Micro-Inputs Resilienz - Ella Gabriele Amann - E-Book

Micro-Inputs Resilienz E-Book

Ella Gabriele Amann

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Beschreibung

Wie wird Resilienz, die Krisen- und Widerstandsfähigkeit eines Menschen, systematisch gestärkt und aufgebaut? Die Autorinnen benennen dazu acht Kompetenzbereiche, aus denen sich Resilienz zusammensetzt. Dazu gehören etwa Improvisationsvermögen, Lösungsorientierung und Selbstregulation.

Zu jedem der Kompetenzbereiche lernen Leser mehrere Micro-Inputs kennen. Jeder Micro-Input besteht aus einem Modell sowie einer Übung. So wird jeweils ein Aspekt von Resilienz sowohl theoretisch vermittelt als auch praktisch gestärkt – und zwar gezielt die Aspekte, bei denen der Klient noch Entwicklungsbedarfe hat.

Ziel des „Resilienz-Zirkel-Trainings“ ist, dass Klienten sich auf einen ganzheitlichen Adaptionsprozess einlassen. Sie hinterfragen alte Verhaltens- und Gefühlsmuster und lernen kontinuierlich neue Strategien für die Bewältigung von kleinen und großen Krisen hinzu.

Das Buch ist der zweite Band der "Micro-Inputs'"Reihe. Die Autorinnen stellen Ihnen rund 40 interdisziplinäre Modelle, Konzepte, ausgewählte Forschungsansätze und Interventionen aus dem integrativen Resilienz-Zirkel-Training® nach dem Bambus-Prinzip® vor. Der Resilienz-Zirkel dient Ihnen zum einen als ein hilfreiches Meta-Modell zur Diagnose und Konzeption Ihrer Maßnahmen. Zum anderen lernen Sie ihn als systemisches Tool zur ganzheitlichen Resilienzförderung kennen.

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Ella Gabriele Amann, Anna Egger

Micro-Inputs Resilienz

Lebendige Modelle, Interventionen und Visualisierungshilfen

für das Resilienz-Coaching und -Training

© 2017 managerSeminare Verlags GmbH

3. Aufl. 2021

Endenicher Str. 41, D-53115 Bonn

Tel: 0228-977910, Fax: 0228-9779199

[email protected]

www.managerseminare.de/shop

Der Verlag hat sich bemüht, die Copyright-Inhaber aller verwendeten Zitate, Texte, Abbildungen und Illustrationen zu ermitteln. Sollten wir jemanden übersehen haben, so bitten wir den Copyright-Inhaber, sich mit uns in Verbindung zu setzen.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und der Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten.

ISBN: 978-3-98856-205-0

Herausgeber der Edition Training aktuell:

Ralf Muskatewitz, Jürgen Graf, Nicole Bußmann

Lektorat: Vera Sleeking

Cover: Anna Egger, Sonja Buske

E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH, Rudolstadt

Ihre Download-Ressourcen

Begleitend zum Buch stehen Ihnen Arbeitshilfen für die persönliche Verwendung zum Download im Internet zur Verfügung. Sie können die Vorlagen jederzeit in hoher Qualität abrufen und einsetzen.

 www.managerseminare.de/tmdl/b,259358

Inhalt

Cover

Impressum

Danksagung

Zur Arbeit mit dem Buch

Einführung in das Thema Resilienz-Beratung

Das Resilienz-Zirkel-Training

Resilienz in Politik und Forschung

I – Einstieg in das Resilienz-Zirkel®-Training nach dem Bambus-Prinzip®

Auftragsklärung: Resilienz oder Stressresistenz?

Resilienz im Spannungsfeld zwischen Agilität und Stabilität

Einführung in die Kompetenzen der Resilienz

Schnell wieder in die Kraft kommen

II – Kompetenzfeld Improvisationsvermögen und Lernbereitschaft

Resilienz als Adaptionsprozess und Balance-Akt

Das Unterbrechen von Mustern trainieren

Der achtsame und produktive Umgang mit Fehlern

Angebote annehmen und das Unbekannte managen

III – Kompetenzfeld Optimismus, positives Selbst- und Weltbild

Die Grundhaltung der Optimisten

Aus früheren Krisen lernen

Die gute Absicht erkennen

Eine Krise kommt selten allein

IV – Kompetenzfeld Akzeptanz und Realitätsbezug

Vermeidungs- und Bewältigungsstrategien erkennen

Die Ideen und Angebote anderer akzeptieren

Abgrenzung leicht gemacht

Sich mit den inneren Antreibern auseinandersetzen

V – Kompetenzfeld Lösungsorientierung und Kreativität

Von der Problemtrance zur Lösung

Neue Perspektiven entwickeln

Lösungsorientierung in der Teamarbeit

Vom Umgang mit Komplexität

VI – Kompetenzfeld Selbstregulation und Selbstfürsorge

Mit Sicherheit für Stärke sorgen

Sechs Herzen schlagen, ach! in einer Brust

Die kleine Welt der großen Gefühle transparent machen

Schnelles Self-Empowerment

VII – Kompetenzfeld Selbstverantwortung und Gestaltungskraft

Von der Absicht zur Umsetzung

Klare Kompetenzen und Zuständigkeiten

Psychologische Spiele durchschauen

Kooperation und resiliente Führung

VIII – Kompetenzfeld Beziehungsgestaltung und Netzwerkpflege

Welche Unterstützung brauche ich?

Vom Umgang mit Verlusten

Wertschätzend kommunizieren

Kooperation und Engagement in der Teamarbeit

XI – Kompetenzfeld Zukunftsgestaltung, Visionen, Werte

Iterative Zielentwicklung

Neue Perspektiven entwickeln

Meine, Deine, unsere Werte

Blick zurück in die Zukunft

Stichwortverzeichnis

Micro-Inputs

Danksagung

Was tue ich persönlich, um kraftvoll durchs Leben zu gehen und meine alltäglichen Krisen zu meistern? Was bewegt mich dazu, Resilienz zu meinem Coaching- und Trainings-Thema zu machen? Wie steht es um meine eigene Resilienz als Beraterin, Trainerin und Coach? Und vor allem, was brauche ich, um lebendige, interaktive und zeitgemäße Resilienz-Coachings anzubieten? Diese Fragen beschäftigen mich bereits seit Anfang der 1990er-Jahre. An dieser Stelle möchte ich daher allen Lehrern, Ausbildern, Kollegen und Kunden danken, die mich in den vergangenen 25 Jahren auf der Suche nach den Antworten auf diese Fragen inspiriert, unterstützt und zur Entwicklung des Resilienz-Zirkel-Trainings (RZT®) nach dem Bambus-Prinzip® und seines Toolkoffers beigetragen haben.

Mein Dank gilt insbesondere der Pionierarbeit von Divo Müller, Robert Schleip, Stephen Porges, Peter Levin, Daniel Siegel, Fritz Zehetner und auch Pauline Boss, die mir in den letzten zehn Jahren einen vertieften und neuen Blick auf die interdisziplinäre Resilienzforschung ermöglicht und mich zur Entwicklung vieler neuer Interventionen inspiriert haben.

Ich danke dem Applied Improvisation Network AIN, meinen vielen Impro-Lehrern und meinem langjährigen Kollegen Roland Trescher für die wertvolle Zusammenarbeit. Ich danke insbesondere Martin Ciesielski, mit dem ich die Grundlagen des Resilienz-Zirkel-Trainings entwickelt und den zentralen Faktor der Improvisation in das Ausbildungskonzept integriert habe. Er entwickelte zudem die Grafiken, die den Resilienz-Zirkel bis heute zu einem lebendigen und einzigartigen Tool machen.

Ulla Catarina Lichter danke ich für die professionelle und herzliche Art, mit der Sie mich als Lehrtrainerin seit vielen Jahren dabei unterstützt, die hier vorgestellten Modelle und Interventionen an die nächsten Trainer-Generationen weiterzugeben. Ich danke insbesondere Johanna Rzehak und Munir Rashid für die wundervolle Begleitung und Ermutigung, ohne die ich dieses umfassende Projekt neben all den anderen Dingen, die es tagtäglich zu tun gibt, nicht so resilient hätte umsetzen können.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg für Ihr Resilienz-Coaching, viel Spaß beim Training und neue Inspiration mit den Micro Inputs Resilienz!

Ella Gabriele Amann

… Weil‘s drauf ankommt, wie’s ankommt!

Sie halten nun mein zweites Buch in den Händen: „Micro-Inputs Resilienz“. Ich bin stolz und freue mich sehr über diese wunderbare Sammlung an Tools und Visualisierungsvorlagen zum Thema Resilienz.

Mein Wunsch ist es, dass Sie durch dieses Buch mit Leichtigkeit in das komplexe Thema Resilienz eintauchen, um sich nach und nach seine einzelnen Ressourcen-, Lern- und Kompetenzfelder zu erschließen. Dabei sollen Ihnen meine Visualisierungsvorlagen als Inspirationsquelle dienen: Lassen Sie Ihrer Kreativität freien Lauf, nehmen Sie selbst Stift und Papier zur Hand und gestalten Sie in einem MUTausbruch Ihre eigenen Formen und Farben der Resilienz! Machen Sie sich dieses zeitgemäße Thema zu eigen und für sich und Ihre Kunden sicht- und begreifbar!

An erster Stelle und aus vollem Herzen geht mein großer Dank an die Resilienz-Berater-Ausbildungsgruppe in Vorarlberg. Mit euch und durch euch konnte ich tief in das Thema Resilienz eintauchen, wurde gefördert und auch gefordert, mich meinen eigenen Themen zu stellen, und fühlte mich dabei stets gut begleitet. Das gemeinsame Lernen, die Leichtigkeit, der Humor und die Tiefe unseres Austausches berühren mich heute noch. Freundschaften sind entstanden, die weit über die Ausbildung hinausgehen. Euch widme ich dieses Buch.

An dieser Stelle möchte ich auch Ella Gabriele Amann und Ulla Catarina Lichter für die kompetente und wertschätzende Begleitung unserer Lerngruppe danken.

Mein ganz besonderer Dank geht an alle meine Freund/innen und Kolleg/innen, die in der Zeit des Erschaffens mit ihrer Geduld, durch ihren Zuspruch, ihre Anregungen, den intensiven Austausch und kritische Rückmeldungen zu diesem Buch beigetragen haben.

Last but not least, ein Dank an Ella Gabriele Amann für die gemeinsame Arbeit und das gemeinsame Tun in der Erarbeitung dieses Buches.

… weil’s drauf ankommt, wie’s ankommt!

Anna Egger

Unser beider Dank geht an den Verlag managerSeminare, besonders an Ralf Muskatewitz für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und Vera Sleeking für das wertvolle Lektorat und den letzten Schliff am Manuskript.

Zur Arbeit mit dem Buch

Das Thema Resilienz ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und die interdisziplinäre Resilienzforschung steht auch nach über 70 Jahren Grundlagenforschung in vielen Bereichen erst am Beginn zentraler Erkenntnisprozesse. Diese zeigen, dass eine systematische Resilienzförderung Modelle und Interventionen erfordert, die psychologische wie auch physiologische und neurobiologische Prozesse gleichermaßen berücksichtigen. Dabei kommt auch der Frage nach dem Zusammenwirken von Nervensystem, Hormonsystem, Immunsystem und dessen Auswirkungen auf das Organsystem des Menschen bei den Studien zu Resilienz und Schutzfaktoren immer mehr Bedeutung zu. Sie finden in diesem Buch daher nicht nur traditionelle Coaching-Modelle und -Übungen, sondern darüber hinaus Modelle aus dem Bereich der Neurobiologie und viele neue Anregungen für die interaktive und körperorientierte Arbeit mit Klienten und Gruppen.

Als Vorstandsmitglied des internationalen Fachverbandes für organisationale Resilienzförderung ORES und als Leiterin der Fachgruppe Resilienzweiterbildung und Qualitätssicherung, ist es mir ein besonderes Anliegen, Resilienz-Beratern zahlreiche neue Impulse an der Schnittstelle zwischen persönlicher und organisationaler Resilienzförderung mit auf den Weg zu geben. Auch für den Fall, dass Sie als Coach und Berater* das Themengebiet Resilienz in Ihrer Arbeit nur ab und zu streifen, finden Sie zahlreiche Interventionen und Modellerklärungen, mit denen Sie Ihr Coaching themenbezogen anreichern können.

Wir stellen Ihnen rund 40 interdisziplinäre Modelle, Konzepte, ausgewählte Forschungsansätze und Interventionen aus dem integrativen Resilienz-Zirkel-Training® nach dem Bambus-Prinzip® vor. Der Resilienz-Zirkel dient Ihnen zum einen als ein hilfreiches Meta-Modell zur Diagnose und Konzeption Ihrer Maßnahmen. Zum anderen lernen Sie ihn als systemisches Tool zur ganzheitlichen Resilienzförderung kennen.

Durch das Resilienz-Zirkel-Training (nachfolgend RZT® abgekürzt) werden die typischen Themenbereiche des Resilienz-Coachings abgedeckt (vgl. S. 14). Die hier dazu vorgestellten Modelle und Interventionen eignen sich dabei in der Regel sowohl für die Arbeit mit einzelnen Klienten als auch für die Arbeit mit Gruppen.

Alle Modelle und Coaching-Interventionen sind erprobt und praxisnah beschrieben, sodass sie direkt in Seminaren oder Coachings eingesetzt werden können. Die Modelle sind außerdem dank der lebendigen Zeichnungen von Anna Egger in diesem Buch mit einer leicht übertragbaren Visualisierungshilfe angereichert. Im Rahmen einiger Interventionen finden Sie sehr ausführliche Formulierungsbeispiele, die Ihnen die Anwendung und Anleitung besonders der interaktiven Übungen erleichtern. Wandeln Sie diese bitte so ab, dass sie zu Ihrer Sprache, zum Klienten und zum Setting passen. Die meisten Coaching-Interventionen werden zudem anhand eines zusätzlichen Praxisbeispiels veranschaulicht. Die dargestellten Fälle kommen aus meiner Resilienz-Beratungs- und Trainingspraxis und wurden für ein besseres Verständnis der Modelle zum Teil kombiniert und so zusammengestellt, dass die Anonymität von Klienten und Kunden gewahrt bleibt.

Ist Zusatzmaterial erforderlich, um eine der Interventionen in der Praxis durchzuführen – zum Beispiel ein Test, eine Zeichenvorlage oder eine Begriffsliste – so finden Sie dieses in den Download-Ressourcen zum Buch. Der Link zu den Download-Ressourcen ist in der inneren Umschlagklappe des Buches angegeben.

Dieses Symbol verweist auf Download-Ressourcen. Link im Impressum

* Das maskuline Nomen oder Pronomen wird verwendet, um den Lesefluss nicht zu stören. Um zu verdeutlichen, dass selbstverständlich immer alle Geschlechter gemeint sind, verwenden wir in der Beschreibung der Modelle und Übungen im losen Wechsel auch die weibliche Form.

Einführung in das Thema Resilienz-Beratung

Neue Technologien, eine weltweite Vernetzung, ständige Erreichbarkeit, Computer, Handy, Tablets und unzählige Social-Media-Kanäle buhlen kontinuierlich um unsere Aufmerksamkeit. Planen war gestern, schnelles Reagieren ist heute. Das Arbeitsleben verlangt von Menschen heute eine extrem hohe Präsenz, Aufmerksamkeit, Konzentration und Achtsamkeit. Hinzu kommt: Die Welt ist unsicher geworden, unberechenbarer, schnelllebiger und vor allem viel komplexer als früher. Berichte von Krisen, Terror, Umweltkatastrophen, eine latente Angst und permanente Veränderungsprozesse gehören zu einem neuen Alltag, der mit vertrauten, alt bekannten und früher einmal erlernten Strategien nicht mehr bewältigt werden kann.

Klienten kommen in die Resilienz-Beratung, weil sie an ihre mentalen und körperlichen Grenzen gekommen sind. Sie müssen alte Komfortzonen verlassen und sich in einer neuen Welt neu einrichten. Dabei gibt es keine einheitlichen Phänomene: Die einen Klienten sind stark gestresst, verunsichert und sehnen sich nach Struktur, Ordnung, Sicherheit und Orientierung. Andere Klienten sind extrem gelangweilt und unterfordert, weil sie sich von dem System, in dem sie agieren, mehr Autonomie und Gestaltungsfreiheit wünschen – schließlich wollen sie die vielseitigen Optionen und Freiheiten, welche die neue Welt ihnen bietet, auch für sich nutzen können.

Beratung nach dem Sowohl-als-auch-Prinzip

Ein Phänomen, vielseitige Symptome. Hier Burn-out- und dort Boreout-Syndrom. Schwere traumatische Erlebnisse auf der einen Seite, unerträgliche Unterforderung und fehlende Potenzialentfaltung auf der anderen Seite. Die Phänomene, mit denen Sie heute in der Resilienz-Beratung oft gleichzeitig arbeiten müssen, sind vielfältig. Sie lassen sich nicht nach einem Entweder-oder-Prinzip, sondern nur nach einem Sowohl-als-auch-Prinzip handhaben.

Daher kann das gängige Stressmanagement allein all die Fragen, welche die großen Transformationsprozesse unserer Zeit mit sich bringen, nicht mehr beantworten. Der Resilienzansatz hingegen bietet Ihren Klienten die Möglichkeit, sich auf einen größeren und ganzheitlicheren Adaptionsprozess einzulassen. Er lädt dazu ein, alte Verhaltens-, Denk- und Gefühlsmuster grundlegend zu hinterfragen und für die Bewältigung von kontinuierlichen Mikro- und Makro-Krisen neue Strategien hinzuzulernen.

Resilienz versetzt uns in die Lage, Anpassungsprozesse vorzunehmen, körperliche, mentale, soziale und gesellschaftliche Krisen zu meistern. Auf der Erkenntnisgrundlage zahlreicher Langzeitstudien und der zunehmend interdisziplinären Resilienzforschung wissen wir heute immer mehr über die vielfältigen Zusammenhänge und Facetten dieser faszinierenden Metakompetenz, ohne die gesellschaftlicher Fortschritt und Potenzialentwicklung in jeglicher Form nicht möglich wären. Mit diesem Buch möchten wir Ihnen aktuelle Modelle und integrative Ansätze vorstellen, mit denen, systematisch und an den Bedürfnissen des Klienten orientiert, die für Resilienz erforderlichen Kompetenzen gefördert werden können.

Das Arbeiten an der Kompetenz des Klienten

Im Resilienz-Coaching arbeiten Sie mit Ihrem Klienten an seiner Kompetenz zur selbstständigen Krisenbewältigung, das heißt, der Klient ist nach dem Coaching-Prozess in der Lage, in Anbetracht eines Problems, einer schweren Aufgabe oder einer kritischen Herausforderung ein situationsadäquates Handlungsvermögen zu zeigen.

Manche Klienten zeigen in Anbetracht von Krisen und Herausforderungen plötzlich Kompetenzen, von denen sie bisher vielleicht nicht einmal gewusst haben, dass sie sie überhaupt besitzen. Dies können z.B. Verhaltensweisen sein, die im Klienten immer schon geschlummert haben, aber aufgrund der kontextuellen Bedingungen nie zu Tage traten.

Frau M. zeigt nach der plötzlichen Trennung von Ihrem Mann, dass sie nicht nur jahrelang eine gute Hausfrau und Mutter war, sondern immer schon viele ungenutzte Talente, vor allem aber einen guten Geschäftssinn hat. Innerhalb weniger Monate macht sie sich in ihrem alten Beruf selbstständig und eröffnet erfolgreich ein Übersetzungsbüro, mit dem sie sich schneller als gedacht finanziell unabhängig macht.

Im Resilienz-Coaching geht es, neben einer tiefen Trauerarbeit, bei Frau M. bereits schnell darum, ihre versunkenen Talente zu revitalisieren, neue Visionen, Werte und Lebensziele zu entwickeln.

Andere Klienten kommen zu Ihnen ins Resilienz-Coaching, weil sie in Anbetracht einer plötzlichen Notlage oder Lebensveränderung mit einem Mal bestimmte Kompetenzen, die sie vorher leicht abrufen konnten, nun nicht mehr zeigen können.

So gelingt es Herrn W. nach einer unvorhergesehenen Kündigung über viele Monate nicht, seine Wut und seine Kränkungen, die im Zusammenhang mit der Kündigung aufgetreten sind, zu überwinden. Er fühlt sich von seinem Arbeitgeber, dem er mehr als 30 Jahre treu war, verraten und kann sich nicht vorstellen, mit 55 Jahren noch einmal völlig neu anzufangen. Seine sonst so gelassene, pragmatische und stets lösungsorientierte Haltung ist für ihn nicht mehr zugänglich.

Im Resilienz-Coaching gilt es für Herrn W., Wege zu finden, sich an die völlig neue Lebenssituation anzupassen und eine Stärkung sowie Neuorientierung auf fast allen Kompetenzebenen vorzunehmen.

Dabei basiert die Kompetenz auf folgenden Elementen

Persönlichkeit: Zur Persönlichkeit des Klienten gehören seine physiologischen, besonders aber die psychologischen Bedürfnisse, seine Einstellungen, Werte und inneren Motivatoren.

Theoretisches Wissen und Fertigkeiten: Hierzu gehört alles, was ein Klient in Schule, Aus- und Weiterbildung gelernt hat, seine Qualifikationen, Abschlüsse etc.

Erfahrungen und Kontextbedingungen: Ob ein Mensch sein Potenzial und seine Kompetenzen zeigen kann, hängt davon ab, welche Erfahrungen er bisher gemacht hat und inwieweit der aktuelle Kontext ein Handeln für ihn zulässt.

Die Kompetenz an sich: Die Kompetenz beschreibt den Moment, in dem alles zusammenkommt. Der Klient zeigt ein nach außen sichtbares und beobachtbares angemessenes Denken, Fühlen und Verhalten in Anbetracht einer konkreten Herausforderung.

Das Resilienz-Zirkel-Training®

Orientierung über Kompetenzen und Bedarf

Das Modell des Resilienz-Zirkel-Trainings umfasst acht „Kompetenzfelder“, die speziell für die Entwicklung und Stärkung der Resilienz von Bedeutung sind. Als übersichtliches Meta-Modell bietet es Orientierung darüber, wo Kompetenzen zur Krisenbewältigung vorhanden sind und wo Entwicklungsbedarf besteht, kurz: Wo die Coaching-Themen liegen.

Zu jedem Kompetenzfeld werden Ihnen in diesem Buch je vier Inputs und Interventionen vorgestellt, die auf Eigenentwicklungen und auf Adaptionen bekannter Modelle, Übungen und methodischer Ansätze beruhen, die ich im Verlauf der vergangenen 25 Jahre speziell für den Einsatz in der Resilienzförderung weiterentwickelt habe. Zu jedem Modell und zur jeder Intervention finden Sie – sofern bekannt – Ursprungsquellen und entsprechende Vertiefungshinweise.

Die Reihenfolge der Bearbeitung orientiert sich am Klienten

Die Reihenfolge, in der Sie mit den Interventionen und Modellen arbeiten, orientiert sich dabei an den Bedürfnissen des Klienten und am Prozess. Akzeptieren Sie den inneren Prozess des Klienten und überlassen Sie ihm die Wahl, wie und an welchem Kompetenzfeld er beginnen und weiterarbeiten möchte. Obwohl die Kapitel in diesem Buch nach den einzelnen Kompetenzfeldern sortiert sind, gibt die Anordnung der Inputs und Übungen in diesem Buch also in keiner Weise die Reihenfolge Ihres Coaching-Prozesses oder Ihres Seminars vor.

Im ersten Abschnitt finden Sie einführende Übungen, die Sie im Rahmen der Auftragsklärung nutzen können, sowie ausgewählte Basisinterventionen aus dem integrativen Resilienz-Zirkel-Training, mit denen Sie in der Einstiegsphase des Resilienz-Coachings oder -Trainings alle acht Kompetenzfelder der Resilienz gleichermaßen aktivieren können. Im Anschluss finden Sie in Kapiteln, die entlang der acht Kompetenzfelder verlaufen, vertiefende Modelle und Übungen, welche Sie bei der Bearbeitung der am häufigsten aufkommenden Themengebiete unterstützen.

Die acht Kompetenzfelder des RZT®

Die Kompetenzfelder des Resilienz-Zirkels bauen auf dem Schutzfaktorenkonzept, den Ergebnissen der Langzeitstudien zur persönlichen Resilienz sowie Forschungsergebnissen zur organisationalen Resilienz auf (vgl. Amann, Online-Handbuch für das integrative Resilienz-Zirkel-Training 2010-2017).

Die Kultur einer Organisation wie auch die Resilienz einzelner Personen zeigt sich in kollektiven Grundannahmen, Denkmustern, langfristigen Wertehaltungen, Verhaltensnormen, bis hin zu wiederkehrenden Verhaltensmustern innerhalb des sozialen Systems. Die acht Kompetenz-, Lern- und Entwicklungsfelder für eine resiliente Unternehmens-, Führungs- und Teamkultur wie auch für die allgemeine Resilienz einzelner Personen lassen sich wie folgt beschreiben:

1. Improvisation und Lernbereitschaft

Resiliente Teams und Organisationen bauen auf ein breites Erfahrungspotenzial und auf die Achtsamkeit ihrer Mitarbeiter. Sie sind dadurch besser in der Lage, sich auf unbekannte Situationen einzulassen. Sie nutzen gezielt ihr Improvisationsvermögen im Umgang mit unvorhergesehenen Ereignissen und sind so in der Lage, neue Aufgabenstellungen zu bewältigen. Sie können Best-Practice-Wissen mit dem kontinuierlichen Sammeln neuer Erfahrungen verknüpfen.

Resiliente Personen, Teams und Organisationen erlauben sich in unsicheren Zeiten oder bei Krisen, situationsgerecht mit Spontanität und Flexibilität auf sich ändernde Bedingungen und Anforderungen zu reagieren. Resiliente Personen, Teams und Organisationen können dabei gezielt Experimentierräume schaffen, kalkulierte Risiken eingehen und aus Niederlagen lernen. Sie können aus Fehlern konkrete Schlüsse ziehen, um beim nächsten Mal anders handeln zu können. So bleiben Personen, Teams und Organisationen in der Lage, auch aus widrigen Umständen das für den Moment Beste zu machen.

2. Optimismus, positive Selbst- und Fremdeinschätzung

Bei resilienten Personen und in resilienten Teams und Organisationen werden Optimismus und Zuversicht für die Erreichung der gesetzten Ziele und die erfolgreiche Bewältigung von Aufgaben für die Zukunft gelebt, vorgelebt und gefördert. Sie betrachten Krisen nicht als unüberwindliche Hindernisse. Sie bleiben gelassen, weil sie davon ausgehen, dass Rückschläge wichtige Erfahrungen auf dem Weg zum Erfolg sind. Mitarbeiter in solchen Organisationen zeigen hohe Zufriedenheit und spüren Energie und positive Emotionen. Sie zeigen ein hohes Maß an Engagement und Einsatz für die Organisation bzw. für ihr Team.

Resiliente Teams und Organisationen verstärken Optimismus und positive Selbsteinschätzung, indem sie über Erfolge und positive Ereignisse reden, sie anerkennen und auch gemeinsam feiern. Sie sind sich der Begabungen, Talente und Kompetenzen der Mitarbeiter bewusst und richten ihre Energie und Aufmerksamkeit – auch in Krisenzeiten – auf die Chancen und Möglichkeiten, welche sich ihnen bieten.

3. Akzeptanz und Realitätsbezug

Resiliente Personen, Teams und Organisationen wissen und akzeptieren die Tatsache, dass Rückschläge, Enttäuschungen und Widrigkeiten zum Arbeits- und Privatleben dazugehören und verdrängen sie nicht. Sie haben die Grundhaltung: „Es ist, wie es ist! Machen wir nun das Beste daraus!“ Krisen werden nicht als unüberwindbare Hürden betrachtet, sondern als Chance zur Weiterentwicklung begriffen. Sie akzeptieren ihre Misserfolge, tolerieren aufkommende Schwierigkeiten und erkennen ebenso die realistischen Möglichkeiten zur Weiterentwicklung.

Resiliente Teams ziehen ihr Selbstvertrauen daraus, dass sie sich mit ihren Stärken und Schwächen so anerkennen und akzeptieren, wie sie sind. Sie bleiben dabei offen für Kritik, Lern- und Veränderungsimpulse. Resiliente Personen, Organisationen und Teams können unterscheiden zwischen dem, was sie aktuell verändern und gestalten können, und dem, worauf sie keinen Einfluss haben. Hieraus entwickeln sie realistische Erwartungshaltungen an sich und an andere. Ebenso achten sie darauf, mit realistischen Ziel- und Leistungsvorgaben zu arbeiten.

4. Lösungsorientierung und Kreativität

Je größer die Fähigkeit einer Person oder einer Organisation ist, sich lösungsorientiert und kreativ Veränderungen anzupassen, desto höher ist ihre Resilienz. Vor allem in Krisenzeiten versuchen diese Organisationen und Personen, die Herausforderungen von heute nicht allein durch Best-Practice-Lösungen, Konformismus oder das Angleichen von Perspektiven zu meistern. Resilienten Organisationen gelingt es, die individuelle Intelligenz und das Potenzial des gesamten Systems kreativ zu nutzen. Dieses zeigt sich in der Individualität der Mitarbeiter in flexiblen, anpassungsfähigen Strukturen, produktiven Beziehungen und in der Kommunikationskompetenz der Organisation. Für den Umgang mit Problemen und Krisenzeiten braucht es ein hohes Maß an kreativem Denken und Agieren innerhalb des Systems. Kreatives Potenzial findet seinen Ausdruck in den Unterschiedlichkeiten der handelnden Personen mit ihren verschiedenen Denk-, Gefühls- und Verhaltensmustern.

Resiliente Teams und Organisationen schaffen die Rahmenbedingungen dafür, die unterschiedlichen Sichtweisen, Ressourcen und Potenziale zu nutzen und denken über den eigenen Tellerrand hinaus. Für resiliente Personen wie auch resiliente Organisationen gilt: Sie hinterfragen regelmäßig überholte Annahmen, Routinen und Gewohnheiten, um neue Lösungen zu finden. Resiliente Organisationen fordern die Kreativität und die Fähigkeit zur eigenständigen Problemlösung ihrer Mitarbeiter heraus und schaffen so eine Stimmung, die positive Entwicklungen begünstigt und zur Entdeckung neuer Lösungen ermutigt.

5. Selbstregulation und Selbstfürsorge

Resiliente Unternehmen verstehen es, Mitarbeiter für den Wandel zu motivieren und vor Erschöpfung zu schützen. Sie vermeiden lang anhaltende Überlastungen, die den Mitarbeitern zu viel aufbürden und ihnen gleichzeitig nicht ausreichend Zeit und Ressourcen für die Aufgabenbewältigung zur Verfügung stellen. Sie haben einen klaren Fokus, der darauf ausgerichtet ist, ständige Mehrfachbelastungen der Mitarbeiter durch zu viele verschiedenartige Aktivitäten zu vermeiden, da sie zu Erschöpfung und Leistungsstagnation führen können.

Resiliente Unternehmen und Teams achten darauf, dass es für berufliche Leistungen adäquate Belohnungen in Form von Gehältern, Anerkennung und Wertschätzung und beruflichen Entwicklungsperspektiven gibt. Sie sorgen dafür, dass alle Mitarbeiter über die notwendigen Fähigkeiten, Kenntnisse und Ressourcen verfügen, die es ermöglichen, die Aufgaben erfolgreich zu erledigen. Resiliente Personen, Unternehmen und Teams achten darauf, dass Veränderungen und außergewöhnliche Belastungen nicht zum Dauerzustand werden, unter denen sich die Person oder das Unternehmen permanent an seiner Leistungsgrenze bewegt und Erholung und Regeneration fehlen. Ebenso achtet die resiliente Organisation darauf, dass Veränderungsprozesse ausreichend Zeit benötigen, um sich erfolgreich in der Gestaltung neuer Strukturen und der Anpassung von Entscheidungswegen und Arbeitsabläufen abzubilden.

6. Selbstverantwortung und Gestaltungskraft

Resiliente Personen und Teams übernehmen Selbstverantwortung. Sie sind entschlossen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und auch kritische Arbeitsbedingungen eigenverantwortlich und bestmöglich zu gestalten. Sie bleiben flexibel und beweglich und begegnen widrigen Umständen, indem sie sie im eigenen Sinne beeinflussen, anstatt sie zu ignorieren. Sie warten nicht darauf, dass sich Probleme von alleine erledigen. Sie sammeln in Krisen und schwierigen Situationen nach der ersten emotionalen Betroffenheit ihre Kräfte, um dann entschlossen Schritt für Schritt jene Teile zu verändern, die dem eigenen Einfluss unterliegen.

Resiliente Personen und Teams nutzen die eigenen Einflussmöglichkeiten und sind sich ihrer eigenen Gestaltungskraft bewusst. Inspirierende Führung ist dazu ein zentraler Stellhebel. Resiliente Teams sorgen für klare Zuständigkeiten, Rollen und Ansprechpartner. Sie sind in Krisenzeiten in der Lage, das Wissen und die Kompetenzen aller betroffenen Mitarbeiter in ihre Entscheidungen einfließen zu lassen und bestehen in Notsituationen nicht rigide auf Hierarchien. Mitarbeiterkompetenzen werden hierzu klar beschrieben und transparent gemacht. Zugleich wird blinder Aktionismus vermieden. Denn in Krisensituationen kann es ebenso angemessen sein, die strategische Entscheidung zu treffen als auch, anstehende Entwicklungen abzuwarten.

7. Beziehungen, Wertschätzung und Kooperation

Die Kraft von Kooperation, Zusammenarbeit und Teamarbeit ist ein wesentlicher Faktor in der Entwicklung von Resilienz in Organisationen. Teamgeist und Engagement bei der Bewältigung gemeinsamer Aufgaben werden gefördert, Teamerfolg wird anerkannt und über Einzelleistungen gestellt. Für resiliente Teams wie resiliente Personen gilt, sie haben interne und externe Netzwerke gebildet, Beziehungen ausgebaut und gefestigt. Man hilft sich gegenseitig bei Schwierigkeiten, die Kultur in resilienten Unternehmen besteht aus kollegialen Beziehungen und gegenseitiger Unterstützung, um erfolgreich zu sein. Man nützt Meinungsunterschiede, um Themen tiefgreifender zu besprechen und weicht Konflikten nicht aus. Entscheidungen werden mutig in einer vertrauensvollen Dialogkultur getroffen.

Führungskräfte nehmen ihre Vorbildfunktion wahr. Reden und Handeln stimmen überein. Das Gesamtinteresse des Teams oder der Organisation wird über persönliche Ziele und Vorteile gestellt. Sie fühlen sich weder unterlegen noch überlegen und sind sich ihrer verschiedenen Rollen- und Vorbildfunktionen im Leben bewusst. Sie begegnen Mitarbeitern offen und mit Wertschätzung. Sie besitzen die Fähigkeit, bei Konflikten zu vermitteln und Spannungen auszugleichen.

8. Zukunftsgestaltung und Visionsentwicklung

Wird permanent und langfristig mit erhöhtem Einsatz, hoher Geschwindigkeit und Intensität gearbeitet, droht die Beschleunigungsfalle, da Menschen sich selbst – beziehungsweise Organisationen ihre Mitarbeiter – dauerhaft an die Grenzen der Belastbarkeit treiben. Auf Ermüdungserscheinungen und damit verbundene geringere Leistung wird häufig mit verstärktem Druck, zusätzlicher Beschleunigung und noch höheren Anstrengungen reagiert. Die anhaltend hohen Kraftanstrengungen führen so zu Energiemangel und manifestieren sich in Symptomen wie Change-Müdigkeit, organisationaler Erschöpfung und einem chronischen Mangel an Innovationskraft. Dies reduziert ihre organisationale Resilienz und macht sie in Krisenzeiten extrem anfällig.

Resiliente Personen, Teams und Organisationen setzen sich daher sowohl kurz- als auch langfristige Ziele, bei denen Rücklagenbildung für Krisenzeiten eine ebenso zentrale Rolle spielt wie der Erhalt von (Mitarbeiter-)Gesundheit, die Regeneration nach Hochleistungsphasen und Innovationsfähigkeit. So können sie ihre Widerstandskraft erhalten und mit unerwarteten Ereignissen oder Krisen besser umgehen. Sie bleiben flexibel, anpassungs- und handlungsfähig. Resiliente Personen und Organisationen erkennen, wann es angebracht ist, gesteckte Ziele und Zukunftspläne veränderten Bedingungen anzupassen und immer wieder so zu verändern, dass sie ihre Energie nicht verschwenden, sondern langfristig erfolgreich sein können. Durch die Entwicklung klarer Visionen, attraktiver Ziele und das Vermitteln von Sinn gelingt es ihnen, Emotionen, Aufmerksamkeit und Anstrengungen ihrer Mitarbeiter darauf zu fokussieren, gemeinsame Ziele zu erreichen. Sie zeichnen sich durch hohe produktive Energie bei der Arbeitsbewältigung aus.

Ebenen des Coachings

Bei den Übungen zur integrativen Resilienzförderung, die wir Ihnen in diesem Buch vorstellen, aktivieren Sie die Kompetenz-, Lern- und Entwicklungsfelder des Klienten bzw. des Systems, mit dem Sie arbeiten, auf insgesamt vier Ebenen:

Ebenen der Kompetenzaktivierung

Mindset: Entwickeln einer ressourcenorientierten Sprache, Aufbau von resilienzstärkenden Denkhaltungen und Einstellungen, Anregen der Neuroplastizität, Fördern von Achtsamkeit, Lenken der Aufmerksamkeit auf Ressourcen.

Embodiment: Entwickeln einer guten Körperwahrnehmung und einer offenen Haltung, Abbau von Verspannungen und Fördern von Wohlstimmung (Eutonie), innerer Spannkraft, Flexibilität und Beweglichkeit. Abbau von Stressmustern und negativen somatischen Markern.

Interaktion mit anderen: Fördern des sozialen Engagements, Aufbau von Sicherheit und gegenseitiges Stärken im Umgang mit anderen, Selbstregulation durch resilienzfördernde Kommunikation und pro-soziale Signale.

Kontext-Gestaltung: Gestalten einer resilienzfreundlichen Umgebung, Erkennen von Wechselwirkungsprozessen zwischen Kontextbedingungen, Selbstausdruck und Potenzialentfaltung. Pro-aktiver Umgang mit konkreten Lernsituationen und Herausforderungen.

Wahl- und Handlungsfähigkeit in der Krise

Ziel des integrativen Resilienz-Coachings ist es, nach und nach die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass der Klient aufgrund eines erweiterten Kompetenzbewusstseins in der Lage ist, seine Kompetenzen auf allen acht Entwicklungsfeldern so weit abzurufen, dass ihm in Krisensituationen ausreichende Wahlfreiheiten zur Verfügung stehen und er handlungsfähig bleibt.

Resilienz in Politik und Forschung

Als Thema hat sich die persönliche und organisationale Resilienz in den vergangenen 20 Jahren aus einer Nische hinaus- und in den großen Berater- und Trainermarkt hineinbewegt. 2016 erschien es im Weißbuch der Bundesregierung, welches Orientierung zu gesellschaftspolitischen Fragen bietet, und hat sich damit in einem strategischen sicherheitspolitischen Dokument etabliert. In ihm wird der „Krisenfestigkeit“ gegenüber heutigen und zukünftigen Gefahren und Bedrohungen eine so hohe Bedeutung beigemessen, dass deren Förderung zu den fünf wichtigsten nationalen Gestaltungsfeldern der deutschen Sicherheitspolitik zählt.

Der persönliche Referent des Präsidenten der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Michael Hanisch, betont in diesem Zusammenhang: „Resilienzbildung ist als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu verstehen, die eines vernetzten Zusammenwirkens von Staat, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft bedarf.“ (Arbeitspapier Sicherheitspolitik der Bundesakademie für Sicherheitspolitik Nr. 16/2017)

Die Forschung beschäftigt sich schon länger, bereits seit den 1950er- Jahren, mit dem Resilienzansatz (Emmy Werner u.a.). Erste Langzeitstudien erlaubten es damals, Phänomene zu beschreiben, die heute unter körperlicher wie auch psychischer Widerstandskraft zusammengefasst werden. Konzentrierte sich die Forschung zunächst auf Kinder, so wurde sie ab den 1990er-Jahren ausgeweitet auf die Resilienz von Erwachsenen wie auch Organisationen. Es lassen sich nach den Forschern Jürgen Bengel und Lisa Lyssenko verschiedene Phasen bzw. Schwerpunkte der Resilienzforschung unterscheiden:

Phasen der Resilienzforschung

Phase 1 galt der Identifizierung von Risiko- und vor allem Schutzfaktoren, die zu einer günstigen Entwicklung beitragen.

Phase 2 beschäftigte sich mit der Frage, wie diese Faktoren ihre protektive Wirkung entfalten.

Phase 3 zeichnet sich heute durch die Entwicklung von Präventionsstrategien und Maßnahmen zur Resilienzförderung aus.

Phase 4 charakterisiert derzeit die Entwicklung von Mehrebenenmodellen der Resilienz, in denen neben psychosozialen Merkmalen auch physiologische und neurobiologische Prozesse sowie Gen-Umwelt-Interaktionen berücksichtigt werden. (Masten 2007, Davydov und Kollegen 2010)

Auch die WHO definierte bereits 1994 zehn zentrale Kernkompetenzen („Core Life-Skills“), die, wenn man genau hinsieht, schon sehr viel Ähnlichkeit mit den in der Resilienzforschung untersuchten Schutzfaktoren ausweisen.

Core Life-Skills nach der WHO

1. Decision Making (Entscheidungsfindung)

2. Problem Solving (Problemlösung)

3. Creative Thinking (Kreatives Denken)

4. Critical Thinking (Kritische Denken)

5. Effective Communication (Wirksame Kommunikation)

6. Interpersonal Relationship Skills (Beziehungsgestaltung)

7. Self-Awareness (Selbstbewusstsein)

8. Empathy (Empathie)

9. Coping with Emotions (Umgang mit Emotionen)

10. Coping with Stress (Umgang mit Stress)

Für den Kontext der beruflichen Qualifizierung beziehen sich Life Skills heute auf alle Lebensbereiche und zielen darauf ab, kognitive, soziale und persönlichkeitsnahe Kompetenzen von Individuen zu fördern. Menschen sollen dabei unterstützt werden, ein gesundes Selbstwertgefühl und Lebensmut zu entwickeln, ihr Leben aktiv und kreativ zu gestalten und schwierige Lebensphasen zu bewältigen. (GIZ 2012, S. 39)

Resilienzmodelle und Ansätze zur Resilienzförderung

Modelle arbeiten mit unterschiedlichen Schutzfaktoren und Resilienzkategorien

Auf der Basis verschiedenster Studienergebnisse wurden zwischen 1990 und 2017 von Wissenschaftlern, Praktikern und auch von Wissenschaftsjournalisten immer wieder Resilienzmodelle aufbereitet, die mit unterschiedlichen Schutzfaktoren oder auch Resilienzkategorien arbeiten. Zum Teil dienen die Modelle lediglich einer strukturierten Darstellung von Schutzfaktoren, zum Teil basieren die Modelle auf diagnostischen Grundlagen und sind mit konkreten Resilienz-Entwicklungsprogrammen verbunden.

Seit 2010 werten Metastudien die bisherigen Forschungsarbeiten zur personalen und organisationalen Resilienz aus. Je nach Blickwinkel und Forschungsansatz werden darin Nachweise für die Relevanz verschiedener Schutzfaktorenkonzepte gesucht und aufbereitet. Viele Fragestellungen zum Phänomen Resilienz und zur Resilienzförderung werden erst jetzt wissenschaftlich untersucht.

In diesem Buch finden Sie am Ende dieses Kapitels und jeweils am Ende der Modell- und Übungsbeschreibungen Verweise auf die entsprechenden Publikationen. Was den Rahmen und das Konzept des Buches sprengen würde, ist eine ausführliche Darstellung übergeordneter Resilienzmodelle und Schutzfaktorenkonzepte, wie z.B. „Die sieben Säulen der Resilienz“ von Micheline Rampe, dem Resilienzmodell von Monika Gruhl, dem „HBT Modell“ von Silvia Wellensiek, dem aktuellen Kompetenzmodell des Penn-Resilience-Programms von Karen Reivich oder dem „Fire-Modell“ von Karsten Drath. Zu all diesen Meta-Modellen, die vornehmlich im deutschsprachigen Raum bislang eine weite Verbreitung gefunden haben, gibt es bereits sehr ausführliche Handbücher und, sofern mit dem Modell verbunden, auch Tool-Sammlungen.

Offenheit für neue Erkenntnisse und Modellansätze

Für Praktiker aus der Fort- und Weiterbildung bedeutet dies, die Vorläufigkeit von Forschungsergebnissen im Auge zu behalten, für neue Erkenntnisse und Modellansätze stets offen zu bleiben, Forschungsprojekte mitzubegleiten und die eigene Arbeit auf eine breite Grundlage zu stellen. Unabhängig davon, mit welchem Resilienzmodell oder Coaching-Ansatz Sie aktuell arbeiten, das Metakonzept des Resilienz-Zirkel-Trainings bietet Ihnen die Möglichkeit, vorhandene Modelle und Übungen systematisch einzuordnen und zu integrieren.

Quellen und Literatur

Metastudie zu Resilienz-Faktoren im Erwachsenenalter: Bengel J., Lyssenko L.: Resilienz und psychologische Schutzfaktoren im Erwachsenenalter BZgA Band 43, 2012.

Metastudie zu Resilienz im Jugendalter: Fröhlich-Gildhoff K., Rönnau-Böse, M.: Resilienz. 4. Aufl. UTB 2015. Mit Konzepten und aktuellen Forschungsergebnissen zur Resilienzprogrammen in Kindertageseinrichtungen und Schulen.

Ansätze zur Interdisziplinären Resilienzforschung: Wink, R. (Hrsg): Multidisziplinäre Perspektiven der Resilienzforschung. Springer 2016. Das Buch bündelt Erkenntnisse aus unterschiedlichen Forschungsdisziplinen zum Verständnis des Begriffs Resilienz und zu Möglichkeiten der Resilienzförderung.

Den aktuellen Stand der Diskussion zum organisationalen Resilienzbegriff finden Sie z.B. bei Hoffmann, G. P.: Organisationale Resilienz. Springer Verlag 2017.

Zu den acht Kompetenz- und Entwicklungsfeldern: Amann, E. G.: RZT® Handbuch für Angewandte Resilienzförderung nach dem Bambus-Prinzip®. ResilienzForum, 2010–2017. Amann G. A.; Zehetner F.: Zur SIZE Prozess® RZT® Resilienz-Kompetenz-Diagnostik für Teams und Organisationen, 2014.

I

Einstieg in das Resilienz-Zirkel®-Training nach dem Bambus-Prinzip®

Der Auftrag, das Ziel- und Entwicklungsbild

Aus meiner Erfahrung macht die Phase der Auftragsklärung mindestens 70–80% des gesamten Coaching- bzw. Trainingsprozesses aus und ist maßgeblich für den Erfolg Ihrer Resilienzmaßnahme. Nehmen Sie sich ausreichend Zeit, um mit Ihren Kunden und Klienten ein gemeinsames Verständnis von Resilienz zu entwickeln und ein für beide Parteien passendes Ziel- und Entwicklungsbild für die Maßnahme zu entwerfen.

Diese vier einfachen Interventionen aus dem integrativen Resilienz-Zirkel-Training können Sie nutzen, um den Klienten mit den acht Kompetenzfeldern vertraut zu machen, die zugleich Lern- und Entwicklungsfelder sind. Als Einstiegsinterventionen stärken sie das Klientensystem als Ganzes und bringen es in einen kraft- und ressourcenvollen Zustand. Auf diese Weise wird es eingestimmt auf das Resilienz-Coaching und die tiefer gehende Bearbeitung einzelner Kompetenzfelder.

Auftragsklärung: Resilienz oder Stressresistenz?

Möchte Ihre Klientin wirklich ihre Resilienz fördern? Oder geht es ihr darum, an ihrer Stressresistenz zu arbeiten? Nutzen Sie die verschiedenen Ansätze und Metaphern zur Widerstandskraft, um im Rahmen der Auftragsklärung den Resilienzbegriff einzuführen, die Entwicklungsziele zu klären und eine solide Grundlage für die Maßnahmenentwicklung zu schaffen.

Resilienz im Spannungsfeld zwischen Agilität und Stabilität

Wie kann Flexibilität und Beweglichkeit die Widerstandskraft erhöhen? Mit der interaktiven Embodiment-Übung „Fels oder Bambus“ lernt der Klient das Bambus-Prinzip® gegenseitiger Stärkung bei gleichzeitiger Entspannung kennen. Die Übung regt die Selbstregulation des Klienten an und erleichtert die Entwicklung neuer Sichtweisen und Lösungsstrategien im Umgang mit belastenden Situationen.

Einführung in die Kompetenzen der Resilienz

Für das integrative Resilienz-Zirkel-Training ist grundlegend, dass über neuronale Integration Neuroplastizität angeregt wird. Das kann etwa durch den Einsatz von Storytelling, Symbolen, Bildern, Worten, durch den gemeinsamen Austausch und Humor geschehen – wie in der Intervention des RZT Resilienz-Bazars®. Der hier vorgestellte Bazar ermöglicht Ihrer Klientin ohne langen Theorie-Input einen kreativen und ressourcenorientierten Einstig in die Arbeit mit den acht Kompetenzfeldern.

Schnell wieder in die Kraft kommen

Resilienzförderung ist ein ganzheitlicher Prozess, bei dem das Denken, Fühlen und auch die Handlungskompetenzen des Klienten gleichermaßen angeregt werden. Unter Berücksichtigung der 6 Ansätze der Resilienzförderung bereiten Sie den Klienten mit der RZT Ressourcen-Dusche® perfekt auf einen intensiveren Coaching-Prozess vor und aktivieren bereits vorhandene Kernkompetenzen, Ressourcen und Kraftquellen.

Auftragsklärung: Resilienz oder Stressresistenz?

Input: Der Resilienzbegriff

Hintergrund

Bevor Sie mit dem Resilienz-Coaching oder -Training starten, steht die Auftragsklärung mit der Kundin bzw. Klientin auf der Agenda. In der Praxis hat es sich als sehr sinnvoll erwiesen, zunächst über das Verständnis von Resilienz zu sprechen.

Daher wird im Folgenden das Klären des Resilienzbegriffs und die Arbeit mit verschiedenen Metaphern der Widerstandskraft vorgestellt. Im Rahmen der Auftragsklärung, zu Beginn eines Resilienz-Coachings oder eines Resilienz-Seminars, können auf diese Weise sowohl ein gemeinsames Resilienzverständnis geschaffen als auch Ziel- und Entwicklungsbilder bestimmt werden.

Anwendungsbereich

Mit der Übung können Sie feststellen, ob Ihre Klientin tatsächlich resiliente Eigenschaften trainieren und fördern möchte und inwieweit ihr eher stressresistente Eigenschaften wichtig sind. In der Konzeption Ihres Trainings können Sie diese Wünsche dann entsprechend berücksichtigen und gegebenenfalls miteinander verbinden.

Einführung in Modell und Übung

Der Resilienzbegriff ist in den vergangenen 20 Jahren neu in den deutschen Sprachgebrauch eingeführt worden. So waren vor 10 Jahren nur sehr wenige Kunden und Klienten mit dem Resilienzbegriff vertraut. Je nach Zielgruppe, mit der Sie arbeiten, ist das auch heute noch der Fall. Andererseits haben viele Auftraggeber und Klienten inzwischen eine klare Vorstellung von dem, was Resilienz für sie bedeutet.

Klienten haben häufig bereits ein Buch über Resilienz gelesen, haben bei Gesprächen Ideen aufgeschnappt, sie haben selbst im Internet recherchiert oder waren vielleicht schon in einer Weiterbildung zum Thema. Dort haben sie gegebenenfalls ein bestimmtes Resilienzkonzept oder Modell kennengelernt, welches vielleicht nicht mit dem Konzept übereinstimmt, mit dem Sie als Anbieter selbst arbeiten. Die Abklärung von Erwartungshaltungen ist daher heute einer der wichtigen ersten Schritte in der Resilienz-Beratung.

Hinzu kommt, dass im Rahmen der Resilienzförderung mit zahlreichen Metaphern gearbeitet wird, welche verschiedene Aspekte der Widerstandskraft eines Menschen umschreiben (vgl. S. 32 f. sowie die Tabelle auf S. 35). Teilweise lehnen sich diese Ziel- oder Strategiebilder im engeren Sinne an den Resilienzbegriff an, teilweise beschreiben sie Kompetenzen, die eher der Stressresistenz zugeordnet werden können. Nun wird Ihre Klientin fragen: Macht das denn einen Unterschied? Am Ende geht es doch um Widerstandskraft! Wie Sie das in Ihrem Coaching erreichen ist doch egal, oder nicht?

Resilienz oder Stressresistenz?

Resilienz und Resistenz basieren auf verschiedenen Strategien

Oberflächlich gesehen geht es bei den verschiedenen Metaphern um das gleiche Interesse, aber nicht um dasselbe Ziel. In allen Fällen geht es darum, Widerstandskraft aufzubauen, um besser mit Krisen, Stress und Belastungen umgehen zu können. Wie Sie im Folgenden sehen werden, wird die Widerstandskraft im Sinne der Resilienz jedoch über eine andere Verhaltensstrategie sichtbar. Geht es bei der Resilienz im Umgang mit Stressoren um Anpassungsfähigkeit, Flexibilität, Beweglichkeit und innere Spannkraft, symbolisieren Metaphern der Stressresistenz Unempfindlichkeit, Standfestigkeit und Unbeweglichkeit.

Nach der gewünschten Strategie konzeptionieren

Beide Strategien machen je nach Kontext Sinn und zeigen ihre Wirkung. Jedoch geht das Erlernen der jeweiligen Strategie mit der Anwendung verschiedener Modelle, Methoden, Haltungen und Einstellungen einher. Geht man in der Phase der Auftragsklärung zu schnell vor, kann es leicht zu Missverständnissen zwischen den Kundenerwartungen und dem Selbstverständnis des Resilienz-Experten kommen. Nutzen Sie daher all die verschiedenen Ansätze und Metaphern im Rahmen der Auftragsklärung und gestalten Sie anschließend das Konzept für Ihr Training. Denn im Zweifelsfalle wünscht sich die Kundin gar kein Resilienz-Training im engeren Sinne, sondern eher ein Stressresistenz-Training. Das können Sie dann bei der Seminarausschreibung ebenso berücksichtigen wie bei der Auswahl der Diagnostik, der Modelle und Interventionen, die Sie in Ihrer Maßnahme zum Einsatz bringen.

Die nachfolgende Sequenz kann sowohl mit einer Klientin als auch in einem Seminar durchgeführt werden und besteht aus drei Teilen. Zunächst sammeln Sie verschiedene Metaphern und Bilder, welche für die Widerstandskraft eines Menschen oder eines Systems stehen. Anschließend stellen Sie den Resilienzbegriff vor und grenzen ihn vom Begriff der Stressresistenz ab. Dabei zeigen Sie die Relevanz für die Auftragsklärung auf. Im dritten Schritt vertiefen Sie das Verständnis für die einzelnen Metaphern und leiten für den Auftragskontext ein tragfähiges Zielbild ab.

Vorgehensweise

Schritt 1: Verschiedene Metaphern für Widerstandskraft

In einem Seminar können Sie die Teilnehmer bitten, sich kurz zu überlegen, welche Bilder, Metaphern, Begriffe oder Vorstellungen ihnen durch den Kopf gehen, wenn sie an Widerstandskraft im Umgang mit Krisen, Stress und Herausforderungen denken. Anschließend sammeln Sie zunächst alle Ideen und Begriffe ein.

Schritt 2: Konkretisieren und Abgrenzen des Resilienzbegriffs

Geben Sie nun eine kurze Einführung in den Resilienzbegriff und arbeiten Sie für Ihre Teilnehmer bzw. Ihre Klientin heraus, was an dem Begriff neu ist. Zeigen Sie anhand von Beispielen, inwieweit Resilienz als ein Synonym für Widerstandskraft eine andere Strategie verfolgt als den Ansatz der Stressresistenz.

Einführung in den Resilienzbegriff

Der Begriff „Resilienz“ ist in den vergangen 20 Jahren aus dem angloamerikanischen zu uns in den deutschen Sprachraum gekommen. Im Englischen ist der Begriff Resilienz im allgemeinen Sprachgebrauch beheimatet und wird mit Elastizität und Spannkraft übersetzt. Er umschreibt im allgemeinen die Fähigkeit, starke seelische Belastungen, ungewöhnliche Entwicklungsrisiken, aber auch erlebte Traumata mit möglichst wenig Schaden zu bewältigen. Im Englischen wird das Phänomen umgangssprachlich mit dem Ausdruck „to bounce back“ umschrieben.

Resilienz im Englischen

Resilience (engl.): Elastizität, Spannkraft

To bounce back: To start to be successful again after a difficult period, for example after experiencing failure, loss of confidence, illness, or unhappiness

Das Wort Resilienz geht ferner zurück auf das lateinische Wort resilire, was so viel bedeutet wie zurückspringen oder abprallen, d.h., das resiliente Objekt ist aufgrund seiner Elastizität und Spannkraft in der Lage, von einem Stressor, der sich ihm entgegenstellt, zurückzuspringen, ähnlich einem Ball, der an eine Wand geworfen wird.

Resilienz im Lateinischen

Resilire (lat.): zurückspringen, abprallen, nicht anhaften

1. Person singular resilio: Ich springe ab, ich perle ab, ich hafte nicht an

Der Resilienzbegriff stammt – ähnlich wie der Stressbegriff – aus der Physik. Er bezeichnet die Fähigkeit eines Werkstoffes, sich verformen zu lassen und dennoch in die ursprüngliche Form zurückzufinden. Ganz allgemein ausgedrückt handelt es sich um die Toleranz eines Systems gegenüber Störungen.

Metaphern helfen bei der begrifflichen Abgrenzung

Nehmen Sie nun eine entsprechende Zuordnung der eingesammelten Metaphern vor und verdeutlichen Sie Ihrer Klientin dabei den Unterschied von Stressresistenz und Resilienz.

Stressresistenz fokussiert auf Unempfindlichkeit

Stressresistenz-Metaphern umschreiben Widerstandskraft als eine zentrale Fähigkeit der Klientin, sich von Stress oder Belastungen gar nicht erst beeindrucken zu lassen und in gewisser Hinsicht unempfindlich zu sein. Unsere Sprache kennt zur Umschreibung dieses Phänomens z.B. den „Fels in der Brandung“, der sich weder vom Sturm noch vom Wasser beeindrucken lässt, welches um ihn tost. Ähnliche Bilder, die Stressresistenz verkörpern, sind der „Leuchtturm auf einem Felsen in der Brandung“, der auch bei Nebel und Sturm eine Orientierung bietet oder die „Standfestigkeit einer Burgmauer“, wie auch die eines „alten dicken Baumes“, den so schnell nichts umhaut. Bei der Stressresistenz stehen in einem positiven Sinne Stabilität, Festigkeit und Unbeweglichkeit bzw. Unerschütterlichkeit im Vordergrund.

Darüber hinaus gibt es viele weitere, beliebte Metaphern, die heute im Zusammenhang mit Widerstandskraft, Stress- oder Krisenmanagement genutzt werden – aber im engeren Sinne keine Resilienzeigenschaften beschreiben. Diese sind z.B. der Lotus-Effekt oder der Phönix aus der Asche. Der Phönix aus der Asche hat Ursprünge im altägyptisch Benu: „Der Wiedergeborene/Der neugeborene Sohn“. Im Lateinischen bezeichnet „Phoenix“ einen mythischen Vogel, der am Ende seines Lebenszyklus verbrennt oder stirbt, um aus dem verwesenden Leib oder aus seiner Asche wieder neu zu erstehen. Die Metapher steht für etwas, das schon verloren geglaubt war, aber in neuem Glanz wiedererscheint. Etwas wieder komplett neu aufzubauen, sich von vorne ganz neu aufstellen zu müssen, ist aber keine resiliente Eigenschaft im engeren Sinne.

Lotusblätter sind flüssigkeitsabweisend, Wasser perlt an ihnen einfach ab. Damit besitzt der Lotus gleichzeitig abweisende Eigenschaften sowie die Fähigkeit, Nährstoffe an- und aufzunehmen. Dinge an sich „abperlen“ lassen zu können, ist keine resiliente Eigenschaft, sondern eine stressresistente. In der Lotus-Metapher oder der Fels-in-der-Brandung-Metapher ist es das Wasser, das resiliente Eigenschaften zeigt, indem es beweglich und anpassungsfähig abperlen oder abprallen kann.

Resilienz fokussiert auf Elastizität und Anpassungsfähigkeit

Bei Resilienz-Metaphern bezieht sich die Widerstandskraft auf die situationselastische Fähigkeit eines Systems, sich aufgrund der inneren Spannkraft, Flexibilität und Beweglichkeit bei einer Belastung verformen zu können, um anschließend wieder in den ursprünglichen Zustand zurückfinden. Beispiele sind die Metaphern der federnden Spirale oder des Stehaufmännchens. Wird die Klientin mit einem Stressor konfrontiert, kann sie sich anpassen, bei einer Belastung mitgehen, mitschwingen und sich anschließend wieder aufrichten, ähnlich wie ein Bambus. Oder sie nutzt die Energie, die bei dem Zusammentreffen mit dem Stressor freigesetzt wird: Sie springt vom Stressor zurück beziehungsweise prallt ab, ohne am Stressor haften zu bleiben, vergleichbar mit einem springenden Ball oder mit Wasser.

Bei der Resilienz stehen also Eigenschaften wie Beweglichkeit, Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, aber auch das „nicht Anhaften“ im Vordergrund.

Konsequenzen für die Auftragsklärung

Ziel dieses Vorgehens ist, die Vielfalt von möglichen Strategien zur Entwicklung von Widerstandskraft zu verdeutlichen. Jeder Ansatz hat seine Berechtigung. All die genannten Metaphern stehen für zentrale Kompetenzen im Zusammenhang mit dem Wunsch nach Gesundheit, dem Umgang mit Stress oder schweren Schicksalsschlägen. Geben Sie jeweils ein konkretes Beispiel dafür, wie sich die verschiedenen Zielbilder und Erwartungshaltungen auf die Auftragsklärung auswirken.

Klient A. hat einen Auftrag mit Schwerpunkt Stressresistenz: „Ich möchte mich an die Arbeit im Großraumbüro gewöhnen und generell unempfindlicher gegenüber Stress werden!“ Im Anti-Stress-Coaching lernt A durch eine Kombination aus Aufmerksamkeits-, Konzentrations- und Entspannungstechniken, Stressoren am Arbeitsplatz weniger wahrzunehmen und sie weniger an sich heranzulassen. Zudem lernt er, sich durch Tools wie einen noise-cancelling-Kopfhörer besser vom Lärm abzuschotten. Vorteil: Er wird persönlich weniger gestört und kann sich besser auf seine Arbeit konzentrieren.

Konsequenz: Er passt sich langfristig an die ihn belastende Arbeitsbedingungen an und verbraucht einen Teil seiner Energie für diesen kontinuierlichen Kompensationsprozess. Er ist zudem nicht mehr so gut in der Lage, potenzielle Krisenpotenziale (z.B. schwelende Konflikte, Lärm, Unruhe, Ablenkungen) in der Teamarbeit wahrzunehmen und diese gegebenenfalls aktiv abzustellen und damit potenziellen Krisen frühzeitig entgegenzuwirken.

Klient B. hat einen Auftrag mit Schwerpunkt Resilienz: „Ich möchte mich auf die jeweiligen Erfordernisse einer Stressbelastung besser anpassen und langfristig für mich angemessen darauf reagieren können.“ Im Resilienz-Coaching lernt B., Stresspotenziale frühzeitig zu erkennen (wie z.B Überlastungen, innerer Druck, Anspannung, eigenes Fehlverhalten, Lärm, schlechtes Arbeitsklima) und sein Verhalten, wenn erforderlich, vorübergehend anzupassen. Das kann bedeuten, dass er Stressoren wie Lärm wahrnimmt und dass er diesen, ebenso wie A., ebenfalls ab und an mithilfe eines noise-cancelling Kopfhörers abfängt. Er macht sich aber nicht generell unempfindlich gegenüber Lärm und Störungen. Vielmehr wird er seine Energie dafür einsetzen, dass die Lärmbelastung im Büro generell reduziert wird oder, wenn das nicht geht, er langfristig in einem ruhigeren Büro arbeiten kann. B. lernt sich vorübergehend an die äußeren Bedingungen anzupassen, verfolgt langfristig aber die Strategie, dass sich die Umgebung an seine Bedürfnisse anpasst.

Konsequenz: Das kann bedeuten, dass B., sofern er auf die Stressoren keinen Einfluss nehmen kann, im wahrsten Sinne des Wortes abspringt. Für ein Unternehmen bedeutet das, dass der Klient gegebenenfalls bereit ist, zu einem anderen Unternehmen zu wechseln, bei dem er bessere Arbeitsbedingungen vorfindet.

Beide Aufträge machen auf Ihre Art Sinn. Beide Aufträge können in einem Coaching bearbeitet werden. Doch nur der zweite Auftrag würde in den Kontext eines Resilienz-Coachings im engeren Sinne gehören.

Schritt 3: Entwickeln eines Zielbildes für den Auftrag

Nutzen Sie nun die nachfolgende Tabelle und gehen Sie mit Ihrer Klientin bzw. den Seminarteilnehmern die einzelnen Begriffe und Ansätze durch. Diskutieren Sie die verschiedenen Ideen, die hinter den Metaphern stecken. Halten Sie die Ideen als Stichworte in der Tabelle fest. Fragen Sie dann, in welchem Kontext sich welche Strategie für die Klientin als nützlich erweisen könnte und inwieweit sich ihre Erwartungshaltungen an das Coaching oder Training darin ausdrücken. Tragen Sie auch diese Aspekte in die Tabelle ein. Gibt es Metaphern die für sie noch fehlen? Bitte ergänzen Sie die Zeichnung und die Tabelle entsprechend!

Metaphern, die sich aus dem Resilienzbegriff ableiten

Modell/Metapher

Die dahinterliegende Idee

In welchem Kontext für mich nützlich?

Meine Erwartung

Die Spirale

Mich flexibel in viele Richtungen strecken und anpassen können. Nach einer Belastung wieder zurückfedern und in meine alte Form finden …

Wenn viele Anforderungen auf mich zukommen, wenn viele Menschen zu gleicher Zeit etwas von mir wollen …

Multitasking kann ich schon gut, ich möchte lernen, mich besser auf eine Sache konzentrieren zu können.

Ein springender Ball

An harten Gegenständen oder Oberflächen, die mir entgegenkommen, abprallen, einfach weiterspringen und keinen Schaden nehmen …

Wenn etwas überraschend auftaucht, womit ich vielleicht nicht gerechnet habe …

Diese Eigenschaft möchte ich hinzulernen. Manchmal beiße ich mich an Problemen im Job förmlich fest, anstatt sie loszulassen.

Der Bambus

Mit dem Wind gehen, anstatt mich gegen ihn zu stemmen. Gut verwurzelt sein. Enge Verbundenheit mit anderen. Mich aus eigener Kraft wiederaufrichten. Innere Stärke verbunden mit äußerer Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.

Nützlich, um im Umgang mit den Stürmen des Alltags immer bereit zu sein, auf Unvorhergesehenes zu reagieren (z.B. muss ich ständig auf neue Mails und Aufgaben reagieren). Dabei präsent, aufmerksam und immer flexibel zu bleiben, ist eine Herausforderung.

Ich wünsche mir für mich mehr Offenheit und Flexibilität – vor allem im Umgang mit anderen Meinungen oder Vorgehensweisen. Ich möchte mehr in Resonanz mit anderen gehen können.

Das Stehauf-Männchen

Mich automatisch wiederaufrichten, nachdem mich etwas belastet hat. Belastungen kommen von außen. Jemand stößt mich von außen an. Ich muss immer gleich funktionieren.

Aus der Perspektive meiner Firma ist die Eigenschaft nützlich. Das macht mich pflegeleicht, wenn ich so bin.

Mache ich schon dauernd. Davon will ich eher weg. Ich möchte eher in der Lage sein, nicht mehr so automatisiert zu handeln.

Weitere beliebte Metaphern, u.a. aus dem Bereich der Stressresistenz

Modell/Metapher

Die dahinterliegende Idee

In welchem Kontext für mich nützlich?

Meine Erwartung

Der Fels in der Brandung

Ich lasse mich von nichts beeinflussen, lasse nichts an mich heran. Zeige mich unbeeindruckt. Die Dinge und Stürme des Lebens gehen spurlos an mir vorbei. Keine Beweglichkeit. Starrheit. Stärke.

Eigentlich sollte ich jeden Tag so sein! Absolute Stressresistenz zeigen: für das Team immer da sein, mich nicht von Kunden unter Druck setzen und mir den Stress nicht anmerken lassen.

Diese Haltung erschöpft mich schon genug. Davon will ich eher weniger in meinem Leben. Ich will auch einmal zugeben können, dass mich etwas belastet und ich eine Auszeit brauche.

Der Lotus-Effekt

Die Dinge perlen an mir ab. Ich kann zart sein und unberührbar zugleich. Ich bin pflegeleicht.

Nützlich, wenn der Stress sehr groß ist. Auch in der Hektik bei mir bleiben, Momente der Konzentration und der inneren Ruhe finden.

Das kann ich ab und zu gut gebrauchen und möchte ich dazulernen. Vielleicht unterstützt mich eine Meditationstechnik.

Der Phönix aus der Asche

Auch aus schweren Krisen kann ich wie neugeboren hervorgehen.

Wäre nützlich, wenn ich in meinem Leben völlig mit einem Thema gescheitert wäre und mich dadurch völlig neu aufstellen müsste, z.B. nach einem Konkurs oder einer sehr schweren Krankheit. Ist mir zum Glück aber noch nicht passiert.

Ein Bild welches mir Hoffnung gibt. Für den Fall, dass ich einmal eine Krise nicht mehr so abwenden kann, wie es mir derzeit immer wieder gelingt.

Stark wie ein Baum

Das Sowohl-als-auch-Prinzip in der Auftragsklärung

Im Rahmen der Auftragsklärung geht es also nicht darum, dass Sie sich zwingend auf eine Metapher oder auf ein Modell einigen, sondern sich nach dem Sowohl-als-auch-Prinzip Anregungen für Ihr Resilienz-Coaching aus verschiedenen Bildern holen. Oft kommen Führungskräfte ins Coaching und haben z.B. im Hinblick auf die persönliche Resilienz zu Beginn nur ein spezifisches Bild im Kopf („Ich muss den Stress nur besser aushalten können!“). Bespricht man dann die weiteren Bilder und Metaphern, schafft dies neue Wahlfreiheiten, einen spannenden Diskussionsrahmen und ein realistischeres Bild über das Verständnis von Resilienz im Vergleich zur Stressresistenz.

Weiterführende Ideen und Variationen

Die Erwartungshaltungen können sich im Verlauf eines Coachings verändern, etwa aufgrund eines konkreten Ereignisses oder während der Durchführung einer Maßnahme. Nehmen Sie die Tabelle also immer wieder einmal zur Hand und überprüfen Sie mit der Kundin bzw. Klientin, ob Sie noch auf dem richtigen Weg sind oder ob sich das Zielbild im Verlauf des Coachings verändert hat.

Der Resilienzbegriff wird nicht nur in der Psychologie und Entwicklungspsychologie, sondern in sehr vielen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen genutzt. Wenn Sie als Resilienz-Berater und Trainer im Business-Kontext arbeiten, ist es von Vorteil, wenn Sie die breite Diskussion, die es heute um den Resilienzbegriff gibt, aufgreifen und verschiedene Definitionen für Ihre spezifische Zielgruppe bereithalten können.

Liste zu Resilienzdefinitionen als Download

Eine umfassende Liste mit 12 weiteren Resilienzdefinitionen gibt es im Download-Bereich.