Metanoia – sich selbst und die Welt neu denken - Siegfried Essen - E-Book

Metanoia – sich selbst und die Welt neu denken E-Book

Siegfried Essen

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Beschreibung

Es muss sich etwas ändern! Weltweit und im eigenen Kopf, im persönlichen Leben, in der Beziehung zu anderen und im Verhältnis zu Natur und Umwelt. Doch das ist leichter gesagt als getan. Für einen nachhaltigen Wandel braucht es eine Umkehr des Denkens und Fühlens – Metanoia. Siegfried Essen zeigt mit Übungen, Meditationen und Geschichten einen Weg auf, um hinderliches Denken und schlechte Gefühle nachhaltig zu verändern: Feindschaften, Konkurrenz und Kampf, Ohnmacht, Angst und Wut setzt er den Einklang zwischen unserer körperlichen und unserer spirituellen Wirklichkeit entgegen. In 43 knappen Kapiteln schlägt das Buch den Bogen von den Urgedanken von Buddhismus und Christentum zu positiven Veränderungen in der aktuellen Politik und Gesellschaft.

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Siegfried Essen

METANOIA – SICH SELBST UND DIE WELT NEU DENKEN

EINE ANLEITUNG ZUM BEWUSSTSEINSWANDEL

2021

Fachbücher für jede:n

Reihe „Fachbücher für jede:n“

Reihengestaltung und Satz: Nicola Graf, Freinsheim, www.nicola-graf.com

Umschlaggestaltung: Heinrich Eiermann

Umschlagfoto: © Tom Levold

Redaktion: Dr. Eva Dempewolf

Printed in Poland

Druck und Bindung: Dimograf Sp.z.o.o.

Erste Auflage, 2021

ISBN 978-3-8497-0397-4 (Printausgabe)

eISBN 978-3-8497-8333-4 (ePUB)

© 2021 Carl-Auer-Systeme Verlag und Verlagsbuchhandlung GmbH, Heidelberg

Alle Rechte vorbehalten

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Carl-Auer Verlag GmbH

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Tel. +49 6221 6438-0 • Fax +49 6221 6438-22

[email protected]

INHALT

Was erwartet dich in diesem Buch?

60.000 Gedanken am Tag

Die vier Schritte der Metanoia

1Worum es jedem Menschen wirklich geht: Die Suche nach einem guten Leben

2Metanoia – was ist das?

3Du bist der Konstrukteur deiner Gedanken

4Drei Schritte der Umkehr

5Was ist real? Von der Kraft unserer Vorstellung

6Die Landkarte ist nicht das Land

7Durch die Übung der Achtsamkeit wirst du lebendiger

8Dauerhaft Gutes: Resonanz zwischen Innen und Außen

9Der Glaube an das Gute impliziert den Glauben an das Böse

10Der Körper als leibliche Einheit von Körper, Seele und Geist

11Programmierungen, Teufelskreise und das Gesetz der Resonanz

12Innere Programmierungen: Erzeuger übertriebener Getrenntheit und übertriebener Verbundenheit

13Besitz als positive Anhaftung

14Besitz als tragischer Irrtum

15Den Teufelskreis aufbrechen – mit Begeisterung und Dankbarkeit

16»Wenn du ein totes Pferd reitest, steig ab!«

17Die Wahl, positive Wirklichkeiten zu erschaffen

18Mit Begeisterung in Richtung Freiheit aufbrechen

19Metanoia: Mentales Fitnesstraining für einen »Weitwanderweg«

20Metanoia: Innere und äußere Komfortzonen verlassen

21Übung: Einen extrem guten Gedanken erfinden

22Wie gehen Liebe und Freiheit zusammen?

23Ich und Selbst – Wollen und Sein

24Praxis der Ich-Selbst-Unterscheidung

25Sorgen und Vertrauen

26Der Tiger ist nicht mehr hinter dir her!

27Achtsamkeitsübungen für den Körper

28Den inneren Kritiker neu wahrnehmen und transformieren

29Sieben Schritte des Glaubens und Manifestierens

30Glaube nicht alles, was du denkst!

31Ein neuer Entwurf deines Selbst

Anmerkungen zu diesem Film-Erlebnis und einige Beispiele

Ein paar Anweisungen für deine Freundin, deinen Freund

32Alles, wofür wir uns bedanken, vermehrt sich in unserem Leben

33Das Give Away (mit einem Hingabe-Ritual)

34Das Neue denken, fühlen und tun

35Gib dem Himmel deine Absicht bekannt!

36Verbundenheit mit allem, was ist

37Ein Alltagsritual

38Hingabe: Loslassen eigener Konzepte und Strategien

39Erinnere dich an deine tiefsten Wünsche – Vergessen verlängert das Exil

40Wie das neue Denken den Alltag aufhellt

41Die Kraft der Stille

42Die Kunst des Loslassens: eine Zusammenfassung

Erster Schritt: Erinnere dich an deine Herzenswünsche

Zweiter Schritt: Konkretisiere und fokussiere deine Wünsche

Dritter Schritt: Unterscheide zwischen Herzenswünschen und Wünschen aus dem Ego

Vierter Schritt: Verkörpern und Ausdrücken

Fünfter Schritt: Wähle, was du willst, und lehne nicht ab, was du nicht willst

43Vom Zweifel zum Glauben

Danksagung

Anmerkungen

Literatur

Über den Autor

Was erwartet dich in diesem Buch?

Du bist unzufrieden mit deiner Gesundheit, mit deinem Einkommen, mit der Liebe, mit deinem Zeitmanagement, mit deinem Schlaf, mit deiner Ausstrahlung, mit deinem Selbstwertgefühl, mit deiner Führungsqualität? Du bist unzufrieden mit zwei oder drei dieser Dinge gleichzeitig oder vielleicht mit allen zusammen? Du kannst mir das sicher auch begründen, und ich werde mich hüten, mit dir über die Gründe zu diskutieren.

Du hast auch mit Sicherheit schon viel nach den Ursachen geforscht und viel ausprobiert: mit der Ernährung, mit Partnern, mit dem Selbstwertgefühl, mit Therapeuten, Gurus, Coachings und guten Büchern. Es hat alles immer nur ein wenig geholfen und ist schnell wieder verflogen (wie unsere Konsumgesellschaft es sich wünscht).

In diesem Buch schlage ich dir nicht vor, noch etwas Neues, Besseres auszuprobieren, sondern bei all diesen Schritten dein grundlegendes Denken zu untersuchen und – ob du’s glaubst oder nicht – auch zu bezweifeln!

Steckt nicht hinter all diesen Besserungsvorschlägen – ob sie nun von innen oder von außen kommen – der Gedanke, dass es nicht gut ist, so wie es ist? Und wäre es nicht interessant, diesen Gedanken mal infrage zu stellen? Ist zum Beispiel dein Leben oder dein Körperzustand wirklich so schlecht, wie du es dir morgens beim Aufwachen fast automatisch vorstellst, einfach weil du diesen Gedanken gewohnt bist, so wie das Zähneputzen und das Duschen? Vielleicht könntest du dir für den Anfang einen zweiten Wecker neben den ersten stellen, der dich erinnert: »Denk mal etwas Neues!« Oder: »Denk mal an etwas, wofür du dankbar sein könntest!«

Und wenn du so etwas Gutes gefunden hast – aber das wäre schon ein effektiver Praxisvorschlag, eine echte Meditation –, dann könntest du diesen positiven Gedanken so lange wiederholen, bis sich das entsprechende Gefühl einstellt, zum Beispiel Freude oder Leichtigkeit oder Entspannung.

Finde eine Praxis, wie du dir das Leben erleichtern kannst, indem du dich selbst und die Welt neu denkst und anders wahrnimmst. Jesus Christus hat das mit der Aufforderung zur Metanoia beschrieben, zur »Umkehr im Denken und Wahrnehmen«.

Glaube nicht alles, was du denkst. Im Gegenteil: Bezweifle erst einmal dein Denken und behalte (glaube) nur das, was dir guttut.

Und Buddha, der andere große Erleuchtete der Menschheit, sagte:

»Wir sind, was wir denken.

Alles, was wir sind, entsteht mit unseren Gedanken.

Mit unseren Gedanken schaffen wir die Welt.

Sprich oder handle mit einem unreinen Geist,

Und Schwierigkeiten werden dir folgen

wie das Rad dem Ochsen, der den Karren zieht.

Wir sind, was wir denken.

Alles, was wir sind, entsteht mit unseren Gedanken.

Mit unseren Gedanken schaffen wir die Welt.

Sprich oder handle mit einem reinen Geist,

Und Glück wird dir folgen

wie dein Schatten, unerschütterlich.«1

Woher weiß ich aber, was mir guttut, welche Gedanken einem reinen Geist entspringen und welche einem unreinen Geist?

Dafür hast du ein untrügliches Instrument an der Hand: deinen Körper! Er reagiert auf die Gedanken sofort und unmittelbar: mit Angst oder Entspannung, mit Luftanhalten oder Aufatmen, mit Gier oder mit Liebe usw. Alfred Adler hat das so ausgedrückt: »Manchmal lügt der Mund oder der Kopf versteht es nicht, aber die Körperfunktionen sagen immer die Wahrheit.«2

Wo immer du dieses Buch aufschlägst, geht es um kleine, aber konkrete Schritte des Umdenkens, die für jeden und jede von uns umsetzbar sind. Finde etwas, was für dich funktioniert, und dann praktiziere es, bis es dich erneuert hat, bis du Freude spürst.

Es gibt zwei Glaubenssätze, die ich nicht mehr bezweifle, beziehungsweise die sich durch vieles Bezweifeln für mich als wirklich erwiesen haben. Sie ziehen sich wie ein roter Faden durch dieses Buch, und du kannst alles daran messen.

1.Es gibt ein Ende von Leid. Nicht ein Ende von Schmerz oder Trennung, von physisch und von psychisch schmerzhaften Erfahrungen, aber vom Festhalten daran. (Diesen Glaubenssatz mitsamt der Unterscheidung von Schmerz und Leid fand ich vor allen Dingen im Buddhismus.)

2.Wir erleben das Ende des Leids als Überraschung, als Wunder – als eine grundlegende Musterunterbrechung und einen 100-prozentigen Ebenen-Wechsel. (Als Neugeborenwerden oder Auferstehung von den Toten wird es im Neuen Testament beschrieben.)

Es ist übrigens auch interessant, Therapeut:innen, Helfer:innen und Ratgeber:innen daran zu messen, ob sie die Möglichkeit von radikaler Transformation in Betracht ziehen oder leugnen. Oder wie Heisenberg und die Quantenphysik es ausdrücken: Was du beobachtest erscheint je nach Art deiner Beobachtung. Unsere Wahrnehmung der Welt ist nicht nur passiv, sondern auch schöpferisch – sie in-formiert die Wirklichkeit.

Und wozu dann die ganze Mühe des Umdenkens? Um dir entschieden das Leben zu erleichtern! Mit offenem Herzen lebt es sich leichter als mit sorgenvollem Denken. Unser Herz denkt und fühlt viel komplexer als unser Kopf. Das rationale Denken und Analysieren in den Kategorien von Zeit, Raum und Kausalität, wie wir es in der Schule gelernt haben, ist anstrengend und nervtötend. Aber nach dieser »Kur« ist das ganzheitliche Denken-Fühlen aus dem »Herzen« wie der Himmel auf Erden.

60.000 Gedanken am Tag

Wie Forscher herausgefunden haben, denken wir ungefähr 60.000 bis 70.000 Gedanken am Tag, und von denen sind 90 Prozent Wiederholungen. D. h., wir programmieren uns ständig mit den alten Geschichten von gestern oder den schlechten Nachrichten aus der Zeitung. (Schlechte Nachrichten finden viel mehr Aufmerksamkeit als positive! Das hat die Psychologie und die Neurowissenschaft belegt.) Mich wundert es nicht. Das »gute alte« Schlechte und das erwartete neue Schlechte bestätigen unser gewohntes negatives Welt- und Selbstbild. Das ist ein ziemlich teures Versicherungsunternehmen, in das wir täglich 50.000 Gedanken einzahlen. Nein, wir zahlen sie natürlich nicht bewusst ein, sie werden einfach abgebucht, ohne dass wir es merken. Nur unser Körpersystem merkt die ständige Selbstabwertung. Stress, Depression, Langeweile, Angst oder Wut und schließlich auch Krankheiten kommen also nicht aus heiterem Himmel, sondern sind jahrelang vorprogrammiert. Natürlich glaubt unser Körper das nicht so schnell, wenn wir uns mal auf der Gedankenebene etwas Neues vornehmen. Er muss dauerhaft umprogrammiert werden, und das geschieht über das Fühlen. Das Neue muss gefühlt werden, damit der Körper es begreift. Er ist zu sehr auf die Vergangenheit konditioniert. Deshalb ist dieses Buch als Kurs gedacht.

Jedoch gibt es 100.000-mal am Tag die Möglichkeit aufzuwachen. Das ist der gegenwärtigen Moment, den man immer wieder neu erleben kann. Er ist wie ein Geschenk der Musterunterbrechung, das den Körper aufatmen lässt. Erwachen, Erleuchtung, Erlösung usw. sind nichts anderes als immer neues Gewahrsein der Gegenwart. Wir ärgern uns nicht über die alten Gedanken, Gewohnheiten und Programme, sondern nehmen sie – ja genau diese – in jedem Moment neu wahr. Das ist das göttliche Antiprogramm, das alles als neu wahrnimmt.

Ganz am Ende der Bibel gibt die göttliche Geistkraft ihr Programm bekannt: »Sieh her: Ich mache alles neu!« (Offb 21,5) Der »lebendige Gott« der Bibel ist also das Unsicherste, was man sich vorstellen kann: Alles ist immer neu! Das Gegenteil von einem Versicherungsunternehmen. Wenn man es sich recht überlegt, so ist er/sie/es das Leben selbst, nicht vorhersehbar, immer neu! Es gibt nichts Realistischeres. Der zenbuddhistische Meister Suzuki Roshi nennt das »Anfängergeist«.

Der schnellste Weg, diese Welt zu wandeln, ist der Weg des Geistes. Und wiewohl es wunderbar ist, wenn du tätiges Mitgefühl übst und großzügig bist und dies mit Menschen teilst, ist es doch dein Gedankenfeld, das sich grundlegend verändern muss, wenn du dich und die Welt ändern willst.

Das Gedankenfeld ist die Vorform der Manifestation, d.h., was wir als Einzelne oder auch als Gesellschaft immer wieder denken, schreiben und kommunizieren nimmt Form an, aktualisiert sich und tritt in Erscheinung. So hat sich zum Beispiel das Denken in Gut und Böse, Freund und Feind, in Form von Krieg und Gewalt, Patriarchat und Kapitalismus seit Tausenden von Jahren immer wieder und immer mehr zugespitzt – bis die Menschheit begreift, dass es so nicht weitergeht.

Der indianische Gelehrte Jack D. Forbes schreibt in seinem Buch Columbus und andere Kannibalen: »Seit mehreren Jahrtausenden haben Menschen unter einer Pest gelitten, schlimmer als Lepra, einer Krankheit, schrecklicher als Malaria und entsetzlicher als die Pocken.« Die Algonquin und andere indigene Völker bezeichneten die Geisteskrankheit des weißen Mannes, der im 15. und 16. Jahrhundert in ihren Heimatländern ankam, als Wetiko. Wörtlich übersetzt bedeutet das Kannibalismus: »der Konsum eines anderen Lebens für den eigenen privaten Nutzen oder Profit«. Forbes schließt daraus: »Diese Krankheit ist die schlimmste Epidemie, die der Mensch jemals erlebt hat.«3

Und Petra Bock aus Berlin beschreibt in ihrem neu erschienenen Buch Der entstörte Mensch den Zustand der Menschheit seit 12.000 Jahren als gestörtes Denken, Fühlen und Handeln, das sich in unseren Köpfen, in unserem Alltagsverhalten (Konsumsucht, Konkurrenzdruck und Misstrauen), in unserem Wirtschaftssystem sowie in der Politik als sich selbst bestätigendes Muster festgesetzt hat.

In einem Interview, das der ORF-Redakteur Wolfgang Ritschl am 8. Mai 2020, also zu Zeiten der Pandemie, mit Petra Bock geführt hat, sagt sie, dass Unsicherheit und Existenzangst Nährboden sind für dieses gestörte Denken:

»Wichtig ist aber, dass jede Art, jetzt sich noch mehr zurückzuziehen, härter zu werden, zu kämpfen, gegen andere vielleicht sogar zu kämpfen, etwas ist, was uns zurückwirft und auch nicht mehr Sicherheit gibt. … Wenn wir uns immer mehr zurückziehen und voneinander abschotten, machen wir die Situation schlimmer und nicht besser. Was wir eher brauchen, jetzt gerade in der Krise, ist, sehr viel enger zu kooperieren, Netzwerke zu schaffen, wo wir uns eben nicht alleine und zurückgeworfen fühlen, nicht meinen, gegeneinander kämpfen zu müssen, sondern unsere Köpfe zusammenzustecken und unsere Herzen … und neue kreative Lösungen zu entwickeln. Das klingt erst einmal aus dem alten Denken heraus vielleicht sogar naiv, ist es aber nicht.«

Das Aufmachen, das Denken in Netzwerken und Kooperation schafft, so Bock, mehr Sicherheit und Innovation als das alte Denken, das versucht, die Zukunft zu kontrollieren, was angesichts der vernetzten Welt völlig unrealistisch und vergeblich ist. Wir brauchen einen Neustart, in dem es darum geht, dass wir das Leben als vernetzt erleben und kooperativ handeln und denken. Wir brauchen ein neues Verständnis von Leben überhaupt und können dabei auch bei uns selbst anfangen.

»Denn ich glaube, der große Preis, der hohe Preis, den Menschen zahlen für gestörtes Denken, ist, dass wir das Leben als anstrengend empfinden. Dass wir selbst dann, wenn wir alles haben, den Eindruck haben, es reicht nicht, es ist nie genug. Dass Leben immer ein Kampf bleibt, solange wir nach diesem alten Überlebensmodus funktionieren. Es lohnt sich, da eine andere Erfahrung zu machen. Es macht uns nicht nur zu besseren Menschen, wenn man so will, sondern auch zu glücklicheren Menschen. Und in diesem Modus, den ich den Entfaltungsmodus nenne, haben wir ganz andere Möglichkeiten, uns auch politisch und gesellschaftlich neu zu begegnen. … Ich bin aber der Meinung, … dass das ohne einen inneren Wandel nicht passieren wird. Nur in den äußeren Systemen zu verändern, wird uns nichts bringen, wenn wir die grundlegende Einstellung, das Paradigma, nach dem wir unser Denken ausrichten, nicht verändern.«4

Schon Jesus Christus forderte diesen Paradigmenwechsel. Wir haben seine Worte nicht mehr in seiner ursprünglichen Sprache Aramäisch, sondern in Griechisch: metanoiete, das heißt: Ändert euer Denken und eure Wahrnehmung (von euch selbst, über die Welt und über Gott)! Ich glaube, die Menschheit beginnt erst jetzt, im 21. Jahrhundert, diese Botschaft zu verstehen.

Wenn du das Umdenken übst – und dazu soll dieses Buch dienen –, wirst du dich immer freier und mit immer weniger Angst vor dem Tod fühlen und begreifen. Du erlebst dich dann in Verbundenheit mit Himmel und Erde, d. h. als konkrete zeitlich und räumlich definierte Person und gleichzeitig auch in der flüssigen und vernetzten Wirklichkeit, die Zeit und Raum überschreitet. Wenn du erlebst, wie Himmel und Erde sich in dir begegnen, durchdringen und ergänzen, erlebst du nicht nur den Himmel, sondern auch die Erde, dich selbst und deinen Körper in jedem Stadium als vollkommen. Und du siehst, denkst und fühlst auch die Materie als heil und ganz. Wenn du dein Denken änderst, sodass dein Gefühl mitzieht, änderst du die ganze Welt. Nicht durch Anstrengung und Kampf, sondern durch Freude und Ausstrahlung. Denn was die Welt braucht, ist mehr liebevolles Spürbewusstsein und weniger Gewalt – mit sich selbst und allen anderen Mitbewohnern der »Erde«. Das ist unsere Aufgabe als fühlende Wesen, die Bewusstsein entwickelt haben.

»Fühle dich nicht einsam, das gesamte Universum ist in dir«, sagte der persische Dichter und Mystiker aus dem 13. Jahrhundert, Mevlãnã Celâleddin Rumi.5

Die vier Schritte der Metanoia

Die stärkste Kraft für das Heilsein der Welt ist, die Welt heil zu sehen, zu spüren und zu wissen.

Ja, auf eine neue Art des Wissens läuft es hinaus! Denn der 1. Schritt des Umdenkens ist mit ganz viel Skepsis und Zweifel verbunden. (Die ganze Welt in dir und um dich denkt ja in der alten gestörten Art und Weise: nicht freundlich-liebevoll, sondern aggressiv und angstvoll.) Wenn man aber bei der Einübung von Dankbarkeit und Mitgefühl bleibt (2. Stufe des Umdenkens), kommt man zu einem guten Geschmack und Gespür für das Neue. Die 3. Stufe ist: Man fängt an, das Neue zu glauben. Und in der 4. Stufe wird es dann zum Wissen, zur Gewissheit. Diese Gewissheit ist eine Art sicheren Gewahrseins, der Zen-Buddhismus nennt es sogar »Nichtwissen«, ein Feld-Bewusstsein, in dem man ganz in Präsenz ist, alles gleichzeitig über alle Sinne wahrnimmt, ohne sich von rationalen Überlegungen oder den Programmen der persönlichen oder archaischen Vergangenheit ablenken zu lassen. Dieses Leerwerden oder Nichtwissen übt man in der Meditation und in der Aufstellungsarbeit.

Ich wünsche dir viel Freude bei der Beschäftigung mit dem Buch und einen neugierigen und wachen »Anfängergeist«, der dich in deinem Denken und Wahrnehmen umkehren lässt.

Siegfried EssenEggersdorf bei Graz, Juni 2021

1

WORUM ES JEDEM MENSCHEN WIRKLICH GEHT: DIE SUCHE NACH EINEM GUTEN LEBEN

»All unser Leiden entsteht dadurch, dass wir Glück wollen. Je mehr wir versuchen, unser Glück zu schützen und zu bewahren, desto mehr verlieren wir.« Das sagt der tibetische Meister Tulku Lobsang Rinpoche.6 Was steckt dahinter? Gemeint ist, dass das Glück schon in uns ist: Es ist unsere Natur, unsere innerste Quelle.

Das klingt gut – wenn man nur daran glauben könnte! Also suchen wir das Glück im Außen: die Liebe beim richtigen Partner, die Gesundheit bei der richtigen Ernährung, das Geld über den richtigen Job und den inneren Frieden beim richtigen spirituellen Weg. Die Suche nach dem »Glück« im Außen ist seit Jahrhunderten die große Leidenschaft der Menschheit. Und sie hat ohne Zweifel sehr viel Fortschritt, Wohlstand und Wissen hervorgebracht.

Viele große Meister aber sagen: Das »Glück« ist immer da! Wir haben es nur vergessen (sagt Platon), verschleiert (sagt Buddha) oder verdrängt (sagt Freud). Wenn das stimmt, dann ist unsere Leidenschaft der »Glückssuche« gleichzeitig auch die Ursache für viel Leid: nicht nur für Depression oder Burnout (der moderne Ausdruck dieses friedlosen Zustandes), sondern auch für Krankheiten (der Protest des Körpers gegen Dauerstress) sowie für Angst, Einsamkeit und Kälte (die gefühlten Reaktionen unseres Körpers).

Aber welcher Weg führt dann zu einem gelingenden Leben? Schmerzen, Trennungen und der Tod sind unvermeidbar, aber wir können vermeiden, diese Ereignisse in unseren Gedanken immer wieder herzuholen und sogar in die Zukunft zu projizieren. Schmerzen und Trennungen bezeichnet der Buddha als »erste Pfeile«. Sie kommen tatsächlich meist von außen und sind unvermeidlich. Sie erzeugen Schmerzen, aber nicht das eigentliche Leid. Das entsteht erst durch »zweite Pfeile«: unsere Überzeugungen und Urteile über Trennungen und Verletzungen. Und diese Pfeile schießen wir uns selbst: »Nie wieder lass ich das mit mir machen!« Und wir schließen die Faust um die Wunde, sodass sie nicht heilen kann. Gedanken der Rache, der Wut, der Angst, der Resignation und des Selbstmitleids entstehen und können viel Raum einnehmen. Körperliche Verletzungen heilen von selbst, wenn die Luft drankommt. Auch Trennungen werden überwunden, wenn Wasser fließen darf, Tränen und Emotionen.

Was wir über Ereignisse denken, bestimmt also, wie wir uns fühlen und was wir daraufhin tun. Also müssen wir bei unseren Glaubenssätzen und Überzeugungen ansetzen, wenn wir unser Leben schön, liebevoll, sicher und lustvoll machen wollen. Das ist sehr einfach, wenn wir uns nur bewusst machen: »Ach, das ist ja nur ein Gedanke!« Und es ist natürlich auch sehr schwierig, weil vieles, besonders das gewohnte Denken, also die »Überzeugung«, schon sehr früh in unserem Leben gebahnt und verankert wurde. Ein kleines Beispiel: Ich habe mir beim Spielen eine Schramme geholt und laufe zur Mama. Jetzt ist es ein großer Unterschied, ob sie pustet und mit singender Stimme sagt: »Heile, heile Segen«, oder ob sie schimpft: »Wie schlimm, was hast du denn da wieder angestellt!« Im ersten Fall werde ich beim nächsten Mal selbst pusten. Im zweiten Fall werde ich vielleicht schreien oder weinen und nach einem Schuldigen suchen. Das dauert länger, ist komplizierter und hinterlässt ein bleibendes Muster im Nervensystem und im Denken-Fühlen – ein Urteil.

2

METANOIA – WAS IST DAS?

Ein Mann fuhr mit seinem Sohn nach Afrika, um ihm zu zeigen, wie viele Menschen auf dieser Welt in Armut leben müssen. Sie verbrachten einige Zeit bei einer Nomadenfamilie. Als sie wieder nach Hause zurückkehrten, fragte der Vater: »Wie war die Reise für dich?« Das Kind antwortete: »Wir haben nur einen Hund, die Hirten hatten vier. Wir haben einen riesigen Swimmingpool, mein neuer Freund Pakka schwimmt in einem großen See. Unseren Garten beleuchten am Abend viele Lampen, dort glitzern in der Nacht Tausende Sterne und der Mond. Danke Papa, dass du mir gezeigt hast, wie reich die Menschen in Afrika sind.« Der Vater wurde nachdenklich: So hatte er die gemeinsame Reise noch nicht betrachtet.

Metanoia bedeutet übersetzt »den Kopf wenden«. Das altgriechische Wort setzt sich aus meta (darüber hinaus) und noia (Denken, Verstehen, Wahrnehmen) zusammen. Metanoia bedeutet also so viel wie Neues Denken, Neues Sehen. Jesus Christus verwendet das Wort Metanoia für Umdenken und neues Wahrnehmen, und seine Aufforderung an die Menschheit lautet: »Überschreitet euer Denken und euer Wahrnehmen [von euch selbst und der Welt]!« (z. B. Mk 1,15). Diese Botschaft Jesu Christi ist ganz einfach und körperlich zu verstehen: »Wechselt die Perspektive, schaut woanders hin!« Und lasst euch nicht von alten Glaubenssystemen und Überzeugungen hypnotisieren. Betrachtet eure Überzeugungen und euer Denken wie Kleider, die ihr angezogen habt und auch wieder ausziehen könnt. »Zieht den neuen Menschen an«, rät uns Paulus im Brief an die kleine Christengemeinschaft im griechischen Ephesus (Eph 4,24).