Meßmer - Stefanie Maeck - E-Book

Meßmer E-Book

Stefanie Maeck

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Beschreibung

Mit der Eröffnung eines Kolonialwarenladens im Jahr 1852 in der mondänen Stadt Baden-Baden, legt Eduard Messmer den Grundstein für einen weltumspannenden Teekonzern. Als er den deutschen Kaiser aus seinem Tee-Notstand befreit und zu dessen Hoflieferant wird, wird das die Sternstunde der Firma: Messmers Kaisertee wird schnell zum begehrten Produkt. Sein philosophisch gebildeter Sohn Otto erweist sich als wahres Verkaufs- und Werbegenie - er lässt die Marke schützen und legt den Grundstein der heutigen Markengeschichte. Faszinierende, innovative und charismatische Unternehmerpersönlichkeiten treten auf, bis sich die Geschichte des Hauses Messmer 1990 mit einem anderen Familienunternehmen verbindet: der Ostfriesischen Teegesellschaft. Das Buch zeichnet die Geschichte der »Teemänner" nach, die Kriegswirren und Wirtschaftswunder hinter sich gelassen haben und deren Unternehmen heute unter dem Dach der Laurens Spethmann Holding von internationaler Bedeutung ist. Die Geschichte Meßmers ist spannend wie ein Wirtschaftskrimi und erzählt zugleich von erfolgreichen Unternehmerpersönlichkeiten und ihren Familien, die mit viel Leidenschaft den Tee in die Welt gebracht haben.

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Stefanie Maeck

Meßmer

Vom Zauber einer Weltmarke

© 2014 Wachholtz Verlag – Murmann Publishers, Neumünster/Hamburg

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

eBook-Datenkonvertierung: Greiner und Reichel, Köln

ISBN 978-3-529-09212-1

Besuchen Sie uns im Internet:

www.wachholtz-verlag.de

Inhalt

Zitat

Die Messmers: Eine besondere Familie im Weltbad Baden-Baden

Tee für die Oberschicht

Messmer wird Hoflieferant

Johann Baptist Messmer: der Hotelier

Aufstieg zum Luxushotel: Wilhelm Messmer

Otto Messmer, das Universalgenie

Otto Messmer als Markenstratege

Etablierung der Marke

Franz Anton Mesmer: Mesmerismus

Wirtschaftlicher Aufschwung und Expansion

Villa Messmer

Von der OHG zur GmbH

Erster Weltkrieg

Von Messmer zur OTG-Geschichte – Laurens Janssen und der Zauber des Anfangs

Neue Ära in Frankfurt

Nachkriegsjahre

Laurens Spethmann, Schwarzteemann in den Fußstapfen des Großvaters

Die Herausforderung – Schwarzteebeutel

Umzug in die Heide

Kooperation mit Aldi

Milford – eine eigene Marke

Expansion der OTG und 125 Jahre Meßmer

Norddeutsche Teemänner in den USA

Teekrieg

Wendezeiten

Kauf von Meßmer

Schatz im Archiv – Meßmer in den Händen von Schwarzteemännern

Platz machen für die Söhne

Eine Marke gestalten

Eine Marke und ihr Raum

Vom Kaiserreich ins Zeitalter der Social Media

»Tee … ist das Lächeln der Philosophie.«

Okakura Kakuzo

»Mit Tee ist es ein bißchen wie mit der Musik:

Auf den Komponisten kommt es an.«

Otto Messmer

Die Messmers: Eine besondere Familie im Weltbad Baden-Baden

»Im Dom, im Tempel, der Moschee,

preist man mit Recht den Messmer-Tee,

zu kaufen da zu jeder Frist,

wo Feinkultur zu Hause ist.

Er macht die Alten wieder jung –

und gibt den Jungen wieder Schwung!«

Die Geschichte von Meßmer Tee und damit einer der berühmtesten Tee- und Handelsmarken Deutschlands beginnt im 19.Jahrhundert im luxuriösen Kurbad Baden-Baden. Das Kurhaus von Baden-Baden ist schneeweiß und trägt imposante klassizistische Säulen, innen beherbergt es Pavillons für Theatervorführungen und ein elegantes Restaurant zur mondänen Zerstreuung. Die Damen der Gesellschaft flanieren mit Sonnenschirmen, ausgestellten Röcken und ihrem französisch sprechenden Nachwuchs davor, die Herren sind im Zylinder und mit Gehrock unterwegs. Hier lebt seit ungefähr 1820 die Familie Messmer, eine Familie herausragender, angesehener und manchmal sogar recht wunderlich begabter Persönlichkeiten.

Paris gilt um 1800 als Winterhauptstadt Europas, Baden-Baden hat sich aufgrund der illustren Gästeschar und der kultivierten Umgangsformen schnell den Titel der Sommerhauptstadt erarbeitet. Scherzhaft nennt die feine Gesellschaft Baden-Baden »einen, ja ihren Vorort von Paris«. Hier gibt sie sich im Sommer ein Stelldichein, wenn es in Paris zu eng und überhaupt zu stickig ist und man die Ruhe und Weite des dunklen Schwarzwaldes sucht.

Das Klima nahe dem Schwarzwald ist mild, beinahe südländisch, der Lebensstil durch die Gäste des Kurbades seit geraumer Zeit extravagant und exklusiv. Einzigartige und imposante schneeweiße Villen hat der Baumeister Friedrich Weinbrenner hier erschaffen – darunter zum Beispiel das Palais Hamilton. Diese teuren Heime schmiegen sich an die Hänge vor der Kurstadt und bieten den anspruchsvollen Sommerfrischlern Orte des Rückzugs und Ruhe. Nachmittags promenieren sie im Ortskern, kaufen luxuriöse Produkte, suchen nach Zerstreuungen. Allerdings ist das Sommerbad zu diesen Tagen keineswegs überfüllt, es ist eine exklusive Gesellschaft, die sich hier trifft und ihren luxuriösen Hobbys nachgeht: 500 Sommergäste bereisen zu der Zeit das Bad im Jahr, als der junge Eduard Messmer hier sein Geschäft eröffnet.

Es ist ein gut gewählter Ort und eine gute Zeit für seine Geschäftseröffnung. Unter den Kurgästen ist man aufgeschlossen für einen kosmopolitischen Lebensstil und interessiert an neuen Moden und internationalen Produkten. Ein guter Nährboden für das Produkt Tee, begreift auch Messmer. Tee ist damals selbst in feinen Kreisen noch weitgehend unbekannt und außerhalb des Landstrichs Ostfriesland auch nicht wirklich verbreitet.

Schon 1802 weilt die Markgräfin Amalie von Baden für fünf Wochen im Kurbad, eine stolze, emanzipierte Frau, die hier ihre Gesundheit pflegen will. Sie ist eine imposante Erscheinung mit stechend blauen Augen, mondänem Kopfputz, kräuseligen Locken und unzähligen Koffern für ihre Garderobe. Mit ihr in der Kutsche reist ihre Hofdame, und stets hält sie die Bediensteten auf Trab, welche Luxusgüter in der Stadt zu besorgen seien. Menschen wie sie bringen Stil und Lebensart in die Stadt. So gelüstet es der Adligen vorzugsweise zu den unpassendsten Zeiten nach feinen Schokoladen, Früchten und besonderen Likören. Auch sonst trifft sich in Baden-Baden die internationale Gesellschaft mit ihren Bediensteten. Auf den Boulevards flanieren die Damen mit der neuesten Hutmode aus Paris oder Florenz. Auch gehen ihnen immer wieder neue Produkte durch den Kopf, von denen sie träumen.

In diesem Umfeld, in der Gernsbacher Straße 26, eröffnet Eduard Messmer 1852 ein kleines Delikatessengeschäft, das die verwöhnte Sommerbadkundschaft mit exotischen Lebensmitteln und Tee lockt. Es ist ein warmer, schöner Septembertag, als er seine Türen zum ersten Mal öffnet. Der junge Messmer hofft auf Zuspruch der anspruchsvollen Society. Er ahnt, dass er dieser etwas Ungewohntes und Überraschendes bieten muss.

Messmer ist gerade einmal 28 Jahre alt, ein unternehmungslustiger junger Mann mit guter Bildung. In seinen Regalen aus seltenem und sehr wertvollem Rosenholz stehen exotische Früchte, feine dunkle Schokoladen und aromatischer Tee. Es gibt frische Weintrauben, Ananas und Erdbeeren, englische Salatgurken, frischen Spargel, junge zarte Erbschen und neue Kartoffeln. Die Ware importiert der Kaufmann aus Südfrankreich oder England und fasziniert damit die verwöhnten Gäste des Kurbades, genau wie mit gewissen Raritäten, die er zu Ostern besorgen kann, wie ungesalzenem russischen Frühjahrskaviar.

Ein paar Stufen führen als Portal zu seinem Ladengeschäft, das tiefe Fenster für die Auslagen hat. Über der Eingangstür seines Ladens prangt das Wappen der Familie Messmer, das der Kaufmann eigens aus Holz hat schnitzen lassen. Er hat ein Gespür für Stil und Außenwirkung. Messmer stellt außerdem nur bestens geschultes Personal für sein Geschäft ein, um die anspruchsvollen und weltgewandten Kunden des Bades zu beraten. Immer wieder schärft er seinen Leuten ein, dass diese Kunden anders seien als die Hausfrauen aus Baden-Baden. Immer wieder erklärt er ihnen, wie sie richtig und zuvorkommend auf die Fragen der Kunden reagieren sollen. Vor allem beim Produkt Tee sind viele von ihnen gänzlich ratlos, ist man im Teetrinken doch zu dieser Zeit noch recht unbeleckt. Doch die feine Gesellschaft spürt schnell, dass Tee geistvollen Genuss, Konzentration und Muße bedeuten kann. Baden-Baden geht zur Eröffnung des Geschäftes seiner Hoch-Zeit entgegen – Glamour und Weltoffenheit ziehen ein, wer hierhin reist, ist äußerst neugierig auf neue Produkte und Lebensstile. Ein perfekter Zeitpunkt!

Eduard Messmer ist, obwohl damals noch recht jung, ein origineller, offener Geist aus einer angesehenen Familie. Seine Umgebung schätzt seine Leichtigkeit im Umgang mit den unterschiedlichsten Menschen, die ihn auszeichnet. Sowohl mit der feinen Gesellschaft vermag er bald gepflegt auf Französisch zu parlieren als aber auch mit dem einfachen Kutscher zuweilen derbe mit Freiburger Dialekt vor seiner Ladentür in der Gasse zu scherzen. Das öffnet dem Kaufmann in Baden-Baden schnell Türen und Herzen. Vielleicht liegt es daran, dass sein Vater in der Stadt ein angesehenes Hotel führt, seine Mutter wiederum ist eine aufgeweckte und fantasievolle Frau, die ihre Kinder sehr emotional und offen erzieht.

Die exquisite Kundschaft seines »Specerei Waaren-Geschäftes« ist schnell ganz verrückt nach dem Schwarztee, der eigentlich nur einen kleinen Teil von Messmers Geschäft ausmachen sollte. Sie steht bald Schlange und trifft sich im Laden, weil Messmer ihnen ganz unerwartet Zugang zu einer neuen, betörenden Welt eröffnet. Selbst Messmer ist überrascht von der Wirkung. Im Laden verströmt sein Tee einen feinen aromatischen, zuweilen leicht süßlichen Duft, der beim Übertreten der Schwelle sogleich geheimnisvoll-fremdländisch in die Nase dringt: Ein wenig würzig riecht es, ein bisschen orientalisch, dazu der Geruch der dunklen Rosenholzregale – diese Mischung lässt sogleich an die Ferne und die Romantik denken. Ein Eskapismus und Exotismus werden bei den Kundinnen geweckt, die gut zu den Sehnsüchten und Stimmungen dieser Zeit passen und vielleicht deswegen die Erfolgsgeschichte einer Marke und eines Produktes erklären können. Der Kaufmann Messmer trifft den Zeitgeist.

Vor allem die betuchten Damen sind schnell fasziniert von dem Gedanken, bei einer Tasse edelsten und dampfenden Tees in ihrem Boudoir zu entspannen und ihren Träumereien von fernen Ländern und amourösen Abenteuern nachzuhängen. Wir schreiben um 1800 die Zeit der Romantik. Die Herrschaft der Vernunft in der Epoche der Aufklärung wird abgelöst von eher subjektiven Eindrücken und der Hinwendung zu Stimmungen. Es ist die Zeit des Schwärmerischen, Subjektiven und Abenteuerlichen. Der Traum rückt ins Zentrum des Interesses der Damen genauso wie das Motiv der Abenteuerreise in ferne Kolonien und exotische Länder. Eskapismus wird diese Zeitströmung auch genannt. Vor allem die reichen, von der Erwerbsarbeit befreiten schönen Damen können sich diese Sehnsüchte leisten, eine richtige Romanleidenschaft entbrennt unter ihnen. Es ist die richtige Zeit für ein Produkt wie Tee, das seit jeher mit Muße, Genuss, Gefühlen und Individualismus verbunden ist: Die Geburtsstunde von Messmer Tee – der späteren Erfolgsmarke.

Wenn die Damen aus dem Laden mit der luxuriösen Einrichtung zurück auf die Gernsbacher Straße treten, haben sie in Gedanken eine Reise in die Kolonien gemacht: Auch wenn ihnen die Tee-Ernte und die fremde Kultur dort trotzdem weitgehend rätselhaft bleiben, sind sie beflügelt, irgendwie angeregt und tragen ihr angenehm aus der Packung duftendes Teepaket mit feiner Schnur in ihre schneeweißen Villen am Rand von Baden-Baden. Dort sitzen sie nun mit ihren gekräuselten Haaren und Häubchen in ihren Salons und Kabinetten und verschlingen historische Abenteuerromane, die en vogue sind. Im Jahr von Messmers Geschäftseröffnung kommt beispielsweise der Roman Onkel Toms Hütte heraus, ein Schmöker, der das romantische Interesse an fernen Ländern und Kulturen in Europa weiter beflügelt.

Tee ist zu dieser Zeit selten und exotisch. Wohlhabende Adelsfamilien trinken ihn. Außer im Landstrich Ostfriesland, wo die Teekultur bereits weite Verbreitung durch den Import von den Holländern gefunden hat und den König von Preußen sogar zu Bemühungen veranlasste, den möglicherweise gefährlich hohen Teekonsum einzuschränken, ist Tee ein Produkt für die Avantgarde. In den Großstädten gibt es vereinzelt literarische Salons, in denen es zum neuesten Chic avanciert, Tee zu trinken. Auch der alte Goethe serviert seinen intellektuellen Gesellschaften gerne eine Tasse Tee und ist damit äußerst fortschrittsorientiert.

Sein Freund Eckermann erinnert sich an die anregende und geistvolle Wirkung des Tees. Er schreibt: »Diesen Abend war ich bei Goethe zu einem großen Tee. Die Gesellschaft gefiel mir, es war alles so frei und ungezwungen. Man stand, man scherzte, man lachte. Goethe ging bald zu diesem und zu jenem und schien immer lieber zuzuhören und seine Gäste reden zu lassen, als selbst viel zu sagen. Goethes Frau kam oft und schmiegte sich an ihn und küsste ihn.«

Tee für die Oberschicht

Für Kaufmann Eduard Messmer und den Tee in seinen Rosenholzregalen kommt positiv hinzu, dass nicht nur der Adel das mondäne Weltbad Baden-Baden für sich entdeckt hat, sondern auch Feingeister und empfindsame Seelen wie der Maler Gustave Courbet, die Musikerin Clara Schumann, die hier ihre Konzerte gab, und selbst der Schriftsteller Dostojewski weilte in Baden-Baden und wählte die Stadt und das Casino als Schauplatz seines Romans Der Spieler. Diese künstlerische und geistige Avantgarde bringt die nötige Sensibilität und Neugier mit, um ein exotisches Produkt wie Tee berühmt zu machen und zum Modegetränk im Weltbad zu stilisieren. Sie alle kaufen bei Messmer im Kolonialwarenladen mit der dunklen, ein wenig zauberhaften Atmosphäre und sind beeindruckt.

Zuweilen berichtet ein Kunde dem jungen, stets tadellos gekleideten Kaufmann von Goethes Salon, in dem er gewesen und mit Tee in Berührung gekommen sei. Messmer lauscht. Der Tee inspiriert die Kreativen, die Baden-Baden entdeckt haben, für ihre verschiedenen Künste. Sie beginnen zu ahnen: Tee ist Augenblickskunst, Muße, Tee ist der Philosophie und der Literatur verwandt. Tee ist subtiler als Kaffee.

Freilich braucht es für den endgültigen Durchbruch von Messmer aber auch noch einen »Kairos«, eine historische Sternstunde, die dem jungen und talentierten Kaufmann aus Baden-Baden zu Hilfe eilen soll. Sie kommt!

Diese Sternstunde hat mit der Russlandbegeisterung des deutschen Kaisers zu tun. Besonders feiner russischer Tee ist im 19.Jahrhundert nämlich groß in Mode, hat sich doch herumgesprochen, dass man am kaiserlichen Hof angeblich auf Tee aus Russland schwört und diesen direkt vom Zaren aus St.Petersburg freundschaftlich bezieht. Auch in Baden-Baden leben viele Russen, die gerne bei Messmer einkaufen, allerdings keinen Tee. Diesen beziehen sie recht dünkelhaft direkt aus der Heimat. So hält es auch der deutsche Kaiser, und die Sehnsucht des Adels geht vage auf exotische Früchte, russische Pelze und auf jenen Tee aus Russland, der angeblich so vollmundig und kraftvoll schmeckt.

Eduard Messmer verkauft in erster Linie Souchong-Sorten aus China, ebenfalls sehr luxuriös und teuer. Dieser Tee hat einen leicht rauchigen Geschmack, da er über einem Feuer mit Tannennadeln oder Harzen getrocknet wird. Seine feinsten Sorten gibt es in einer Schmuckdose, auf der »Mongolia Mischung« steht, der feine Souchong mit Blüten wird in exquisit gebundenen Paketen mit Firmenwappen verkauft. Die Preise liegen bei 4 oder 5 Goldmark das Pfund. Zum Vergleich: Zu dieser Zeit kostet ein Pfund Kaffee 1,60 Goldmark, und eine Gans gibt es für 4,50 Goldmark.

Allerdings fordert die betuchte Kundschaft mit dem besonderen Geschmack, die solche Preise für Tee zahlen kann, den armen Kaufmann auch heraus: Scheinbar mögen die Herrschaften nichts lieber, als nachts oder am Sonntag ihren Tee bei Messmer im Kurbad einzukaufen. Mit ihren ausladenden Hüten stehen die Damen vor ihm, die Männer mit Gehrock, Zylinder und Spazierstock, und sie wollen ganz aufgekratzt den Kaufmann zu nachtschlafender Zeit nach ihrer Pfeife tanzen lassen. Ob er diesen Tee habe, ob er jenen Tee habe, ob er mal die Dose aus dem Regal zum Schnuppern heben könne und wie man den Tee denn am besten zubereite? Sie stehen mit Unschuldsmienen vor ihm. Sie zeigen mit dem Finger auf die Regale, lachen, sind elektrisiert von ihren Champagnerrunden, die in den warmen Sommernächten bis in den Morgen dauern. Anfangs macht Messmer das alles hundemüde mit. Doch dann regt sich Widerstand in ihm.

Der unternehmungslustige und entschiedene Eduard Messmer weiß sich zu wehren und Grenzen zu setzen. Er ist der erste Kaufmann, der die Sonntagnachmittagsruhe freiwillig für seine Angestellten im Kurbad einführt. Die Adligen von Baden-Baden sind empört, ja beinahe fassungslos. So etwas wie ein soziales Mitgefühl gibt es damals nicht. Messmers Tee wird in Baden-Baden trotzdem – nach anfänglichen trotzigen Boykottversuchen der High Society – gekauft und getrunken. Das liegt an der Qualität, fehlender Konkurrenz und der bereits angedeuteten historischen Gelegenheit, die sich dem Kaufmann nun bieten wird.

Messmer wird Hoflieferant

Eines Tages erlebt Messmer nämlich eine der größten Bewährungsproben seines Lebens, die ein Meilenstein für die Markenbildung von Messmer wird, wenn nicht sogar die erste Sternstunde auf dem Weg zur Premiummarke. Nennen wir es einfach Kairos, den von den Göttern begünstigten Augenblick der Firmengeschichte, der viel Marken-Glück und Glamour nach sich ziehen wird.

Die Hofgesellschaft um den deutschen Kaiser schwört damals auf russischen Hankow-Tee. Eines Tages soll Eduard Messmer tatsächlich für keinen Geringeren als Kaiser Wilhelm I. Tee besorgen. Am Hofe ist im Sommerurlaub der Teevorrat ausgegangen, während der Kaiser zur Sommerfrische in Baden-Baden im Hotel des Vaters weilt. Da er hierhin seinen halben Hofstaat mitreisen lässt, ist der Bedarf an Tee umso höher. Mit viel Glück gelingt es unserem Kaufmann Messmer in diesem Sommer 1884, entsprechende Ware durch eine exquisit duftende Teeprobe zu beschaffen, die er im Laden zufällig zwischen den Rosenholzschubladen findet und die ihn auf die richtige Fährte führt. Messmer hilft dem Kaiser also aus seinem Teenotstand, und dieser ist scheinbar begeistert über die Qualität, die der Kaufmann ihm schnell und ausgezeichnet frisch liefern kann. Der Kaiser und seine Gemahlin sprechen von »der Sanftheit und Süße« dieses Tees. Vermutlich hat Messmer ihnen eine englische Mischung p räsentiert, allerdings herrscht darüber Uneinigkeit. Messmer steht in seinem dunklen Kolonialwarenladen, neben ihm seine Frau Emilia. Beide atmen auf.

Eduard Messmer wird 1884 Hoflieferant des deutschen Kaisers.

Ein erboster Kaiser hätte einiges an Unglück für den kleinen Laden bedeuten können. Nun aber ahnt der Kaufmann, dass dies ein besonderer Moment für sein Geschäft ist. Und tatsächlich: Seitdem, wir schreiben das Jahr 1884, also einige Jahre nach Geschäftseröffnung, darf sich Eduard Messmer kaiserlicher Hoflieferant nennen, was sein Geschäft mit dem Tee natürlich ankurbelt und ihn für den Adel in ganz Deutschland interessant macht. Fortan führt er das royale Siegel auf seiner Firmenkorrespondenz, und sein Kolonialwarenladen blüht förmlich auf. Er wird eine Attraktion im Weltbad.

Für seinen Kaisertee entwirft Messmer ein edles Etikett.

Das Großbürgertum in Baden-Baden verlangt nun nämlich ebenfalls nach Messmers »Kaisertee« und fühlt sich beim vornehmen Nachmittagstee ein wenig wie bei Hofe. In Baden-Baden gibt es ein mondänes Spielcasino und ab 1858 auch eine Pferderennbahn mit einer eigenen Renngesellschaft. Der mondäne Kaisertee wird bei der High Society jener Zeit schnell zum Modegetränk. Während sie in Baden-Baden ihren Freizeitzerstreuungen nachgeht, Galopprennen besucht, Tennis oder Golf spielt oder sich in einem der Luxushotels erfrischt, werden die Teepausen bei gepflegter geistvoller Konversation und Messmers Kaisertee immer wichtiger, ja beinahe zur Kulturtechnik.

Tee wird endgültig zum Produkt für die Oberschicht. Er ist teuer und verspricht Distinktionsgewinn – und dann erst der Kaisertee! Messmer kreiert ganz gewitzt ein Produktschild mit dem schlichten Aufdruck »Kaisertee«. In Großbuchstaben, aber sonst dezent und edel in der Typografie, druckt er in Schwarz das Label Kaisertee auf die blütenweißen Etiketten. Das Erscheinungsbild verfehlt den Eindruck nicht und lässt den Absatz unter den vornehmen Gästen des Kurbades für den Kaufmann angenehm und beinahe wie von selbst steigen. Es kommt vor, dass der Kaisertee in der Gernsbacher Straße leider gerade aus ist und die Herrschaften enttäuscht, neidisch und mit saurer Miene von dannen ziehen müssen, denn vermutlich, so argwöhnen sie, waren ihre Adelsfreunde wieder schneller. So wird Messmer über die Kurstadt hinaus in Deutschland bekannt.

Johann Baptist Messmer: der Hotelier

Der Kontakt zu den gekrönten Häuptern ist der Familie Messmer allerdings zu dieser Zeit bereits nicht mehr fremd. Schon Eduards Vater, Johann Baptist Messmer, der Sohn eines gewissen Bodenseefischers namens Tiberius Messmer, ist ein ebenso würdig wie entschlossen wirkender Mann. Er hat den Grundstein für diese nützliche Allianz zum Kaiserhaus geschmiedet, freilich ganz unfreiwillig und überraschend für ihn. Um seinen Kindern ein wenig weltmännische Kultur zu bieten, zog er im schon fortgeschrittenen Mannesalter, immerhin mit zweiundfünfzig, von Ettlingen nach Baden-Baden. Dort unterhält er eine aufregende Liebschaft mit der schönen und klugen Karoline Ritzinger, aus der sein Sohn, der Kaufmann Eduard, zunächst unehelich hervorgeht. Ein Jahr nach seiner Geburt freilich wird geheiratet.

Karoline Ritzinger ist eine muntere, witzige und lebendige Person. Ihr Blick aus den blauen Augen ist wach und hell. Ihren Kindern, unter anderem dem Sohn Eduard und dem Sohn Wilhelm, gibt sie Temperament, Fantasie und einen Sinn für Ästhetik mit. Der Vater steht eher für Weltgewandtheit, Weltgereistheit und Würde. Zunächst hat der ehemalige Kriegsministerialsekretär den Plan, in Baden-Baden ein sogenanntes Adressbureau zu eröffnen. Ein Betrieb, der sich auf die Lieferung von Adressen aus allerlei Berufszweigen spezialisiert hat.

Doch dieses Gesuch wird abgelehnt. Deswegen wird Vater Messmer in Baden-Baden erst zum Weinhändler und dann zum Hotelier mit Leidenschaft. Zunächst ist sein »Maison Messmer« noch ein kleinerer Gästezimmerbetrieb mit Fremdenzimmern, Salons und Stallungen hinter dem Haus. Doch schnell stellt sich auch hier ein Erfolg im Kurbad ein.

Eduard Messmers Vater führt also seit 1833 sein Hotel mit dem schnell ausgezeichneten Ruf: Hier, im Maison Messmer, soll der junge Eduard mit adligen Häuptern bekannt werden. Östlich des sogenannten Conversationshauses, dem heutigen Kurhaus, gelegen, zieht es mit seiner imposanten Freitreppe bald eine illustre in- und ausländische Kundschaft an. In den besten Zeiten halten unentwegt die Gespanne der damaligen Gesellschaft davor. Adlige, Musiker und Dichter steigen aus und im Hotel ab.

Das Haus besitzt idyllische Gartenanlagen und einen romantischen Springbrunnen, die ideale Sommerfrische für die reichen Gäste. Im Keller lagern teure und schwere Rotweine, denn Papa Baptist versteht ja als Weinhändler etwas davon. Die Küche ist für ihre deftigen und regionalen Speisen bekannt. Dieser Ruf kommt nun 1849 auch Kronprinz Wilhelm zu Ohren, dem späteren Kaiser Wilhelm I., als er mit seinem General von Peucker in kriegerischer Mission durch den Landstrich reist. Sie haben gerade die Festung Rastatt unweit von Baden-Baden eingenommen und sind hungrig und müde.

Freilich bringt dieser Besuch den Hotelier Johann Friedrich Baptist Messmer auch ein wenig in die Bredouille. Der gilt nämlich eher als Sympathisant antifeudaler Kräfte. Berichten zufolge half er sogar Widerstandskämpfern und versteckte Waffen in seinem Keller, worauf schwere Strafe stand. Doch nun plötzlich hat er den Kronprinzen selbst zu Gast. Eine verzwickte, eine gefährliche Situation, über die er sogar ein bisschen sauer ist. Er flucht, er schwitzt und ringt mit sich. Aber was soll er tun, außer gute Miene zum bösen Spiel zu machen.