Manhattan Law & Passion - Verbotene Gefühle - Sara Hill - E-Book
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Manhattan Law & Passion - Verbotene Gefühle E-Book

Сара Хилл

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Beschreibung

Harper versucht, mit zwei Jobs über die Runden zu kommen und das Pflegeheim ihrer kranken Mutter zu bezahlen. Als eine prominente Familie sie der schweren Körperverletzung beschuldigt, steht Harper plötzlich im Blitzlichtgewitter. Sie landet in Untersuchungshaft und verliert ihre Jobs.

Richard Dempsey soll Seniorpartner in einer der erfolgreichsten Anwaltskanzleien New Yorks zu werden. Doch um die Ansprüche seiner konservativen Chefs zu erfüllen, fehlt ihm eine Ehefrau. Als Richard auf Harper aufmerksam wird und sieht, wie hilflos sie in all dem Medienrummel wirkt, macht er ihr ein Angebot: Wenn sie ihn heiratet, vertritt er sie nicht nur ohne Bezahlung vor Gericht, sondern übernimmt bis zu ihrem Freispruch auch die Kosten des Pflegeheims.

Der Deal hat klare Grenzen: keine Erwartungen, keine Gefühle. Schon bald aber merkt Harper, dass es ihr an der Seite des unnahbaren und attraktiven Richard verdammt schwerfällt, diese Grenzen nicht zu überschreiten ...

Attraktive Anwälte, spannende Fälle und ganz viel Sinnlichkeit. Das ist die neue Reihe von Sara Hill um eine Nobelanwaltskanzlei in New York.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Epilog

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

 

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Über dieses Buch

Harper versucht, mit zwei Jobs über die Runden zu kommen und auch noch die Pflegeeinrichtung ihrer kranken Mutter zu bezahlen. Als sie nach einem Vorfall bei ihrem Kellner-Job von einer einflussreichen und prominenten Familie der schweren Körperverletzung beschuldigt wird, steht Harper im Fokus der Öffentlichkeit. Sie landet in Untersuchungshaft, verliert ihre Jobs und kann sich nicht mehr um ihre Mutter kümmern.

Richard Dempsey steht kurz davor, Seniorpartner in einer der erfolgreichsten Anwaltskanzleien New Yorks zu werden. Das Einzige, was ihm fehlt, um die Ansprüche seiner konservativen Chefs zu erfüllen, ist eine Ehefrau. Da wird Richard auf Harper aufmerksam. Beim Anblick der anziehenden jungen Frau, die in all dem Medienrummel so hilflos wirkt, kommt ihm eine Idee. Er macht Harper ein Angebot: Wenn sie ihn heiratet, vertritt er sie ohne Bezahlung vor Gericht und übernimmt bis zu ihrem Freispruch die Kosten des Pflegeheims.

Der Deal hat klare Grenzen: keine Erwartungen, keine Gefühle. Doch schon bald merkt Harper, dass es ihr an der Seite des unnahbaren und attraktiven Richard verdammt schwerfällt, diese Grenzen nicht zu überschreiten …

SARA HILL

Kapitel 1

»Ihre Mom braucht jetzt Ruhe«, sagte Lilly.

Harper blickte von der Pflegerin in Augen, deren Iriden noch immer so strahlend grün wie zarte Birkenblätter im Frühling waren – diese ungewöhnliche Farbe teilte sie mit ihrer Mom. Der einst strohblonde Schopf war grau geworden und sehr kurz geschnitten, um es dem Pflegepersonal leichter zu machen. Früher hatten die Haare ihrer Mutter wie Harpers weit über die Schultern gereicht und waren ebenfalls meist zu einem Pferdeschwanz gebunden gewesen.

»Liebes, ich komme schon zurecht. Fahr ruhig!«, pflichtete Mom Lilly bei. Sie schluckte, denn das Sprechen fiel ihr heute etwas schwer.

Zart strich Harper über den Rücken der Hand, die ihr damals, nachdem sie gemeinsam Dads Asche im Meer verstreut hatten, die Tränen von den Wangen wischte. Nun konnte Mom sie nur noch schwer bewegen, da ihre Hände allmählich versteiften. Die Krankheit schritt unbarmherzig voran, und Stück für Stück wurde ihre Mom zu einer lebenden Statue, der das Schicksal drohte, irgendwann nicht einmal mehr sprechen zu können. Ganz langsam war die Krankheit gekommen, hatte sich heimlich angeschlichen wie ein feiger Feind. Primär progrediente MS hatte die Diagnose gelautet. Die schlimmste aller MS-Krankheiten. Sie betraf vielleicht zehn Prozent der Patienten mit dieser Diagnose und war unheilbar. Bei Harpers Mutter handelte es sich um eine besonders aggressive Form. Sanft glitten Harpers Fingerspitzen über die warme Wange ihrer Mom.

»Morgen soll das Wetter noch besser werden. Da gehen wir wieder in den Park.« Harpers Blick streifte kurz den Rollstuhl, der neben dem Bett stand, dann sah sie wieder zu ihrer Mom.

»Du musst auch mal an dich denken, mein Kind. Lilly sorgt sehr gut für mich. Nimm dir morgen doch etwas Zeit für dich.« Wieder schluckte sie schwer.

»Ich besuche dich morgen, darüber diskutiere ich nicht.« Harper gab ihrer Mom einen Kuss auf die Wange, dann trat sie zurück. »Bye, Mom.« Nur schweren Herzens drehte sich Harper zur Tür. Sie blickte kurz zu Ms. Newberg, mit der sich ihre Mom das Zimmer teilte. Ein lautes Stöhnen kam von der Frau, während sie ins Nichts starrte. Die Ärmste lag im Wachkoma. Es tat Harper leid, dass ihre Mutter nicht ein Zimmer für sich allein hatte. Aber nur so konnte sie sich die Pflege überhaupt leisten. Als sie den Sessel passierte, der in der Ecke stand, griff sie nach ihrer Handtasche.

»Pass auf dich auf, Schatz«, sagte ihre Mom.

Harper blieb im Türrahmen stehen und wandte sich noch mal um. »Morgen sehen wir uns«, meinte sie. Sie schaute zu der Zimmergenossin ihrer Mutter. »Bye, Ms. Newberg.«

Lilly begleitete Harper aus dem Zimmer.

»Ich habe den Eindruck, dass sich ihr Zustand zusehendes verschlechtert«, sagte sie, nachdem Lilly die Tür geschlossen hatte.

»Sie müssen die Zeit mit ihr genießen«, erwiderte diese und strich tröstend über Harpers Arm.

»Ich weiß, dass ihr eine Stammzellen-Therapie vielleicht helfen könnte, aber ich kann sie nicht finanzieren.« Harper spürte das Brennen von Tränen. Diese Therapie lag Lichtjahre außerhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten.

»Sie sind eine so gute Tochter, Harper. Manche unserer Patienten haben schon seit Monaten keinen Besuch mehr bekommen, und Sie sehen mindestens dreimal pro Woche, meistens sogar öfter nach ihrer Mutter. Machen Sie sich keine Vorwürfe«, erwiderte Lilly.

»Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll. Sie tun so viel für meine Mom. Ich möchte Ihnen …« Harper öffnete die Handtasche, zog ihren Geldbeutel heraus.

»Nein, Kindchen«, unterbrach die afroamerikanische Frau sie, die schätzungsweise in Moms Alter war. »Ich mache das gern, denn ihre Mom ist ein Schatz, sie ist die Einzige, die über meine Witze lacht, und Sie brauchen jeden Cent selbst. Das weiß ich.« Lilly drückte die Hand mit dem Geldbeutel in die Tasche zurück, und Harper ließ ihn hineinfallen.

»Dann bleibt mir nichts anderes, als Ihnen mit Worten zu danken«, meinte Harper.

»Das genügt mir vollkommen.« Lilly lachte.

Harper schloss ihre Handtasche, das Kunstleder knirschte. Das gute Stück sah schon ziemlich ramponiert aus, wie auch die Jeansjacke und die Hose, die sie trug. Aber an neue Kleider war im Moment nicht zu denken. Jeder Cent, den sie verdiente, floss in die Pflege ihrer Mutter. Zum Glück durfte sie bei Ariana wohnen, die keinen einzigen Dollar Miete verlangte. Was würde sie ohne ihre beste Freundin wohl tun?

»Geben Sie auf sich acht, Kindchen. So, jetzt ist die gute Ms. Goldsmith an der Reihe.« Damit steuerte Lilly eine Tür weiter vorn an, und Harper machte sich auf den Weg zur Arbeit. Schließlich hatte sie noch eine gute Stunde Fahrzeit vor sich. Die Sohlen ihrer schwarzen Sneakers quietschten, als sie an unzähligen blauen Türen vorbei zum Fahrstuhl lief. Die Stationsschwester saß gegenüber dem Aufzug hinter einem Tresen und blickte konzentriert auf einen Bildschirm.

»Bye«, sagte Harper, und ein gemurmeltes »Wiedersehen« war die Antwort. Sie erreichte den Fahrstuhl, und der war ausnahmsweise schnell zur Stelle. Ein paar Minuten später verließ Harper das dreistöckige Gebäude, und die Bushaltestelle war ihr nächstes Ziel.

Kapitel 2

»Ja, Ms. Ruben, Ihr Ex-Mann hat allen Forderungen zugestimmt, wenn er im Gegenzug die Jacht behalten darf«, sprach Richard in sein Headset, und es folgten Schimpftiraden, in denen seine Mandantin in blumiger Sprache beklagte, wie schlimm ihre Ehe gewesen sei. Er stand am Fenster seines Eckbüros neben dem Tisch für Mandantengespräche, an dem bis zu zehn Personen Platz fanden. Hier war er aufgrund der Wand zum Nachbarbüro etwas von den Blicken seiner Kollegen geschützt. An besagter Wand stand auch der kleine Barschrank, der wie der Tisch aus Nussbaumholz maßgefertigt war, und Richard überlegte, ob es noch zu früh für einen Drink war. Denn wenn er der Frau noch länger zuhören musste, brauchte er einen.

Die Trockenbauwand ging in eine gläserne über, die seine Räumlichkeiten vom Großraumbüro trennte. Er sah auf die Straße hinunter, die fünfzig Stockwerke tiefer lag. Menschen wuselten wie Ameisen herum. Sie beeilten sich, um schnell nach Hause zu kommen, denn die Sonne lag bereits in ihren letzten Zügen.

»Sie dürfen auch das Haus in den Hamptons behalten«, warf er ein und unterbrach den Redeschwall.

»Sie sind wirklich der Beste. Setzen Sie die Verträge auf, und dann haben wir etwas zu feiern. Ich darf Sie doch einladen?« Ms. Rubens Stimme wurde leicht verrucht.

»Sie wissen doch: Es ist mir untersagt, mich mit Mandantinnen privat zu treffen«, erwiderte Richard sachlich.

»Wenn alles unter Dach und Fach ist, bin ich keine Mandantin mehr und dazu eine ledige Frau. Es spricht dann nichts dagegen, dass wir miteinander essen gehen«, versuchte sie, ihn zu überzeugen, und sie hatte recht. Aber Richard war nicht sonderlich erpicht darauf, sie privat zu treffen. Hinter ihm klopfte es, er drehte sich zur Glastür. Seine Assistentin stand davor. Während er zum Schreibtisch ging, winkte er sie herein.

»Entschuldigen Sie, Ms. Ruben, ich muss jetzt leider Schluss machen, denn ich habe ein dringendes Gespräch. Sobald die Papiere fertig sind, melde ich mich.« Bevor seine Mandantin antworten konnte, beendete er das Gespräch und nahm sein Headset ab.

»Was ist, Grace?« Mit hochgezogenen Brauen betrachtete er seine Assistentin, deren Wangen ein leichtes Rosé angenommen hatten.

»Mr. Stein hat bei mir angerufen, nachdem er Sie nicht erreichen konnte, da Sie im Gespräch waren. Er wird gleich hier sein«, informierte sie ihn und fuhr sich verlegen über ihr eng anliegendes Kleid, das Grace’ hübscher Figur schmeichelte, obwohl es durchaus businesstauglich war. Etuikleid nannte man das wohl. Zumindest hatte das die ein oder andere seiner Liebschaften erwähnt. Keine Ahnung, ob er damit richtiglag, er kannte sich lediglich mit den Reißverschlüssen dieser Kleider aus. Schnell verwarf er den Gedanken. Er hatte sich jetzt um anderes zu kümmern … wie seinen Boss, Mr. Stein.

»Er kommt zu mir? Haben Sie eine Ahnung, warum?«, fragte Richard nachdenklich, während er über sein Kinn strich und Stoppeln spürte. Mist aber auch, er hatte sich doch heute Morgen erst frisch rasiert. Bevor Grace zu antworten vermochte, rauschte sein Boss auch schon herein.

»Richard, mein Junge«, sagte er mit einer überschwänglichen Geste, als würde er ihn umarmen wollen. »Grace, lassen Sie uns allein«, befahl der Mann, der einen guten Kopf kleiner als Richard war. Die klugen wasserblauen Augen fixierten ihn, und Richard fragte sich unwillkürlich, ob er etwas angestellt hatte.

»Sehr wohl, Mr. Stein.« Eilig verließ Grace den Raum, zog die Tür hinter sich zu, um an ihren Schreibtisch zurückzukehren, der wie die Arbeitsplätze aller Assistenten und Praktikanten in dem riesigen Großraumbüro der Kanzlei lag. Die halb hohen Trennwände zwischen den Plätzen boten wenigstens etwas Sichtschutz. Die Anwälte saßen in Einzelbüros mit gläsernen Wänden und Türen, damit Tageslicht ins Großraumbüro fiel, das zusätzlich durch eingebaute LED-Deckenlampen unterstützt wurde, da es sonst doch zu dunkel wäre.

Aufgrund der gläsernen Wände konnten jeder sehen, dass der Boss in diesem Moment mitten in seinem Büro stand. Stein und dessen Partner residierten einen Stock höher. Sie saßen natürlich nicht auf dem Präsentierteller. Wenn man es genau nahm, residierte nur noch Stein dort oben, denn Cunningham spielte in Florida Golf, und Mathewson genoss das süße Nichtstun in Kalifornien. Die beiden hatten sich vor ungefähr einem Jahr weitestgehend aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen.

Richard bemerkte, wie sich Mike im Büro gegenüber aus seinem Sessel erhob und an die Scheibe trat.

»Trainieren Sie? Ich finde, dass Ihre Schultern breiter geworden sind«, meinte Mr. Stein und nahm auf dem Sessel vor dem Schreibtisch aus Nussbaumholz Platz.

»Nicht so viel, wie ich gern würde. Wollen wir uns nicht lieber an den Konferenztisch begeben?«, fragte Richard, denn da wären sie auf Augenhöhe, und der Boss müsste nicht mit einem der Sitze für die Mandanten vorliebnehmen, die etwas niedriger als Richards Bürosessel waren.

»Jetzt setzen Sie sich schon, mein Junge«, befahl ihm Mr. Stein, worauf Richard seinen ledernen Bürostuhl von Tisch zog und der Aufforderung nachkam.

»Was führt Sie zu mir?«, fragte Richard.

»Die Rubens-Scheidung wird uns ein fettes Honorar einbringen. Wie auch die der Goldbergs und der anderen. Sie sind ein wirklich scharfer Hund, und ich hoffe, dass Sie niemals meine Frau vertreten, falls ich mich mal scheiden lassen möchte.« Stein beugte sich etwas nach vorn. »Keiner hier hat der Kanzlei im letzten Jahr mehr Geld eingebracht als Sie.« Mit zufriedener Miene lehnte sich der Mann, der trotz seiner zierlichen Statur enorme Macht ausstrahlte, wieder zurück und zupfte die Ärmel seines grauen Maßanzuges zurecht. »Wissen Sie, ich bin nicht mehr der Jüngste und meine Partner … Nun ja, die genießen bereits den Ruhestand, so könnte man es wohl sagen. Wir brauchen frisches Blut, und Cunninghams Sohn kommt nicht mehr infrage«, erklärte er.

Richard dachte nur noch sehr selten an Cunningham junior. Vor ein paar Jahren hatte der alte Cunningham seinen Sohn verstoßen. Seither durfte in der Kanzlei nicht einmal mehr dessen Name erwähnt werden und das, obwohl er ein äußerst fähiger Anwalt gewesen war.

»Nun ja, wenn es nach mir ginge, wären Sie bereits Partner«, fügte Stein seinen Ausführungen hinzu und machte eine bedeutungsvolle Pause.

Richard war froh, dass er saß, denn ihm wurde für einen winzigen Augenblick etwas schwummrig. »Partner?«, wiederholte er und hatte das Gefühl, seine Zunge würde am Gaumen festkleben. Trotzdem verzog er keine Miene, denn an seinem Pokerface hatte er zu lange gearbeitet, um jetzt alle Schutzschilde fallen zu lassen. Egal wie es in ihm aussah. Er hatte es perfektioniert, beherrscht zu bleiben – aus guten Gründen.

»Ja, Partner. Aber … ich entscheide das nicht allein. Im Moment ist Ihre Beförderung nicht möglich.« Stein seufzte theatralisch. »Wissen Sie, meine Partner sind eben noch von der alten Schule. Sie möchten nur jemanden zum Partner machen, der sich in geordneten Verhältnissen befindet. Also eine Ehefrau hat. Die gute Nachricht ist, Kinder müssen nicht sein«, erklärte Mr. Stein.

Sein Blick traf auf Richards, der den Impuls unterdrückte, die Hände, die auf dem Schreibtisch lagen, zu Fäusten zu ballen. Verflucht, er hatte bei so vielen Scheidungen mitgewirkt, dass er weder an die Ehe noch an die Liebe glaubte. Es gab einmal eine Zeit, da hatte er es getan, und dieser Glaube an das Gute hatte mit einer grausamen Enttäuschung geendet. »Sollte das nicht Privatsache sein? Es geht doch in erster Linie um die gute Arbeit, die ich für Sie leiste, oder nicht?«, fragte Richard scharf.

»Nun ja, wenn es nach mir ginge, wäre ihr Junggesellendasein kein Problem. Aber meine Partner … Wir sind eben zu dritt und müssen bei einer solchen Entscheidung alle drei zustimmen. Sie können uns natürlich verklagen, denn diese Bedingung ist unlauter. Das weiß ich selbst. Aber ist es ratsam, eine Partnerschaft mit einer Klage zu beginnen?« Stein nestelte an seiner Krawatte herum, dann begann er, verschlagen zu grinsen. »So ein stattlicher und attraktiver Kerl, wie Sie es sind, wird mit Sicherheit viele Eisen im Feuer haben. Zwar bin ich schon alt, trotzdem entgeht mir nicht, wie Sie vom weiblichen Personal angeschmachtet werden. Ich glaube, wenn Sie nur wollten, könnten Sie das kleine Problem Ehe schnell beheben. Denken Sie darüber in Ruhe nach. Nun lasse ich Sie weiterarbeiten.« Damit erhob sich Mr. Stein. Richard wollte ebenfalls aufstehen. »Bleiben Sie ruhig sitzen«, meinte sein Boss.

Richards Blick folgte ihm, als er das Büro verließ und die offene Treppe ansteuerte, die ins obere Geschoss führte. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme. Hatte ihm sein Boss gerade zu verstehen gegeben, dass er sich eine Fake-Frau zulegen sollte? So eine Partnerschaft wäre mit Macht und erheblichen finanziellen Vorteilen verbunden, um nicht zu sagen, dass sie ihn stinkreich machen würde. Er könnte Tony alles ermöglichen, was sie wollte, ihre Zukunft sichern und dazu vielleicht endlich dafür sorgen, dass seinen Eltern die Gerechtigkeit zuteilwurde, die sie verdienten. Vielleicht war eine Fake-Frau die Lösung?

Richard sah zu Grace. Sie war gerade im Gespräch mit Kassandra, Mikes Assistentin, vertieft und spielte dabei mit einer Strähne, die sich aus der Hochsteckfrisur gelöst hatte. Es war ihm nicht entgangen, dass ihre Wangen rosig wurden, wenn sie sich in seiner Nähe befand. Die Kleine hatte offensichtlich eine Schwäche für ihn, und hübsch war sie auch … Nein! Was für eine hirnrissige Idee! Richard verwarf den absurden Gedanken und bemerkte Mike, der gerade auf dem Weg zu ihm war. Er konnte gerade noch über seine Krawatte streichen und die Manschetten des Hemdes unter den Anzugärmel hervorziehen, da ging schon seine Tür auf.

»Was wollte der Alte von dir?«, platzte es aus Mike heraus, und er schloss die Tür. Anscheinend hatte ihm die kurze Wartezeit, die er nach Steins Abgang eingehalten hatte, damit er nicht als neugierig galt, alles an Geduld abverlangt, um sich jetzt mit Höflichkeiten aufzuhalten.

»Es ging um einen Fall«, log Richard. Denn dass er, um Partner zu werden, heiraten sollte und wenn es auch nur eine Fake-Ehefrau war, kam ihm beim besten Willen nicht über die Lippen. Das war wirklich absurd.

»Quatsch, wegen eines Falles hätte dich Stein in seinem Büro antanzen lassen und wäre nicht heruntergekommen.« Mike öffnete den Knopf seines Jacketts und ließ sich in den Sessel fallen, in dem noch vor ein paar Minuten der Boss gesessen hatte. Auch wenn Mike in Anzügen eine gute Figur machte, könnte er ebenso gut in Shorts an einem Strand herumhängen, um zu surfen. Er war ein Sonnyboy, wie er im Buche stand, und der perfekte Wingman, wenn es um das Aufreißen von Frauen ging. Sie beide waren in dieser Hinsicht ein sehr effektives Team.

»Warum könnte er sich hier herunterbemüht haben?« Mike kratzte sich am Kinn. »Ich denke, er ist nicht gekommen, um dir die Leviten zu lesen, weil … Sind wir mal ehrlich: Du bist der beste Hengst im Stall. Also war es etwas Gutes.«

Sein Blick traf auf Richards, der innerlich seufzte. Konnte er es nicht einfach auf sich beruhen lassen?

»Etwas immens Gutes …« Mike setzte sich wie von einer Klapperschlange gebissen auf. »Er hat dir die Partnerschaft angeboten?«, schlussfolgerte er.

»Wir haben darüber gesprochen«, gab Richard zu.

»Ha, wusste ich es doch.« Mike klatschte mit beiden Händen auf seine Schenkel. Dank des feinen Kaschmiranteils seiner Hose wurde das Geräusch gedämpft. »Natürlich was Gutes. Schlechte Nachrichten überbringt der Alte einem lieber in seinem Büro oben.«

Damit sank Mike zufrieden zurück, und Richard dachte an die unerfüllbare Bedingung, die eine Partnerschaft in unerreichbare Ferne gerückt hatte.

»Wieso siehst du dann aus, als wäre dein Hund gestorben? Nicht, dass es in diesem Fall einen großen Unterschied zu deinem sonstigen Gesichtsausdruck geben würde, wenn du einen Hund hättest. Aber nach solchen Wahnsinnsnachrichten solltest du doch mal aus dir herausgehen und die Korken knallen lassen.« Mike verschränkte die Arme.

»Es gibt da eine Bedingung, die es ziemlich kompliziert macht. Daher ist noch nichts entschieden«, erwiderte Richard.

»Was für eine Bedingung?«, wollte Mike wissen und strich den dunkelblonden Haarschopf zurück, der ihm in die Stirn hing.

»Ich kann darüber nicht reden.«

»Nun, du wirst schon eine Lösung finden. Auf jeden Fall qualifiziert dich die Aussicht auf eine Partnerschaft dazu, im Flemings Place heute ein paar Drinks auszugeben. Und ein Nein lasse ich auf keinen Fall gelten. Wann warst du das letzte Mal aus? Vor einem Monat? Oder länger? Bestimmt kann ich noch ein paar Leute zum Mitkommen bewegen. Es soll dich schließlich was kosten, und eventuell können wir heute noch ein paar Ladys klarmachen. Du hast es bitter nötig, mein Freund, du siehst schon ganz untervögelt aus«, meinte Mike und erhob sich.

»Aber sag den anderen nichts, die Partnerschaft ist lange noch nicht in trockenen Tüchern.«

»Kannst dich auf mich verlassen, ich schweige wie eine sechs Fuß unter der Erde verbuddelte Mumie.« Ein verschwörerisches Grinsen huschte über Mikes Gesicht, dann verließ er Richards Büro. Der spürte, wie sein Magen sich zusammenzog. Ob der Kerl noch schwieg, wenn er einige Drinks intus hatte, war fraglich. Das würde super werden, wenn alle die Partnerschaft, die man aktuell in große Gänsefüßchen setzen sollte, feierten, und dann wurde nichts daraus, weil zwei alte Knacker in den Fünfzigerjahren stecken geblieben waren.

Kapitel 3

Als Harper in der 6th Avenue West aus dem Bus stieg, schickte die Sonne die letzten Strahlen durch die Straßenschluchten New Yorks. Bis zum Times Square waren es nur ein paar Gehminuten. Nach Sonnenuntergang kamen die gigantischen LED-Bildschirme besonders gut zur Geltung, die noch immer Unmengen von Touristen anlockten. Doch Harper hatte keinen Blick für die Dauerwerbung, denn sie musste sich sputen. Von hier aus war es zum Glück nur noch ein Katzensprung. Sie zog das Handy aus der Tasche und stellte fest, dass sie ganz gut in der Zeit lag. Endlich erreichte sie das Wilson Garden Inn. Im achtundvierzigsten Stock lag das Flemings Place, ihr Arbeitsplatz. Natürlich nahm sie den Personaleingang und nicht den für die Gäste.

»Hey, Joe«, begrüßte sie den Wachmann, ein gemütlicher Schwarzer, der stets gut gelaunt war. Er saß in seinem kleinen Raum vor einem Bildschirm.

»Hey, ich wünsche dir einen schönen Abend«, gab Joe zurück.

»Ich wünsche dir auch einen schönen Abend.« Harper erwiderte sein Lächeln und eilte zum Aufzug. Für mehr Small Talk blieb ihr keine Zeit, denn sie musste sich ja noch umziehen.

»Ich hoffe, die gut betuchten Geizhälse geben dir reichlich Trinkgeld«, rief ihr Joe hinterher.

Vor Harper glitten Fahrstuhltüren auf, und sie drückte den Knopf nach oben. Dort führte sie ihr erster Weg in die Wäschekammer. Sie suchte sich ihre Uniform zusammen, die aus einer Hose, einer Weste und einer Schürze in Schwarz bestand. Ein weißes Hemd vervollständigte das Outfit. Anschließend betrat sie die Umkleide, in der sie allein war. Nachdem sie sich umgezogen und Tasche sowie Straßenkleidung im Spind verstaut hatte, musste sie noch ins Büro. Vor der Tür blieb sie stehen und überprüfte ihre Kleidung. Die knöchellange Schürze saß perfekt, Hemd und Weste ebenfalls. Ihr Namensschild war am richtigen Platz, und ihr Handy hatte sie im Spind gelassen. Mobiltelefone waren während des Dienstes strengstens verboten.

Sie strich sich eine Strähne, die einfach nicht im Gummiband bleiben wollte, das ihr Haar zusammenhielt, hinter das Ohr und klopfte. Es kam sofort ein »Herein«.

Ms. Santos saß hinter dem Schreibtisch an einem Laptop. Sie hob den Kopf und schob die Brille den Nasenrücken hoch. Mit ihrem Dutt sah sie wie eine strenge Lehrerin aus.

»Hallo, Ms. Santos, ich melde mich zum Dienst«, sagte Harper.

»Wie immer pünktlich. Wenn nur alle hier so zuverlässig wie Sie wären.« Ms. Santos öffnete eine Schublade und entnahm ein elektronisches Tablet für die Bestellungen, denn die Geräte wurden hier aufbewahrt. So konnten die Bosse, die für den Service zuständig waren, sehen, ob alle eingeteilten Kräfte ihren Job angetreten hatten. Nach der Arbeit musste sie die Tablets wieder zur Abrechnung abgeben.

»Ich hoffe, wir haben heute einen guten Abend«, meinte Ms. Santos, als sie Harper das Tablet überreichte.

»Das hoffe ich auch«, erwiderte Harper lächelnd, während sie das Gerät in ihrer Schürze verstaute. Viele Gäste bedeuteten viel Trinkgeld, und sie konnte wahrlich jeden Cent gebrauchen. Ms. Santos wendete sich wieder ihrem Laptop zu. Das war ein untrügliches Zeichen, dass Harper das Büro verlassen konnte.

Im Gang steuerte sie eine Tür an, die von der anderen Seite aus nicht zu sehen war, da sie mit der edlen Nussbaumvertäfelung verschmolz. Jetzt war sie im Gästebereich. Sie passierte die Fluchttreppe, deren Tür ebenfalls dezent in die Vertäfelung integriert war. Ein grell leuchtendes Schild darüber wies jedoch überdeutlich auf diesen Ausgang hin. Dort waren die Kameras nur Fake, sodass das Personal die Treppe für kleine Auszeiten nutzte.

Bereits im Gang vernahm Harper Gemurmel. Es schien jetzt schon viel los zu sein … und das unter der Woche. GoldenEye von Tina Turner untermalte das Geplapper. Dieser Song passte gut zum Ambiente der Bar, denn die Innenausstatter hatten sich von alten James-Bond-Filmen inspirieren lassen, sodass alles im modernisierten Sechzigerjahre-Chic glänzte. Eben eines stylishen Agenten würdig. Bond würde hier mit Sicherheit seinen gerührten und nicht geschüttelten Martini sehr genießen. Ihre Freundin Ariana war für die Wandbilder verantwortlich gewesen und hatte Harper den gut bezahlten Job verschafft. Es handelte sich natürlich bei allen Gemälden um Szenen aus Bond-Filmen. Ariana war eine wirklich begnadete Künstlerin. Harpers Lieblingsbild zeigte eine übergroße weiße Katze, die auf einem Schoß saß und von Männerhänden gekrault wurde.

Als sie den Gastraum betrat, stellte Harper fest, dass ihre Ohren sie nicht getäuscht hatten. Alle der Büffelledersofas in der Mitte waren besetzt – bis auf zwei –, und auch unter den vielen kleinen Plätzen an den Panoramafenstern gab es nicht mehr viel Auswahl. Auf der Terrasse war nahezu kein Tisch mehr frei. So, wie es schien, würde heute ein trinkgeldreicher Abend werden.

Tammy und Enrique standen hinter der Theke am Ende des gut achtzig Fuß langen Raumes. Harper passierte die leeren Sofas und entdeckte ein Reserviert-Schild neben der Getränkekarte auf dem runden Tisch in der Mitte. Hoffentlich hatten sich spendable Leute die besten Plätze im Lokal gesichert, denn die Sofas gehörten zu Harpers Servierbereich.

»Die Verstärkung ist da«, begrüßte sie Tammy gut gelaunt. Ihre Kollegin stellte gerade Cocktails auf ihr Serviertablett, während Enrique den Shaker schüttelte und dabei rhythmisch mit den schmalen Hüften wackelte, als würde er tanzen. Mochte da einer seinen Martini doch geschüttelt? Das war ja Blasphemie. Harper musste grinsen.

»Bist ja heute gut drauf«, stellte Tammy fest und hob das Tablett hoch.

»Ihr beiden aber auch«, erwiderte sie vergnügt.

»Das Leben ist viel zu kurz, um miesepetrig zu sein«, mischte sich Enrique ein und goss mit einer ausladenden Handbewegung milchig-gelbe Flüssigkeit aus dem Shaker in ein Margarita-Glas, das er mit einem Zitronenschalenkringel dekorierte.

»Hier kommt dein Panorama Daiquiri, der Beste, den man in Manhattan bekommen kann. Ach, was sag ich, in ganz New York.« Damit stellte Enrique das Glas auf Tammys Tablett.

»Da ist ja mal jemand von sich überzeugt«, meinte Tammy bissig, grinste aber und war schon auf dem Weg zur Terrasse.

»Wirklich, hast du schon irgendwo einen besseren Daiquiri getrunken?«

»Wenn ich ehrlich bin, habe ich noch nie einen getrunken«, gab Harper zu.

»Nicht?« Enrique zog erstaunt die dunklen Brauen hoch. »Das müssen wir sofort ändern«, meinte er und schnappte sich den Rum. Aus der Küche, deren Tür neben der Bar lag, zog der Duft von Hummer und Knoblauch zu ihnen – eine Spezialität des Flemings. Denn zu den Drinks konnte man auch kleine Snacks ordern. Das erinnerte Harper daran, dass sie schon lange nichts mehr gegessen hatte. Ein leerer Magen und Alkohol waren keine gute Kombi, vor allem, da sie nur selten trank.

»Ich glaube, wir verschieben das. Ganz ehrlich: Ich vertrage das Zeug nicht«, meinte Harper, und Enrique hielt inne. Doch nicht, weil Harpers Worte ihn dazu bewegt hatten, sondern sein Blick war auf etwas anderes, besser jemand anderen gerichtet.

»Oh, mein Gott, der Adonis war ja schon lange nicht mehr in der Bar. Ich finde, er sieht heute noch umwerfender aus als sonst. Wie der junge Dylan McDermott.« Enriques Wangen nahmen ein niedliches Rosa an.

»Wer?« Harper stellte sich neben ihn, um den Typ zu betrachten, der ihn so aus dem Häuschen brachte.

»Na, der Hollywoodstar. Er stand 1998 auf der Liste der fünfzig schönsten Menschen der Welt, und obwohl er jetzt schon über ein halbes Jahrhundert alt ist, sieht er noch immer zum Anbeißen aus«, erklärte Enrique, während Harper vier Anzugträger dabei beobachtete, wie sie auf den freien Sofas Platz nahmen. Wahrscheinlich Anwälte oder Broker. Einem von ihnen stand der Maßanzug besonders gut. Seine breiten Schultern ließen vermuten, dass das Jackett einen perfekt trainierten Oberkörper verbarg. Er hob den Kopf, und ihre Blicke trafen sich. Seine Augen überstrahlten das Blau des Himmels an einem wolkenlosen Sommertag. So ein Blau hatte sie noch niemals zuvor gesehen. Harper wurde heiß und kalt zugleich, ein erregtes Zittern durchfuhr sie, ihr Herz stolperte. Noch nie hatte sie sich beim Anblick eines Typen so gefühlt.

»Oh Gott, er sieht her«, flüsterte Enrique.

»Den Schwarzhaarigen findest du süß?«, fragte Harper.

»Jaaaaa. Ist er nicht zauberhaft?«, antwortete Enrique verträumt.

»Ist er schwul?«

»Nein, leider nicht. Er war bisher nur mit Frauen hier. Ich bin sicher, dass das alles Dates waren. Ein Blinder konnte sehen, dass es sich bei diesen Verabredungen um keine Arbeitstreffen handelte. Aber schau dir nur den Traum von einem Mann an.« Enrique seufzte.

»Frauen?«, hakte Harper nach und betonte dabei den Plural.

»Na, der gehört nicht nur einer allein«, sagte Enrique. Harper hatte das Gefühl, ihr wäre ein Eimer mit Eiswasser über den Kopf geschüttet worden. Klar, ein Mann wie er war mit Sicherheit kein Kostverächter. Er hatte wahrscheinlich an jedem Finger zehn Frauen. Reich, dazu verflucht gut aussehend, da standen die Frauen Schlange. Aufregende Femme fatales, die mit grauen Mäuschen nichts gemein hatten. Sie selbst konnte sich ja nicht einmal einen Friseur leisten und trug deshalb das Haar meist zu einem Pferdeschwanz gebunden.

»Hey, Harper, schön, dass du heute Dienst hast.« Chen Lu brachte ein Tablett mit schmutzigen Gläsern, das sie neben dem Spülbecken abstellte, dann gesellte sie sich zu ihnen. »Ach, sieh mal an, Enriques Traummann ist heute gekommen. Er ist aber auch ein Hingucker. Echt, ich würde ihn auch nicht von der Bettkante schubsen«, meinte sie.

»Wen würdest du nicht von der Bettkante schubsen?«, fragte Tammy, die ebenfalls ein Tablett mit leeren Gläsern brachte.

»Dreamboy«, meinte Chen Lu.

»Ach, Enriques heimlicher und unerreichbarer Traumtyp ist da?«, fragte Tammy amüsiert.

»Jap, und ich würde ihn gern mal mit nach Hause nehmen, um ihn möglichst sexy auf meiner Bettkante zu platzieren«, sagte Chen Lu keck.

»Du bist nicht sein Typ«, fuhr Enrique sie an.

»Du aber auch nicht. Zu maskulin«, schoss sie zurück.

»Ja, leider.« Enrique stieß einen tiefen, von Herzen kommenden Seufzer aus.

Die Gruppe um Enriques Traummann reichte die Getränkekarte herum. Der blonde Mann neben Dreamboy, wie Tammy ihn nannte, sah zur Bar, was wahrscheinlich bedeutete, dass er bestellen wollte.

»Mein Stichwort.« Harper straffte die Schultern und machte sich auf den Weg.

Je näher sie den Sofas kam, desto weicher wurden ihre Knie. Verdammt, reiß dich zusammen. Der Mann kocht auch nur mit Wasser! In diesem Moment fiel der Blick von Enriques Männertraum auf sie. Er fixierte sie regelrecht, und Harpers Herz schlug bis zum Hals. Mit angehaltenem Atem erreichte sie die Gruppe. Fast hätte sie wie ein Fisch an Land nach Luft geschnappt, schaffte es aber dann doch, etwas unauffälliger durchzuatmen, während sie das Tablet aus der Schürzentasche holte.

»Willkommen im Flemings Place«, sagte sie heiser und räusperte sich, doch das Gefühl, tagelang nichts getrunken zu haben, ging nicht weg. »Haben die Herrschaften bereits gewählt?«, fragte sie mit festerer Stimme.

»Richard, weißt du schon, was du trinkst?«, wollte der Blonde wissen.

»Nein, habt ihr euch schon entschieden?«, fragte der eindeutig schönste Mann in die Runde.

Seine samtige Stimme sorgte dafür, dass sämtliche von Harpers feinen Körperhärchen strammstanden. Richard hieß der Dreamboy also. In Gedanken wiederholte Harper den Namen ein paarmal.

»Ich nehme einen Highland Park pur«, begann der Blonde.

»Einen Elija Craig mit Eis«, sagte der Mann auf dem Sofa gegenüber.

»Ein Helles«, meinte der neben ihm.

»Sehr gern«, erwiderte Harper und gab die Bestellungen in ihr Tablet ein.

Der Mann namens Richard beobachtete sie dabei mit sichtlichem Interesse, was sie nervös machte. Aus der Nähe betrachtet war das Himmelblau seiner Augen noch intensiver. Die dunklen Wimpern und Brauen verstärkten die Intensität, die Iriden leuchteten fast, dazu das rabenschwarze Haar. Es war eine unglaublich attraktive Mischung.

»Wissen Sie schon, was Sie wollen, oder soll ich später noch mal kommen?«, fragte sie in möglichst sachlichem Ton.

»Was würden Sie mir empfehlen?« Richard hob die dunklen Brauen. Der brünette Mann gegenüber reichte ihm die Karte.

»Ich weiß nicht, was Sie so mögen«, erwiderte Harper.

»Was mögen Sie denn so?«, fragte er, während sein Blick den ihren fing, was ihr eine Gänsehaut bescherte.

»Nun ja, alle Cocktails hier sind ausgezeichnet«, erwiderte Harper, sah dabei unsicher zu den anderen Männern, die breit grinsten, dann wieder zu Richard. Wollte er sie veräppeln? War das Arroganz oder ein Flirtversuch?

»Welcher hier ist Ihr Lieblingsdrink?«, spezifizierte er seine Frage.

»Wasser«, erwiderte Harper trocken, worauf die anderen lachten und ihr Gegenüber grinste. Vielleicht war das ja doch Arroganz. Sein Grinsen stand ihm unglaublich gut, aber das wusste er auch. Ja, es war Arroganz. Was hatte sie von so einem reichen Typen auch anderes erwartet. Sie straffte die Schultern.

»Nur Wasser?«, wollte er mit tiefer Stimme wissen, die in Harpers Magen vibrierte.

»Mit einer Zitronenscheibe«, sagte sie. »Soll ich Ihnen das bringen?«, fragte sie mit honigsüßem Lächeln, denn er war mit Sicherheit nicht zum Wassertrinken in eine Bar gegangen. Jetzt war sie es, die sich über ihn lustig machte. Wer zuletzt lachte …

»Das und dazu einen Macallan 18«, sagte er sichtlich amüsiert. »Wenn ich gewusst hätte, dass die Aussicht hier noch schöner geworden ist, wäre ich in letzter Zeit öfter hergekommen«, fügte er hinzu.

»Ich denke, dass sich an der Aussicht seit der Eröffnung nichts geändert hat.« Harper tippte die Bestellung in ihr Tablet. Sie hatte beschlossen, cool zu bleiben. Arrogante Typen mochte sie nicht, auch wenn sie noch so gut aussahen.

»Oh, ich denke schon.« Er scannte sie regelrecht, und Hitze schoss in ihre Wangen. Nein, sie würde nicht auf diese plumpe Anmache eingehen, sondern sie ignorieren – wie auch die Tatsache, dass ihr sein intensiver Blick heiß-kalte Schauer über den Rücken jagte. Verdammt, cool bleiben. Benimm dich nicht wie ein Teenager. Du bist hier, um zu arbeiten, und nicht auf einer Partnerbörse. Außerdem wäre sie für einen Kerl wie ihn sowieso nur ein One-Night-Stand, wenn überhaupt.

»Ich bringe die Bestellung.«

»Und ich warte voller Ungeduld auf Ihre Rückkehr.« Sein Grinsen wurde zu einem äußerst sympathischen Lächeln.

In Harpers Magengegend kribbelte es gewaltig. Am liebsten hätte sie mit der Hand darübergestrichen, um sich zu beruhigen. Warum reagierte sie überhaupt so auf ihn? Sie mochte eigentlich diese von sich selbst überzeugten Anzugtypen nicht.

Ohne den dunkelhaarigen Schönling eines weiteren Blickes zu würdigen, eilte sie zu anderen Gästen, die ebenfalls etwas bestellen wollten, dann kehrte sie zur Bar zurück. Enrique wischte mit einem Tuch über die Platte aus schwarzem Granit.

»Du warst ganz schön lange bei ihm am Tisch«, sagte er mürrisch.

»Der konnte sich nicht entscheiden«, erwiderte Harper. Ihr Blick glitt zu Dreamboy, der sie ganz offenkundig beobachtete, was sofort wieder eine kribbelnde Reaktion in ihrem Inneren hervorrief. Zur Hölle mit ihrem Körper. Der reagierte ja auf diesen Kerl, als wäre sie schon seit Ewigkeit auf Sexentzug. Okay, sie war ja auch seit Ewigkeiten auf Sexentzug. Doch dieser Mann war nicht die Lösung. Schnell wandte sie sich Enrique zu. »Soll ich dir dabei helfen, die Bestellungen fertig zu machen?«

Kapitel 4

Richard konnte den Blick von der blonden Schönheit kaum abwenden. Harper stand auf ihrem Namensschild. Was für ein ungewöhnlicher Name. Ein Blick in ihre hellgrünen Augen hatte gereicht, um ihn einzufangen, und jetzt musste er sie einfach anstarren. Zusehen, wie sie eine lose Strähne hinter ihr Ohr strich oder einen scheuen Blick zu ihm herüberwarf. Sie schien auch an ihm interessiert zu sein, und das gefiel ihm.

»Erde an Richard. Wo bist du gerade?«, holte Mikes Stimme ihn in die Realität zurück.

»Na, bei dem blonden Engel.« Frank deutete mit dem Finger hinter sich.

»Das Gefühl hab ich auch. Du hast ja vorhin fast gesabbert.« Mike knuffte Richard mit den Ellenbogen in die Seite und lachte.

»Seid ihr nur mitgekommen, um blöde Witze auf meine Kosten zu machen?«, erwiderte Richard gereizt. Es verunsicherte ihn, dass ihm diese Frau schon beim ersten Anblick so unter die Haut ging, und er hasste es, verunsichert zu sein.

»Verstehst du heute keinen Spaß?« Mike boxte ihm leicht gegen den Oberarm. »Die Kleine ist wirklich niedlich. Die wäre doch was als Snack für zwischendurch. Warum lässt du dich von ihr nicht zu den Toiletten führen? Oder besser: Ich lasse mir von ihr die Toiletten zeigen.«

»Weißt du eigentlich, dass du den heutigen Preis für den sexistischsten Spruch ever gewinnst?« Richard sah mit unbewegter Miene zu Mike, um sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr ihn dieses dumme Geplapper ärgerte. Normalerweise störte es ihn nicht, wenn Mike in dieser Art über Frauen redete, aber er wollte nicht, dass er über diese Frau so sprach, und noch weniger gefiel ihm die Vorstellung, dass Mike sie anmachte.

»Ich sagte doch schon, du bist total untervögelt. Sonst wärst du nicht so verspannt«, erwiderte der.

Richard zwang sich, die Bedienung zu ignorieren. Schon allein, um Mike nicht weiter anzustacheln. »Es war heute ein langer Tag und Ms. Ruben ist unglaublich anstrengend.«

»Das ist sie wirklich. Ich bin froh, dass ich kein Scheidungsrecht mache.« Sein Kollege klopfte ihm verständnisvoll auf die Schulter.

»Anderseits ist sie jetzt schweinereich.« Andy fuhr sich durch seine braunen Wellen. »Als Strafrechtler kennst du doch einige wirklich schwere Jungs. Was verlangen die so für das Beseitigen eines Menschen?« Er legte seinen Arm um Franks Schulter, der nervös seine Brille zurechtrückte. Frank war der stets korrekte Streber unter ihnen. Wenn man ihn so betrachtete, würde man denken, dass er eher auf Wirtschaftskriminalität spezialisiert war und nicht auf Strafrecht. Aber vor Gericht wurde er zu einem Raubtier. Das bewunderte Richard sehr an ihm. Ansonsten war er eher hilfsbereit und schüchtern.

»Darüber macht man keine Witze«, erwiderte Frank hörbar empört.

»Wieso Witze? Wir sind Anwälte, wir sollten wissen, wie’s geht, und du sitzt an der Quelle.« Andy biss sich auf die Lippen, als stünde er kurz davor loszuprusten.

»Wenn uns jemand hört.« Frank schob energisch seinen Arm weg.

»Ach, das ist doch nur blanke Theorie. Für ein hypothetisches Gespräch kann man nicht bestraft werden. Jetzt sag schon, wer unter deinen Mandanten wäre für so einen Job geeignet? Hat sozusagen Berufserfahrung«, sprang Mike Andy zur Seite, und Richard war froh, dass sein Kollege so von der Bedienung abgelenkt wurde.

»Das ist nicht witzig. Außerdem fällt das unter das Anwaltsgeheimnis«, erwiderte Frank genervt, und die beiden lachten los.

»Hört jetzt auf damit!«, schritt Richard ein.

In diesem Moment kamen die Drinks. Harper stellte das Tablett auf den Tisch, und ihr wundervoller Duft stieg ihm in die Nase. Sie roch nach Vanille und Kirschen, erinnerte ihn an den Sommer. Dazu passte ihr blondes Haar. Leider trug sie es zu einem Zopf gebunden, und er fragte sich, wie es wohl offen aussehen würde, wenn es ihr zartes Gesicht umrahmte.

»… Ihr Bier und zu guter Letzt Ihr Macallan 18, dazu ein Glas Wasser mit einer Scheibe Zitrone.« Sie schob die Gläser vor Richard, nahm dann das Tablett. »Kann ich noch etwas für Sie tun?«, erkundigte sie sich und sah in die Runde.

Bei Richard blieb ihr Blick hängen, und er musste unwillkürlich lächeln. Sie hatte eindeutig Interesse an ihm, auch wenn sie sich etwas spröde gab. Ob ihre vollen Lippen nach Kirschen schmeckten?

»Wir sind wunschlos glücklich.« Mike schenkte ihr sein schönstes Sonnyboy-Lächeln, das ihm schon einige Eroberungen eingebracht hatte, doch Harper schien es, zu Richards Erleichterung, völlig kaltzulassen. Sein Blick folgte der hübschen Bedienung, die sich um andere Gäste kümmerte, während seine Kollegen ihre Gläser erhoben. »Lasst uns auf unseren spendablen Gönner anstoßen. Der Abend wird ihn teuer zu stehen kommen«, meinte Mike.

Nachdenklich betrachtete Richard Harper. Vielleicht war sie die Richtige … Nein, das war absurd. Er wischte die Idee zur Seite, bevor sie sich in seinem Kopf festsetzen konnte.

»Richard, dein Glas, wir stoßen an«, riss ihn Mike aus seinen Gedanken, und er griff nach seinem Drink. Die Gläser gaben ein Klirren von sich, als sie zusammenstießen. Dann rann der warme Geschmack des in Eichenfässern gereiften Scotchs seine Kehle hinunter.

»Kommt Violet noch?«, fragte Frank und stellte sein Bier auf den Tisch.

»Nein, sie hat ein Date«, erwiderte Mike.

»Ein Date? Wer ist der Glückliche?« Andy nahm einen Schluck.

»Keiner aus der Kanzlei. Mehr kann ich dazu nicht sagen«, antwortete Mike.

»Kannst du oder willst du nicht?«, bohrte Andy weiter.

»Ja, Mike, lass uns an deinem Wissen teilhaben«, pflichtete Frank ihm bei.

»Was kümmert es dich, wen Violet datet? Du bist verheiratet, Junge«, erwiderte Mike.

»Wisst ihr, dass ihr die reinsten Gossip Girls seid?«, mischte sich Richard ein.

»Alice wollte nachkommen. Sie hatte noch einen Mandanten, als wir gingen«, wechselte Mike das Thema.

»Alice, na darauf stoßen wir an.« Andy hob sein Glas.

Kapitel 5

Harper nahm die gebrauchten Gläser vom Tablett. Für einen Wochentag war verflucht viel los. Sie konnte nicht anders, immer wieder musste sie zu Mr. Schönling schauen. Er heißt Richard, flackerte es in ihren Gedanken auf. Nein. Sie blieb bei Mr. Schönling. Obwohl sie ganz Profi sein und ihn lediglich als Gast sehen wollte, machte ihr dummes Herz immer einen Hüpfer, wenn sie an seinen Tisch trat, um eine neue Bestellung aufzunehmen.

Eine Frau betrat die Bar und steuerte direkt auf die Männer zu. Da war sie ja, die Femme fatale, der Harper nicht das Wasser reichen konnte. Sie trug ein Businesskostüm, das keinesfalls von der Stange kam. Das rote Haar war perfekt hochgesteckt und der Rock wirklich kurz. Zu kurz für Harpers Geschmack. Zur Hölle, sie bestand gefühlt nur aus Beinen. Die Männer standen auf, und die Schönheit begrüßte jeden mit einem Küsschen auf beide Wangen. Auch Richard, was Harper wirklich sauer aufstieß, obwohl es ihr eigentlich egal sein konnte, mit wem er so herumknutschte. Verdammt, es war ihr ja auch egal. Warum hoffte sie dann von ganzem Herzen, dass die Rothaarige nicht seine Freundin war? Zu ihrer Beruhigung nahm sie neben dem Blonden Platz, der Mike hieß, wie sie mitbekommen hatte.

»Er hat es dir auch angetan, Süße. Du kannst ja deine Augen nicht von ihm nehmen«, flüsterte ihr Enrique ins Ohr, und sie zuckte ertappt zusammen.

»Nein, ich habe nur darüber nachgedacht, ob der Rock der Rothaarigen nicht eher ein breiter Gürtel ist«, gab sie zurück.

»Aha, deshalb starrst du ihn die ganze Zeit wie einen riesengroßen Eisbecher an, den du am liebsten an Ort und Stelle vernaschen würdest – und das schon, bevor die Rothaarige sich zu ihnen gesellt hat.« Enrique kicherte.

»Ich kenne ihn doch gar nicht«, brauste Harper auf.

»Das muss man auch nicht, um jemanden zu vernaschen. Glaub mir, ich hab da Erfahrung.« Jetzt lachte er auf.

»Ich werde dieses Arschloch nie wieder bedienen.« Tammy knallte ihr Tablett neben Harpers. Die leeren Cocktailgläser klirrten bedrohlich.

»Welches Arschloch?«, fragte Enrique.

»Auf der Terrasse, der besoffene Typ hat mir in den Schritt gefasst. Ich hätte ihm fast das Tablett über den Schädel gezogen.«

»Warum hast du es nicht getan?« Enrique zog die Brauen hoch.

»Weil es Noah Wilson ist, der Erbe der Wilson-Hotel-Kette. Denen gehört nicht nur das Hotel hier, in dem das Flemings ist, sondern die haben dazu noch Verbindungen nach ganz oben. Wie ihr wisst, studiere ich Politikwissenschaften und will nach meinem Studium auch damit was anfangen. Wenn ich mir so jemanden zum Feind mache, kann ich bis in alle Ewigkeit Drinks servieren. Wenn die Kamera dabei ist, sind diese reichen Typen schon ätzend, aber ohne sind sie nicht zu ertragen.« Tammy schlug mit der Faust auf die Arbeitsplatte. »Autsch, das tat weh.« Sie rieb sich die Hand.

»Granit gegen Hand, da weiß ich, worauf ich setzen würde«, meinte Enrique und Tammy seufzte.

»Mach die Bestellung fertig, dann bediene ich diesen Idioten eben doch … und das mit einem Lächeln«, sagte sie resigniert, Tränen glitzerten in ihren Augen. Die Sache hatte sie wirklich mitgenommen.

»Ich kann einspringen«, bot Harper an.

»Ehrlich?«

»Klar. Gönn dir eine Auszeit auf der Treppe, damit du dich beruhigen kannst.«

»Oh, ich danke dir. Übrigens: Wilson, der sich anscheinend für so unwiderstehlich wie Bond persönlich hält, bekommt den Martini.« Tammy verließ die Bar. Harper half Enrique, die Bestellung für besagten Tisch fertig zu machen.

»Dann werde ich dem Erben mal seinen Drink servieren.« Sie hob das Tablett hoch und marschierte los. Der sollte sich was trauen. Entschlossen, sich nichts gefallen zu lassen, betrat sie die Terrasse.

Für die Jahreszeit war es zu so später Stunde richtig mild hier draußen, obwohl das Thermometer tagsüber nicht mehr als fünfundzwanzig Grad angezeigt hatte. Eine leichte Brise spielte mit Harpers losen Strähnen. Die Gruppe um den Erben saß in Loungesesseln am Ende der Terrasse, die von halb hohen gläsernen Wänden eingerahmt wurde. Harper erkannte ihn sofort, und das nicht nur, weil er des Öfteren das Flemings mit seiner Anwesenheit beehrte, sondern er war der Star der Doku-Soap Naughty Rich Kids und dadurch das Lieblingsthema der hiesigen Klatschpresse. Auch wenn sich Harper dem Ganzen weitestgehend entzog, kam sie dennoch nicht an den Schlagzeilen vorbei, und sei es nur dank eines flüchtigen Blickes auf die Zeitung, die jemand im Bus neben ihr las. Unter den Männern, die wahrscheinlich alle von Beruf Sohn waren, entdeckte sie auch Mädchen in knappen Kleidchen, die sich willig an die Hälse der Kerle warfen. Angesichts des wenigen Stoffs, den sie am Leibe trugen, musste ihnen kalt sein. Heute Nacht war es zwar mild, aber nicht so warm, dass man nur so wenig Stoff brauchte. Trotzdem blieben sie tapfer sitzen. Eines stand fest: Tammy zwischen die Beine zu fassen, war nur eine Machtdemonstration gewesen. Denn wenn Harper das so umriss, hatte der Mistkerl genug Schenkel zur Auswahl, die er betatschen konnte.

An dem Tisch herrschte eine ausgelassene Stimmung, was Harper umso wütender machte. Dieser Vollpfosten hatte gerade eine Frau belästigt, und es würde nicht die geringste Auswirkung auf ihn haben. Die verfluchte Welt war manchmal so ungerecht. Tammy könnte ihn anzeigen, aber was würde ihr das bringen? Jobverlust und wenn es ganz blöd kam, könnte das ihrer Karriere schaden. Im Hintergrund spielte gerade Live and Let Die. Die Musik passte.

Harper straffte die Schultern, und als die Musik schneller wurde, schlängelte sie sich angriffslustig zwischen den herumstehenden Gästen hindurch.

Dann erreichte sie den Tisch.

»Wer bekommt den Rosé?«, fragte sie kalt.

Ein Mädchen im golden glitzernden Kleidchen meldete sich, und Harper schob das Glas zu ihr.

»Was haben wir denn da?«, sagte der Hotelerbe.

Harper ignorierte ihn. »Wer bekommt den Vice Vesper?«, wollte sie wissen, und ein Typ meldete sich, worauf sie sich etwas über den Tisch beugen musste, um ihm den Cocktail reichen zu können.

»Dein Hinterteil ist ja noch knackiger als das der anderen Bedienung«, machte der Kerl weiter.

Harper packte hastig alle Drinks auf den Tisch. Sollten die Herrschaften sie sich doch selbst nehmen. Sie hielt noch einen Martini in der Hand, den sie gerade vor Wilson stellen wollte.

»Weißt du was, ich würde gern wissen, wie dieser Arsch ohne Hose aussieht.«

In diesem Moment spürte sie eine Hand auf ihrem Gesäß.

»Ich habe hier eine Suite, da könnte ich dich so richtig rannehmen.« Ganz ungeniert fuhr er, begleitet vom Lachen der anderen, mit der Hand nach unten.

Nein, mein Herr, nicht mit mir! Im nächsten Moment landete der Martini in dessen Gesicht. Sofort war die Hand verschwunden. Die Leute am Tisch verstummten, starrten alle auf den Hotelerben, dessen Gesicht sich vor Zorn dunkel färbte.

»Oh, Verzeihung, wie ungeschickt von mir«, sagte Harper mit einer gehörigen Portion Sarkasmus in der Stimme.

»Das kostet dich deinen Job«, schrie er.

Harper stellte das Glas ab, ein kleiner Rest war ja noch drin, und klemmte sich das Tablett unter den Arm, um den Rückzug anzutreten.

Ihr Herz schlug bis zum Hals. Verdammt, jetzt musste sie sich eine neue Arbeit suchen, die mit Sicherheit schlechter bezahlt war.

»Bleib hier!«, brüllte der Kerl, doch sie zwängte sich durch eine Gruppe von Gästen, die gerade aufgestanden waren. »Denkst du, du kannst vor mir weglaufen?«

So ein Mist. Sie drehte sich um, der verfluchte Typ war direkt hinter ihr. Sie eilte weiter, obwohl es vor ihm kein Entkommen gab. Sie könnte in die Küche gehen. Vielleicht würden ihn ja die Essensgerüche aufhalten?

Gefolgt vom Gezeter des Idioten verließ sie die Terrasse. Als sie zur Bar schaute, entdeckte sie Tammy, die bleich neben Enrique stand. Ihren Job hatte Harper bereits verloren, da brauchte sie eigentlich nicht mehr zu fliehen. Sie blieb stehen, drehte sich um und hob stolz das Kinn.

»Sir, Ihr Hemd ist nass geworden. Ich wollte Ihnen gerade ein paar Servietten bringen«, sagte sie zu Wilson, als er sie erreichte.

»Du denkst, du kannst dich so aufführen und damit durchkommen?« Er tippte mit dem Finger auf ihrem Dekolleté herum. Es war, als würde er sie mit einem Messer piken, doch sie verzog keine Miene.

»Nehmen Sie die Finger da weg oder ich breche Ihnen etwas«, fuhr sie ihn mit einer Schärfe in der Stimme an, die ihn zurückweichen ließ.

»Von deinem Job darfst du dich verabschieden …«

»Kann ich helfen?« Mr. Schönling, nein, Richard trat neben sie. Er sprang ihr gerade zur Seite und hatte sich verdient, dass sie ihm in Gedanken keinen dummen Spitznamen gab, sondern ihn Richard nannte.

»Das Miststück hat mir einen Drink ins Gesicht geschüttet«, meinte Wilson wild gestikulierend.

»Haben Sie es verdient?«, fragte Richard.

»Er hat mich betatscht«, meinte Harper.

»Sexuelle Belästigung ist heutzutage kein Kavaliersdelikt mehr. Miss, möchten Sie ihn anzeigen?« Richard sah zu Harper.

»Was sind Sie? Anwalt?«, fuhr Wilson Richard an.

»In der Tat. Und in meiner Funktion als solcher würde ich Ihnen raten, die junge Frau in Ruhe weiterarbeiten zu lassen und an Ihren Platz zurückzukehren.« Richard machte einen Schritt in Wilsons Richtung. Er war gut einen halben Kopf größer als der Hotelerbe und auch wesentlich trainierter.

»Das wird ein Nachspiel haben«, meinte Wilson, drehte sich um und stapfte davon.

Erst jetzt bemerkte Harper, wie still es um sie herum geworden war. Alle starrten sie an.

»Danke«, sagte sie leise zu Richard. Die Leute nahmen ihre Gespräche wieder auf, denn die Show war vorbei.

»Keine Ursache.« Er griff in die Innentasche seines Jacketts. »Wenn Sie Hilfe brauchen, scheuen Sie sich nicht, mich anzurufen.« Er drückte ihr eine Karte in die Hand. Darauf stand: Richard Dempsey, Anwalt bei Mathewson, Cunningham und Stein. Dazu mehrere Telefonnummern, eine Web- und eine E-Mail-Adresse.

»Ich fürchte, ich kann Sie mir nicht leisten.« Sie wollte ihm die Karte zurückgeben, aber er hielt ihre Hand fest. Seine Berührung elektrisierte sie.

»Behalten Sie die Karte«, sagte er und gab Harper frei.

Sie steckte das kleine Pappding in ihre Schürzentasche hinter das Tablet.

»Danke schön. Kann ich etwas für Sie tun? Ihnen einen Drink ausgeben? Nur keinen Macallen 18, den kann ich mir beim besten Willen nicht leisten.« Sie lächelte, was er erwiderte. Er war doch nicht so arrogant, wie sie zuerst gedacht hatte. In diesem Augenblick ertönte ein Summen aus seiner Jackentasche.

»Verzeihen Sie«, entschuldigte er sich, dann zog er ein Smartphone heraus. »Da muss ich leider drangehen.«

»Kein Problem, ich muss sowieso wieder an die Arbeit. Da sind ein paar Gäste, die schon ganz unruhig werden.« Damit ließ sie ihn stehen.

»Isabelle, was willst du?«, hörte sie ihn sagen.

War diese Isabelle seine Freundin? Harper fasste in ihre Schürzentasche, um die Karte herauszuholen, die er ihr gegeben hatte. Richard Dempsey! Sie erreichte die Bar.

»Was ist passiert?«, fragten Tammy und Enrique zeitgleich. Auch Chen Lu gesellte sich zu ihnen. Harper blickte von der Karte zu Richard, der das Handy in die Tasche schob und zu seinem Platz zurückkehrte. Er setzte sich nicht, sondern wechselte nur ein paar Worte mit seinen Begleitern, anschließend verließ er die Bar. Wahrscheinlich hatte seine Freundin oder Frau angerufen, und er musste jetzt zu ihr.

»Jetzt sag schon was«, forderte Enrique sie voller Ungeduld auf. »Warum hat dir Mr. Sahneschnitte seine Karte gegeben?«

»Ich habe Noah Wilson einen Drink ins Gesicht geschüttet«, erwiderte sie und schob die Karte schnell in ihre Tasche zurück.

»Nicht wirklich!«, rief Tammy begeistert, presste dann die Lippen zusammen und sah sich verstohlen um. Doch die Gäste in der Nähe reagierten nicht.

»Meine Heldin.« Enrique umfasste stolz ihre Schultern und drückte sie.

»Von deinem Job kannst du dich verabschieden«, meinte Chen Lu trocken.

»Aber bis dahin habe ich noch einige Drinks zu servieren.« Harper befreite sich von Enrique und packte die fertigen Cocktails, die schon warteten, auf das Tablett. Sie würde weiterarbeiten, bis Ms. Santos etwas anderes sagte. Jede Minute, die sie hier mit Bedienen verbrachte, musste sie bezahlt werden. So einfach war das.

Richard stand im Aufzug und fuhr zur Lobby. Zum Glück befand sich außer ihm niemand im Fahrstuhl. Nur schweren Herzens war er gegangen. Aber Isabelle hatte etwas ausgegraben, das sie ihm nur im Büro zeigen wollte. Hoffentlich hielt sich dieses Arschloch Wilson zurück und belästigte Harper nicht mehr. Es war ein Impuls gewesen, ihr seine Karte zu geben, und jetzt hoffte er, dass sie sich bei ihm melden würde. Denn er wollte ihr helfen. Dass dieser schmierige Typ die ganze Sache auf sich beruhen ließ, war unwahrscheinlich. »Er hat mich betatscht«, hatte sie gesagt. In diesem Moment hätte er dem Kerl am liebsten die Faust ins Gesicht gerammt. Aber das war keine Option, doch er konnte gerichtlich gegen ihn vorgehen, wenn Harper ihn hinzuzog.

Richard lehnte sich gegen den Spiegel und schloss die Augen. Sie hatte gesagt, dass sie es sich nicht leisten konnte, ihn als Anwalt zu engagieren, aber es gab da etwas, was sie im Gegenzug für ihn tun konnte. Richard hob die Lider, machte einen Schritt nach vorn und straffte sich. Das war eine dumme Idee. Mit ein Pling stoppte der Aufzug, und Richard stieg aus. Er schritt durch die in dunklem Holz gehaltenen Lobby. Jetzt musste er nur noch ein freies Taxi finden.

Kapitel 6

Harper räumte hinter der Bar Gläser in die Spülmaschine. Seit Richard das Flemings