Methodik der juristischen Fallbearbeitung - Peter Bringewat - E-Book

Methodik der juristischen Fallbearbeitung E-Book

Peter Bringewat

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Beschreibung

Die aktualisierte Neuauflage des Werkes vermittelt die Grundfertigkeiten für die Bearbeitung und Lösung von Rechtsfällen. Der erste Teil behandelt das typische "Ablaufprogramm" einer Fallbearbeitung: korrekte Erfassung des Sachverhalts und der Aufgabenstellung, die Arbeit am und mit dem Sachverhalt, die Methode der juristischen Subsumtion und Fragen der äußeren und sprachlichen Gestaltung von Klausuren und Hausarbeiten. Der zweite Teil befasst sich mit dem sachrichtigen Aufbau einer juristischen Fallbearbeitung. Zunächst werden allgemeine, daran anschließend rechtsgebietsspezifische Aufbaufragen behandelt. Durchgängig wird auf mögliche Fehlerquellen und -risiken im Aufbau einer Fallbearbeitung aufmerksam gemacht und gezeigt, wie man beides vermeiden kann.

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Methodik der juristischen Fallbearbeitung

Mit Aufbau- und Prüfungsschemata aus dem Zivil-, Strafrecht und öffentlichen Recht

von

Universitätsprofessor Dr. Peter BringewatProfessor für Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht (Leuphana Universität Lüneburg)

5., aktualisierte Auflage

Verlag W. Kohlhammer

5. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN: 978-3-17-044427-0

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-044428-7

epub: ISBN 978-3-17-044429-4

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Die aktualisierte Neuauflage des Werkes vermittelt die Grundfertigkeiten für die Bearbeitung und Lösung von Rechtsfällen. Der erste Teil behandelt das typische „Ablaufprogramm“ einer Fallbearbeitung: korrekte Erfassung des Sachverhalts und der Aufgabenstellung, die Arbeit am und mit dem Sachverhalt, die Methode der juristischen Subsumtion und Fragen der äußeren und sprachlichen Gestaltung von Klausuren und Hausarbeiten. Der zweite Teil befasst sich mit dem sachrichtigen Aufbau einer juristischen Fallbearbeitung. Zunächst werden allgemeine, daran anschließend rechtsgebietsspezifische Aufbaufragen behandelt. Durchgängig wird auf mögliche Fehlerquellen und -risiken im Aufbau einer Fallbearbeitung aufmerksam gemacht und gezeigt, wie man beides vermeiden kann.

Prof. Dr. Peter Bringewat ist Mitglied der Leuphana Law School der Leuphana Universität Lüneburg und lehrt Strafrecht, Strafprozessrecht und Wirtschaftsstrafrecht. Er war langjähriges Mitglied des Niedersächsischen Landesjustizprüfungsamts.

In eigener Sache

Was nützen noch so profunde Rechtskenntnisse, wenn man nicht weiß, wie sie bei der Bearbeitung und Lösung eines Rechtsfalls ein- und umzusetzen sind? Von dieser Frage motiviert ist das vorliegende Buch entstanden. Es versteht sich als eine Anleitung zur Anfertigung juristischer Klausuren und Hausarbeiten und wendet sich in erster Linie an Studentinnen und Studenten aller juristischen Studiengänge an Universitäten und anderen Hochschulen sowie an Studentinnen und Studenten nichtjuristischer Studiengänge mit dem Nebenfach „Recht“, die sich in ihrem Studium stets aufs Neue mit der prüfungsrelevanten Anfertigung von juristischen Klausuren und Hausarbeiten auseinandersetzen müssen. Titel und Untertitel dieses Buches lassen bereits erkennen, um was es in ihm geht: um juristische Fallarbeit und – genauer – um die Methodik der juristischen Fallbearbeitung.

In seinem ersten Teil – „Allgemeines zur Anfertigung juristischer Hausarbeiten und Klausuren“ – behandelt es alle diejenigen Fragen, die für die juristische Fallbearbeitung im Zivilrecht, Strafrecht und öffentlichen Recht gleichermaßen von Bedeutung sind. Als konzeptioneller Leitgedanke dieses „Ersten Teils“ fungiert ein auf seine typischen Stationen reduziertes Ablaufprogramm für die Bearbeitung von Rechtsfällen. Einer ersten Beschäftigung mit möglichen Aufgabenstellungen zivilrechtlicher, strafrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Klausuren und/oder Hausarbeiten folgen in kontinuierlichem Fortschreiten die Erörterung und Erläuterung von Fragestellungen, mit denen ein Fallbearbeiter regelmäßig befasst ist. Das reicht von der korrekten Erfassung und Erarbeitung der maßgebenden Fallfragen über die Arbeit am und mit dem ausgegebenen Sachverhalt bis zur „äußeren“ Gestaltung und Darstellung der dann als Prüfungs- oder Studienleistung abzugebenden Klausur und/oder Hausarbeit. Ausführlich kommt das „A und O“ der juristischen Fallbearbeitung, die Rechtsanwendung und mit ihr die Subsumtionsarbeit und -technik zur Sprache, verdeutlicht durch zahlreiche Beispiele. Breiter Raum ist sodann der Erörterung „formaler“ Anforderungen an juristische Klausuren und Hausarbeiten belassen. Dazu gehören u. a. Fragen, wie man die Verwertung einschlägiger Rechtsliteratur in der Falllösung nachweist, wie man zitiert und wie mit Zitaten und Zitatbelegen umzugehen ist, welche Bestandteile eine Hausarbeit/Klausur umfasst etc. Aber auch der Weg hin zur Lösung des Rechtsfalls und endgültigen Niederschrift der Hausarbeit/Klausur, beginnend bei der Erarbeitung des „roten Fadens“ und fortfahrend über die Entwicklung einer Lösungsskizze, die Erstellung eines Lösungskonzepts, das unverzichtbare „Controlling“ bis zur abgabereifen Hausarbeit/Klausur wird genau und ins Einzelne gehend beschrieben.

Der sachrichtige Aufbau einer juristischen Fallbearbeitung ist Generalthema des „Zweiten Teils“. Im Sinne eines „Besonderen Teils“ ist er als Ergänzung des „Ersten Teils“ gedacht. Längst hat sich herumgesprochen, dass der gewählte Aufbau einer juristischen Fallbearbeitung keineswegs nur bloße „Äußerlichkeit“ einer juristischen Klausur und/oder Hausarbeit, sondern sehr viel mehr ist: Er bestimmt die Lösung eines Rechtsfalls (zumindest mit) und dokumentiert, ob und wie der Fallbearbeiter sach- und folgerichtig vorgegangen ist. „Methodik der juristischen Fallbearbeitung“ bedeutet daher auch, sich mit Aufbauregeln für die Bearbeitung von Rechtsfällen zu befassen. Dementsprechend werden im „Zweiten Teil“ des Buchs zunächst allgemeine und daran anschließend rechtsgebietsspezifische Aufbaufragen erörtert. Behandelt werden beispielsweise der sog. Anspruchsaufbau für zivilrechtliche oder die fall- bzw. deliktsbezogene „Aufbautechnik“ für strafrechtliche Klausuren und Hausarbeiten sowie die mit „Zulässigkeit“ und „Begründetheit“ (einer Klage etc.) verbundene Aufbauproblematik im öffentlichen Recht. Mit verdeutlichenden Erläuterungen werden sodann für jedes Rechtsgebiet – Zivilrecht, Strafrecht, öffentliches Recht – gesondert einzelne Aufbau- und Prüfungsschemata vorgestellt, die bei verständiger Anwendung eine gute Grundlage für die in juristischen Klausuren und Hausarbeiten geforderte Fallprüfung sein können. Durchgängig ist bei alledem auf mögliche Fehlerquellen und -risiken im Klausur- und Hausarbeitsaufbau hingewiesen.

Die „Methodik der juristischen Fallbearbeitung“ will nicht nur den Studienanfängerinnen und -anfängern den Einstieg in das „leidige Geschäft“ des Klausurenschreibens etc. erleichtern. Sie versteht sich vielmehr als begleitendes Studienhilfsmittel auch für „höhere Semester“ bis hin zur Ersten Prüfung/Ersten juristischen Staatsprüfung und/oder vergleichbaren Studienabschlüssen.

Dem Verlag W. Kohlhammer GmbH sei für die Bereitschaft gedankt, die „Methodik der juristischen Fallbearbeitung“ in das Studienbuchprogramm aufzunehmen. Abgesehen von wenigen textlichen Überarbeitungen betrifft die nunmehr vorliegende Neuauflage des Studienbuchs notwendig gewordene Aktualisierungen. Ich hoffe, dass das Buch auch weiterhin alle anspricht, für die es gedacht ist und bin für Kritik aus dem Leserkreis (bitte über den Kohlhammer-Verlag an mich) stets dankbar.

Lüneburg, im Februar 2024Peter Bringewat

Inhaltsverzeichnis

In eigener Sache

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Erster Teil:Allgemeines zur Anfertigung juristischer Hausarbeiten und Klausuren

A.Juristische Hausarbeiten und Klausuren, Leistungskontrolle und Berufsvorbereitung

B.Prüfungsgegenstand, Aufgabenstellung, Sachverhalt

I.Beispiele für Sachverhalte und Aufgabenstellungen aus dem Zivilrecht

II.Beispiele für Sachverhalte und Aufgabenstellungen aus dem Strafrecht

III.Beispiele für Sachverhalte und Aufgabenstellungen aus dem öffentlichen Recht

IV.Zusammenfassung

C.Methodik der Fallbearbeitung

I.Die Fallfrage – nicht mehr, aber auch nicht weniger

1.Sachgerechtes Erfassen der Aufgabenstellung

a)Fehlerquellen

b)Besonderheiten in einzelnen Rechtsgebieten

aa)Strafrecht

bb)Zivilrecht und öffentliches Recht

2.Von der abstrakten zur konkreten Fallfrage

a)Beispiel Zivilrecht

b)Besonderheit „Anwaltsklausur/-hausarbeit“

c)Strafrecht und öffentliches Recht

II.Die Arbeit am und mit dem Sachverhalt

1.Sachverhalt mehrmals und genau lesen

2.Sachverhalt vollständig erfassen

3.Sachverhalt „richtig“ erfassen

a)Laiensprache und rechtlicher Bedeutungsgehalt

b)Nebensächlichkeiten

c)„Normalfall“ maßgebend

4.Sachverhaltslücken schließen

a)Der Sachverhalt als „Sinneinheit“

b)Ausnahme: Die Sachverhaltsalternative

c)Erörterung der Rechtsfragen

5.Sachverhalt nicht manipulieren

6.Praktische Arbeitstechnik

a)Brainstorming, Stoffsammlung

b)Hilfsmittel für die Stoffsammlung

III.Die Subsumtionstechnik

1.Das Aufsuchen „passender“ Rechtssätze

a)Antwortnorm und Hilfsnorm

b)Gegennorm

c)Rechtsgutachtliche Anforderungen

d)Nur „einschlägige“ Rechtssätze

2.Die Anwendung der Rechtssätze

a)Das Strukturmodell der Subsumtion

b)Subsumtionsbeispiele

3.Die Mehraktigkeit der Subsumtion

4.Normkonkretisierung und Subsumtion

a)Normkonkretisierung durch Gesetzesauslegung

b)Alternative Tatbestandsmerkmale

D.Sprachliche Darstellung; Gutachten- und Urteilsstil

I.Auf „gute“ Schriftsprache achten

1.Schachtel- und Kettensätze

2.Satzdreh nach „und“

3.Hauptwörterei und Streckverben

4.Aktiv- und Passivform

5.Kraftausdrücke und Übertreibungen

6.Füll- und Fremdwörter

II.Unterschied Gutachten- und Urteilsstil

1.Gutachtenstil

2.Urteilsstil

3.Sprachliche Erkennungszeichen für Gutachten- und Urteilsstil, Anwendungsempfehlungen

E.Gestaltung und Darstellung juristischer Hausarbeiten und Klausuren

I.Die juristische Hausarbeit

1.Arbeitsweise

a)Einstieg: Den „roten Faden“ erarbeiten

b)Literaturrecherche und sonstige Quellen

aa)Typische Rechtsliteratur

bb)Rechtsprechung

cc)Elektronische Medien

c)Lösungsskizze und Schwerpunktbildung

d)Konzepterstellung, Problembearbeitung

aa)Fallprüfungskonzept

bb)Problembearbeitung

cc)Streitige Rechtsauffassungen

dd)Beispiel (aus dem Bereich des Strafrechts)

ee)Eigene Begründung

ff)Bearbeitungsempfehlungen

e)Controlling und Niederschrift

2.Äußere Gestaltung

a)Deckblatt

b)Aufgabenstellung: Sachverhalt und Fallfrage(n)

c)Literaturverzeichnis und Zitierweise

d)Abkürzungsverzeichnis

e)Gliederung

aa)Gliederungsebenen

bb)Gliederungssysteme

f)Fallbearbeitung/Niederschrift

aa)Formalien

bb)Zitate, nichtwörtliche Wiedergabe

cc)Nachweise und Belege in Anmerkungen/Fußnoten

g)Anmerkungsverzeichnis

h)Deckblatt

i)Keine losen Blätter

j)Weglassen von Vorwort, Nachwort, Widmungen

II.Die juristische Klausur

1.Arbeitsweise

2.Äußere Gestaltung

Zweiter Teil:Der Aufbau einer juristischen Fallbearbeitung

A.Allgemeine Aufbaufragen

I.„Historischer“ Aufbau

II.„Teleologischer“ Aufbau

III.Aufbaukombinationen

IV.Keine (Vor-)Bemerkungen zum Fallaufbau!

B.Der Aufbau einer zivilrechtlichen Fallbearbeitung

I.„Historischer“ und/oder „teleologischer“ Aufbau

II.Der Anspruchsaufbau

1.Vorfragen und Voraussetzungen

a)Anspruchsteller und Anspruchsgegner: Wer von wem?

b)Anspruchsziele: Was?

c)Aufgrund welcher Anspruchsnorm?

2.Verschiedenartige Anspruchsgrundlagen

a)Prüfungsreihenfolge

b)Ausnahmen

c)Beispiele zum Anspruchsaufbau

3.Anspruchshäufung, Anspruchskonkurrenz

4.Vorrang der vertraglichen Ansprüche – Prüfungsschema

5.Grundschema für Anspruchsprüfungen

6.Exemplarische Aufbauschemata

a)Berechtigte GoA, Aufwendungsersatz

b)Eigentumsherausgabe, §§ 985 ff. BGB

c)Ungerechtfertigte Bereicherung, §§ 812 ff. BGB

aa)Leistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB (condictio indebiti)

bb)Leistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. BGB (condictio ob causam finitam)

cc)Leistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 2, 2. Alt. BGB (condictio ob rem)

dd)Nichtleistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. BGB (Eingriffskondiktion: „in sonstiger Weise“)

ee)Nichtleistungs-/Eingriffskondiktion gem. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB (Verfügung eines Nichtberechtigten)

d)Deliktsrechtliche Ansprüche, §§ 823 ff. BGB

e)„Anfechtungsrechte“

C.Der Aufbau einer strafrechtlichen Fallbearbeitung

I.Fallbezogene „Aufbautechnik“

1.Alleintäter verwirklicht einen Tatkomplex

2.Alleintäter verwirklicht mehrere Tatkomplexe

3.Mehrere Tatbeteiligte verwirklichen einen Tatkomplex

4.Mehrere Tatbeteiligte verwirklichen mehrere Tatkomplexe

5.Gemischte Fallkonstellationen

II.Deliktsbezogene „Aufbautechnik“

1.Grundtatbestand und Qualifikation

2.Spezialtatbestand i. d. R. vor Grunddelikt

III.Materiellrechtliche Voraussetzungen der Deliktsprüfung

1.Dreigliedriger Straftatbegriff

a)Tatbestandsmäßigkeit

aa)Objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale

bb)Objektive Bedingungen der Strafbarkeit

cc)Tatvorsatz als Verhaltens- und Schuldform

b)Rechtswidrigkeit

c)Schuld

aa)Schuldfähigkeit, actio libera in causa

bb)Tatvorsatz, Tatumstandsirrtum

cc)Unrechtsbewusstsein, direkter und indirekter Verbots­irrtum

dd)Exkurs: Erlaubnistatbestandsirrtum

ee)Schuldausschließungs-/Entschuldigungsgründe

d)Persönliche Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründe

e)Strafverfolgungsvoraussetzungen/-hindernisse

2.Der Versuch

a)Straftat nicht vollendet und Versuch strafbar, §§ 23 Abs. 1, 12 StGB

b)Sonderregeln für den Versuchsaufbau

3.Besondere Aufbauregeln für das (unechte) Unterlassungsdelikt

a)Objektive Tatbestandsmäßigkeit, Nichtvornahme der gebotenen Handlung

b)Objektive Tatbestandsmäßigkeit, Garantenstellung

c)Subjektive Tatbestandsmäßigkeit, Unterlassungsvorsatz

d)Besonderheiten bei Rechtswidrigkeit und Schuld

4.Die Fahrlässigkeitstat

a)Tatbestandsmäßigkeit

aa)Objektive Sorgfaltspflichtverletzung

bb)Objektive Erfolgszurechnung

cc)Rechtswidrigkeit und Schuld

5.Tatbeteiligung

a)Prüfung der Täterschaft

aa)Mittäterschaft

bb)Mittelbare Täterschaft

b)Anstiftung und Beihilfe

IV.Aufbaumuster und Prüfungsschemata

1.Vollendetes, vorsätzliches Begehungsdelikt

2.Vorsätzliches, vollendetes, unechtes Unterlassungsdelikt

3.Versuchtes Begehungsdelikt

4.Versuchtes unechtes Unterlassungsdelikt

5.Fahrlässiges Begehungsdelikt

6.Fahrlässiges unechtes Unterlassungsdelikt

7.Vorsätzliches echtes Unterlassungsdelikt

8.Fahrlässiges echtes Unterlassungsdelikt

9.Tatbeteiligung (nur Tatbestandsmäßigkeit)

D.Der Aufbau einer öffentlich-rechtlichen Fallbearbeitung

I.Inhalt und Problematik

II.Sachgebiete und Einteilung

1.Verfassungsrechtliche Streitigkeiten

a)Prüfungsschema: Individualverfassungsbeschwerde

aa)Zulässigkeit

bb)Begründetheit

b)Prüfungsschema: Organstreitverfahren

aa)Zulässigkeit

bb)Begründetheit

c)Prüfungsschema: Abstrakte Normenkontrolle

aa)Zulässigkeit

bb)Begründetheit

2.Nichtverfassungsrechtliche Streitigkeiten

a)Zulässigkeits-/Sachurteilsvoraussetzungen

aa)Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges

bb)Statthaftigkeit der Klage/Klageart

cc)Allgemeine Sachurteilsvoraussetzungen

dd)Besondere Sachurteilsvoraussetzungen

b)Begründetheit

aa)Begründetheit einer Anfechtungsklage

bb)Begründetheit der Verpflichtungsklage

cc)Begründetheit der allgemeinen Leistungsklage

dd)Begründetheit der Feststellungsklage

3.Öffentlich-rechtliche Ansprüche (Amtshaftungsanspruch)

Stichwortverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

a. A.anderer Ansichta. a. O.am angegebenen OrtAbs.AbsatzAcPArchiv für die civilistische PraxisAGAmtsgericht, auch: AusführungsgesetzAlt.AlternativeAnm.AnmerkungAOAbgabenordnungAöRArchiv für öffentliches RechtArt.ArtikelATAllgemeiner TeilAufl.AuflageBAföGBundesausbildungsförderungsgesetzBAGBundesarbeitsgerichtBauGBBaugesetzbuchBem.Bemerkung(en)betr.betreffend, betrifftBGBBürgerliches GesetzbuchBGHBundesgerichtshofBGHStEntscheidungen des BGH in StrafsachenBGHZEntscheidungen des BGH in ZivilsachenBRRGBeamtenrechtsrahmengesetzBsp.BeispielBTBesonderer TeilBVerfGBundesverfassungsgerichtBVerfGEEntscheidung des BVerfGBVerfGGGesetz über das BVerfGBVerwGBundesverwaltungsgerichtBVerwGEEntscheidungen des BVerwGbzw.beziehungsweisecicculpa in contrahendod.der, die, das, desders.derselbed. h.das heißtd. i.das ist, dies istDiss.Dissertationdort.dortig(e, er, es)DÖVDie öffentliche VerwaltungE.Entscheidung oder EntwurfEGGVGEinführungsgesetz zum GVGErg.Ergebnisetc.et ceteraf.folgend(e, er, es)ff.fortfolgend(e, er, es)FGOFinanzgerichtsordnungFn.FußnoteFSFestschriftGbRGesellschaft bürgerlichen Rechtsgem.gemäßGemOGemeindeordnungGewOGewerbeordnungGGGrundgesetzggf.gegebenenfallsGmbHGGesetz betr. die Gesellschaften mit beschränkter Haftung, GmbH-GesetzGoAGeschäftsführung ohne Auftraggrds.grundsätzlichGVGGerichtsverfassungsgesetzh. A.herrschende Ansichth. L.herrschende Lehreh. M.herrschende MeinungHrsg.Herausgeberhrsg.herausgegeben (von)HS.Halbsatzi. d. R.in der Regeli. S. d.im Sinne desi. V. m.in Verbindung mitJAJuristische ArbeitsblätterJGGJugendgerichtsgesetzJRJuristische RundschauJuraJuristische Ausbildung (auch: JURA)JuSJuristische SchulungJZJuristenzeitunglat.lateinischLGLandgerichtm.mit oder mein(e, er, es)m. E.meines Erachtensm. w.mit weiterenm. w. N.mit weiteren Nachweisenm. w. Nachw.mit weiteren NachweisenN.NachweiseNachw.NachweiseNJWNeue Juristische WochenschriftNJW-RRNJW-RechtsprechungsreportNRWNordrhein-WestfalenNStZNeue Zeitschrift für StrafrechtNStZ-RRNStZ-Rechtsprechungsreport StrafrechtNVwZNeue Zeitschrift für VerwaltungsrechtNWVBl.Nordrhein-Westfälische VerwaltungsblätterNZANeue Zeitschrift für ArbeitsrechtNZVNeue Zeitschrift für Verkehrsrechto.obeno. g.oben genannt(e, er, es)OLGOberlandesgerichtOVGOberverwaltungsgerichtPLZPostleitzahlProdHaftGProdukthaftungsgesetzRelKErzGGesetz über die religiöse KindererziehungRGReichsgerichtRGStEntscheidungen des RG in StrafsachenRGZEntscheidungen des RG in ZivilsachenRn.RandnummerRspr.RechtsprechungS.Satz oder Seites.sieheSBG VIIISozialgesetzbuch VIIISGGSolzialgerichtsgesetzs. o.siehe obensog.sogenannt(e, er, es)StGBStrafgesetzbuchStPOStrafprozessordnungstr.streitig, strittigs. u.siehe untenu.untenu. a.unter anderem (n) oder und andereUrt.Urteilusw.und so weiteru. U.unter Umständenv.vom oder von, vorVAVerwaltungsaktVar.VarianteVerf.Verfasser(in)VGVerwaltungsgerichtVGHVerwaltungsgerichtshofvgl.vergleicheVor.Vorbemerkung(en)Vorbem.Vorbemerkung(en)VwGOVerwaltungsgerichtsordnungVwVfGVerwaltungsverfahrensgesetzw.weiter(e, er, es)z. B.zum BeispielZiff.Zifferzit.zitiertZPOZivilprozessordnung

Literaturverzeichnis

(Verzeichnis der abgekürzt verwendeten Literatur)

Bringewat, Peter, Grundbegriffe des Strafrechts. Grundlagen – Allgemeine Verbrechenslehre – Aufbauschemata, 4. Aufl., Baden-Baden 2024 (zit.: Grundbegriffe)

Brockhaus, Enzyklopädie in vierundzwanzig Bänden, 19. Aufl., Mannheim 1993 (zit.: Enzyklopädie)

Engisch, Karl, Einführung in das juristische Denken, herausgegeben und bearbeitet von Thomas Würtenberger und Dirk Otto, 12. Aufl., Stuttgart 2018

Fahse, Hermann/Hansen, Uwe, Übungen für Anfänger im Zivil- und Strafrecht, 9. Aufl., Neuwied etc. 2000 (zit.: Übungen)

Fischer, Thomas, Strafgesetzbuch und Nebengesetze, Kommentar, 71. Aufl., München 2024 (zit.: StGB)

Jescheck, Hans-Heinrich/Weigend, Thomas, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 5. Aufl., Berlin 1996 (zit.: Strafrecht AT)

Köbler, Gerhard, Anfängerübung. Die Anfängerübung mit Leistungskontrolle im bürgerlichen Recht, Strafrecht und öffentlichen Recht, 7. Aufl., München 1995 (zit.: Anfängerübung)

Mann, Thomas, Einführung in die juristische Arbeitstechnik, Schriftenreihe der Juristischen Schulung Band 81, 5. Aufl., München 2015 (zit.: Arbeitstechnik)

Medicus, Dieter/Petersen, Jens, Bürgerliches Recht. Eine nach Anspruchsgrundlagen geordnete Darstellung zur Examensvorbereitung, 29. Aufl., München 2023 (zit.: Bürgerliches Recht)

Möllers, Thomas M.J., Juristische Arbeitstechnik und wissenschaftliches Arbeiten, 10. Aufl., München 2021 (zit.: Arbeitstechnik)

Reiners, Ludwig, Stilkunst. Ein Lehrbuch deutscher Prosa, Neubearbeitung von Stephan Meyer und Jürgen Schiewe, München 1991 (zit.: Stilkunst)

Schönke, Adolf/Schröder, Horst (Bearbeiter), Strafgesetzbuch, Kommentar, 30. Aufl., bearbeitet von Albin Eser, Walter Perron, Detlev Sternberg-Lieben, Jörg Eisele, Nikolaus Bosch, Bernd Hecker, Jörg Kinzig, Frank Schuster, Bettina Weißer, Ulrike Schittenhelm, München 2019 (zit.: StGB)

Wessels, Johannes/Beulke, Werner/Satzger, Helmut, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Die Straftat und ihr Aufbau, 53. Aufl., Heidelberg 2023 (zit.; Strafrecht AT)

Wörlen, Rainer/Schindler, Sven/Balleis, Kristina, Anleitung zur Lösung von Zivilrechtsfällen, Methodische Hinweise und 22 Musterklausuren (zum Bürgerlichen Recht – mit Handelsrecht und Arbeitsrecht), 10. Aufl., München 2020 (zit.: Anleitung)

Wohlers, Wolfgang/Schuhr, Jan C./Kudlich, Hans, Klausuren und Hausarbeiten im Strafrecht, 7. Aufl., Baden-Baden 2023 (zit.: Klausuren)

Zippelius, Reinhold, Juristische Methodenlehre, Schriftenreihe der Juristischen Schulung Band 93, 12. Aufl., München 2021 (zit.: Juristische Methodenlehre)

Erster Teil:Allgemeines zur Anfertigung juristischer Hausarbeiten und Klausuren

A.Juristische Hausarbeiten und Klausuren, Leistungskontrolle und Berufsvorbereitung

1Wer nach langen Jahren schulischer und/oder (vor)beruflicher Ausbildung endlich die allgemeine oder fachbezogene Hochschulreife „in der Tasche“ hat und ein Universitäts- oder sonstiges Hochschulstudium aufnimmt, der hat verständlicherweise das dringende Bedürfnis, sich erst einmal von der Mühsal des „Büffelns auf Prüfungen“ und dem nicht selten auch leibhaftig erfahrenen Prüfungsstress zu erholen und tief durchzuatmen. Viel Zeit zum Verschnaufen bleibt freilich nicht; denn trotz aller Gestaltungsfreiheit und Angebotsvielfalt, die ein Hochschulstudium für Bildung und Ausbildung bereithält, sieht man sich – reguläres Studieren vorausgesetzt – manchmal schon im ersten, spätestens aber im zweiten Fachsemester mit der Notwendigkeit konfrontiert, eine Fülle verschiedenster Leistungskontrollen über sich ergehen zu lassen. Ganz gleich was man wo und wie studiert, immer sind es Prüfungsvorleistungen oder andere Studienleistungen als Zulassungsvoraussetzungen für Prüfungen oder auch „echte“ Prüfungsleistungen, die nach den Studien- oder Prüfungsordnungen der jeweiligen Studiengänge, und zwar ganz unabhängig davon, ob es sich dabei um herkömmliche Studiengänge oder um Bachelor- und/oder Master-Studiengänge handelt, so oder so zu erbringen sind. Sie sind das (vermeintliche) „Elixier“ aller Studiengänge an Universitäten und anderen Hochschulen. Und natürlich machen da die rechtswissenschaftlichen Studiengänge an Universitäten, die wirtschaftsrechtlichen Studiengänge an Fachhochschulen, die Studiengänge an den Fachhochschulen für Verwaltung, Rechtspflege und/oder Polizei und – last but not least – alle Studiengänge, die „Recht“ als „nebenfachliche“ Disziplin enthalten, wie beispielsweise ein Großteil der volks- und betriebswirtschaftlichen Studiengänge an Universitäten und Fachhochschulen sowie an unternehmenseigenen oder staatlichen Berufsakademien keine Ausnahme.

2Zu den nachgerade als „klassisch“ zu bezeichnenden Formen der Leistungskontrollen in diesen und noch zahlreichen weiteren mit dem Thema „Recht“ befassten Studiengängen gehören seit eh und je Hausarbeiten und Klausuren. Juristische Hausarbeiten und Klausuren sollten und dürfen indessen nicht ausschließlich als „bloße“ Leistungskontrollinstrumente (miss)verstanden werden. Ihre eigentliche, sehr viel größere Bedeutung liegt in der ihnen – wenn auch in nur begrenztem Maße – zukommenden berufsvorbereitenden Funktion. Aufgabenstellung und Prüfungsgegenstand juristischer Hausarbeiten und Klausuren (vgl. dazu sogleich unter B.) sollen den jeweiligen Bearbeiter im Sinne eines ersten Kennenlernens und einer dann zunehmend sichereren Einschätzung mit der Praxisrealität der späteren beruflichen Tätigkeit in juristischen Arbeitsfeldern vertraut machen.

3Das geschieht auf zweierlei Weise: Zum einen stellt der Prüfungsgegenstand seinem Inhalt nach eine Beschreibung von (kleinen) Ausschnitten aus dem Alltag der gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit dar (zumindest sollte er so abgefasst sein). Zum anderen ist dieser Wirklichkeitsausschnitt – eben wie im täglichen Leben – mit sich vielfach überlagernden rechtlichen Gegebenheiten und Problemen durchwirkt, die es zu erkennen, in ihren Details sachgerecht zu erfassen und gedanklich zu durchdringen und schließlich unter Anwendung methodengeleiteter juristischer Arbeitstechniken zu lösen gilt.

4Noch gänzlich ohne Belang ist insoweit, wie der Prüfungsgegenstand inhaltlich beschaffen ist, ob er beispielsweise zivilrechtliche, strafrechtliche oder öffentlich-rechtliche Fragen und Fallkonstellationen thematisiert; denn die Aufgabenstellung einer juristischen Hausarbeit und Klausur zielt stets (ausnahmsweise nicht bei „Themenhausarbeiten“ oder „-klausuren“) darauf ab, eine tragfähige juristische Entscheidung zu erarbeiten, sie zu treffen und sie „überprüfungsfest“ zu begründen. Fragen etwa der zivilrechtlichen Vertragsgestaltung und -durchführung (Erfüllung oder Teil- bzw. Nichterfüllung von Verträgen), der Leistungsstörungen und des Schadensersatzes sind ebenso wie das Herausarbeiten und Feststellen tat-/täterbezogener Voraussetzungen strafbaren Verhaltens und die Beurteilung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit von öffentlich-rechtlichen Maßnahmen staatlicher Behörden etc. unter dem Aspekt der berufsvorbereitenden Funktion juristischer Hausarbeiten und Klausuren gleichermaßen geeignete Gegenstände zur Einübung in zukünftige berufspraktische Entscheidungstätigkeiten und -abläufe.

5Wer sich mit diesem „berufspraxisorientierten“ Verständnis den diversen Leistungskon­trollen in Gestalt juristischer Hausarbeiten und Klausuren unterzieht, relativiert für sich deren prüfungsrechtlichen Kontrollcharakter und stellt die Sache, um die es geht, allem anderen voran. Er vermindert so den Leistungs- und Prüfungsdruck bei der Anfertigung juristischer Hausarbeiten und Klausuren. Und das kann am Ende auf die eine oder andere Weise nur hilfreich sein.

B.Prüfungsgegenstand, Aufgabenstellung, Sachverhalt

6Wie schon angemerkt: Juristische Hausarbeiten und Klausuren sollen – jedenfalls auch – dazu dienen, auf die spätere berufliche Tätigkeit vorzubereiten. Das gilt grundsätzlich für alle Arten von Hausarbeiten und Klausuren, für Examenshausarbeiten und -klausuren ebenso wie für Übungshausarbeiten und -klausuren, für studien- bzw. vorlesungsbegleitende ebenso wie für studienabschließende bzw. vorlesungsabschließende Hausarbeiten und Klausuren.

7Der inhaltliche Gegenstand, der Prüfungsgegenstand einer juristischen Hausarbeit oder Klausur versteht sich deshalb ganz im Sinne dieser berufsvorbereitenden Funktion als „aufbereitetes“ Abbild eines kleinen Ausschnitts der alltäglichen gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit. Er beschreibt Zustände, Ereignisse, Vorgänge, behördliche Entscheidungen und Maßnahmen, mitmenschliches Verhalten, Streitigkeiten unter Verwandten oder Nachbarn etc., er beschreibt mit anderen Worten alles, was das tägliche Miteinander und Gegeneinander im gemeinschaftlichen Zusammenleben der Menschen bestimmt oder doch bestimmen kann (noch einmal: Für sog. „Themenhausarbeiten“ und „-klausuren“ trifft das entweder gar nicht oder nur sehr eingeschränkt zu).

8Prüfungsgegenstand einer juristischen Hausarbeit oder Klausur ist – wie es üblicherweise heißt – ein konkreter Lebenssachverhalt, kurz: der Sachverhalt. Hierbei handelt es sich um einen fachsprachlichen Terminus, der um der stets notwendigen terminologischen Klarheit willen nicht mit dem Begriff „Tatbestand“ gleichgesetzt werden darf (was aber „unreflektiert“ häufig geschieht). Der Begriff „Sachverhalt“ steht für die (sprachliche) Erfassung innerer und äußerer Tatsachen, der Begriff „Tatbestand“ spielt dagegen in ganz anderen Sachzusammenhängen, etwa für Struktur und Gehalt einer Rechtsnorm und in verschiedenen Ausprägungen für einzelne Rechtsgebiete (beispielsweise das Strafrecht und die allgemeine Verbrechenslehre) eine wesentliche Rolle. Auch der sog. Urteilstatbestand z. B. eines strafgerichtlichen Urteils ist nicht dasselbe wie „Sachverhalt“, wenngleich sich der Urteilstatbestand weitgehend mit dem deckt, was als „Sachverhalt“ in der Beweisaufnahme der strafgerichtlichen Hauptverhandlung festgestellt worden ist. Entsprechendes gilt für den Urteilstatbestand eines zivilgerichtlichen oder verwaltungsgerichtlichen Urteils (vgl. zur Begrifflichkeit auch Mann, Arbeitstechnik, Rn. 155).

9Zur Veranschaulichung ein paar Beispiele von Sachverhalten, und zwar nachein­ander jeweils zwei Sachverhalte aus dem Zivilrecht, Strafrecht und öffentlichen Recht:

I.Beispiele für Sachverhalte und Aufgabenstellungen aus dem Zivilrecht

10Sachverhalt 1: V vertreibt Haushaltsgeräte. K interessiert sich für eine Waschmaschine Modell „S 1200“, die ihm für sein privates Wäscheaufkommen ideal geeignet erscheint. Am 4.1.2020 sucht K das Verkaufslokal des V auf, der von dem beim Hersteller noch weiterhin erhältlichen Modell noch genau ein Exemplar in seinen Räumlichkeiten ausstellt. K und V einigen sich über den Kauf des Geräts. Statt der unverbindlichen Preisempfehlung von 1800 Euro soll der Kaufpreis für das unbenutzte und fehlerfreie Ausstellungsstück nur 1600 Euro betragen, 50 Euro über dem von V gezahlten Einkaufspreis. In dem von K unterzeichneten Vertragsformular heißt es an deutlich hervorgehobener Stelle: „Auf Wunsch wird das Gerät von uns ausgeliefert und vor Ort angeschlossen. Für Schädigungen im Zuge und in Folge dieser Leistung wird keinerlei Haftung oder Gewährleistung übernommen.“

Da K sich in einem finanziellen Engpass befindet, zückt V ein Formular der B-Bank, mit der er in solchen Fällen stets zusammenarbeitet, und schlägt K Folgendes vor: K soll einen Kredit der B in Anspruch nehmen; diese werde den Kaufpreis unmittelbar an V auszahlen, während K den Betrag in 36 jeweils monatlich fällig werdenden Raten entsprechend verzinst an B zurückzuzahlen habe. K ist einverstanden und unterschreibt das mit allen notwendigen Angaben versehene Formular der B und eine entsprechende Widerrufsbelehrung. K kommt mit V überein, dass die Maschine am 7.1.2020 von Angestellten des V ausgeliefert und angeschlossen werden soll.

Die Lieferung erfolgt vereinbarungsgemäß. Bei der Verbindung des Geräts mit dem Abwasserrohr kommt es aufgrund einer kleinen Unaufmerksamkeit von V’s Monteur zu einer Undichtigkeit. In der Folge rinnt bei jedem Betrieb der Waschmaschine Wasser in beträchtlicher Menge in das hinter der Maschine gelegene Mauerwerk.

11Einiges von dem, was in diesem Sachverhalt 1 – es handelt sich übrigens um den Prüfungsgegenstand einer Abschlussklausur im Rahmen einer „Übung im Zivilrecht für Fortgeschrittene“ (vgl. dazu Henssler/Dedek, Fortgeschrittenenklausur – Bürgerliches Recht: Probleme des reformierten Kaufrechts, JuS 2004, 497 ff.) – rechtlichen Konfliktstoff bieten könnte, erahnt und spürt man schon beim erstmaligen Durchlesen des Sachverhaltstextes. Was jedoch ganz konkret und im Einzelnen an rechtlichen Fragestellungen im Sachverhalt 1 enthalten und zu beantworten ist oder doch sein könnte, das lässt sich der Beschreibung des durchaus „aus dem Leben gegriffenen“ Waschmaschinengeschäfts nicht, jedenfalls nicht so ohne weiteres entnehmen. Genaueren Aufschluss darüber gibt erst die mit dem Sachverhaltstext verbundene Aufgabenstellung. Und erst die (enge) sachliche Verzahnung des konkreten Lebenssachverhalts mit den in der Aufgabenstellung einer juristischen Hausarbeit und Klausur angesprochenen rechtlichen Befunden, Streitgegenständen, Zuständen, Ereignissen oder den Rechtsinteressen der im Sachverhaltstext benannten Personen stellt das her, was in Form einer Hausarbeit oder Klausur zu bearbeiten ist: den Rechtsfall.

12Kernstück der Aufgabenstellung, die sich nicht selten im Anschluss an den Sachverhaltstext unter dem Stichwort „Bearbeitervermerk“ findet, ist (sind) die sog. Fallfrage(n). Sie wird (werden) bisweilen um „Hinweise zur Bearbeitung“ bzw. „Bearbeiterhinweise“ oder auch bloße „Hinweise“ ergänzt. Solche ergänzenden Bearbeitungshinweise sind in zweifacher Hinsicht wichtig. Zum einen können sie inhaltlich den zu prüfenden Rechtsstoff begrenzen, zum anderen können sie formale Anforderungen an die (gewünschte) Darstellungsweise – was insbesondere für die Anfertigung juristischer Hausarbeiten von Bedeutung ist – festlegen. Es empfiehlt sich, derartige Bearbeitungshinweise beim Wort zu nehmen und die „Anweisungen“ strikt einzuhalten, da anderenfalls das Risiko besteht, dass der Hausarbeit oder Klausur die Annahme zur Korrektur und Bewertung verweigert wird. Entsprechendes gilt für die Beachtung vorgegebener Bearbeitungszeiten bzw. Abgabefristen sowie den Abgabeort etc. Auch diese Daten werden zumeist in den „Hinweisen zur Bearbeitung“ von Hausarbeiten und Klausuren mitgeteilt.

13Auf das Sachverhaltsbeispiel „Waschmaschinengeschäft“ angewandt ergibt sich die klausurbestimmende Aufgabenstellung wie folgt:

Fallfrage(n) 1:

a)  K bemerkt die Undichtigkeit nach wenigen Tagen. K verlangt von V Nachlieferung. V verweist auf die Vertragsbedingungen: Für Montagefehler hafte er nicht. Allenfalls sei er zur Nachbesserung, keinesfalls zur Nachlieferung bereit, was sich schon verbiete, weil K ein bestimmtes Ausstellungsstück erworben habe. Kann K von V die Nachlieferung verlangen?

b)  K bemerkt die Undichtigkeit zunächst nicht. Erst im Februar 2021 fällt ihm auf, dass sich an der Wand hinter der Waschmaschine ein großflächiger Schimmelfleck gebildet hat. Die Entfernung des Pilzes und die Trockenlegung der Wand kosten K 900 Euro. Empört wendet sich K an V und verlangt von V, den Montagefehler zu beheben und ihm die entstandenen Kosten von 900 Euro zu ersetzen. Als sich V kategorisch weigert, erklärt K gegenüber V den Rücktritt. Dieser meint, man solle ihn mit diesen alten Geschichten nicht mehr behelligen.

–  K fordert von V nun Ersatz von 900 Euro

–  Gegenüber B verweigert er nun mit dem Hinweis auf den undichten Anschluss die Zahlung weiterer Raten

zu Recht?

Bearbeitungshinweis 1: Deliktische Ansprüche und Ansprüche aus dem ProdHaftG sind nicht zu prüfen.

14Der „rechtsfallkonstituierende“ Zusammenhang zwischen Prüfungsgegenstand und Aufgabenstellung einer juristischen Hausarbeit und Klausur ist „von Natur aus“ komplex. Er kann deshalb auf unterschiedlichste Weise gestaltet werden. Das soll nachfolgend das Beispiel einer vorlesungsbegleitenden bzw. -abschließenden Hausarbeit zum Vertragsrecht im Vergleich mit der soeben besprochenen „Fortgeschrittenenklausur“ deutlich machen:

15Sachverhalt 2: Der bekannte Schauspieler M möchte für sich und seine Familie eine größere Wohnung mieten, nachdem seine Frau das dritte Kind geboren hat. Er hat zwar vor, sich auch irgendwann eine eigene Immobilie anzuschaffen, kann sich jedoch nicht entscheiden, ob er sich auf Dauer lieber in Hamburg oder in München niederlassen will, so dass ihm eine Mietwohnung zum derzeitigen Augenblick sehr praktisch erscheint. Ein eigenes Haus will er sich erst in einigen Jahren kaufen. Nach längerer Suche findet er eine schöne Altbauwohnung in Zentrumsnähe in Hamburg mit 200 qm Wohnfläche sowie einer schönen Terrasse, die von dem Vermieter V über den Makler X angeboten wird. M verhandelt mit X und V und einigt sich auf einen Mietvertrag, den M und V nach Rückkehr von V von einem zweimonatigen Auslandsaufenthalt schriftlich abschließen wollen. Der Vertrag soll auf fünf Jahre fest zu einem monatlichen Mietpreis von 1.500 Euro abgeschlossen werden. Darüber hinaus soll M ein Depot in Höhe von drei Monatsmieten auf ein Sparkonto einzahlen. X verlangt für seine Dienste drei Monatsmieten, also 4.500 Euro.

Zu den Verhandlungen hat M seine älteste Tochter T (sechs Jahre alt) mitgebracht. Nachdem V sie noch einmal durch die Wohnung geführt hat, damit T sich ihr neues großes Spielzimmer genau ansehen konnte, verlassen alle zusammen die Wohnung im 2. Stock. Im Treppenhaus hält sich T an dem etwas morschen Treppengeländer fest, welches V schon lange hatte erneuern wollen. Plötzlich gibt es ein lautes Krachen und das Geländer bricht. T fällt die Treppe hinunter und bricht sich hierbei einen Arm.

Damit der Umzug von M und seiner Familie möglichst zügig erfolgen kann, ist V einverstanden, dass M bereits während seiner Abwesenheit die Wohnung renovieren kann. Zu diesem Zweck händigt V dem M einen Wohnungsschlüssel aus, damit dieser Zugang zur Wohnung hat. V begibt sich anschließend auf seine Auslandsreise. M beauftragt nunmehr Maler G damit, die alten Tapeten in der Wohnung zu entfernen und neue Glasfasertapeten mit einem weißen Anstrich anzubringen. Darüber hinaus soll G alle Holztüren streichen und lackieren. G erklärt sich auch bereit, den Parkettfußboden neu zu versiegeln. Für diese Arbeiten benötigt G zusammen mit zwei Gehilfen sechs Wochen. G verlangt für seine Arbeiten insgesamt 30.000 Euro.

Nach Abschluss der Malerarbeiten von G stellt M zu seinem Entsetzen fest, dass alle Tapeten offensichtlich mit einem falschen Kleber verklebt worden sind und sich von der Wand lösen. Des Weiteren entstehen durch die Verbindung mit dem Kleber und der verwendeten Farbe Bläschen und Verfärbungen. Die Türlackierung sowie die Bodenversiegelung sind in Ordnung, allerdings haben die beiden Gehilfen von G im Rahmen ihrer Arbeit Schäden an zwei hochwertigen Einbauschränken in den Schlafzimmern verursacht. Nachdem V nunmehr von seiner Auslandreise zurückgekehrt ist, ist er über den Zustand seiner Wohnung äußerst verärgert. Er erklärt M, dass er auf keinen Fall den Mietvertrag unterschreiben werde. M habe auch den ursprünglichen Zustand der Wohnung wiederherzustellen. Hierfür ist ein Aufwand in Höhe von 15.000 Euro erforderlich. Außerdem würde die Instandsetzung der beschädigten Schränke nochmals 3.000 Euro betragen. Des Weiteren macht V drei Monate Mietausfall geltend. Dabei beruft er sich darauf, dass er die Wohnung in diesem ursprünglichen Zustand bereits vor seiner Abreise an einen anderen Interessenten hätte vermieten können, dieses aber aufgrund des Vertrauens, dass er in M gesetzt habe, nicht getan hätte.

M, der nun schon ohnehin so viel Ärger hat, traut seinen Augen nicht, als er im Zeitungskiosk die Illustrierte „Promis Aktuell“ des Verlegers P sieht. Auf der Titelseite steht: „Ehekrach bei Familie M“. In der Zeitung findet sich dann auf Seite 5 ein Interview mit M und seiner Frau F, was jedoch niemals stattgefunden hat. Hierin erklärt M, dass er sich von seiner Frau trennen wollte und daher auch die neue Wohnung nicht beziehen werde. Zudem enthält der Artikel ein Foto von M und einer Schauspielerin Y, unterlegt mit einem roten Herzen. Bei dem Bild handelt es sich eindeutig um eine Fotomontage. Darunter findet sich der Satz:

„M und Y, – das neue Paar!“ M ist hierüber mehr als verärgert. Zudem klingelt nun sein Telefon pausenlos, da andere Reporter ebenfalls ein Interview mit ihm wünschen.

16Es ist wie im Sachverhalt 1: Dass auch der Sachverhalt 2 voller rechtlicher Probleme steckt, ist schon auf den ersten Blick erkennbar. Um was es geht, deutet sich zumindest teilweise schon nach der Rückkehr von V aus dem Ausland an. Aber es ist auch klar, dass nicht nur die rechtlichen Interessen von V zur Debatte stehen. Was genau den im Rahmen der Hausarbeit zu bearbeitenden Rechtsfall ausmacht, darüber gibt eine Reihe von Fallfragen Auskunft. Bearbeitungshinweise formaler Art runden die Aufgabenstellung der Hausarbeit ab:

17Fallfrage(n) 2:

1.  Welche Ansprüche hat G gegen M und V?

2.  Welche Ansprüche hat V gegen M und G?

3.  Welche Ansprüche hat M bzw. T gegen V bezüglich der Arztkosten?

4.  Welche Ansprüche kann M gegen G sowie dessen Gehilfen geltend machen?

5.  Kann X seine Maklercourtage von M fordern?

6.  Welche Ansprüche hat M gegen P bezüglich des Interviews?

Bearbeitungshinweis 2: Die Hausarbeit ist bis zum ………. am Lehrstuhl X (Gebäude Y, Zimmer Z) abzugeben. Im Fall der Postwegverschickung hat dies per Einschreiben mit Poststempel zu erfolgen. Formalien für die Anfertigung einer Hausarbeit können u. a. auch den Hinweisen auf der Homepage von ……….. unter ……… entnommen werden. Der Umfang des Gutachtens ist auf 30 Seiten zu beschränken; 1,5-zeilig; 1/3 Rand; 12er Schriftgröße Textteil; 10er Schriftgröße im Fußnotenteil in Times New Roman.

II.Beispiele für Sachverhalte und Aufgabenstellungen aus dem Strafrecht

18Naturgemäß betreffen konkrete Lebenssachverhalte, die im Rechtsbereich des Strafrechts den Prüfungsgegenstand einer Hausarbeit oder Klausur bilden, nicht irgendwelche Erfüllungs- oder Schadensersatzansprüche oder Fragen der Vertragsgestaltung, des Rücktritts vom Vertrag oder der Herausgabe von Sachen etc., sondern Fragen der Strafbarkeit eines oder mehrerer Täter oder sonstiger Tatbeteiligter. Doch auch im Bereich des Strafrechts gilt, dass erst die konkrete Aufgabenstellung mit ihrem Kernstück, der(n) Fallfrage(n), vorgibt, was als Rechtsfall in einer Strafrechtshausarbeit oder -klausur zu bearbeiten ist.

19Sachverhalt 3: A ist Geschäftsführer der Planbau-GmbH, einer Bauträgergesellschaft, die Hausgrund mit aufstehenden Gebäuden verkauft. Wegen schleppender Kundenzahlungen gerät die Planbau-GmbH in Liquiditätsschwierigkeiten. Im Mai des Jahres 2020 ist die von der Sparkasse Y eingeräumte Kreditlinie bei weitem überschritten. A sucht daraufhin den Abteilungsleiter L der Sparkasse Y auf, um ein weiteres Darlehen zu erhalten. A beabsichtigt von Anfang an, das Darlehen für Kapitalanlagen zugunsten der Planbau-GmbH zu nutzen. Er will mit Hilfe der erwarteten Gewinne aufgelaufene Handwerkerforderungen begleichen. Nach zähem Verhandlungsmarathon räumt der L dem A/der Planbau-GmbH – ein letztes Mal, wie er betont – einen weiteren Kredit ein. Der von A und L unterzeichnete Darlehensvertrag sieht ausdrücklich vor, dass das Darlehen zur Bezahlung von Handwerkerforderungen betr. bestimmte, schon fertiggestellte und verkaufte Häuser verwendet werden soll. Nach Auszahlung des Darlehens verfährt A jedoch so, wie von Anfang an beabsichtigt. Wider Erwarten erreicht A bei den betroffenen Handwerkern großzügige Stundungen, die ihn in die Lage versetzen, nach und nach unter Verwendung der Gewinne aus den darlehensfinanzierten Kapitalanlagen die Handwerkerforderungen zu begleichen. Wenig später gelingt sogar noch eine wirtschaftliche Erholung der GmbH.

20Nur höchst selten geht es so glimpflich ab wie im Sachverhalt 3. Also: Ende gut – alles gut, oder doch eher nicht? Angesichts des wirtschaftlich allseits zufriedenstellenden Agierens des anlage- und damit ja auch risikofreudigen Geschäftsführers der Planbau-GmbH fragt man sich unwillkürlich, ob und in welcher Weise dem Verhalten des A überhaupt noch strafrechtliche Relevanz zukommt. Und diese Zweifel drücken sich auch in der Aufgabenstellung (Fallfrage) aus:

21Fallfrage(n) 3: Hat sich A strafbar gemacht?

Bearbeitungshinweis 3: Insolvenzdelikte und Straftatbestände nach dem GmbHG sind nicht zu prüfen.

22Der „stoffbegrenzende“ Bearbeitungshinweis 3, der sich wie im Kontext mit dem Bearbeitungshinweis 1 als Bestandteil der Aufgabenstellung versteht, reduziert nicht nur den Umfang der Fallbearbeitung, sondern bestimmt auch den Gegenstand der geforderten Fallprüfung: Ersichtlich ist die zunächst allumfassende Fallfrage(n) 3 auf die Prüfung etwaiger Vermögensstraftaten des A zu konkretisieren. Mit dieser Maßgabe weist der zu bearbeitende Rechtsfall – bei ihm handelt es sich um Prüfungsgegenstand und Aufgabenstellung einer Klausur im Rahmen einer „Übung im Strafrecht für Anfänger“ – einen mittleren Schwierigkeitsgrad auf. Modifiziert trifft das auch für die folgende Hausarbeit aus einer „Übung im Strafrecht für Fortgeschrittene“ zu:

23Sachverhalt 4: Der Bauunternehmer U und der bei der Bauaufsichtsbehörde beschäftigte B kennen sich seit ihrer Schulzeit und sind langjährige Freunde. Bei einem gemeinsamen Abendessen berichtete U dem B von seinem Vorhaben: Aufgrund der recht schwierigen Situation im Baugewerbe – insbesondere wegen zahlungsunfähiger Kunden – will sich U auf ein eher reiches Publikum spezialisieren, indem er Luxusvillen anbietet. B war von dem Vorhaben beeindruckt, machte U aber darauf aufmerksam, dass auf den von diesem bereits erworbenen Grundstücken nach den gegenwärtigen Bauvorschriften nur „ganz normale“ Einfamilienhäuser gebaut werden dürfen. U entgegnet daraufhin, dass er dies zwar wisse, jedoch auf B zähle. Immerhin hätte U dem B bisher häufig finanziell unter die Arme gegriffen und bei dem Bau des Hauses für den Sohn von B würde U einen sehr großzügigen Preisnachlass gewähren. B ärgerte sich sehr darüber, dass U von ihm verlangte, etwas Unrechtes zu tun. Nachdem U jedoch länger auf ihn eingeredet hatte, erklärte sich B zum Schein bereit, die von U begehrten Baugenehmigungen zu erteilen.

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens wurden jedoch immer größer, so dass sich der Plan des U zerschlug und die Baugenehmigungen für die Villen nicht beantragt wurden.

Um steuermindernde Betriebsausgaben geltend zu machen, kam U auf die Idee, am Jahresende bei der Steuererklärung private Restaurantbesuche als Geschäftsessen und viel zu hohe Ausgaben für Baumaterial anzugeben. Er wies deshalb seinen für die Buchhaltung zuständigen Angestellten A an, neben anderen Beträgen zusätzlich für ein Geschäftsessen 200,00 Euro und für getätigte Einkäufe 5.000,00 Euro in der Erklärung zu berücksichtigen. U sagte, dass er die Quittungen nicht finden könne, das Finanzamt aber bisher nie Belege gefordert habe. Da U schon sehr häufig Rechnungen verlegt hatte, wurde A auch nicht misstrauisch und trug die Beträge in die Erklärung mit ein.

Der die Steuererklärung bearbeitende Finanzbeamte forderte das Unternehmen U jedoch in diesem Jahr zur Vorlage sämtlicher Belege auf. U füllte deshalb die Rückseite (Tag, Ort und Anlass der Bewirtung, bewirtete Personen sowie Unterschrift) der bei den privaten Restaurantbesuchen gesammelten Rechnungen aus. Als bewirtete Personen gab er die Namen von Mitarbeitern des städtischen Tiefbauamtes an, die er zuvor aus dem Telefonbuch der Stadtverwaltung ermittelt hatte. Mit diesen Mitarbeitern hatten jedoch keine Treffen stattgefunden. U kannte sie nicht einmal. Er ging aber davon aus, dass sich beim Finanzamt niemand die Mühe machen würde, bei den Mitarbeitern nachzufragen, ob tatsächlich ein Geschäftsessen stattgefunden hatte. Auch kam U der Gedanke, dass die Mitarbeiter des Tiefbauamtes Schwierigkeiten bekommen könnten, überhaupt nicht. Außerdem stellte U Rechnungen aus, die angeblich an sein Bauunternehmen gerichtet waren. Dazu kopierte er den Briefkopf des Lieferanten, von dem er sein Baumaterial größtenteils bezog. Anschließend trug er auf das Blatt mit dem kopierten Briefkopf, der nicht vom Original zu unterscheiden war, mehrere Rechnungspositionen ein.

Diese Belege gab er dem A zur Weiterleitung an das Finanzamt mit dem Hinweis, dass er sie nach langem Suchen doch noch gefunden hätte. Er war davon überzeugt, dass A die Manipulationen nicht bemerken würde. A erkannte jedoch, dass die Rechnungen für Baumaterialien nicht von dem Lieferanten stammten und ging deshalb auch davon aus, dass die Restaurantrechnungen ebenfalls nicht von Geschäftsessen stammten. Dass es sich bei den angegebenen Personen um Mitarbeiter des Tiefbauamtes handelte, erkannte er jedoch nicht. A nahm an, dass es sich um keine existierenden Personen handelte, sondern U sich die Namen ausgedacht hatte. Da er aber aufgrund der schlechten Auftragslage in der Vergangenheit um die Existenz des Unternehmens, damit verbunden auch um seinen Arbeitsplatz fürchtete und in der Vorlage der gefälschten Rechnungen eine geschickte Steuersparmaßnahme sah, schickte er trotzdem alle Belege an das Finanzamt.

Im Finanzamt wurden die Manipulationen nicht bemerkt. Aufgrund der Betriebsausgaben wurde für das Unternehmen des U eine geringe Steuer festgesetzt, so dass die vierteljährlichen Vorauszahlungen des Unternehmens an das Finanzamt zu hoch waren und der zu viel gezahlte Betrag wieder ausgezahlt wurde.

24Auch ohne Kenntnis der auf den Sachverhalt 4 bezogenen Aufgabenstellung fällt im Vergleich zum Sachverhalt 3 ein wesentlicher Unterschied sofort ins Auge: Während im Sachverhalt 3 die Strafbarkeitsfrage von vornherein nur eine einzige Person, nämlich A betrifft, sind es im Sachverhalt 4 (zumindest) drei Personen, und zwar B, U und A, deren Verhalten strafrechtlich von Bedeutung sein kann, jedenfalls aber dazu veranlasst, über die etwaige Strafbarkeit der drei Personen nachzudenken. Dem trägt die Aufgabenstellung wie folgt Rechnung:

25Fallfrage(n) 4: Wie haben sich die Beteiligten strafbar gemacht?

Bearbeitungshinweis 4: Tatbestände nach der AO sind nicht zu prüfen.

III.Beispiele für Sachverhalte und Aufgabenstellungen aus dem öffentlichen Recht

26Unter dem „Dach“ des öffentlichen Rechts (im Gegensatz zum Privatrecht/Zivilrecht; das Strafrecht nimmt eine „unselbstständige Mittelstellung“ zwischen dem Privatrecht und öffentlichen Recht ein: Historisch gewachsen ist seine Zugehörigkeit zur sog. ordentlichen Gerichtsbarkeit, in der Sache spricht vieles dafür, es in einem weiteren Sinne dem öffentlichen Recht zuzuweisen) findet sich eine Fülle öffentlich-rechtlicher Einzelrechtsgebiete. Dazu zählt das Verfassungsrecht jedweder Art, das allgemeine und das besondere Verwaltungsrecht wie etwa das Gemeinderecht, Polizeirecht, Beamtenrecht, Hochschulrecht, Bauordnungs- und Bauplanungsrecht etc. Entsprechend vielgestaltig können die Prüfungsgegenstände und Aufgabenstellungen von öffentlich-rechtlichen Hausarbeiten und Klausuren ausfallen. Und wie im Zivil- und Strafrecht bestimmt auch im öffentlichen Recht die Eigenart des jeweiligen Einzelrechtsgebiets die inhaltliche Ausrichtung des zu bearbeitenden Rechtsfalls.

27Sachverhalt 5: S ist Eigentümerin eines Grundstückes in der kreisangehörigen Gemeinde T im Landkreis Z. Das Grundstück ist zwar vollständig erschlossen, liegt aber im Außenbereich am Rande des Bebauungsplans „B“, der ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Um ihr Grundstück mit einem Einfamilienhaus bebauen zu können, beantragt S bei der Gemeinde T, das Grundstück in den Geltungsbereich dieses Bebauungsplans einzubeziehen. Der Gemeinderat von T hat dagegen grundsätzlich keine Bedenken, ist aber auf Gerechtigkeit bedacht: Denn bei der Erschließung des Baugebietes „B“ hatten alle Grundstückseigentümer im Plangebiet Erschließungsbeiträge entrichten müssen. Dazu kann S nach Einbeziehung ihres Grundstücks aus Rechtsgründen nicht mehr herangezogen werden. Nach Ansicht des Gemeinderats wäre es aber unbillig, wenn S „kostenlos“ in den Genuss öffentlicher Straßen und anderer Erschließungsanlagen käme. Daher fasst der Gemeinderat über die Einbeziehung des Grundstücks der S in den Bebauungsplan „B“ ordnungsgemäß Beschluss, weist den ersten Bürgermeister jedoch an, die Änderungssatzung erst auszufertigen, wenn S einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 8.000,00 Euro an die Gemeindekasse entrichtet hat. Dieser Betrag entspricht demjenigen, der sich ergeben hätte, wenn das Grundstück der S seinerzeit mit einem Erschließungsbeitrag belastet worden wäre.

Vor diesem Hintergrund kommt es zwischen S und der Gemeinde T zum Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung, in der sich S zur Zahlung von 8.000,00 Euro verpflichtet. Dieser Betrag soll – so wird in der Vereinbarung festgelegt – für die Instandsetzung der Kinderspielplätze im Gemeindegebiet verwendet werden.

Als S die 8.000,00 Euro an die Gemeinde T überwiesen hat und der geänderte Bebauungsplan in Kraft getreten ist, wird der S die beantragte Genehmigung zur Errichtung des Einfamilienhauses erteilt. Vier Wochen nach Fertigstellung und Einzug in ihr Eigenheim fordert S den Betrag von 8.000,00 Euro von der Gemeinde T zurück: Die zugrunde liegende Vereinbarung sei nichtig, weil die Gemeinde eine solche „Gegenleistung“ nicht habe fordern dürfen. Dabei weist S – rechtlich zutreffend – darauf hin, dass die Kosten, welche die Gemeinde am Erschließungsaufwand zu tragen hatte, gleich hoch gewesen wären, wenn sich das Grundstück der S zum Zeitpunkt der Erschließung bereits im Plangebiet befunden hätte. Die Gemeinde T verweigert die Rückzahlung und bringt vor: Selbst wenn die Vereinbarung unwirksam sei, stehe der Grundsatz von Treu und Glauben einer Rückforderung entgegen, da die Leistung der Gemeinde – die Verschaffung eines Baurechts – nicht mehr rückabgewickelt werden könne. Im Übrigen sei der Betrag von 8.000,00 Euro zwischenzeitlich vollständig für Instandsetzungsmaßnahmen auf Kinderspielplätzen verwendet worden. Daraufhin erhebt S Klage zum zuständigen Verwaltungsgericht.

28Nicht von ungefähr fühlt man sich beim Sachverhalt 5 an die Sachverhaltsbeispiele aus dem Zivilrecht erinnert: auch im Sachverhalt 5 – es geht bei ihm um den Prüfungsgegenstand einer öffentlich-rechtlichen Übungsklausur (vgl. dazu Gröpl, Klausur aus dem Verwaltungsrecht: „Baurecht gegen Vorkasse“, JURA 2003, 778 ff.) – steht u. a. ein Vertrag, nämlich ggf. ein öffentlich-rechtlicher Vertrag bzw. dessen Unwirksamkeit im Mittelpunkt des Interesses. Fragen nach den Folgen einer etwaigen Unwirksamkeit oder Nichtigkeit vertraglicher Vereinbarungen zwischen Bürgerin (S) und Staat (T) drängen sich auf. Zudem ist im Schlussabsatz des Sachverhaltstextes die Aufgabenstellung in Gestalt einer Rückzahlungsforderung der S bereits angedeutet:

29Fallfrage(n) 5: Wie wird das Verwaltungsgericht entscheiden?

Bearbeitungshinweis 5: Es ist davon auszugehen, dass die vorliegende Vereinbarung nicht unter § 11 Abs. 1 S. 2 BauGB fällt und dass die erschließungsbeitragsrechtliche Beurteilung im Sachverhalt zutreffend ist.

30Lapidare Fallfragen wie im Beispiel der Fallfrage(n) 5 sind für die Aufgabenstellung öffentlich-rechtlicher Hausarbeiten und Klausuren durchaus gang und gäbe (Bisweilen findet sich mit der Frage „Wie ist die Rechtslage“ in der Aufgabenstellung zivilrechtlicher und mit der Fallfrage „Haben sich die Beteiligten strafbar gemacht“ in der Aufgabenstellung strafrechtlicher Hausarbeiten und Klausuren etwas Ähnliches.). Fast immer enthält dann aber der Sachverhalt wie im Beispielsfall im Schlussabsatz des Sachverhalts 5 eine Reihe von Hinweisen, die im Zusammenhang mit der kurz und bündig formulierten Fallfrage deren wahre inhaltliche Reichweite und Bedeutung bestimmen. Man muss daher oftmals die „eigentliche(n)“ Fallfrage(n) erst noch ermitteln (vgl. dazu sogleich unter C. I.).

31Dies gilt auch für die Aufgabenstellung zum

Sachverhalt 6: In der Fußgängerzone der Stadt S findet seit etwa 20 Jahren der sog. „Kartoffelmarkt“ statt. Der gleichnamige Platz ist ein öffentlicher Platz, für dessen Benutzung zu Verkaufstätigkeiten die S Sondernutzungserlaubnisse erteilt. Die Verteilung der insgesamt elf Standplätze erfolgt nach Maßgabe der vom Stadtrat ordnungsgemäß beschlossenen „Richtlinien zur Verteilung der Standplätze auf dem Kartoffelmarkt“. Demnach werden die elf Standplätze an drei Gruppen von Beschickern vergeben: „Stammbeschicker“, „bekannte und bewährte Beschicker“ sowie „sonstige Beschicker“. Der Gruppe der Stammbeschicker stehen drei Plätze, der Gruppe der bekannten und bewährten Beschicker sechs Plätze und der Gruppe der sonstigen Beschicker zwei Plätze zur Verfügung. Innerhalb jeder Beschickergruppe wird die Beschickerliste durch das Los erstellt. Die Plätze selbst werden rollierend wochenweise vergeben. Die Vergabe der Standplätze erfolgt halbjährlich jeweils zum 1. Dezember für das erste Halbjahr und zum 1. Juni für das zweite Halbjahr.

Der auswärtige Händler H beantragt mit Schreiben vom 27. April 2020 die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis „zum Anbieten und Verkaufen von Waren auf dem Kartoffelmarkt“ für die Termine im zweiten Halbjahr 2020. Mit einem weiteren Schreiben vom 11. Mai 2020 verlangt er überdies, bei der nächsten Auslosung als Stammbeschicker berücksichtigt zu werden, da er sich – was zutrifft – seit dreizehn Jahren um einen Standplatz bewerbe. Mit Bescheid vom 25. Mai 2020 wird H als „sonstiger Beschicker“ für das zweite Halbjahr 2020 eine Sondernutzungserlaubnis für die 42. Kalenderwoche (12. bis 15. Oktober 2020) erteilt. Der Antrag vom 11. Mai 2020 wird hingegen mit Bescheid vom 29. Mai 2020 abgelehnt, da nach den Richtlinien ein Stammbeschicker seit mehr als vierzehn Jahren regelmäßig auf dem Kartoffelmarkt Handel getrieben haben muss.

Der empörte H erhebt sogleich Klage gegen den Bescheid vom 25. Mai 2020, soweit ihm lediglich eine Sondernutzungserlaubnis für die 42. Kalenderwoche erteilt worden ist. In der Klageschrift rügt sein Prozessbevollmächtigter, Rechtsanwalt R (der zugleich Mitglied des Gemeinderats ist) insbesondere, dass die Vergabe der Standplätze nach fehlerhaften Kriterien erfolge. Der Aspekt „bekannt und bewährt“ sei eine bei der Entscheidung über eine Sondernutzungserlaubnis unzulässige Erwägung und dürfe demnach nicht berücksichtigt werden. Demgegenüber macht die Klageerwiderung geltend, die Klage sei schon deshalb unzulässig, weil H aufgrund kommunalrechtlicher Vorgaben nicht ordnungsgemäß vertreten sei. Darüber hinaus stehe aufgrund des Bescheides vom 29. Mai 2020 bereits fest, dass H nicht als Stammbeschicker zu behandeln sei. Im Übrigen sei die Klage auch unbegründet, da die Vergabe der Standplätze nach zulässigen und sachgerechten Kriterien erfolge.

32Ähnlich wie im vorhergehenden Sachverhaltsbeispiel ergibt sich für den Sachverhalt 6 die zugehörige Fallfrage nach dem Schlussabsatz des Sachverhaltstextes „wie von selbst“:

33Fallfrage(n) 6: Hat die Klage Aussicht auf Erfolg?

34Und ebenso wie im Sachverhalt 5 liefert auch im Sachverhalt 6 – es handelt sich um den Prüfungsgegenstand einer im Rahmen eines Examensklausurenkurses ausgegebenen Klausur (vgl. dazu Mückl, Examensklausur öffentliches Recht: Der Stand auf dem Kartoffelmarkt, JURA 2002, 627 ff.) – insbesondere der Schlussabsatz das an Hinweisen, was zur Erfassung der „eigentlichen“ Fallfrage(n) erforderlich ist (zur Auswertung von Bearbeitervermerken, Bearbeitungshinweisen und Fallfragen vgl. anschließend C. I.).

IV.Zusammenfassung

35Um der begrifflichen Klarheit willen empfiehlt es sich, zwischen dem Prüfungsgegenstand und der Aufgabenstellung einer juristischen Hausarbeit und/oder Klausur zu unterscheiden. Prüfungsgegenstand ist ein konkreter Lebenssachverhalt, kurz: der Sachverhalt. Mit ihm sachlich eng verknüpft ist die Aufgabenstellung. Und erst die enge sachliche Verzahnung des Sachverhalts mit der Aufgabenstellung produziert das, was in einer juristischen Klausur oder Hausarbeit zu bearbeiten ist: den Rechtsfall.

36Der wohl wichtigste Bestandteil der Aufgabenstellung ist (sind) die Fallfrage(n). Daneben enthält sie „Bearbeiter- bzw. Bearbeitungshinweise“ oder auch „Hinweise zur Bearbeitung“, die u. a. den Umfang der geforderten Fallprüfung inhaltlich/materiellrechtlich und formal genauer bestimmen und begrenzen (können). Je nach Rechtsgebiet – Zivilrecht, Strafrecht, öffentliches Recht – variieren die Fallfragen nach Art und Fragerichtung/-ziel:

37Für zivilrechtliche Rechtsfälle typische Fallfragen etwa sind darauf gerichtet, schuld-, sachen-, familien- und/oder erbrechtliche etc. Ansprüche auf das Vorliegen ihrer Voraussetzungen und ihre Durchsetzbarkeit zu (über)prüfen. Je nach Anzahl der im konkreten Lebenssachverhalt auftretenden Personen kann es sich dabei um Kaufpreis-, Werklohn-, Herausgabe- oder Besitzansprüche etc. von einzelnen oder mehreren Personen (Anspruchstellern) in Zwei- oder Mehrpersonenverhältnissen handeln (näher dazu Zweiter Teil, B. II.).

38Bei der Bearbeitung von Strafrechtsfällen geht es stets darum, die Strafbarkeit der im Sachverhalt handelnden (oder pflichtwidrig unterlassenden) Personen in ihrer Rolle als Täter oder sonstige Tatbeteiligte zu überprüfen und festzustellen. Dementsprechend wird in der Aufgabenstellung zumeist nach der Strafbarkeit eines Täters oder mehrerer Tatbeteiligter (Täter und oder Teilnehmer i. e. S.) gefragt. Die für Strafrechtsfälle charakteristischen Fallfragen lauten deshalb: „Hat sich A strafbar gemacht?“ oder „Haben sich A, B, C und D strafbar gemacht?“ oder „Wie haben sich die Beteiligten strafbar gemacht?“ oder – wenn konkret nach Personen und gesetzlichen Straftatbeständen gefragt ist – „Hat sich A wegen Betruges gem. § 263 StGB strafbar gemacht?“ etc. (näher dazu Zweiter Teil, C. I. u. II.).

39Was schließlich die Fallfragen in Rechtsfällen auf dem(n) Gebiet(en) des öffentlichen Rechts betrifft, ist für sie charakteristisch, dass fast immer nach der verfassungs- oder verwaltungsrechtlichen Unbedenklichkeit oder Rechtswidrigkeit eines Gesetzes, einer Rechtsverordnung, einer behördlichen Maßnahme oder Entscheidung etc. gefragt und diese Fragestellung mit der Frage nach der Zulässigkeit und/oder Begründetheit einer verwaltungsrechtlichen Klage oder Verfassungsbeschwerde etc. verquickt ist. Eingekleidet sind derlei konkrete, häufig erst noch aus der gesamten Aufgabenstellung heraus zu erarbeitende Fallfragen (vgl. dazu Erster Teil, C. I.) in allgemein gehaltene Fragen wie „Hat die Klage (gemeint ist eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage etc.) Aussicht auf Erfolg?“ oder „Wie wird das Verwaltungsgericht entscheiden?“ oder „Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde?“ etc. (näher dazu Zweiter Teil, D. I.).

C.Methodik der Fallbearbeitung

I.Die Fallfrage – nicht mehr, aber auch nicht weniger

40Über die Sachrichtigkeit einer Falllösung und damit über die Güte einer juristischen Hausarbeit oder Klausur entscheidet zuallererst das korrekte Verständnis des (wechselbezüglichen) Zusammenhangs zwischen konkretem Lebenssachverhalt und zugehöriger Aufgabenstellung. Um den zu bearbeitenden Rechtsfall (korrekt) verstehen zu können, ist dementsprechend zweierlei erforderlich: die sachgerechte Auswertung der Aufgabenstellung und das unter dem Blickwinkel der ausgewerteten Aufgabenstellung zutreffende Erfassen des Sachverhalts. Beides hängt zwar eng miteinander zusammen und geht im Verstehen des Rechtsfalls – häufig unreflektiert – ineinander über, beides lässt sich aber im Sinne einer notwendigen Methodik der Fallbearbeitung formal und sachgedanklich vonein­ander trennen.

1.Sachgerechtes Erfassen der Aufgabenstellung

41Was die Auswertung der Aufgabenstellung anbelangt (zur Arbeit am und mit dem Sachverhalt anschließend unter II.), geht es vornehmlich und zunächst darum, sich über die „wahre“ Aufgabenstellung zu vergewissern. Es kommt darauf an festzustellen, wie denn die „eigentliche“ Aufgabenstellung beschaffen ist. Bei diesem ersten Arbeitsgang zur Fallbearbeitung kann man gar nicht sorgfältig genug vorgehen, denn es handelt sich dabei – auch wenn das Empfinden dafür bisweilen verloren geht – um eine maßgebliche, wenn nicht sogar entscheidende Weichenstellung für die spätere Falllösung. Das mag dramatisch und übertrieben klingen; die Erfahrung lehrt jedoch, dass eine beachtliche Zahl juristischer Hausarbeiten und Klausuren schon deshalb nicht wie erhofft und erwartet bewertet werden kann, weil sie bereits die Aufgabenstellung (vollständig oder auch nur teilweise) verfehlt.

42Die Gründe für das Verfehlen oder Verkennen der Aufgabenstellung sind so zahlreich und so vielfältig, dass sie sich einer auch nur annähernd abschließenden Aufzählung und Benennung entziehen. Sie können im individuell-persönlichen Bereich des jeweiligen Hausarbeits- und Klausurverfassers liegen, können aus objektiv bestehendem oder subjektiv erlebtem Zeitdruck verbunden mit Stressoren der Prüfungssituation resultieren, und sie können sich aus der textlichen Abfassung von Sachverhalt nebst Aufgabenstellung etc. ergeben.

43a) Fehlerquellen. Gleichwohl lassen sich zumindest zwei häufig vorkommende Fehlerquellen