6,99 €
Nach dem Tod der intriganten Katzenwandlerin Catherine Cougar kehrt langsam Frieden in New York ein. Das lässt Rachel genug Zeit, um sich in die Hochzeitsvorbereitungen von ihrem Bruder, dem Alpha der New Yorker Wölfe, zu stürzen. Doch dann wittert sie einen unwiderstehlichen Geruch, dem sie sich nicht entziehen kann. Er stammt geradewegs von Joshua - Katherines Sohn. Als er sie dann auch noch in seine Flucht verwickelt, muss Rachel notgedrungen mit ihm zusammenarbeiten. Schon bald kann sie die Anziehung zwischen ihnen kaum noch leugnen. Dabei hat sie genug Gründe, ihn abgrundtief zu hassen ...
»Midnight Shadows - Die Macht« der Wölfe ist Band 5 und damit der Abschlussband der mitreißenden Paranormal-Romance-Reihe Shapeshifters of New York.
ebooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 370
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Über die Autorin
Weitere Titel der Autorin
Impressum
Liebe Leserin, lieber Leser,
herzlichen Dank, dass du dich für ein Buch von beHEARTBEAT entschieden hast. Die Bücher in unserem Programm haben wir mit viel Liebe ausgewählt und mit Leidenschaft lektoriert. Denn wir möchten, dass du bei jedem beHEARTBEAT-Buch dieses unbeschreibliche Herzklopfen verspürst.
Wir freuen uns, wenn du Teil der beHEARTBEAT-Community werden möchtest und deine Liebe fürs Lesen mit uns und anderen Leserinnen und Lesern teilst. Du findest uns unter be-heartbeat.de oder auf Instagram und Facebook.
Du möchtest nie wieder neue Bücher aus unserem Programm, Gewinnspiele und Preis-Aktionen verpassen? Dann melde dich für unseren kostenlosen Newsletter an: be-heartbeat.de/newsletter
Viel Freude beim Lesen und Verlieben!
Dein beHEARTBEAT-Team
Melde dich hier für unseren Newsletter an:
Nach dem Tod der intriganten Katzenwandlerin Catherine Cougar kehrt langsam Frieden in New York ein. Das lässt Rachel genug Zeit, um sich in die Hochzeitsvorbereitungen von ihrem Bruder, dem Alpha der New Yorker Wölfe, zu stürzen. Doch dann wittert sie einen unwiderstehlichen Geruch, dem sie sich nicht entziehen kann. Er stammt geradewegs von Joshua – Katherines Sohn. Als er sie dann auch noch in seine Flucht verwickelt, muss Rachel notgedrungen mit ihm zusammenarbeiten. Schon bald kann sie die Anziehung zwischen ihnen kaum noch leugnen. Dabei hat sie genug Gründe, ihn abgrundtief zu hassen …
Sara Hill
MidnightShadows
Die Macht der Wölfe
Shapeshifters of New York
Ich schritt neben Jen durch die Flure des Krankenhauses, das zur Leon Corporation gehörte. Jens Sneaker quietschten bei jedem zweiten Schritt, wir spiegelten uns im polierten Linoleumboden.
Ich hatte mich für ein luftiges Sommerkleid entschieden, denn heute war es unglaublich warm. Nur wenig Personal begegnete uns. Der Geruch von Desinfektionsmittel stieg mir in die Nase. Es war eigentlich ein Krankenhaus wie jedes andere. Eigentlich. Gäbe es nicht das letzte Stockwerk. Zu diesem hatte nur autorisiertes Personal Zugang, das ausschließlich aus Wandlern bestand. Denn dieser Teil des Krankenhauses war eine Klinik und Forschungseinrichtung für Wandler.
Obwohl Jen ein Mensch war, gehörte sie ebenfalls zu diesem autorisierten Personenkreis. Als Gefährtin des Betas der New Yorker Katzenwandler brauchte sie keinen Besucherausweis oder gar eine Zugangserlaubnis.
Wir waren hierhergekommen, weil Renee, Jens Schwester, hier oben lag. Renee trug wie Jen inaktive Wolfgange in sich, die sie vor Generationen von irgendeinem Vorfahren geerbt hatte. Sie waren von Jade während eines widerlichen Experiments aktiviert worden. Daraufhin hatte Renee sich in eine Wölfin verwandelt, war aber nicht mehr in der Lage gewesen, wieder ihre menschliche Gestalt anzunehmen. Das Tier in ihr hatte die Oberhand gewonnen.
Es ist schon für geborene Wandler nicht immer leicht, das Tier zu kontrollieren, und in Renees Fall war es noch komplizierter. So viel wusste ich.
Ich begleitete Jen heute zum ersten Mal ins Krankenhaus. Auch wenn wir Wölfe mit den Katzen hier in New York Frieden geschlossen hatten und mein Bruder die Schwester ihres Alphas heiraten würde, war es doch irgendwie merkwürdig, unter so viel Katzen zu sein.
»Da sind wir«, sagte Jen und blieb vor einer Tür stehen. »Ich will Renee nur Hallo sagen, dann kümmern wir uns um die Blumenwegs für die Hochzeit.« Ihr Blick begegnete meinem.
»Wie geht es ihr im Moment?«, fragte ich.
»Sie ist zwar wieder Mensch, kann aber trotz des Gegenmittels den Zustand noch nicht wirklich aufrechterhalten. Daher haben sie die Ärzte ins Koma versetzt – wie Steven. Sie meinten, dass es noch einiges an Dosen brauche, bis sie dazu in der Lage sei«, erwiderte Jen. Tränen schimmerten in ihren Augen.
»Sie wird es schaffen. Ganz bestimmt. Deine Schwester ist eine Kämpferin wie du«, erwiderte ich und legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter.
Jen nickte knapp, holte tief Luft und öffnete die Tür, um einzutreten. Dabei fiel mein Blick auf Renee. Sie lag in ihrer menschlichen Gestalt in einem Krankenbett und war an mehrere Geräte angeschlossen. Das gleichmäßige Piepen des Monitors kündete von einem starken Herzschlag. Doch auch wenn sie nicht an das Überwachungsgerät angeschlossen gewesen wäre, hätte ich dies hören können, da ich ein außerordentlich empfindliches Gehör besaß, wie alle Wandler.
Jen betrat langsam das Zimmer, mit jedem Schritt verdoppelte sich ihr Herzschlag. Sie schien offensichtlich sehr aufgewühlt zu sein. Außerdem war auch mein Geruchssinn erheblich feiner als der von Menschen. Daher nahm ich etwas wahr, das Jen mit Sicherheit nicht roch. Renees Aroma war überwiegend menschlich, was bedeutete, dass von der Wandlerin nur noch wenig vorhanden war.
»Jen«, sagte ich leise, und sie drehte sich zu mir. »Es wird nicht mehr lange dauern, bis sie es schafft. Darauf kann ich mich verlassen.« Ich deutete auf meine Nase und ein Lächeln huschte über Jens Gesicht. »Ich werde euch beiden jetzt ein bisschen Ruhe gönnen.«
Ich schloss sachte die Tür, überquerte den Gang und blickte aus dem bodentiefen Fenster auf den Parkplatz des Krankenhauses, bis ein zartes Aroma meine Nasenwände hochkroch und mich elektrisierte. Wandler erkannten die für sie bestimmten Gefährten am Geruch. Bisher wusste ich nur aus Schilderungen anderer, wie sich das anfühlte. War dies der Geruch meines Seelenverwandten? Mir war das noch nie widerfahren. Nein, das stimmte nicht, dieses elektrisierende Gefühl war einmal in mir aufgekommen. Als ich dabei geholfen hatte, Jen aus Katherines Gewalt zu befreien. Doch der Geruch war damals so schnell verflogen, dass ich keine Chance gehabt hatte, den Mann zu identifizieren, dessen Aroma mich dermaßen ansprach. Außerdem war es meine Aufgabe gewesen, Jen in Sicherheit zu bringen, und so hatte ich meinen Trieben nicht folgen können. Ein paar Tage später war ich zu dem Wolfsstamm zurückgekehrt, der mich bei Jens Rettung unterstützt hatte, um ebendiesen Mann zu finden. Aber keiner unter den ansässigen Wölfen hatte diesen Duft verströmt. Es war auch nur ein Hauch gewesen, kaum wahrnehmbar, und ich war zu dem Schluss gekommen, dass mir meine Sinne einen Streich gespielt hatten.
Mein Zwillingsbruder Aaron hatte in Liv seine Seelengefährtin gefunden. Durch unsere besondere Verbindung bekam ich von dem vollkommenen Glück, das er empfand, etwas mit. Ein kleiner Teil in mir war eifersüchtig auf ihn, denn ich wollte dieses Glück selbst spüren. Und ausgerechnet hier, an einem Ort, an dem ich am wenigsten gedacht hätte, einen Seelengefährten zu finden, umschmeichelte dieses verführerische Aroma nun meine Nase. Wie konnte das sein? Zur Hölle, dieses Mal wollte ich wissen, zu wem es gehörte. Also folgte ich ihm. Es war nicht einfach, denn das Desinfektionsmittel, das sie hier benutzten, überdeckte vieles. Mit Sicherheit war es ein sehr spezielles, das feine Wandlernasen vor zu vielen Aromen schützen sollte. Aber ich ließ mich nicht aufhalten, pirschte durch den Gang, bog dann ab.
Eine Tür würde geöffnet und mit Blake, dem Arzt, der die Einrichtung leitete, strömte dieser betörende Duft heraus, der dafür sorgte, dass sich mir sämtliche Härchen aufstellten. Neben der Tür stand ein bewaffneter Wachmann – ein Katzenwandler. Außerdem war eine Art Codeschloss angebracht – was mich stutzen ließ.
»Hallo, Rachel, was führt dich hierher? Du dürftest keinen Termin bei mir haben, erst wieder in zwei Monaten. Oder ist etwas nicht in Ordnung?« Blake kam mir entgegen und blieb vor mir stehen.
»Nein, die Verhütungsspritze, die du mir gegeben hast, funktioniert wirklich bestens. Bei menschlichen Männern und Wolfswandlern. Ich bin mit Jen hier. Sie wollte nach ihrer Schwester sehen, bevor wir auf den Blumenmarkt gehen. Denn Liv kann sich nicht selbst darum kümmern, da es ihr aufgrund der Schwangerschaft im Moment bei zu starken Gerüchen total übel wird. Einer der Gründe, warum ich lieber verhüte. Auch wenn ich speziesübergreifend noch keine Erfahrung gemacht habe.« Ich musterte Blake. Dieser Kater war wirklich attraktiv und dazu ein erfolgreicher Arzt. Wie alle Katzenwandler besaß er blondes Haar, und seine Iriden zeigten eine Variation von Gold. Die Augen von uns Wölfen hingegen waren blau, in vielen Schattierungen, und unser Haar war tiefschwarz. Einer der auffälligsten Unterschiede zwischen Katzen und Wolfswandlern in unserer menschlichen Gestalt.
»Speziesübergreifend solltest du mal in Erwägung ziehen.« Ein charmantes Grinsen umspielte seine Lippen und er fuhr sich durch sein kurzes Haar. »Wie läuft die Hochzeit so? Jen und du … ihr seid doch die Chefbrautjungfern.«
»Ja, und in dieser Funktion müssen wir Liv alle unangenehmen Aufgaben abnehmen.« Ich erwiderte sein Grinsen. »Sag mal, wer liegt in diesem Zimmer?«, wollte ich wissen. Mein Blick glitt kurz zu dem Katzenwachmann, dann zu Blake zurück.
»Joshua, Katherines Sohn«, erwiderte der Arzt, und ich hatte das Gefühl, ein Blitz hätte mich getroffen. Der Geruch, der mich ansprach, war eindeutig mit Blake aus diesem Zimmer gekommen. Das durfte doch nicht wahr sein? Wollte sich da jemand über mich lustig machen? Dieser Mann hasste uns Wölfe über die Maßen, hatte seiner Mutter und der obskuren Organisation, für die sie beide arbeiteten, sogar dabei geholfen, unsere Vernichtung einzuleiten.
Ich schluckte schwer, mein Mund war plötzlich staubtrocken.
»Du bist auf einmal so bleich. Geht es dir gut?«, fragte Blake und ich suchte seinen Blick.
»Darf ich zu ihm?«, fragte ich aus einem Impuls heraus. Worauf mein Gegenüber die Stirn runzelte.
»Warum?«, fragte er.
»Weil ich dem Mann, der uns Wölfe vernichten will, ins Gesicht schauen möchte. Der Mann, der meine Freundin Jen als Geisel festgehalten hat und in dem Eve trotz allem ihren kleinen Bruder sieht.«
»Nur wenige haben zu ihm Zutritt. Nicht mal mein Personal.«
»Bitte, nur ein paar Minuten«, drängte ich.
»Hm … na gut. Du gehörst ja jetzt zu Steves Familie. Da kann ich wohl eine Ausnahme machen«, erwiderte Blake und drehte sich um. Er steuerte auf den Wachmann zu und ich folgte ihm.
»Das ist Aarons Schwester. Sie darf für einen Moment rein«, sagte er zu dem Katzenwandler, der nur nickte und einen Code ins Display eingab. Kurz danach sprang die Tür auf. Blake öffnete sie für mich und ich trat ein. Joshuas Geruch umhüllte mich, brachte die Wölfin in mir zum Heulen, denn sie erkannte in ihm ihren Gefährten, und ich erschauderte. Wie konnte ein Mann, der uns Wölfe so sehr hasste, mein Seelengefährte sein?
»Wir haben ihn wie Jens Schwester ins Koma gelegt. Das Gegenmittel tut zwar seinen Dienst, sonst wäre er noch immer in seiner Katzengestalt, aber nicht so effektiv, wie wir gehofft hatten. Bei anderen Wandlern wirkte es wesentlich besser. Ich weiß nicht, womit genau die in Los Angeles seinen Zustand ausgelöst haben. Doch ich denke, es war potenter als das Zeug, das sie bisher benutzt haben. Das bereitet mir sehr große Sorgen, denn es bedeutet, dass sie weiter an dem Gift herumforschen und unser Gegenmittel irgendwann nutzlos ist. Wie dem auch sei, es ist mehr als fraglich, ob wir Katherines Sohn überhaupt zurückholen können«, erklärte Blake, während ich Joshua betrachtete.
Sein goldblondes Haar reichte ihm bis zu den Schultern. Er hatte etwas von einem Surferboy. Ich konnte mir direkt bildlich vorstellen, wie er an kalifornischen Stränden mit seinem Surfbrett die Wellen jagte. Doch er war kein Surfer, sondern Katherines Sohn, und er hatte schlimme Dinge getan. Warum also spielte mir das verfluchte Schicksal so einen unbarmherzigen Streich?
Ich trat näher ans Bett. Er wirkte so friedlich und gar nicht böse.
»Kann ich mit ihm etwas allein sein?«, fragte ich, ohne den Blick von Joshua zu nehmen, und Blake antwortete mit einem Räuspern.
Ich sah ihn an. »Ich werde ihm kein Härchen krümmen. Es liegt nicht in unserer Wolfsnatur, wehrlose Wandler anzugreifen«, sagte ich, um die Bedenken zu zerstreuen, die ich in seinen Augen sah, und er nickte.
»Gut, ein paar Minuten. Wenn du raus möchtest, drück auf dem Display neben der Tür den Rufknopf.«
Er verließ den Raum, während ich mich wieder Joshua zuwandte. Nachdem die Tür geschlossen war, vernahm ich nur das Piepen des Überwachungsmonitors, Joshuas gleichmäßiges Atmen und das Schlagen meines Herzens. Offensichtlich war die Tür auch für Wandlerohren schalldicht. Mit einem tiefen Seufzer trat ich an das Fußteil seines Bettes. Was machte ich hier, zum Teufel? Er war der Feind. Ein unglaublich attraktiver Feind, schoss es mir durch den Kopf, und meine Wangen wurden ganz heiß. Wie konnte ich so was nur denken? Seine Schwester Jade hatte Aaron das gleiche Zeug gespritzt, unter dem Joshua jetzt litt, und ihn zu einem wilden Tier gemacht. Dann hatte sie Aaron Liv zum Fraß vorwerfen wollen. Er hätte seine eigene Seelengefährtin zerfleischen sollen. Wie abartig war das? Auch ich wäre beinahe zum Opfer dieser Verrückten geworden.
Mein Blick glitt über Joshuas ebenmäßiges Gesicht, blieb an seinen schön geschwungenen Lippen hängen, und ich fragte mich, wie sie sich anfühlen würden, um mich kurz darauf am liebsten selbst für diesen Gedanken zu ohrfeigen.
Was war nur mit mir los? Als würde mich eine unsichtbare Macht lenken, schritt ich um das Bett herum und blieb daneben stehen. Im Gegensatz zu Livs Schwester benötigte Joshua keine lebenserhaltenden Geräte, nur einen Monitor zur Überwachung, der gleichmäßig piepte. Die Selbstheilungskräfte, die jeder ausgewachsene Wandler besaß, sorgten dafür, dass sein Körper trotz des komatösen Zustands funktionierte.
An einem Metallständer hing ein Infusionsbeutel mit klarem Inhalt, der dünne Schlauch führte zu der Nadel in Joshuas Arm. Er sah aus, als würde er nur schlafen. Ich streckte die Hand aus, meine Finger schwebten über seinen Lippen, und ich spürte ihre Wärme. Doch dann zog ich sie hastig zurück, als hätte ich mich verbrannt.
In ein paar Schritten war ich bei der Tür und drückte den Rufknopf.
Einen Augenblick später sagte eine männliche Stimme: »Ja?«
»Lass mich hier raus«, erwiderte ich panisch und die Tür wurde geöffnet.
Ohne den Wachmann zu beachten, flüchtete ich aus dem Zimmer, hastete den Gang entlang und lief direkt in Jens Arme.
»Blake hat mir gesagt, wo du bist. Warum wolltest du Joshua, diesen Arsch, sehen?« Sie verzog das Gesicht, denn sie hatte an Katherines Sohn nicht die besten Erinnerungen. Er war ihr Gefängniswärter gewesen, als Katherine sie entführt hatte. Jen schob mich etwas von sich. »Du siehst aus, als hättest du einen Geist gesehen. Was ist passiert?«, fragte sie besorgt.
»Nichts, lass uns Blumen für die Hochzeit aussuchen«, erwiderte ich und steuerte den Aufzug an. Die Anziehung, die der Kater auf mich ausübte, war ein verdammter Albtraum, der sicher verfliegen würde, wenn ich genug Abstand zwischen ihn und mich brachte.
Wir standen in einem Laden auf der 28th zwischen Regalen voller Blumen. Es roch nach Rosen, Lilien und vielem mehr. Für meine Nase war das ein bunter Strauß aus unzähligen, oftmals penetranten Gerüchen. Es war verständlich, dass Liv in ihrem Zustand so einen Laden nicht betreten konnte. Die verschiedenen Blumen lagen sortiert nach Art und Farbe auf den Regalen, mit den Köpfen nach vorn, sodass es wie eine Wand aus Rosen, Chrysanthemen oder Nelken wirkte. Am anderen Ende des Ladens, vor dem großen Schaufenster, standen Kübel mit verschiedenen Gräsern, Blättern und dergleichen, die zur Unterstützung der Blumenarrangements dienten. Jen wandte sich den Nelken zu, während in meinem Kopf die Gedanken kreisten. Noch immer konnte ich es nicht fassen, zu wem mich meine Nase geführt hatte. Schon wenn ich an Joshua dachte, beschleunigte sich mein Puls, und in meinem Magen begann es zu kribbeln. Verdammt, das war Katherines Sohn. War ich verrückt? Wie konnte dieser Mann mein Herz dazu bringen, schneller zu schlagen?
»Erde an Rachel. Wo bist du im Moment?«, holten mich Jens Worte ins Hier und Jetzt zurück.
Ich verdrängte den Kater und versuchte, mich auf sie zu konzentrieren, auch wenn mir das nicht leichtfiel.
»Was hältst du von Chrysanthemen? Die riechen fast gar nicht und haben so was Bodenständiges. Ich finde, bodenständig passt besser zu Liv als abgehoben.« Jen betrachtete die Chrysanthemen-Wand. »Auf der anderen Seite ist es eine Hochzeit, da sollte es doch eher edel sein«, überlegte Jen und wandte sich wieder mir zu.
»Vielleicht hat Ethan ja recht und wir sollten für die Blumenauswahl einen Wedding Planer hinzuziehen«, schlug ich vor und zwischen Jens Brauen bildete sich eine kleine Falte. Sie schien von dem Vorschlag wenig begeistert zu sein.
»Ich meine, die Leon Corporation kann sich den doch leisten«, fügte ich mit einem schiefen Grinsen hinzu.
»Wir schaffen das. Gehen wir in diesen holländischen Blumenladen.« Sie packte mich energisch am Arm und zog mich hinter sich aus dem Geschäft.
Ein paar Stunden später saß ich nach einem Vormittag voller Blumen im Büro der Autowerkstatt, die wir Wölfe betrieben. Mein Reich würde ich als geordnetes Chaos beschreiben. In den Regalen um mich herum lagen besonders wertvolle Ersatzteile. Wir kümmerten uns um vernachlässigte Motorräder, machten aus normalen Fahrzeugen Luxuskarossen der besonderen Art oder restaurierten Oldtimer. Durch das Fenster in der Wand konnte ich in die Werkstatt sehen, in der rege Betriebsamkeit herrschte. Es wurde geschweißt, geschraubt und gehämmert. Nachdenklich beugte ich mich nach vorn und legte meine Hände auf den Schreibtisch. Kane begutachtete gerade den Motor eines ziemlich rostigen Chryslers. Unser Beta hatte in Scarlett, ihres Zeichens Katzenwandlerin und Sicherheitschefin von Leon, seine Seelengefährtin gefunden. Ausgerechnet Kane, der Katzen bis auf das Blut gehasst hatte. Es war noch immer schwer zu glauben, doch so war es eben.
Kane nahm Nick, der sich bis eben noch Notizen gemacht hatte, das Klemmbrett ab und steuerte auf mich zu. Wenig später öffnete er die Tür meines Büros und ich straffte mich.
»Was kann ich für dich tun?«
»Für den Chrysler brauchen wir ein paar Ersatzteile, die wir nicht auf Lager haben. Könntest du sie bestellen?« Er legte das Klemmbrett vor mich, und ich warf einen kurzen Blick auf die lange Liste, dann sah ich wieder zu Kane.
»Das ist ganz schön viel Zeug. Rentiert sich das überhaupt, so viel Geld in die rostige Kiste zu stecken?«
»Was für eine Frage. Das ist ein Klassiker. Aus dem mach ich ein geniales Muscle Car«, verkündete Kane im Brustton der Überzeugung.
»Ich kümmere mich darum.« Damit nahm ich das Klemmbrett und legte es neben den Laptop.
»Danke dir.« Kane wandte sich zum Gehen.
»Hättest du ein paar Minuten Zeit?«, fragte ich hastig, mein Herz schlug bis zum Hals, denn ich war mir nicht sicher, ob ich dieses Gespräch wirklich mit ihm führen sollte.
»Was ist los?« Er hob die dunklen Brauen.
»Könntest du die Tür schließen?«
»Oh, oh, willst du mich feuern?« Er grinste.
Natürlich konnte ich unseren Beta nicht feuern.
»Jetzt red keinen Blödsinn und mach die Tür zu«, erwiderte ich barsch und er schloss sie, dann nahm er auf dem Stuhl vor meinem Schreibtisch Platz.
»Worum geht’s?« Er strich sich eine Haarsträhne zurück, die sich aus seinem Zopf gelöst hatte, und ich spielte etwas verlegen mit meinem Haar.
»Vielleicht ist meine Frage zu intim …«, begann ich.
»Jetzt machst du mich aber neugierig.« Er beugte sich lauernd nach vorn. Mein Blick blieb an der Narbe hängen, die sich quer über sein Auge zog und ihm von dem Katzenwandler verpasst worden war, der seinen Vater getötet hatte.
»Wie war das mit dir und Scarlett? Du hast Katzen seit der Sache mit deinem Dad abgrundtief gehasst und jetzt …« Ich verstummte. Vielleicht hätte ich das doch nicht sagen sollen. Zuerst wirkte Kane, als wäre er wenig erfreut, dass ich dieses Thema eröffnet hatte, doch dann umspielte ein Lächeln seine Lippen.
»Es ist wirklich unglaublich, oder? Als meine Nase mir sagte, sie sei die Richtige, dachte ich, ich hätte nicht mehr alles Tassen im Schrank. Verdammt, sie war eine Katze und dazu eine äußerst kratzbürstige. Doch je besser ich sie kennenlernte und umso näher ich ihr kam, desto überzeugter wurde ich davon, dass sich meine Nase nicht geirrt hatte«, erklärte er.
»Sie macht dich glücklich«, stellte ich fest und aus seinem Lächeln wurde ein Grinsen.
»Verdammt glücklich. Wir sind eben ein Ganzes. Sie würde für mich sterben und ich für sie. Noch niemals zuvor hatte ich zu einer Frau eine solch enge Verbindung, und hier spielt es keine Rolle, dass sie eine Katze ist.« Er deutete auf sein Herz.
»War es nicht schwer, deinen Hass zu überwinden und dir einzugestehen, dass deine Nase richtig liegt?«, hakte ich nach.
»Verflucht schwer«, gestand er, dann musterte er mich. »Wieso interessiert dich das?«
»Hat mich nur beschäftigt«, erwiderte ich schnell.
»Gibt es da vielleicht jemanden?« Er hob die Augenbrauen und ich schluckte schwer.
»Nein, niemanden. Ich war nur neugierig, das ist alles«, gab ich hastig zurück und versuchte, meinen Puls in den Griff zu kriegen. Denn Kane besaß das gleiche empfindliche Gehör wie ich, er würde mitbekommen, dass ich aufgeregt war.
»Okay«, sagte er langsam, dann erhob er sich. »Du kannst jederzeit mit mir reden. Das weißt du?«
»Klar.« Ich nahm das Klemmbrett und gab vor, die Liste zu lesen.
»Ich werde dann weitermachen.« Damit verließ Kane das Büro und ich warf das Klemmbrett auf den Tisch. Mein Herz sprang förmlich gegen den Brustkorb. Kane hatte seinen Hass überwunden. War Joshua dazu auch imstande? Ach, zum Teufel, was dachte ich da schon wieder? Es war egal, ob er sich zu ändern vermochte, denn er war der Feind. Es ist daher fraglich, ob wir ihn überhaupt zurückholen können, hallten Blakes Worte in meinem Kopf wider. Ich sank in mich zusammen und seufzte. Die Frage, ob Joshua seinen Hass überwinden konnte, stellte sich doch gar nicht. Wenn das die Wölfin in mir nur auch begreifen würde. Warum musste alles so kompliziert sein?
Nach einer sehr kurzen Nacht saß ich im Büro und ging meine E-Mails durch. Einige Händler hatten sich bereits zurückgemeldet und ihren Preis für die Chrysler-Ersatzteile genannt. Jetzt musste ich ihnen antworten. Doch ich konnte mich einfach nicht konzentrieren. Immer wenn ich heute Nacht die Augen zugemacht und mich darum bemüht hatte einzuschlafen, war Joshua da gewesen.
Ich bekam ihn einfach nicht aus dem Kopf. Vielleicht sollte ich ihn noch mal besuchen? Nein, was für ein absurder Gedanke. Energisch schüttelte ich den Kopf und nahm die Tasse. Kaffeeduft umschmeichelte meine Nase, doch dann vermischte er sich mit Joshuas Geruch, obwohl er gar nicht hier war. Genervt trank ich einen Schluck und blickte über den Rand der Tasse hinweg in die Werkstatt, die um diese Zeit noch leer war. Als Kane gestern über Scarlett gesprochen hatte, hatte er unglaublich glücklich ausgesehen. Niemals hätte ich gedacht, dass der große Mann mit dem versteinerten Gesichtsausdruck zu so einem Grinsen fähig wäre. Wie dem auch sei …
Ich stellte die Tasse ab. Wenn ich die ganze Zeit darüber nachdachte, würde ich Joshua niemals aus dem Kopf bekommen. Ich musste mich ablenken. Also wandte ich mich wieder meinem Laptop zu.
»Hugh, ist der Preis dein Ernst? Vergoldest du deine Ersatzteile?«, murmelte ich, während ich auf Antworten klickte. Ich würde ihm eine deutliche E-Mail schicken. Der Typ hatte sie doch nicht mehr alle. Wir arbeiteten schon Jahre mit ihm zusammen, waren gute Kunden und zahlten immer pünktlich. Da konnte er uns schon etwas entgegenkommen. Auch mein Groll auf Hugh hielt mich nicht davon ab, wieder an Joshua zu denken und ich nahm die Finger von der Tastatur. Vielleicht sollte ich doch zu ihm ins Krankenhaus fahren? Wenn ich ihn noch mal sehen würde, könnte ich ihn vielleicht ein für alle Mal aus dem Kopf bekommen? So meine Theorie, die es zu überprüfen galt. Also schaltete ich den Laptop ab und rollte etwas mit dem Bürostuhl zurück. Meine rationale Seite sagte mir, dass diese Theorie Quatsch war. Süchtige sollten sich von dem, was sie süchtig machte, fernhalten, und offensichtlich war ich bereits nach einer Dosis angefixt. Nein, ich war nicht süchtig, ich war nur … ach, was auch immer.
Entschlossen erhob ich mich. Ich strich über mein Sommerkleid, steuerte den kleinen Spiegel an, der über dem Aktenschrank hing, um den Zopf zu überprüfen, zu dem ich mein langes Haar geflochten hatte. Ich wollte sehen, ob mein Gesicht so müde wirkte, wie ich mich fühlte.
Was machte ich da eigentlich? Es war egal, ob ich gut aussah. Es ging nicht um ein Date, zum Teufel, sondern ich besuchte eine lebendige Leiche. Joshua würde nicht mal wissen, dass ich da war.
Hastig nahm ich meine Tasche vom Schreibtisch und stürmte aus dem Büro in Richtung Parkplatz. Während ich die Werkstatt durchquerte, kramte ich den Wagenschlüssel aus der Tasche.
Eineinhalb Stunden später lief ich auf das Krankenhauszimmer zu, in dem Joshua lag. Ich hatte den New Yorker Verkehr um diese Zeit vollkommen unterschätzt und war von einem Stau in den anderen geraten. Neben der Sicherheitstür stand der Katzenwächter, der das Zimmer gestern schon bewacht hatte.
»Du Ärmster, warst du die ganze Nacht da?«, fragte ich mitfühlend. Okay, mein Mitgefühl war etwas geschauspielert, um ihn für mich einzunehmen, da mir Blake nur gestern gestattet hatte, Joshua zu besuchen. Ich scheute mich davor, eine weitere Erlaubnis von ihm einzuholen. Wahrscheinlich hätte er eine Erklärung für mein plötzliches Interesse an Joshua verlangt, und darauf konnte ich verzichten. Ich vermochte ja nicht mal, es mir selbst zu erklären.
»Nein, ich habe den Kollegen, der die Nachtschicht hatte, vor einer Stunde abgelöst. Jetzt darf ich bis Mittag den Wachhund für den Kerl spielen und das die ganze Woche. Als hätte ich nichts Besseres zu tun.« Mein Gegenüber verzog missmutig das Gesicht. Dann sah er mich peinlich berührt an. »Verzeih mir den Wachhund«, murmelte er.
»Weil zwischen unseren tierischen Pendants und Hunden ein gewisses Verwandtschaftsverhältnis besteht? Das war doch keine Beleidigung. Da bin ich von Katzen Schlimmeres gewohnt.« Ich lachte auf und der Kater grinste.
»Du bist echt cool für eine Wölfin. Dein Name ist Rachel?«
»Stimmt und wie ist deiner?«
»Dan«, erwiderte er.
Jetzt hatten wir eine Art Vertrauensbasis aufgebaut und ich konnte zum Grund meiner Anwesenheit kommen.
»Blake hat mir die Erlaubnis gegeben, dem Gefangenen, wann immer ich will, einen Besuch abzustatten«, erklärte ich, und Dan betrachtete mich mit nachdenklichem Blick. »Ich war doch gestern schon bei ihm«, sagte ich schnell und bot alles an Willenskraft auf, um meinen Puls unter Kontrolle zu halten. Dan würde sofort bemerken, wenn er in die Höhe ging, und wissen, dass ich log.
»Wieso willst du den Kerl überhaupt besuchen? Er und seine Sippe hassen euch Wölfe. Das habe ich mich gestern schon gefragt«, hakte Dan nach.
»Ehrlich gesagt weiß ich es selbst nicht. Vielleicht reicht es nicht, dem Bösen nur einmal ins Gesicht zu sehen. Was seine Familie meiner angetan hat …« Ich schluckte schwer, vermochte nicht weiterzusprechen. Mein Blick traf auf Dans.
»Ich verstehe. Ich war damals in der alten Fabrik dabei«, erwiderte er, drehte sich zum Display des elektronischen Türschlosses und gab den Code ein, wobei ich ihm über die Schulter schaute. Anschließend ließ er mich ins Zimmer.
»Danke schön«, sagte ich an ihn gewandt.
Ein freundliches Lächeln huschte über sein Gesicht.
»Wenn du rauswillst, einfach den Rufknopf drücken. Wie gestern.«
Dan schloss die Tür und ich sah zu Joshua, der regungslos im Bett lag. Zuerst stand ich einfach nur da, während sein Geruch mich wie eine zarte Decke einhüllte und die Wölfin in Unruhe versetzte. Sie wollte ihn berühren und schmecken. Vor dem Fenster entdeckte ich einen Stuhl, den ich neben das Bett stellte, um darauf Platz zu nehmen. Meine Handtasche deponierte ich neben mir auf dem Boden.
Da saß ich nun, nur eine Armlänge von dem Mann entfernt, den die Wölfin in mir begehrte wie nichts anderes. Wäre er ein ganz normaler Wolfsmann, würde ich ihn jetzt daten oder mit ihm in unseren Tiergestalten durch Wälder streifen. Je nachdem, wie traditionell man so eine Seelenverwandtschaft anging. Aber hier war so gar nichts normal. Joshua war ein Kater und noch dazu der Feind. Verdammt, was machte ich hier? Ich griff nach meiner Tasche, ließ sie aber wieder los und sank in mich zusammen. Es war, als würde mich ein unsichtbares Gewicht auf den Stuhl drücken und nicht aufstehen lassen. Nach einer unendlichen Weile, in der ich Joshua nur angestarrt hatte, kam mir in den Sinn, dass komatöse Patienten es angeblich hörten, wenn man mit ihnen sprach. Vielleicht war es so, oder ich würde jetzt eben ein peinliches Selbstgespräch führen.
»Nun, du fragst dich sicherlich, was ich hier will«, sagte ich laut, hielt dann die Luft an und beobachtete Joshua, während mein Puls außer Kontrolle geriet. Zum Glück unterdrückten die Sicherheitstür und die verstärkten Wände Geräusche auch für Wandlerohren. Mein Blick war an mein Gegenüber geheftet, natürlich kam von ihm keine Reaktion. »Okay, beruhig dich, Rachel.« Ich holte tief Luft, sorgte dafür, dass mein Puls sich wieder normalisierte. »Mmmh, das ist eine gute Frage, die zu beantworten nicht einfach ist«, fuhr ich mit dem Gespräch fort, das ich aller Wahrscheinlichkeit nach mit mir selbst führte. »Aber vielleicht sollte ich mich erst mal vorstellen. Also, ich bin Rachel und die Schwester des Alphas der New Yorker Wölfe. Meinen Bruder Aaron kennst du mit Sicherheit, denn Jade, deine Schwester, verabreichte ihm dasselbe Zeug, unter dem du jetzt leidest. Das ist schon ein bisschen ironisch.« Ich lachte bitter. »Weißt du, was noch ironisch ist? Trotz all dem zieht mich dein Geruch an wie der Blumenduft die Bienen, und es fällt mir schwer, in dir ein Monster zu sehen. Genau genommen würde ich …« Bilder tauchten in meinem Kopf auf, wie ich den Kater von seinem Krankenhauskittel befreite, um ihn mit meinen Lippen zu verwöhnen. Irritiert verbannte ich die Bilder aus meinem Kopf, packte meine Handtasche und sprang auf. Das war zu viel! Wie konnte ich so etwas nur denken?
Einen Augenblick später war ich bei der Tür und betätigte die Rufanlage.
Es knisterte.
»Ich will hier bitte raus«, sagte ich, noch bevor Dan sich melden konnte.
Er machte sogleich auf und stutzte, als er mich sah.
»Geht es dir nicht gut?«, fragte er besorgt.
»Ich … äh … ich …«, stotterte ich herum und trat aus dem Zimmer.
Dan machte sogleich die Tür wieder zu. »Ist schon okay, du brauchst nichts zu erklären.«
»Tut mir leid, ich muss gehen«, murmelte ich und eilte mit gesenktem Kopf den Gang entlang. Meine Wangen glühten vor Scham. Ich würde nie wieder herkommen. Nie wieder! Katherines verdammter Sohn förderte ja Abgründe in mir zutage.
Entschlossen drückte ich auf den Knopf des Aufzugs, um damit in die Tiefgarage zu fahren, wo mein Auto geparkt war. Als eine Art Mitglied des New Yorker Katzenclans verfügte ich natürlich über die Berechtigung, die Tiefgarage zu nutzen.
Am Abend stellte ich die braune Papiertüte mit dem Einkauf auf der Arbeitsfläche meiner kleinen Küchenzeile ab und legte die Handtasche daneben. Nach dem Krankenhaus war ich ins Büro zurückgekehrt, um mich mit der Jagd nach den Ersatzteilen für Kane von Joshua abzulenken. Was aber nur mäßig gelungen war.
Seufzend machte ich mich daran, die Tüte auszuräumen. Der Salat kam ins Gemüsefach des Kühlschranks, das Sandwichbrot in den Brotkasten. Wenige Minuten später hatte ich alles verräumt und faltete die Tüte zusammen. Mein Blick wurde von der orange gestrichene Wand gegenüber angezogen, genau genommen von der mit Tafelfarbe lackierten Badtür, auf die ich rote Kreideherzchen in unterschiedlichen Größen gemalt hatte, als wäre ich ein alberner Teenager. Ich warf die Tüte neben das Spülbecken, griff mir den Lappen, den ich nass machte, und durchquerte das Zimmer. Mit wachsender Wut wischte ich die Herzen weg.
Warum nur war das Schicksal so grausam zu mir? Zur Hölle mit Herzchen, mit Seelengefährten und dem ganzen Scheiß. Nur weil ich Joshua im wahrsten Sinne des Wortes gut riechen konnte, bedeutete das rein gar nichts. Ich trat zurück und betrachtete zufrieden die Tür, die jetzt nur noch schwarz war. Das passte zu meiner Laune. Am liebsten hätte ich die ganze Wand schwarz gestrichen. Vielleicht sollte ich in einen Baumarkt fahren, um Farbe zu holen? Aber jetzt noch mal die Wohnung zu verlassen, dazu hatte ich keine Lust …
Daher legte ich den Lappen auf den Stehtisch und hielt mich daran fest, um die Sandalen abzustreifen, die ich an Ort und Stelle liegen ließ. Anschließend ging ich zum Kühlschrank, öffnete ihn, blickte uninspiriert hinein, stellte fest, dass ich gar keinen Hunger hatte, und schloss ihn wieder. Ich könnte es mir gemütlich machen und irgendwas im TV ansehen. Unschlüssig schaute ich zum Sofa vor den Fenstern. War das schon immer so knallrot gewesen? Eigentlich mochte ich kräftige Farbe, aber heute kam mir meine Wohnung viel zu bunt vor. Seufzend überwand ich die paar Schritte zu meiner Tasche und holte das Handy heraus, das ich mit der Stereoanlage verband, die gegenüber der Couch unter dem Smart-TV stand. Als eine Computerstimme die Verbindung bestätigt hatte, ging ich meine Playlist durch und suchte den Song Back to Black heraus. Dann steuerte ich den Couchtisch an und legte das Handy ab.
Während ich lautstark mitsang, öffnete ich die Tür zum Schlafzimmer. Auf dem Weg zum Bett zog ich den Reißverschluss meines Sommerkleids nach unten, streifte die Träger von den Schultern und ließ es auf den Boden fallen, der BH folgte. Ich griff nach dem übergroßen Schlafshirt, das im ungemachten Bett auf mich wartete, schlüpfte hinein und kehrte ins Wohnzimmer zurück.
Niedergeschlagen ließ ich mich aufs Sofa fallen, nahm das Handy und startete den Song, der perfekt zu meiner Laune passte, von vorn und schaltete die Wiederholung ein. Die Emotionen, die in mir tobten, fühlten sie an wie Liebeskummer. Was total verrückt war. Ich hatte den Kerl nur gerochen, noch nicht mal ein Wort mit ihm gesprochen. Wie konnte ich mich da derart zu ihm hingezogen fühlen?
Wir Wandler brauchten keine unzähligen Dates wie Menschen, um unsere wahre Liebe zu finden. Wir erkannten sie am Geruch und nicht selten funkte es zwischen Wandlern binnen Sekunden. So war unsere Natur … Das war doch alles Bullshit! Heute hasste ich meine Wolfsnatur zum ersten Mal so richtig. Außerdem war das alles sowieso nicht von Belang, denn laut Blake war es fraglich, ob Joshua jemals wieder zu sich kommen würde. Wie es aussah, fühlte sich die Wölfin in mir mit einem Komapatienten verbunden.
Ach verdammt, wäre ich ein Mensch, hätte ich dieses Problem nicht!
Ich stand neben Joshuas Bett, der Mond beschien sein Gesicht. Langsam näherte ich mich ihm, nahm auf der Matratze Platz und strich mit den Fingerspitzen sanft über sein Gesicht. Als mein Daumen seine Unterlippe zart berührte, hob er die Lider und streckte die Hand aus, um mich zu sich zu ziehen. Worauf ich mich zu ihm beugte, bis meine Lippen auf seine trafen. Sein Kuss war pures Begehren und ließ mich fast das Atmen vergessen. Noch niemals zuvor hatte ich mich derart zu einem Mann hingezogen gefühlt. Es war, als würden unsere Herzen im Einklang schlagen. Joshua öffnete den Reißverschluss meines Kleides. Nur schweren Herzens löste ich mich von seinen Lippen, stand auf und zog mich aus. Nachdem ich Joshua von seinem Krankenhaushemd befreit hatte, setzte ich mich rittlings auf ihn und spürte seine Erregung zwischen meinen Beinen. Ich rieb mich daran, während ich meinen Kopf senkte, um meine Zunge zwischen seine Lippen zu schieben. Das immer lauter werdende Piepen des Überwachungsmonitors dokumentierte seine anschwellende Erregung, die meiner in nichts nachstand. Mich nur an ihm zu reiben, reichte nicht mehr aus. Daher hob ich das Becken und nahm ihn mit einem lustvollen Seufzer tief in mich auf. Das Grollen, das aus seiner Kehle drang, war unglaublich animalisch und steigerte meine Erregung ins Unermessliche. Er umfasste meine Hüften und stieß hart in mich. Bei jedem seiner Stöße stöhnte ich voller Wonne laut auf und der Überwachungsmonitor piepte hektisch im Rhythmus unserer aufgewühlten Herzen. Ein wenig nervte dieses Gepiepe schon, und ich riss das Kabel heraus. Doch es piepte unentwegt weiter.
Als ich die Lider hob, fand ich mich auf meiner Couch wieder und das Piepen kam von meinem Handy. Verdammt, mein Nacken war ganz steif. Müde rappelte ich mich auf und rieb über mein prickelndes Genick. Ich musste gestern auf dem Sofa eingeschlafen sein. Die Selbstheilungskräfte ließen die Auswirkungen einer unbequemen Nacht langsam abebben und sorgten dafür, dass die verspannten Muskeln geschmeidiger wurden. Ich schaltete den Handywecker ab. Was war das nur für ein verrückter Traum gewesen? Wenn ich daran dachte, kribbelte es lustvoll zwischen meinen Schenkeln. Das war doch nicht zu fassen.
Hastig erhob ich mich, denn jetzt brauchte ich ganz dringend eine eiskalte Dusche. Das Schlafzimmer war mein erstes Ziel, dort holte ich ein Spaghettiträger-Shirt, Shorts und Dessous aus der Kommode, die dem Bett gegenüberstand. Anschließend steuerte ich die Tür zum Bad an, das man auch vom Schlafzimmer aus erreichen konnte. Ich machte Licht, obwohl es nicht nötig gewesen wäre. Durch meine animalische Sehkraft wurden die Sonnenstrahlen verstärkt, die vom Schlafzimmer in den fensterlosen Raum fielen, sodass ich auch mit wenig Licht alles zu sehen vermochte. Aber ich hatte mich daran gewöhnt, das Licht anzuschalten, wenn ich einen dunklen Raum betrat. Die Kleidung deponierte ich auf dem Waschtisch neben dem integrierten Becken, befreite mich dann von dem Shirt und dem Slip, um Augenblicke später in die Wanne zu steigen. Ich zog den Vorhang zu und machte das Wasser an. Eiskalt schoss es aus dem Duschkopf, und ich erschauderte. Genau das hatte ich gebraucht.
Ich lenkte meinen Wagen durch das morgendliche Manhattan oder stand vielmehr im Stau. Obwohl der Herbst schon an die Tür klopfte, war es um diese Uhrzeit verdammt heiß. Genervt sah ich auf das Radiodisplay. Verflucht, war ich heute spät dran. Aaron würde mir das wieder ewig aufs Butterbrot schmieren, dass Misses Überpünktlich heute als Letzte die Werkstatt erreicht hatte. Das Heulen einer Sirene kam auf mich zu, doch ich blieb gelassen. Der Krankenwagen würde die entgegenkommende Fahrbahn benutzen. Nach einer Weile hörten ihn auch die Menschen, die wie aufgeschreckte Hühner Platz machten. Das Fahrzeug raste an uns vorbei und mein Blick verfolgte es im Rückspiegel. Es fuhr in Richtung der Klinik, in der Joshua lag.
So ein Mist. Schon wieder dachte ich an ihn. Vielleicht sollte ich ihn noch ein letztes Mal besuchen? Nein, ich schüttelte den Kopf. Vor mir fuhren die Autos langsam an und ich gab leicht Gas, um aufzuschließen. Wie lange stand ich jetzt eigentlich bereits im Stau? Der Gegenverkehr lief wesentlich flüssiger. Das Fahrzeug vor mir rollte wieder ein Stück und ehe ich es mir anders überlegen konnte, gab ich Gas, riss das Lenkrad herum und unter lautstarkem Gehupe fädelte ich mich im Gegenverkehr ein. Eigentlich hatte ich nur einen kleinen Umweg zur Werkstatt nehmen wollen, um endlich dem Stau zu entgehen, doch ich bog nicht ab, sondern kam der Leon-Klinik immer näher, bis ich schlussendlich in der Tiefgarage meinen Wagen parkte.
Eine Weile starrte ich die Betonwand an. Was zum Teufel machte ich hier? Mir entkam ein gequältes Seufzen. Nun war ich ja schon mal da, also konnte ich auch aussteigen. Damit schnallte ich mich ab, nahm meine Tasche vom Beifahrersitz und stieg aus. Der Aufzug war gleich gegenüber. Ich musste nicht lange warten, bis die Türen aufglitten. Im Fahrstuhl öffnete ich das Kästchen mit dem Scanner und legte meine Hand darauf. Ein grünes Licht verkündete, dass ich berechtigt war, und ich drückte den Knopf für das oberste Geschoss. Als der Aufzug ein Stockwerk nach dem anderen nahm, bemühte ich mich, an nichts zu denken. Denn dann müsste ich mir eingestehen, dass ich nicht Herrin meiner Sinne war und meine Triebe mich voll im Griff hatten. Ich holte mein Smartphone aus der Tasche und schaltete es aus, da ich nicht gestört werden wollte.
Der Fahrstuhl erreichte das oberste Stockwerk und ich ging den Flur entlang. Eine Schwester kam mir entgegen und ich grüßte sie freundlich. Auch heute Vormittag stand wieder Dan in seiner schmucken dunkelblauen Uniform, die an das Outfit von Cops erinnerte, neben der Tür.
»Der dritte Tag in Folge, langsam denke ich, du kommst wegen mir.« Er grinste.
»Du hast mich durchschaut, Kater«, erwiderte ich und bemühte mich, sein Grinsen zu erwidern. Dann eigentlich war mir so gar nicht nach Scherzen zumute. Die seltsame Obsession, die ich allmählich für Joshua entwickelte, war fast beängstigend, doch ich konnte meine Triebe einfach nicht kontrollieren. Dieses Mal musste ich nichts zu Dan sagen, er drehte sich um und gab den Code ein. Es war der gleiche wie gestern. Als er sich wieder mir zuwandte, schaute ich hastig zu Boden.
»Na, dann viel Spaß!« Er zog die Tür auf und ließ mich in das Zimmer. Sofort war ich in Joshuas Duft gehüllt, der mich regelrecht zu ihm zog, bis ich neben seinem Bett stand. Mahnende Worte – Du solltest nicht hier sein! – waberten durch meinen Kopf. Ich schob sie von mir.
»Da bin ich wieder«, sagte ich laut und stellte die Tasche auf den Nachttisch, von Joshua kam natürlich keine Reaktion. Was hatte ich auch erwartet? Zögerlich trat ich näher, zog seine Decke glatt und betrachtete das schlafende Gesicht, in dem ich kein Monster zu erkennen vermochte.
Warum konnte ich ihn nicht hassen? Ich sollte ihn hassen! Zart glitt ich mit den Fingern über seine Brust, spürte, wie sie sich hob und senkte. Jade hatte meinem Bruder das verfluchte Zeug gegeben und nicht Joshua. Vielleicht war er wirklich auch nur ein Opfer? Traumbilder blitzten in meinen Gedanken auf – wie ich Joshua küsste. Mein Blick blieb an seinen Lippen hängen. Ich wollte so gern wissen, wie es wirklich war.
Aus einem Impuls heraus beugte ich mich hinunter, bis mein Mund den seinen berührte. Seine Lippen waren weich, und die Wölfin in mir ergötzte sich an ihrem wunderbaren Geschmack, während mein Herz außer Rand und Band geriet. In diesem Augenblick wünschte ich mir voller Sehnsucht, dass er den Kuss erwidern würde.
Die Tür wurde geöffnet und ich machte einen eiligen Schritt nach hinten, stieß dabei gegen das dumme Nachtkästchen. Lautes Scheppern war die Folge und ich zuckte zusammen.
Eve betrat das Zimmer.
»Was für eine Überraschung«, sagte sie mit einem milden Lächeln. Sie wirkte jedoch ganz und gar nicht überrascht.
Eve war die Gefährtin des New Yorker Katzen-Alphas und eine ausgebildete Elitesoldatin. Wahrscheinlich war sie sehr schwer zu überraschen. Sie war das, was ich als kühle Blonde bezeichnen würde. Wie immer trug sie ein eher sportliches Outfit.
Verlegen spielte ich mit meinem Zopf. Wie sollte ich meine Anwesenheit hier begründen?
»Ich …«, begann ich und Eve winkte ab.
»Schon gut, du musst nichts erklären.« Sie trat neben mich und betrachtete Joshua.
»Ich finde, dass er mehr Farbe bekommen hat«, sagte sie, ohne den Blick von ihm zu nehmen. »Es ist schön, dass ihn noch jemand außer mir besucht«, flüsterte sie. Jetzt sah sie zu mir. »Auch wenn es bei dir wahrscheinlich andere Gründe sind als bei mir.« Ihr Blick glitt wieder zu Joshua zurück. »Er sollte nicht hier sein.« Ein leises Seufzen entkam ihr. Offensichtlich lag er ihr wirklich am Herzen. »Wie du vielleicht weißt, sind wir zusammen aufgewachsen und er ist wie ein kleiner Bruder für mich. Es schmerzt mich unglaublich, ihn so zu sehen«, sagte sie und in ihren Augen schimmerten Tränen. Sie war doch nicht so kühl, wie es den Anschein hatte. Diese starke Frau weinte um Joshua. Wegen eines Monsters würde sie mit Sicherheit keine Tränen vergießen.
»Wie war er als Kind?«, fragte ich.
Eve lächelte versonnen. »Er hat streunenden Katzen noch lebende Mäuse oder kleine Vögel abgenommen, um die Tierchen gesund zu pflegen, und war darin sehr erfolgreich. Barb hasste es, wenn er ›Ungeziefer‹, wie sie es nannte, ins Haus brachte. Josh war so ein herzensguter Kerl und kümmerte sich um diejenigen, die Hilfe brauchten, bis sie diese Güte aus ihm herausprügelten, um ihn zu ihrem Werkzeug zu machen. Er sollte zum Alpha erzogen werden. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte er Tiermedizin studiert und diesen ganzen Mist hinter sich gelassen.« Eves Gesicht verdunkelte sich und ich betrachte Joshua. Ob tief in ihm von dieser Güte noch etwas übrig war?
»Ethan denkt, wenn Joshua aufwachen würde, wäre er für die New Yorker Wandler-Clans sehr wertvoll, denn er besitzt unglaubliche viele Insiderinformationen.« Eve trat zu ihm, jetzt wurde ihr Gesichtsausdruck fast mütterlich. Sie strich zärtlich über sein Haar. »Aber ich will nur meinen kleinen Bruder zurückhaben. Er ist nur ein weiteres von Katherines Opfern.«
Als ich endlich mein Büro erreichte, lungerte Aaron in meinem Stuhl herum, seine Füße lagen auf dem Schreibtisch.
»Nimm die Füße vom Tisch oder bist du bei Wilden aufgewachsen?«, fauchte ich und schloss die Tür. Aber der werte Alpha machte keine Anstalten.
»Hast du dein Handy verloren?«, fragte er barsch.
»Nein.« Ich blieb mit verschränkten Armen vor dem Schreibtisch stehen.
»Warum gehst du dann nicht dran?«
»War beschäftigt«, erwiderte ich schnippisch.
»Du hast hier einen Job.«
»Ich bin nicht deine Sklavin, und jetzt nimm die Füße runter.« Damit umrundete ich den Tisch und zog den Stuhl mitsamt meinem Bruder nach hinten, sodass er die Füße auf den Boden stellen musste.