00
www.hogrefe.ch
Lektorat: Dr. Susanne Lauri
Bearbeitung: Maria Schorpp, Konstanz
Herstellung: René Tschirren
Umschlagabbildung und -gestaltung: Claude Borer, Riehen
Illustration (Innenteil): Claude Borer, Riehen
Satz: Claude Borer, Riehen
Druck und buchbinderische Verarbeitung: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten
Printed in Germany
1. Auflage 2022
© 2022 Hogrefe Verlag, Bern
(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96180-4)
(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76180-0)
ISBN 978-3-456-86180-7
https://doi.org/10.1024/86180-000
Inhalt
Vorwort
ZRM: Schlüssel zum Urvertrauen
Steve Lautz
Die Theorie-Knochen
Maja Storch
Die ZRM-Reise kann beginnen!
Vera Bürgi
Der Spezielle Gefährte
Leroy, 5, Magyar Vizsla
Der Charmante Schreihals
Benji, 3, Parson Russell Terrier
Der Schreckhafte Prachtkerl
Luca, 4, Save-Bracke
Der Sensible Bolide
Gioio, 3, American Staffordshire Terrier
Das Experiment ist gelungen
Die Autorinnen und der Autor
Für Pepe, Simon und Tiago
Maja Storch
Dieses Buch atmet Liebe. Aus jeder Zeile, aus jeder Seite, auf dem Umschlag, aus jeder Zeichnung. Zugegeben: Ich drücke das ein wenig pathetisch aus, aber mir ist so zumute. So viel Zuwendung und ernsthaftes Bemühen um Verständnis für die Beziehung zwischen Mensch und Hund ist in diesem Buch zu finden, dass auf jeden Fall ein Funke davon überspringt, wenn man es zur Hand nimmt.
Alle, die an diesem Buch beteiligt waren, sind durch eine Gemeinsamkeit verbunden: durch die außerordentliche Sympathie für Hundewesen und durch eine ganz bestimmte Vorstellung davon, wie sich eine Verbindung zwischen Mensch und Tier zu gestalten hat. Alle sind wir überzeugt, dass es beim Hundeführen nicht darum geht, Macht und Dominanz über ein Tier auszuüben. Gleichzeitig wollen wir uns aber nicht von einem unbefriedigenden Hundealltag tyrannisieren lassen. Uns allen steht der Sinn nach einem freudvollen und friedlichen Zusammenleben. Das ist ein schönes Ziel, aber man muss auch wissen, wie man so ein Ziel in erreichbare Nähe rücken kann.
Von pauschalen Tipps und Tricks der Marke „Das macht man immer so!“ halten wir nicht viel, wenn es um den Aufbau der individuellen Beziehung zum Vierbeiner geht. Wer schon mehrere Hunde in seinem Leben hat beherbergen dürfen, weiß, wie verschieden Hunde sind. In diesem Punkt geht es den Hunden wie den Menschen. Jeder Hund ist einzigartig und jeder Mensch ebenfalls. Und darum ist auch jede Beziehung Mensch-Hund immer eine kleine, einmalige Kostbarkeit, die es kein zweites Mal gibt.
Einen Hund zu lieben, heißt nicht, ihn zu verhätscheln oder ihm keine Grenzen zu setzen. Einen Hund richtig zu lieben heißt, mit dem Tier zusammen einen Weg zu gehen, auf den man sich einlässt und der einen selbst verändern kann. Das Schreiben dieses Buches hat auch uns Schreibende verändert. Wir haben voneinander gelernt und uns aneinander gefreut. Unser gemeinsames Wachstum war behutsam, respektvoll und sorgfältig – ein Geschenk.
Mein ganz besonderer Dank gilt unserem hingebungsvollen Zeichner, Herrn Claude Borer, der mit größter Liebe zum Detail wunderschöne Bilder geschaffen hat. Mein Tipp: Nehmen Sie sich die Zeit und schauen Sie seine Bilder in Ruhe an, Sie werden viele Kleinigkeiten entdecken, die Sie zum Schmunzeln bringen oder die Sie anrühren. Nur ein wahrer Hundefreund kann sich solche Zeichnungen einfallen lassen. Durch ihn wird dieses Buch zu einem Kleinod.
Und dann schließen wir natürlich auch Sie, liebe Leserin, lieber Leser, in unsere euphorische Wolke mit ein. Es freut und beglückt uns, dass es Menschen gibt, die unsere Vorstellung vom Umgang Mensch-Hund teilen. Es erfüllt uns mit Zuversicht, dass Sie an der Beziehung zu Ihrem Vierbeiner arbeiten wollen und am Ball bleiben, auch wenn es schwierig wird. Weil so eine liebevolle und einzigartige Möglichkeit der gegenseitigen Verständigung entstehen kann.
Sommer 2022
Steve Lautz
Der Anruf kam von einer unbekannten Nummer. Ich nahm das Gespräch an. Die Frau am anderen Ende der Leitung gab mir zunächst einmal Rätsel auf.
ZRM? Noch nie gehört. Zürcher Ressourcen Modell? Keine Ahnung. Da will mir wohl jemand wieder irgendeinen Hokuspokus andrehen, dachte ich und überlegte mir schon, wie ich möglichst elegant aus der Nummer rauskomme. Doch etwas ließ mich zögern – zunächst fiel mir diese warme, freundliche Stimme auf, dann riefen bestimmte Begriffe mein Interesse wach. Die Stimme sagte: „In Beziehung treten“, „Lernprozesse fördern“, „positive Erfahrungen schaffen“...
Da ist jemand auf dem richtigen Weg, erkannte ich. Gleichzeitig wich meine spontane Skepsis einer wachsenden Neugier. Ich wollte wissen, worum es da ging, und wollte erfahren, wie das Buchstaben-Trio ZRM zur Wort-Paarung „Mensch, Hund!“ führt. Unter diesem Titel, sagte die Frau, wolle sie ein Buch verfassen, und sie bat mich, sie bei ihren Recherchen zu unterstützen.
Jetzt hatte sie meine uneingeschränkte Aufmerksamkeit gewonnen; denn die Pflege der Beziehung zwischen Mensch und Hund ist mir mehr als nur ein Anliegen – es ist meine Leidenschaft.
Das Zürcher Ressourcen Modell, fuhr die Anruferin fort, sei eine Selbstmanagement-Methode, die an der Uni Zürich erfunden worden sei. Mit dem ZRM ließen sich innere Haltungen beeinflussen, die sich unbewusst eingeschlichen haben und zu Störfaktoren geworden seien. Sie selbst sei als ZRM-Coach tätig und habe erstaunliche Resultate mit Zweibeinern erzielt. Als Hundehalterin sei sie überzeugt, dass auch unsere vierbeinigen Begleiter von dieser Methode profitieren könnten: Für die Hingabe, mit welcher der Hund den Menschen begleite, könne dieser sich bedanken, indem er den treuen Freund möglichst souverän führe.
Insbesondere, fuhr sie fort, würde es sie interessieren, wie das ZRM konfliktbelastete Mensch-Hund-Beziehungen unterstützen könne. Sie habe die starke Vermutung, dass das Zürcher Ressourcen Modell eine Lücke schließen werde, vor der wir allzu oft ratlos stehen bleiben würden – wir alle: Hundehalter, Hundetrainerinnen und auch die Hunde selbst. Um ihre These zu erhärten, mache sie sich jetzt auf die Suche nach konkreten Beispielen. Und sie bat mich, ihr entsprechende Fälle zu vermitteln. Sie wolle Hundehalter kennenlernen, die nicht so gut mit ihrem Hund könnten, wie sie gerne würden.
Spontan fielen mir ein paar Namen von Hunden und Menschen ein, deren Beziehungen sich als so schwierig erwiesen hatten, dass ich als Hundetrainer nahe dran war, die Hoffnung aufzugeben.
„Klingt interessant“, sagte ich. „Da lässt sich durchaus was machen.“
So lernte ich Vera Bürgi kennen.
Aus jenem ersten Kontakt hat sich ein lebhafter Austausch entwickelt, dessen erstaunliche Erkenntnisse nun in gedruckter Form vorliegen.
In einem ersten Schritt habe ich mich – und mit mir auch meine drei Hunde, die keine einfache Geschichte hinter sich haben – einer ZRM-Selbsterfahrung unterzogen. Zusammenfassend kam ich zu drei Schlussfolgerungen:
Erstens bringt das ZRM Ruhe ins Gehirn. Diese Ruhe ist unerlässlich, wenn man auch in herausfordernden Situationen einen klaren Kopf behalten will.
Zweitens hat das ZRM eine überschaubare Struktur. Trotz der Vielfalt individueller Konstellationen und problematischer Situationen zwischen Menschen und ihren Hunden führt diese Methode verblüffend rasch und effizient zu den erwünschten Resultaten.
Drittens schafft das ZRM eine klare Haltung. Ich habe mir oft die Frage gestellt: Weshalb nennt man Menschen, die beschließen, sich auf einem Stück ihres Lebensweges von einem Hund begleiten zu lassen, Hunde-„Halter“? Mit dem ZRM fand ich eine neue, unerwartet schöne Antwort: Wer sich auf einen Hund einlässt, muss, wenn die Beziehung glücklich werden soll, eine souveräne Haltung einnehmen. Diese Haltung gibt dem verunsicherten Hund Halt – die elementare Voraussetzung für eine harmonische Mensch-Hund-Beziehung.
Von vielen schwierigen Fällen, die mir als Hundetrainer untergekommen sind, habe ich jene ausgewählt, bei denen ich an meine eigenen Grenzen gestoßen bin – und sie Vera Bürgi für das ZRM-Coaching anvertraut. In erstaunlich kurzer Zeit sind Verbesserungen eingetreten. Die Beispiele in diesem Buch machen eines deutlich: Das subtile Zusammenwirken von Hundeschule und ZRM-Coaching führt zu bemerkenswerten Erfolgen, weil die Menschen nicht nur lernen, den Hund zu verstehen, sondern auch sich selbst.
Für mich führt die Auseinandersetzung mit Maja Storchs ZRM-Theorie und Vera Bürgis ZRM-Praxis zum Fazit: Das Zürcher Ressourcen Modell kann Ängste und Widerstände abbauen. Es ist ein Schlüssel, der die Tür zum archaischen Urvertrauen zwischen Mensch und Hund öffnen kann.
Und so, wie meine erste Skepsis einer wachsenden Neugier wich, wie aus der Neugier Interesse geworden ist, das zu konkreten Erfahrungen geführt hat, so bleibt am Ende einfach nur Freude. Und eine Erkenntnis: Ich bin offen an das ZRM herangegangen und um eine Erfahrung reicher geworden, die ich nicht missen möchte. Heute weiß ich, dass das Zürcher Ressourcen Modell alles andere ist als ein merkwürdiger Hokuspokus. Diese wissenschaftlich fundierte Methode kann Blockaden auflösen und liebevolle Beziehungen schaffen.
Ich bin froh, dass ich als Hundetrainer zu den Recherchen für dieses Buch beitragen konnte. Es ist mir eine Ehre, dass ich mich zusammen mit Maja Storch und Vera Bürgi zum Autoren-Trio dieses Buches zählen darf. Und ich bin glücklich, dass wir mit „Mensch, Hund!“ einen Reiseführer vorlegen, der den Weg in eine bessere Welt weist – in die Welt, in der zwei beste Freunde zu Hause sind, weil beide verstanden haben, wie sie einander verstehen können.
Willkommen in der Mensch-Hund-Welt!
Maja Storch
Liebe Hundefreundin, lieber Hundefreund, eigentlich müsste ich Vergnügungssteuer dafür zahlen, dass ich dieses Buch schreiben durfte! Als Vera Bürgi mit der Idee kam, das Zürcher Ressourcen Modell für Hundehaltende einzusetzen, war ich sofort Feuer und Flamme. Vera Bürgi ist ZRM-Trainerin und Hundebesitzerin, also hierfür die ideale Fachfrau. Ich selber bin ebenfalls Hundefrauchen, mein Schoßhund heißt Simon, ist ein Mastino-Rüde (nicht kastriert) und wiegt 80 Kilogramm. Man hat also alle Hände voll zu tun.
Steve Lautz als Experten mit ins Boot zu holen war Vera Bürgis Idee. Und so entstand über viele Monate hinweg ein Buch, das jetzt vollendet ist.
Was ist mein Part in unserem gemeinsamen Unternehmen?
In der Schweiz gibt es die Redewendung vom „Fleisch am Knochen“. Damit ist gemeint, dass eine eher abstrakte Thematik mit Leben erfüllt wird. Meine Aufgabe in diesem Buch ist es, die Theorie-Knochen zu liefern, die Vera Bürgi in ihrem Teil durch die Fallgeschichten mit dem sprichwörtlichen Fleisch anreichern wird.
Sie lernen also in meinem Kapitel ein paar theoretische Grundlagen kennen, die Vera Bürgi in ihren Praxisbeispielen verwenden wird. Wer momentan gar keine Lust auf Theorie-Knochen hat, sondern lieber sofort in den Fallgeschichten von Hunde- und Menschenschicksalen schmökern möchte, kann dies ruhig tun, wir haben für diesen Fall vorgesorgt. Alle Fachbegriffe aus dem ZRM, die ich hier bespreche, sind im Praxisteil mit einem Knochensymbol versehen. Sie haben also die Sicherheit, dass dieser Fachbegriff erklärt wird, und können einfach weiterlesen und sich von den Mensch-Hund-Lebensgeschichten begeistern lassen. Die Theorie-Knochen können Sie dann abnagen, wenn Ihnen der Sinn danach steht oder wenn Sie gerade einmal eine ruhige Stunde haben.
Diejenigen unter Ihnen, die schon einmal ein Buch von mir gelesen haben, wissen, dass auch meine theoretischen Texte gut zu lesen sind, Interesse wecken und Spaß machen. Ich kann also auf jeden Fall empfehlen, einfach mit dem Kapitel zu den Theorie-Knochen zu beginnen.
Das Zürcher Ressourcen Modell (ZRM)
Was ist das denn überhaupt, dieses Zürcher Ressourcen Modell? Es handelt sich dabei um ein Selbstmanagement-Training, das von meinem Kollegen Dr. Frank Krause und mir gemeinsam entwickelt wurde. Es geht beim ZRM darum, mit Hilfe des Unbewussten, eines Teils der menschlichen Psyche, der durch Verstandesappelle nicht zu erreichen ist, Handlungsweisen zu ändern. Das kann jedem Menschen gelingen, man braucht nur ein wenig Geduld. Aber wer Hunde liebt, kann zum Thema Geduld ja sowieso ein Liedlein singen. Bringen Sie also einfach mit sich selber genau so viel Geduld auf wie mit Ihrem geliebten Tier, dann klappt das.
Warum ist das Unbewusste in der Hundeführung so wichtig? Das ist ganz einfach zu erklären, Sie haben es sicher schon selber erlebt: Alles beginnt damit, dass der Hund sich in einer Art und Weise verhält, die Frauchen und/oder Herrchen nicht behagt. Man hätte gerne einen Hund mit anderen Verhaltensweisen. Hund bellt Freunde in der Wohnung an: Man möchte lieber, dass Hund ruhig und besonnen bleibt, wenn Besuch kommt. Hund randaliert am Gartenzaun: Man möchte, dass Hund Ruhe gibt, wenn klar ist, dass es sich um keinen Einbrecher handelt, sondern nur um die Postbotin. Hund wiegt 40 Kilo und zieht beim Spazierengehen an der Leine: Man möchte, dass Hund gesittet neben einem herläuft und man nicht jedes Mal mit ausgekugeltem Arm vom Spaziergang nach Hause kommt.
Alle diese Abläufe sind zwar inhaltlich sehr unterschiedlich, haben jedoch eine Gemeinsamkeit: Hund tut was, und Mensch hätte es gerne anders. Der Mensch will also, dass sich etwas ändert und sucht zu diesem Zweck eine Hundeschule auf, schaut Hundesendungen im TV oder konsultiert das Internet. Egal, welche Quelle man benutzt: Meistens stellt sich heraus, dass der Mensch dieses oder jenes machen müsste, damit der Hund anders reagieren kann. Der Mensch sieht dies ein und versucht, sich entsprechend zu verhalten. Die Fälle, in denen der Mensch das schafft und der Hund im Anschluss auch sein Verhalten ändert, sind wunderbar. Mensch und Hund sind glücklich, sie brauchen auch kein Hundebuch und kein Hundetraining mehr, alles ist in Butter.
Unser Buch ist für Personen geschrieben, bei denen dies nicht klappt. Im typischen Fall hat der Mensch eine Verstandeseinsicht, die sich jedoch aus irgendwelchen geheimnisvollen Gründen nicht umsetzen lässt. Genau für diese Problemstellung wurde das Zürcher Ressourcen Modell, kurz ZRM, entwickelt. Durch das ZRM lernt man zweierlei: erstens etwas Theorie zur Frage, wieso dieses seltsame Phänomen überhaupt auftritt; zweitens Selbstmanagement-Methoden, mit denen man an sich selbst arbeiten kann, um die Verstandeseinsicht auch in eine entsprechende Handlung münden zu lassen. Wieso kann es überhaupt sein, dass ein Mensch mit solch einem inneren Ungehorsam zu kämpfen hat? Das liegt an der Art, wie das Gehirn Bewertungen vornimmt. Wir schauen uns die Vorgänge jetzt einmal genauer an.
Der Verstand und das Unbewusste
Der Mensch verfügt über zwei Bewertungssysteme, die am Handlungsgeschehen beteiligt sind. Das eine Bewertungssystem ist der Verstand, das andere Bewertungssystem ist ein unbewusst arbeitendes emotionales Erfahrungsgedächtnis, im folgenden Text kurz „das Unbewusste“ genannt.
In der Tabelle sind die wichtigsten Unterschiede zwischen den beiden Systemen zusammengefasst. Was den Verstand für die Hundeführung denkbar ungeeignet macht, ist die Tatsache, dass die Informationsverarbeitung seriell stattfindet und deswegen langsam ist. Serielle Informationsverarbeitung ist wie die Schlange vor der Kasse im Supermarkt. Einer nach dem anderen rückt vor, und es heißt warten, warten, warten, bis man dran ist. Bis der Verstand also endlich etwas begreift und in Handlung umsetzt, hat der Hund schon längst die Schwarzwälder Kirschtorte geklaut, Tante Herthas Seidenrock mit Hundesabber verziert, den kleinen Merlin-Gandalf durch kräftiges Bellen in Todesangst versetzt und ist durch das offene Gartentor abgehauen, um seinen Erzfeind, den Nachbarshund, am Genick zu packen und kräftig durchzuschütteln. Nicht ohne dabei einen Fahrradfahrer zu Fall zu bringen, natürlich. Wohl dem Menschen, der eine Hundehaftpflichtversicherung hat.
Viel geeigneter zur Vermeidung von Hundezwischenfällen ist hingegen das Unbewusste, denn es arbeitet parallel und deswegen sehr schnell. Parallele Informationsverarbeitung findet man in Supermärkten, wo an Self-Checkout-Kassen bezahlt werden kann. Viele Menschen können jetzt gleichzeitig – parallel – ihre Waren über den Barcodescanner ziehen und mit ihrem Handy bezahlen. Ruckzuck geht das, Wartezeit gleich null. Die Zeit vom auslösenden Reiz zur Reaktion, die das Unbewusste steuert, lässt sich wissenschaftlich messen. Sie beträgt 200 Millisekunden. Ein Mensch, der das Unbewusste gut ansteuern kann, ist genauso schnell wie sein Hund.
Das Unbewusste kann jedoch nicht mit Worten arbeiten, es kann sich nur über mulmige oder angenehme Gefühle äußern, sogenannte somatische Marker. Damit signalisiert es, ob ihm eine Situation gefällt oder nicht. Der Verstand arbeitet hingegen so, wie man sich menschliche Sachlichkeit vorstellt. Ist etwas vernünftig oder unvernünftig, logisch oder unlogisch? Der Verstand kann dieser Frage mit angemessener Langsamkeit nachgehen und im Anschluss an seine Überlegungen seine Erkenntnis in Worten ausdrücken. Diese Kompetenz ist prima, wenn man Betriebswirtschaft oder vergleichende Kulturwissenschaft studiert. Für die Hundeführung ist sie relativ zweitrangig.
Wir merken uns bis hierher also eine wichtige Botschaft: Für das akute, spontane Handeln, das die Hundeführung erfordert, müssen Menschen hauptsächlich ihr Unbewusstes einsetzen. Der Verstand ist in der Hundeführung nicht völlig überflüssig, aber er spielt eher eine Nebenrolle. Im Kapitel von Benji, dem charmanten Schreihals, schildert Vera Bürgi ein eindrückliches Fallbeispiel zu dieser Thematik, das sicher vielen Lesenden bekannt vorkommt.
Wie spricht man das Unbewusste an?
Die Herausforderung bei der Arbeit mit dem Unbewussten ist die Frage, wie man zu diesem Teil der menschlichen Psyche Kontakt aufnehmen kann. Durch Verstandeseinsicht ist das Unbewusste nicht zu erreichen. Was also kann man tun?
Im Zürcher Ressourcen Modell benutzen wir die Sprache, die das Unbewusste versteht: Wir geben ihm die Möglichkeit, sich über Bilder zu äußern. Die entsprechende Vorgehensweise beschreibt Vera Bürgi anschaulich in ihren Fallbeispielen. Man kann sich die ZRM-Methode so vorstellen, als würde man dem Unbewussten eine Auswahl an Bildern vorlegen und die Frage stellen: „Was brauchst du denn, um dich so zu verhalten, wie es für dich und deinen Hund am besten wäre?“ Das Unbewusste kann auf diese Frage zwar keine Antwort in Worten formulieren, es kann sich aber sehr wohl äußern – nämlich über die schon erwähnten somatischen Marker. Genauer gesagt: Es kann durch einen positiven somatischen Marker anzeigen, was es benötigt, um die Verstandesabsicht zu unterstützen.
Als Stimulus-Material ist die ZRM-Bildkartei gut geeignet, wenn Coach und Hundemensch einander leibhaftig vor Ort begegnen, wie das in der Geschichte vom charmanten Schreihals der Fall ist. Man kann aber auch mit dem Online-Tool des ZRM arbeiten, das auf der Seite www.zrm.ch kostenlos und ohne Registrierungspflicht zur Verfügung gestellt wird. Das Coaching von Gioio, dem sensiblen Boliden, fand auf diese Weise statt. Egal, ob als Präsenztreffen oder online: Das Vorgehen ist identisch. Dem Unbewussten wird eine Auswahl an Bildern vorgelegt, und der Mensch beobachtet sich selbst und stellt fest, welche somatischen Marker die Bilder innerlich auslösen. Wenn das Unbewusste ein passendes Bild gefunden hat, macht es sich durch einen positiven somatischen Marker – ein gutes Gefühl – bemerkbar.
Die Voraussetzung für diesen Auswahlvorgang ist eine gute und präzise Vorstellung davon, wohin die Reise mit dem eigenen Selbstmanagement gehen soll. Hierzu kann man sich aus verschiedenen Quellen mit Anregungen versorgen. Oft hat man in der Hundeschule schon zum wiederholten Mal eine ganz bestimmte Aufforderung gehört. Zum Beispiel: „Du musst selber ruhig bleiben, dann überträgt sich das auch auf deinen Hund.“ Oder: „Kümmere dich weniger um das, was andere von dir erwarten, sondern bleibe dir selber treu.“ Auch ein oft gehörter Tipp. Man kennt die Tipps, aber umsetzen kann man sie irgendwie nicht. Woran liegt das? Im ZRM heißt das: Das Unbewusste ist noch nicht im Boot, darum hapert es an der Umsetzung.
In einem Einzelcoaching wird das Thema ebenfalls präzise ausgearbeitet. Oftmals genügt es aber auch schon, die beste Freundin zu fragen oder den Sohn, um durch das Feedback eine ziemlich gute Vorstellung davon zu bekommen, was zu tun wäre.
Sobald das eigene Thema sauber erarbeitet ist, kann man dem Unbewussten die Bilderauswahl präsentieren und gespannt darauf sein, welches Bild es sich für die Umsetzung aussucht.
Wie wird das Bild interpretiert?
Nun hat man also über die somatischen Marker ein passendes Bild identifiziert. Dies gibt Anlass zur Freude, aber sogleich taucht auch die nächste Frage auf: Wie wird denn nun das Bild interpretiert? Das Zürcher Ressourcen Modell hat auf diese Frage eine klare Antwort: Das Bild wird von dem Besitzer oder der Besitzerin selbst interpretiert. Es wird keinerlei „Expertenzirkus“ veranstaltet, bei dem eine Fachperson darüber aufklärt, was es denn zu bedeuten habe, wenn ein Mensch ein Bild mit einem Bären ausgewählt hat. Das Menschenbild des ZRM sieht vor, dass die Bedeutung eines Bärenbildes – um bei diesem Beispiel zu bleiben – für jede Person völlig individuell ist. Und dass niemandem geholfen ist, wenn sogenannte Expertinnen und Experten mit allwissendem Blick und mahnender Stimme darüber Auskunft geben, was die Bedeutung eines Bären an und für sich sei.