Midnight Shadows - Dunkle Gefährtin - Sara Hill - E-Book
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Midnight Shadows - Dunkle Gefährtin E-Book

Сара Хилл

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Beschreibung

Er ist ihr Feind - doch auch der Einzige, der sie beschützen kann ...

Beim Anblick von rohem Fleisch läuft ihr das Wasser im Mund zusammen - obwohl sie Vegetarierin ist. Sie kann Menschen und Dinge mit ihrem Geruchssinn wahrnehmen - obwohl sie meilenweit entfernt sind.

Olivia weiß nicht, was plötzlich mit ihr los ist. Ihr Körper scheint sich zu verändern, und das macht ihr Angst. Der Einzige, der ihr helfen könnte, ist ihr Vater. Aber der hat Olivia und ihre Mutter noch vor ihrer Geburt verlassen. Also macht sie sich auf den Weg nach New York - der letzte bekannte Aufenthaltsort ihres Vaters. Dort trifft sie auf den geheimnisvollen Aaron, der sie sofort in seinen Bann zieht. Auch er ist fasziniert von Olivia und kann ihr nicht widerstehen. Doch damit setzt er ihrer beider Leben aufs Spiel. Denn Aaron hat all die Antworten auf Olivias Fragen. Und dieses Wissen kann tödlich sein ...

Midnight Shadows - Dunkle Gefährtin ist der Auftakt der neuen Paranormal-Romance-Reihe Shapeshifters of New York.

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Inhalt

Cover

Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Epilog

Unsere Empfehlung

Über dieses Buch

Er ist ihr Feind – doch auch der Einzige, der sie beschützen kann …

Beim Anblick von rohem Fleisch, läuft ihr das Wasser im Mund zusammen – obwohl sie Vegetarierin ist. Sie kann Menschen und Dinge mit ihrem Geruchssinn wahrnehmen – obwohl sie meilenweit entfernt sind.

Olivia weiß nicht, was plötzlich mit ihr los ist. Ihr Körper scheint sich zu verändern, und das macht ihr Angst. Der Einzige, der ihr helfen könnte, ist ihr Vater. Aber der hat Olivia und ihre Mutter noch vor ihrer Geburt verlassen. Also macht sie sich auf den Weg nach New York – der letzte bekannte Aufenthaltsort ihres Vaters. Dort trifft sie auf den geheimnisvollen Aaron, der sie sofort in seinen Bann zieht. Auch er ist fasziniert von Olivia und kann ihr nicht widerstehen. Doch damit setzt er ihrer beider Leben aufs Spiel. Denn Aaron hat all die Antworten auf Olivias Fragen. Und dieses Wissen kann tödlich sein …

»Midnight Shadows – Dunkle Gefährtin« ist der Auftakt der neuen Paranormal-Romance-Reihe »Shapeshifters of New York«.

Über die Autorin

Sara Hill wurde an einem Wintertag im Februar 1971 geboren. Sie hat zwei große Schwächen: Schokolade und die großartige Stadt New York. Es gibt nichts Schöneres für sie, als an einem sonnigen Wintertag durch den Central Park zu spazieren oder im viktorianischen Gewächshaus des botanischen Gartens zu lustwandeln. Da ist es auch kein Wunder, dass diese pulsierende Metropole Handlungsort ihrer fantastischen Geschichten ist.

Sara Hill

MidnightShadows

Dunkle Gefährtin

Shapeshifters of New York

beHEARTBEAT

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Copyright © 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Julia Feldbaum

Covergestaltung: Guter Punkt, München unter Verwendung von Motiven von © AdobeStock: Mat Hayward | Artenauta © Getty Images/Dragos Cojocari

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7517-0005-4

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Kapitel 1

Eine eisige Brise biss in mein Gesicht, als ich das Taxi verließ. Kleine Wölkchen kondensierten Atems stiegen aus meinem Mund auf. Endlich frische Luft!

Ich atmete sie tief in die Lunge. Das säuerliche Aroma, das im Taxi vorgeherrscht hatte, war wirklich nichts für empfindliche Nasen gewesen.

Der Fahrer holte eifrig meine Reisetasche aus dem Kofferraum und drückte sie mir in die Hand. Sie war alles, was ich dabeihatte, denn ich stand nicht so auf Handtaschen und dergleichen. Das, was ich brauchte, war in meinen Jackentaschen verstaut.

Der Mann verschwand wieder in seinem warmen Fahrzeug, und ich blieb allein zurück.

Mein Blick glitt die Fassade des Hotels hoch. Sie verschmolz mit der Dunkelheit. Eine Schneeflocke traf meine Nasenspitze. Ich erschauderte. Zunehmend mehr Flocken rieselten aus der Finsternis auf mich herab. Warum musste ich auch ausgerechnet im Februar nach New York reisen? Dazu noch während des kältesten Winters, den die Stadt jemals gesehen hatte?

Eilig betrat ich das Hotel, vor dem kein Portier wartete, wie man es so häufig in Filmen sah. Entweder es war zu kalt oder zu spät für solcherlei Service – oder beides.

Der Eingangsbereich war mit braunem Marmor ausgekleidet. Eine wohlige Wärme begrüßte mich, und die Gänsehaut verschwand. Das Aroma von Knoblauchwurst dämpfte meine Freude etwas. Wahrscheinlich hatte sich der Mann hinter dem Marmortresen einen kleinen Nachtsnack gegönnt. Die meisten Menschen würden den Geruch kaum wahrnehmen, ich aber widerstand dem Drang, mir meine behandschuhte Hand vor die Nase zu halten, nur mit Mühe. In letzter Zeit war mein Geruchssinn wirklich extrem empfindlich geworden. Schwangeren sagte man nach, dass sie besser als Hunde riechen konnten. Doch ich erwartete kein Baby, und es gab einfach keinen plausiblen Grund für diese Veränderung. Nur Andeutungen meines unbekannten Vaters in einem Brief besagten, dass diese Veränderungen auf mich zukommen würden.

»Was kann ich für Sie tun?« Der Mann Mitte vierzig zog die Augenbrauen hoch.

»Mein Name ist Olivia Müller, ich habe reserviert.«

»Mueller?«, wiederholte er umständlich, als würde ihm das Ü in meinem Namen die Zunge brechen.

»Müller«, korrigierte ich und wünschte mir in diesem Moment, Mama hätte mir den Namen meines Vaters gegeben. Der war meines Wissens nach Amerikaner.

Der Angestellte murmelte etwas und tippte auf seiner Tastatur herum. »Ich sehe keine Reservierung«, erwiderte er. Genervt zog ich die Handschuhe aus, schnappte mir den Kugelschreiber vom Tresen und schrieb meinen Namen in Druckbuchstaben auf meine Handfläche. Dann hielt ich sie ihm vor die Nase.

Wieder tippte er und schüttelte den Kopf. Ein Schwall seines Wurstatems traf mein Gesicht, ich trat hastig einen Schritt zurück, Galle brannte mir in der Kehle.

»Es gibt leider keine Reservierung.«

»Wieso? Ich habe schon vor Wochen gebucht.« Ich versuchte, ruhig zu bleiben, doch die Wut, die in mir hochkochte, ließ sich nicht aus der Stimme drängen. Ich zog mein Handy aus der Tasche und öffnete die Buchungsseite, die sich gerade in diesem Augenblick nicht öffnen ließ. Dort stand etwas von technischen Problemen. Das war ja mal wieder typisch.

»Tut mir leid, Miss.«

»Egal, geben Sie mir einfach ein anderes Zimmer.«

»Wir haben keine Zimmer mehr frei, zur Zeit ist die Fashion Week«, erwiderte er mit betretener Miene.

Das konnte doch nicht wahr sein. Ich war Tausende Kilometer von Zuhause entfernt und hatte kein Zimmer? Meine Beine zitterten, ich hatte das Gefühl, den Halt zu verlieren. Meine Suche nach meinem verschollenen Vater begann ja schon gut.

»Vielleicht gibt es im Giles noch eines. Es liegt nur ein paar Blocks entfernt. Ich könnte Ihnen ein Taxi rufen.«

»Geben Sie mir nur die Adresse, ich tippe sie in mein Handy. Wenn es nicht zu weit weg liegt, kann ich ja zu Fuß laufen.« Ich hatte für heute genug von unangenehm riechenden Taxis. Hoffnung loderte in mir auf, als ich die Adresse eingab und feststellte, dass sich das empfohlene Hotel nur zwei Straßen weiter befand.

»Vielleicht wäre ein Taxi wirklich besser«, meinte der Angestellte.

»Die frische Luft wird mir guttun.« Meinem Magen auf jeden Fall, fügte ich in Gedanken hinzu.

Als ich aus dem Hotel trat, glühten meine Wangen vor Ärger. Dass die Schneeflocken, die darauf landeten, nicht verdampften, war ein Wunder. Ich schickte ein Stoßgebet zum Himmel, während ich meine Tasche schulterte. Hoffentlich hatte das Giles ein Zimmer für mich. Wenn ich dort auch keines fand …

Mir wurde schon wieder schlecht. Darüber wollte ich keinesfalls nachdenken.

Der Gehweg war menschenleer, im Gegensatz zu den Straßen. Ein Auto nach dem anderen rauschte an mir vorbei. Bei dieser verfluchten Kälte schien sich niemand im Freien aufhalten zu wollen – was kein Wunder war. Obwohl ich gefütterte Sneakers trug, spürte ich schon nach wenigen Minuten meine Zehen kaum noch. Ich hob mein Handy hoch, an der nächsten Kreuzung musste ich nach links. Irgendwoher wehte Waschmittelgeruch in meine Richtung, der sich mit Abgasen vermischte.

Dann traf mich ein moschusartiges Aroma: ein Mensch, genauer gesagt ein Mann, der sich in unmittelbarer Nähe aufhielt.

Ich begann zu laufen. Aber der Geruch folgte mir. Das Knirschen von Schritten kam näher. Ich traute mich nicht, mich umzudrehen, wurde noch schneller. Mein Herz sprang gegen die Rippen. Sämtliche Nackenhärchen stellten sich auf, der Instinkt schrie mir zu, dass ich hier wegmusste. Wo konnte ich hin? Mit angehaltenem Atem schaute ich über die Schulter, entdeckte aber niemand. Vielleicht hatte ich mir das alles nur eingebildet?

Mein Herz widersprach mit wildem Pochen.

In diesem Moment rutschte mir das Handy aus der Hand. Es schlitterte über eine gefrorene Pfütze in Richtung Fahrbahn. Ich ließ meine Tasche auf den Boden fallen.

»Verflucht!« Panisch rannte ich hinterher. Nach der Devise »Schlimmer geht immer!« sah ich noch, wie mein Telefon über den Bordstein kippte und zwischen Gittern verschwand. In einem der gruseligen Abwasserschächte, in denen vorzugsweise Horrorclowns lauerten, wenn man Stephen King Glauben schenken mochte! Meine Tränen wurden nur noch von einem hauchdünnen Damm gehalten.

In diesem Moment schlug mir der Duft von Moschus regelrecht ins Gesicht. Hände packten mich grob. Ich wurde über den Gehweg gezerrt und gegen eine Hauswand gedrückt. Mein Herz schlug bis zur Kehle. Panik legte sich um meinen Brustkorb – einem Schraubstock gleich. Ein Schrei blieb mir im Hals stecken.

»Mister, ich gebe Ihnen alles, was ich habe, aber bitte tun Sie mir nichts«, flehte ich heiser.

»Was tust du hier? Das ist nicht euer Gebiet«, fuhr mich mein Angreifer an.

Der Mann war gut einen Kopf größer als ich. Seine Pranke umfasste meinen Hals, während die andere weiter meinen Oberarm fest im Griff hatte. Ich schnappte nach Luft.

»Ich … ich … weiß nicht, wovon Sie reden.« Tränen liefen über meine Wangen.

Hasserfüllt starrte mich der Mann an. »Willst du mich verarschen?«

»Nein«, schluchzte ich und zitterte wie ein Reh, dessen Hals im Maul eines Raubtiers steckte.

Er musste nur noch zubeißen und würde mein Genick brechen wie einen verdorrten Grashalm. Verzweifelt sah ich zur Straße. Warum hielt keines dieser verfluchten Autos an?

»Sie können mein ganzes Bargeld haben. Alles, was Sie wollen.«

»Wir werden es nicht dulden, dass ihr unsere Grenzen verletzt, das weiß deine Brut.«

Er sprach ganz leise, was noch beängstigender als sein Brüllen war. Sein Griff wurde fester, und ich versuchte, die Hand von meinem Hals zu zerren, während ich nach Atem rang.

»Bitte«, stieß ich hervor.

»Hör auf zu zappeln, sonst drücke ich zu«, drohte er, und ich erstarrte. Eine lange Strähne seines im Nacken zusammengebundenen Haares rutschte ihm ins Gesicht. Er kam näher. Eine Narbe verlief quer über sein rechtes Auge. Ich konnte nicht anders, als sie anzustarren.

»Bitte«, flehte ich keuchend, woraufhin er den Griff lockerte. »Ehrlich, Mister, ich kenne hier niemanden. Ich bin heute aus Deutschland in New York angekommen und war vorher noch nie in dieser Stadt.« Ich schluckte, meine Kehle schmerzte, doch endlich bekam ich wieder Luft.

»He, was machst du mit der Frau?«, schrie ein Fremder.

Der Mann ließ meine Kehle los, den Arm packte er dagegen umso fester.

»Das geht dich nichts an«, knurrte er und drehte sich zu dem Typ um. Ich erstarrte, war nicht in der Lage, auch nur die Finger zu bewegen.

»Ich ruf die Polizei, wenn du sie nicht loslässt.«

»Hau ab und kümmere dich um deinen Scheiß!«

Schneller, als ich es erfassen konnte, stand der unbekannte Retter bei meinem Angreifer, schnappte sich dessen Handgelenk, verdrehte es. Das hässliche Knacken verursachte mir eine Gänsehaut. Mit einem Schrei ließ mein Peiniger mich los, im nächsten Augenblick lag er mit dem Gesicht voran auf dem Gehsteig, das Knie des Retters im Kreuz.

»War alles ein Missverständnis, lass mich los, Mistkerl!«, lamentierte er.

»Du entschuldigst dich jetzt bei der Lady.« Mein Retter drückte das Gesicht des anderen in einen schmutzigen Schneehaufen, dann packte er ihn an den Haaren und zog den Kopf etwas hoch.

Es schüttelte mich.

»Okay, okay, bitte, Miss, verzeihen Sie mir.«

Ich beobachtete die Szenerie, als würde ich im Kino sitzen. Irgendwie war alles so unwirklich. Mir wurde schwindlig, meine Knie wollten nachgeben.

»Miss, wollen Sie die Polizei rufen?«, fragte Robin Hood mich.

Ich starrte ihn nur an, schüttelte langsam den Kopf.

»Wenn es nach mir ginge, würde ich die Cops holen. Du solltest der Lady dankbar sein.« Mit einer geschmeidigen Bewegung war mein Retter wieder auf den Beinen.

Der andere rappelte sich auf und rannte davon.

Ich sah ihm nach – schwankend wie ein dünner Baum imSturm –, bis er hinter einer Ecke verschwand.

»Alles in Ordnung, Miss?«, fragte mich eine Stimme, die ich nur wie durch Watte wahrnahm.

Meine Beine gaben nach, mir wurde schwarz vor Augen. Arme fingen mich auf, angenehmes Sandelholzaroma streichelte meine Sinne.

»He, bist du wieder da?«

Eine Hand fuhr sanft über meine Wange. Ich hob träge die Lider und sah in blaue Augen. Ein Motor brummte. Hastig rutschte ich von dem Unbekannten weg, der neben mir in einem Taxi saß.

»Was ist passiert?«, fragte ich.

»Du bist ohnmächtig geworden. Da hab ich mir erlaubt, ein Taxi heranzuwinken. Übrigens, ich bin Aaron.« Er streckte mir die Hand entgegen, die ich zögerlich nahm. Sie war unglaublich warm. Das spürte ich sogar durch die Wolle der Fäustlinge.

»Ich heiße Olivia, aber Freunde nennen mich Liv«, sagte ich, worauf Aaron lächelte.

Mein Herz begann zu rasen. Dieser Mann hatte mein Leben gerettet und sah dazu noch so verflucht gut aus. Was war mit mir los? Benahm ich mich gerade wirklich wie ein Opfer aus diesen drittklassigen Actionfilmen? Das musste der Schock sein. Eilig ließ ich Aarons Hand los.

»Wohin fahren wir?« Mein Blick ging zum Fenster. Würde man mich jetzt aus dem Auto schubsen, wäre ich total verloren.

»Zu einem Krankenhaus«, sagte Aaron.

Hektisch drehte ich den Kopf in seine Richtung, worauf mein Hals sich meldete. Ich rieb über die schmerzende Stelle, hoffte, dass der Kerl keine Blutergüsse verursacht hatte. Ein Krankenhaus konnte ich mir nicht leisten, ich hatte dummerweise vergessen, eine Auslandskrankenversicherung abzuschließen. Wenn ich mit meinen Ersparnissen so einen Aufenthalt finanzieren musste, dann konnte ich gleich nach der Entlassung wieder nach Hause fliegen.

»Mir geht’s gut. Ich brauche keinen Arzt.«

»Okay, sag dem Fahrer, wohin du willst.«

»Tja, das ist eine lange Geschichte. Eigentlich hatte ich ein Hotelzimmer …«

»Was heißt ›eigentlich‹?«

»Sie haben meine Reservierung verschusselt. Kennst du vielleicht ein Hotel, das noch Zimmer frei hat?«

»Also, ich hätte noch ein Zimmer frei.« Aaron grinste mich an.

»Das ist nett …«, sagte ich langsam.

»Ich bin handzahm und auch kein Serienmörder.« Das Grinsen wurde breiter.

»Das würde ein Serienmörder auch behaupten«, erwiderte ich.

»Du könntest dich auch die ganze Nacht im Taxi herumfahren lassen, allerdings wird das nicht billig – oder in einem U-Bahnhof übernachten. Da soll es um die Jahreszeit sehr gemütlich zugehen.« Aaron verschränkte die Arme. »Und der Central Park hat mit Sicherheit viele Bänke frei, dort dürfte es nur etwas kühl werden«, fügte er hinzu.

»Ehrlich, ich weiß es nicht. Vielleicht hat ja der Taxifahrer eine Idee.« Ich beugte mich zur Öffnung in der Scheibe, die den hinteren Teil des Wagens vom Fahrer trennte. »Mister, wissen Sie ein Hotel für mich?«

»Hotel, kein Hotel, ist Fashion Week. Wir fahren Krankenhaus«, antwortete dieser in gebrochenem Englisch.

»Es wird doch wohl in dieser riesigen Stadt noch ein freies Zimmer geben.« Ich schloss die Augen, rieb mir die pochenden Schläfen. Wieder kroch Aarons wirklich verdammt anziehender Duft meine Nase hoch und ließ das Pochen abklingen. Ich konnte ihn zumindest gut riechen, das war doch schon was.

»Ja, bei mir. Jetzt komm schon! Denkst du, ich rette Frauen, um sie dann in meiner Wohnung grausam abzumurksen? Bleib heute Nacht bei mir, dann kannst du dir morgen in Ruhe ein Zimmer suchen.«

Statt zu antworten, griff ich in meine Jackentasche, um das Handy herauszuholen. Guter Gott, ich hatte es ja verloren. Damit fiel das Googeln nach einem freien Zimmer flach. Was war eigentlich mit meiner Reisetasche?

»Wo ist mein Gepäck?« Ich sah zu Aaron.

»Im Kofferraum.« Er gab dem Fahrer eine Adresse. »Ich habe sogar noch Pizza von gestern und Bier im Kühlschrank.« Aaron stieß mit seiner Schulter kumpelhaft gegen meine.

»Kalte Pizza und Bier. Wie könnte ich da widerstehen?«, sagte ich mit einem Seufzer.

Kapitel 2

Nur eine halbe Stunde später sperrte Aaron die Tür seines Apartments auf. Ich stand hinter ihm, betrachtete das rotbraun gestrichene Holz des Türblatts und fragte mich, ob ich noch alle Sinne beieinanderhatte. Seit wann hatte ich einen Hang zum Risiko? Schon die Reise nach New York ging weit über mein normales Gefahrenlimit hinaus, und jetzt folgte ich einem vollkommen Fremden in dessen Wohnung. Zum Glück lebte Mama nicht mehr. Wenn sie das mitbekommen hätte, wäre sie trotz ihrer Flugangst in so eine Höllenmaschine gesprungen und hätte den Großen Teich überwunden. Aber nun war ich auf mich allein gestellt. Ein Kloß, groß wie ein Straußenei, hing in meiner Kehle fest. Vor gerade mal drei Monaten hatte ich sie beerdigt.

»Hier sind wir.« Aaron drückte die Tür auf, betätigte den Lichtschalter und machte einen Schritt zur Seite, um mich eintreten zu lassen. Wie angewurzelt stand ich da, starrte auf das lackierte Nussbaumparkett vor mir. Ich könnte mich jetzt einfach entschuldigen, den geordneten Rückzug antreten und noch mal versuchen, ein Hotelzimmer zu finden. Andererseits … allein nach Mitternacht in New York bei minus fünfzehn Grad herumzustreunen war auch nicht weniger riskant.

»Was ist? Soll ich dich über die Schwelle tragen?« Aaron hob die dunklen Brauen. Mit seinen azurblauen Augen und dem fast schwarzen Haar hatte er etwas vom jungen Tony Curtis. Einem Schauspieler aus den goldenen Tagen Hollywoods, den meine Mama sehr gemocht hatte. Als sie kaum noch Kraft gehabt hatte, um aufzustehen, waren wir gemeinsam in ihrem Bett gelegen und hatten uns alte Filme mit ihm angeschaut.

Tränen brannten hinter meinen Lidern. Diese Gedanken weiterzuverfolgen war keinesfalls gut. Ich musste meine Aufmerksamkeit in eine andere Richtung lenken.

Genau genommen sah Aaron wie ein Outlaw-Tony-Curtis aus. Denn im Gegensatz zu dem Schauspieler, der in den Filmen meist sehr adrett daherkam, war Aarons Haar verstrubbelt, und seine markante Kinnpartie zierte ein Dreitagebart.

»Okay, keine Antwort ist auch eine Antwort.« Er stellte die Tasche, die er für mich getragen hatte, auf das polierte Parkett und hob mich hoch. Ich stieß einen überraschten Schrei aus. Als wäre ich leicht wie eine Feder und würde keine fünfundfünfzig Kilo wiegen, trug er mich ins Apartment.

»Das ist meine Wohnung«, sagte er vergnügt.

»Lass mich runter, ich hab Beine«, erwiderte ich gereizter als beabsichtigt.

»Wie du möchtest.« Er kam meinem Wunsch nach.

»Tut mir leid, dass ich dich angepflaumt habe. Der Tag heute war nur sehr lang.« Ich schaute in seine von dunkleren Wimpern umrahmten Augen, die blauer als das Meer vor der Côte d’Azur an einem wundervollen Sommertag waren. Konnte ein Mann mit so blauen Augen wirklich böse sein? Er lächelte, und meine Beine wurden weich. Doch mein zweifelnder Geist stand nicht still. Sicher war es keine gute Idee gewesen, Aarons Einladung anzunehmen. Er wirkte auf mich wie Kerzenlicht auf Insekten. Und bekanntermaßen ging das für die Tierchen meist nicht gut aus.

»Komm, ich führ dich herum.«

Aaron schloss die Tür hinter sich und legte seinen Schlüssel auf eine schmale Konsole im Flur. Ich packte meine Handschuhe daneben.

»Das hier ist dein Zimmer.« Er deutete im Vorbeigehen auf eine Tür der Konsole gegenüber.

Ich folgte ihm. Drei Schritte später erreichten wir eine offene Küche, deren gebürstete Edelstahlfronten sehr kühl wirkten. Das war eindeutig die Küche eines Mannes. Gleich darauf standen wir im Wohnbereich. Natürlich besaß der Herr ein schwarzes Ledersofa und einen riesigen Flachbildschirm, der an der Backsteinwand hing. Zwischen dem Fernseher und einem Buchregal befand sich ein offener Kamin. So ein Feuer wäre jetzt genau das Richtige. Ich schüttelte mich, die Kälte hatte sämtliche Gliedmaßen noch immer fest im Griff.

»Dann haben wir hier das Badezimmer.« Aaron stand in einem kleinen Vorraum, der vom Wohnzimmer abzweigte.

»In diesem Wandschrank findest du Handtücher.« Er strich mit seinen schlanken Fingern über zwei dunkle Türen. »Und da, direkt dem Bad gegenüber, liegt mein Schlafzimmer. Damit ist die Führung auch schon beendet.«

»Nette Wohnung.« Ich drehte mich langsam im Kreis. »Ist bestimmt nicht billig.«

»New York ist im Allgemeinen ein teures Pflaster.« Aaron trat vor mich. »Willst du vielleicht einen Kaffee? Du zitterst.« Er nahm meine Hände. »Und bist eiskalt.«

Eine wohlige Wärme umfing meine Finger. Der Mann strahlte eine Wahnsinnshitze ab. Am liebsten hätte ich mich an ihn gedrückt. Doch stattdessen befreite ich meine Hände und brachte Abstand zwischen Aaron und mich. Noch immer war er ein Fremder.

»Wenn ich so spät Kaffee trinke, bekomme ich kein Auge zu.«

»Aber gegen eine heiße Dusche spricht mit Sicherheit nichts. Die wird dir guttun. Ich könnte die Pizza aufwärmen.«

War es klug, in der Wohnung eines Fremden zu duschen? Sehnsüchtig blickte ich zur Badtür. Eine heiße Dusche erschien mir nach der heutigen Tortur wirklich wie der Himmel auf Erden.

»Ich würde doch deine Nachbarn stören«, erwiderte ich, seufzte dabei innerlich.

»Kein Problem, die sind das schon gewohnt. Außerdem kann man die Badezimmertür absperren, falls du mich noch immer für einen Serienmörder hältst.« Aaron zwinkerte mir zu. Wenn er grinste, zeigten sich Grübchen auf seinen Wangen.

»Du hast gewonnen«, gab ich nach und holte meine Tasche. Aaron reichte mir noch zwei graue Handtücher, dann betrat ich das Bad, das von schlichtem Weiß dominiert wurde, bis auf den grauen Duschvorhang und die dazu passenden Wannenvorleger. Ich erkannte keinen weiblichen Touch. Ob hier jemals eine Frau gewohnt hatte?

Nach der Dusche fühlte ich mich wie neugeboren. Ich saß auf dem Bett in meinem Zimmer, das genauso minimalistisch wie der Rest der Wohnung eingerichtet war, und starrte zur Tür, die ich zweimal abgesperrt hatte. Aaron war in der Küche und machte sich tatsächlich noch Pizza warm. Die Mikrowelle piepte lautstark, und der Geruch von Oregano, gemischt mit Knoblauch, drang in meine Nase. Müde stemmte ich mich hoch, ging zur Reisetasche, die auf der Kommode neben der Tür stand, und holte Mamas Bild heraus, dazu den Brief meines Vaters, den ich in ihren Unterlagen gefunden hatte. Anschließend nahm ich wieder auf dem Bett Platz, den Brief legte ich neben mich.

»Da bin ich nun, Mama. Komm schon, jetzt schau mich nicht so streng an, bisher war Aaron ganz Gentleman. Er scheint wirklich einer der Guten zu sein. Ja, okay, man sieht keinem an, ob er böse ist. Du hast ja recht. Aber jetzt lass uns das Beste daraus machen. Ich stell dich hier auf den Nachttisch, dann kannst du über alles wachen.« Sanft strich ich über das Glas. »Hab dich lieb, Mama.«

Damit platzierte ich ihr Bild auf dem Tischchen neben dem Bett und nahm das Foto aus dem Kuvert mit dem Brief. Die Farben waren nur noch zu erahnen. Ein junger Mann lehnte an einem Auto. Hinter ihm waren ein Straßenschild und eine auffällige Kirche zu erkennen. Nach dieser Straße wollte ich suchen. Auf der Rückseite des Bildes stand: New York 1987. Der Mann musste einfach mein Vater sein. Wieso sollte Mama dieses Bild sonst zu einem Brief von ihm gelegt haben? Ich entfaltete das Schreiben, das ich schon so oft gelesen hatte.

»Mein süßes kleines Mädchen,

ich habe erfahren, dass deine Mom dich Olivia genannt hat. So hieß meine Mutter. Darüber habe mich unglaublich gefreut. Bestimmt rufen dich alle Liv. So würde ich dich jedenfalls nennen.

Du bist jetzt noch zu klein, um alles zu verstehen, und ich hoffe, ich kann es dir eines Tages erklären. Deine Mom und dich zu verlassen war das Schwerste, das ich jemals tun musste. Ich vermisse euch jeden einzelnen Tag, aber ich konnte nicht bleiben. Damit hätte ich euch in große Gefahr gebracht.

Deine Mom soll dir diesen Brief geben, sobald sie seltsame Veränderungen an dir feststellt. Sie weiß nichts Genaues, denn es ist für Menschen einfach zu schwer zu begreifen. Eigentlich würde ich dir das Folgende gern persönlich sagen und dir bei dem helfen, was auf dich zukommt, falls du diese Veränderungen durchmachst. Doch für den Fall, dass das Schicksal andere Pläne hat, sollst du wissen:

Wenn du auf dein zwanzigstes Lebensjahr zugehst, könnte es sein, dass du um ein Vielfaches besser sehen, riechen und hören kannst als normale Menschen, zudem schneller sowie auch stärker wirst und deine Wunden von allein heilen. Schatz, falls du diese Veränderungen an dir bemerkst, dann darfst du unter keinen Umständen mit irgendjemandem darüber reden. Bitte, hör auf mich. Es gibt Feinde, die dürfen niemals etwas von deiner Existenz erfahren. Denn du …«

Damit endete der Brief. Es musste eine zweite Seite gegeben haben, aber die fehlte. Ich hatte die Papiere meiner Mutter tausendmal durchsucht, ohne etwas zu finden.

Nachdenklich kroch ich unter die Decke, knipste die Nachttischlampe aus. Die Stimme des Nachrichtensprechers drang zu mir, obwohl Aaron den Fernseher mit Sicherheit leise gestellt hatte. Ich drehte mich zum Bild meiner Mutter, durch den Türschlitz fiel ein klein wenig Licht ins Zimmer. Das reichte mir, um alles im Raum erkennen zu können. Mit meinem Geruchssinn und dem Gehör hatte sich auch die Sehkraft verbessert. Damit hatte mein Vater recht behalten. Aber was die gesteigerte Kraft betraf, schien er mächtig falsch gelegen zu haben. Sonst hätte ich mich heute von diesem Typen befreien können.

Sofort war wieder alles da. Ein unsichtbares Seil legte sich um meinen Brustkorb, drohte, mir die Luft abzuschnüren. Panik ließ mich erstarren. Nein! Ich schnappte nach Luft. Zur Hölle, ich wollte keinen einzigen Gedanken mehr an diesen verfluchten Kerl verschwenden. Hoffentlich erfror er heute Nacht irgendwo. Ich schloss die Augen, vergrub das Erlebte ganz tief und atmete kontrolliert ein, inhalierte Aarons Aroma, das die Wohnung flutete. Er war da gewesen und hatte mich gerettet. Sein Geruch gab mir das Gefühl, sicher zu sein. Es war nicht zu erklären, warum. Ich legte die Hände unter die Wange, senkte die Lider und lauschte Aaron. Langsam dämmerte ich weg.

Ich fand mich auf einer Straße wieder. Es war eisig kalt, der Wind zerrte an mir. Ein dunkler Schatten wuchs vor mir in die Höhe, glühende Augen starrten mich an. Mein Herz verdoppelte seinen Schlag. Ich versuchte zurückzuweichen, spürte eine Mauer im Rücken. Klauen packten mich, drückten mir die Kehle zu und hoben mich in die Höhe, bis die Füße den Boden nicht mehr berührten. Verzweifelt rang ich nach Atem, doch das Monster verstärkte seinen Griff. Ich strampelte mit den Beinen, zerrte an den Klauen. Jemand schrie.

Panisch öffnete ich die Augen und setzte mich auf, schnappte keuchend nach Luft. Mein Herz schlug so laut, dass es sogar die Nachbarn hören mussten.

»Hallo, alles in Ordnung mit dir? Du hast geschrien.« Aarons Stimme klang dumpf hinter der Tür. Er klopfte.

Eilig rutschte ich an den Bettrand, wollte mich in seine Arme flüchten. An der Tür blieb ich jedoch stehen, legte die Hand aufs Holz. Auch wenn er mich gerettet hatte, er war ein Fremder.

»Liv, geht es dir gut?«

»Ja, ich hab nur schlecht geträumt. Kein Grund zur Sorge«, antwortete ich und widerstand dem Drang, die Tür zu öffnen.

»Okay, ich gehe ins Bett. Aber wenn etwas ist, kannst du mich jederzeit wecken.«

»Du bist so nett. Jetzt mach dir keinen Kopf. Es war nur ein dummer Traum.« Sanft fuhr ich mit den Fingern über das Türblatt. Schritte entfernten sich, und ich kehrte ins Bett zurück. Die Druckstellen am Hals hatten wieder zu schmerzen begonnen. Aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein, denn im Badespiegel hatte ich keine blauen Flecke entdecken können. Ich drehte mich auf den Rücken, starrte zur Decke und rieb über die Stelle. Das würde eine lange Nacht werden.

Ich blinzelte, fühlte mich wie eine Comicfigur, auf die ein Amboss gefallen war. Mein Hals kratzte. Sosehr ich es auch versuchte, ich konnte den Typen, der mich überfallen hatte, einfach nicht aus meinen Gedanken verbannen.

Jedes Mal, wenn mir die Lider zugefallen waren, war dieses Monster erschienen und hatte mich beinahe zu Tode gewürgt. Erst als die Morgenröte langsam über die Dächer gekrochen war, hatte ich in den Schlaf finden können.

Müde drehte ich mich auf den Rücken und lauschte. In der Wohnung blieb es ruhig. Vielleicht war Aaron arbeiten gegangen. Bestimmt sogar. Um sich so ein Apartment leisten zu können, musste er irgendeinem Job nachgehen. Schnell stand ich auf, die Holzdielen waren eisig unter den bloßen Füßen. Ich nahm meinen Kulturbeutel, den ich gestern auf der Kommode abgestellt hatte, kramte ein paar Klamotten zusammen, dann öffnete ich ganz vorsichtig die Tür und spähte nach draußen. Weit und breit konnte ich keinen Aaron sehen oder hören. Sein Geruch war weit weniger intensiv, was mir sagte, dass er die Wohnung verlassen haben musste. Es war durchaus von Vorteil, eine empfindliche Nase zu haben. Ich tippelte über das Parkett. Plötzlich wurde ein Schlüssel ins Schloss gesteckt, Sekunden später ging die Tür auf. Aaron stand vor mir. Auf einem Arm trug er eine Tüte, in der anderen Hand hielt er seinen Schlüssel, den er auf die Konsole legte.

»Guten Morgen«, sagte er vergnügt.

Hektisch zerrte ich an dem Shirt, doch es wurde einfach nicht länger.

»Tolle Beine.« Er nahm die Papiertüte mit beiden Händen und gab der Tür einen Tritt, sodass sie zuflog.

»Ich wollte gerade ins Bad«, erklärte ich. Hitze stieg in meine Wangen.

»Kein Problem, ich kümmere mich ums Frühstück. Magst du Kaffee?«

»Oh ja, sehr gern.« Dieser Mann war wirklich zu gut, um wahr zu sein. Vielleicht war das alles seine Verbrechermasche, um mich in Sicherheit zu wiegen. Ich schaute an mir hinab. Verdammt, ich stand ja immer noch in meinem Schlafshirt da. Als wäre eine Horde Spinnen hinter mir her, sprintete ich zum Bad. Ich sperrte die Tür ab und stellte mich vor den Spiegel. Die dunklen Ringe unter meinen Augen harmonierten ja wundervoll mit meinen bernsteinfarbenen Iriden. Das Haar war vom ständigen Herumwälzen in der Nacht total verstrubbelt. Gegen die Ringe konnte ich jetzt so schnell nichts machen, denn ich hatte kein Make-up dabei. Ich schminkte mich nicht gern. Aber ich konnte wenigstens mein langes Haar bändigen.

Nachdem ich angezogen und gewaschen war, fühlte ich mich schon besser.

Kapitel 3

In der Wohnung duftete es nach Kaffee. Allein der Geruch belebte schon meine Sinne. Auf dem Esstisch, an der Backsteinwand gegenüber der Küche, stand alles, was man für ein perfektes Frühstück brauchte. In einem Körbchen entdeckte ich Brötchen, die wirklich wie welche aussahen. Ich hatte ja schon viel Schlechtes über amerikanisches Brot gehört.

»Die sind von dem deutschen Bäcker an der Ecke. Ich dachte, die könnten dir schmecken«, erklärte Aaron.

»Wie kommst du darauf?«, fragte ich misstrauisch.

»Du sagtest gestern dem Typen, dass du aus Deutschland bist.« Aaron schenkte Kaffee aus der Kanne in eine der beiden Tassen.

Sofort blitzten Bilder auf. Wie ich gegen die Hauswand gedrückt wurde, im Würgegriff dieses verfluchten Kerls. Meine Kehle fühlte sich trocken an, ich schluckte schwer. Nein, ich würde mich davon nicht unterkriegen lassen.

»Komm, setz dich.« Aaron zog den Stuhl zurück, und ich kam seiner Aufforderung nach.

»Ich werde dieses Hotel gut bewerten«, sagte ich, verdrängte die Erinnerung an meinen Angreifer.

Aaron füllte noch seine Tasse, dann brachte er die Kanne zur Maschine zurück.

»Brauchst du Milch und Zucker?«, wollte er wissen.

»Nur Zucker, bitte.«

»Sofort.« Aaron kam mit einem Schälchen zurück, das er vor mich hinstellte. Ich löffelte den weißen Glücksbringer in meine Tasse, denn Kaffee musste süß sein.

»Schüttest du immer Kaffee in deinen Zucker?«, fragte Aaron grinsend, fuhr sich dabei durchs dunkle Haar.

»Das Geheimnis ist, nicht umzurühren.« Ich hob die Tasse an meine Lippen. Sein Blick folgte ihr, an meinem Mund blieb er hängen. Was meine Wangen wieder zum Glühen brachte. »Ich habe das Gefühl, deine Gastfreundschaft auszunutzen.« Ich schnappte mir ein Brötchen, das ich in der Mitte auseinanderschnitt.

»Warum? Ich fühle mich keineswegs ausgenutzt.« Aaron lächelte, da waren sie wieder, die Grübchen.

Meinen Wangen standen in Flammen. »Darf ich vielleicht dein Telefon benutzen?«

Es war besser, ich konzentrierte mich aufs Wesentliche. Denn ich suchte in New York keinen schnellen Flirt, sondern meinen Vater.

»Klar.« Aaron stand auf, ging zu seiner Jacke, die er aufs Sofa geworfen hatte, und holte ein Smartphone aus der Tasche. Er entsperrte es, bevor er es mir reichte.

»Könnte ich damit auch googeln?«

»Ja klar. Was möchtest du denn suchen?«

»Ein freies Hotelzimmer, damit du deine Wohnung wieder für dich hast.« Ich rief eine Suchwebsite auf.

Aaron legte seine Hand auf meinen Arm. »Das ist mein Ernst, du kannst hierbleiben, so lange du willst.«

Fast wäre ich in seinen blauen Augen versunken, in meinem Magen kribbelte es wie verrückt. »Du musst doch irgendwann arbeiten. Da willst du einer völlig Fremden deine Wohnung überlassen?« Ich versuchte, vernünftig zu sein.

»Ich besitze eine gute Menschenkenntnis. Bitte bleib!« Er zog die Hand wieder zurück und trank einen Schluck Kaffee. Seufzend legte ich das Mobiltelefon auf den Tisch. Er hatte gewonnen.

»Da wir schon beim Thema sind. Was machst du eigentlich so, um das Geld für die Brötchen hier zu verdienen?« Ich strich Schokocreme auf meines.

»Ich arbeite im Familienunternehmen. Wir restaurieren alte Bikes und Autos.« Aaron nahm das Glas mit der Schokocreme. Er hatte offensichtlich trotz seines äußerst trainierten Körpers auch eine Vorliebe für Süßes. Ein sehr sympathisches Laster, wie ich fand.

»Und du, was machst du so, wenn du dich nicht gerade bei fremden Männern einquartierst?« Er lachte.

»Sehr witzig, ich hab die Hotelsuche noch offen«, erwiderte ich und hob das Handy hoch.

»Ach, komm schon!« Er schaute mich mit einem Hundewelpenblick an, der die Polkappen zum Schmelzen hätte bringen können.

»Ich will weiterstudieren. Aber im Moment habe ich mir eine Auszeit genommen, weil ich meinen Vater finden möchte.« Ich legte das Smartphone auf den Tisch, nahm die Tasse und trank, um den Brocken aus der Kehle zu bekommen, der plötzlich feststeckte.

»Du suchst deinen Dad in … New York?« Aaron zog die dunklen Brauen hoch.

»Ja, er ist Amerikaner, und die einzige Spur, die ich habe, führt nach New York«, erwiderte ich, legte das Brötchen auf den Teller und stand auf, um das Foto aus dem Zimmer zu holen.

Anschließend nahm ich wieder auf dem Stuhl Platz.

»Das Foto habe ich in den Unterlagen meiner Mutter gefunden. Zusammen mit einem Brief von meinem Vater, der in New York abgestempelt wurde. Ich vermute, dieser Mann ist mein Erzeuger.« Ich reichte es Aaron.

Er runzelte die Stirn, sein Blick glitt von dem Bild zu mir. »Du kennst deinen Dad nicht?«

»Er hat meine Mutter noch vor meiner Geburt verlassen. Mehr weiß ich nicht von ihm.« Eine verdammte Tränenflut war kurz davor auszubrechen. Ich nahm die Tasse und trank. Der Kaffee war mittlerweile lauwarm.

»Warum fragst du nicht einfach deine Mom?«

Verflucht, jetzt gab es kein Halten mehr. Dicke Tränen bahnten sich ihren Weg, hinterließen eine feuchtwarme Spur auf meiner Haut. Mit dem Handrücken wischte ich mir über das Gesicht. »Weil sie …« Ich holte Luft, die Worte lagen wie Blei auf meiner Zunge, der Schmerz zerriss mich fast. »… gestorben ist.« Ich schluckte. Es auszusprechen tat unendlich weh. »Ich hab das alles erst nach ihrem Tod zwischen den Unterlagen gefunden«, fuhr ich hastig fort.

Aaron stand auf und ging vor mir in die Hocke. »Das tut mir leid. Ich werde dir helfen, deinen Vater zu finden.« Sanft strich er eine Haarsträhne aus meinem Gesicht.

»Jetzt hältst du mich bestimmt für eine Heulsuse.« Ich versuchte zu lächeln.

»Nein, das tue ich keineswegs, Familie ist wichtig. Hast du noch andere Verwandte hier, die etwas über deinen Vater wissen könnten?«

Ich schüttelte den Kopf. »Es gab nur meine Mom und mich.«

»Es muss schlimm sein, seine Wurzeln nicht zu kennen. Ich komme aus einer Großfamilie, deren Stammbaum sich einige Jahrhunderte zurückverfolgen lässt.« Aaron fuhr sanft mit dem Finger über meine Wange.

Seine Berührung fühlte sich so gut an. In diesem Moment erkannte ich, wie sehr ich nach menschlicher Zuneigung dürstete. Die ganze Zeit hatte ich versucht, stark zu sein. Nicht einmal meine Freundin Maja hatte mich auf der Beerdigung in den Arm nehmen dürfen. Plötzlich hielt Aaron inne, schaute auf seine Finger. Als wäre ihm gerade bewusst geworden, was er tat. Eilig erhob er sich, um auf seinen Platz zurückzukehren. Er nahm das Bild meines vermeintlichen Vaters, das er nachdenklich betrachtete.

»New York hat sich sehr verändert, seit dieses Bild aufgenommen wurde. Das wird eine Herausforderung. Anderseits … Kirchen verändern sich eher selten. Sie ist ein wertvoller Anhaltspunkt.«

Noch immer spürte ich seine Finger auf meiner Haut. Ich widerstand dem Drang, meine Hand auf die Stelle zu legen. Es wäre wahrscheinlich besser gewesen, mir doch ein Hotel zu suchen. Denn ich konnte keine Ablenkung gebrauchen. Tief in mir gab es ein Geheimnis, das nur mein Vater zu lüften imstande war. Ich musste wissen, was auf der zweiten Seite des Briefes stand. Aber die Vorstellung, nach der gestrigen Nacht ganz allein auf die Suche zu gehen, verursachte ein mulmiges Gefühl. Außerdem kannte sich Aaron hier aus, und er war bisher total nett gewesen.

»Du musst doch bestimmt zur Arbeit«, gab ich zu bedenken.

»Die werden schon einmal ohne mich auskommen. Das ist der Vorteil, wenn man der Sohn des Chefs ist.« Aarons Lächeln strich zart wie Engelsflügel über mein Herz.

»Auf keinen Fall möchte ich, dass du Schwierigkeiten bekommst«, sagte ich mit gespielter Strenge.

»Ich schick ihnen eine Nachricht.« Aaron nahm das Foto. »Eventuell hab ich sogar eine Ahnung, wo diese Straße sein könnte. Ich will das gleich mal googeln.«

In mir wuchs Zuversicht. Vielleicht hatte ich endlich mal etwas Glück, was die Suche nach meinen Wurzeln betraf.

Eine halbe Stunde später saß ich neben Aaron im Taxi. Der Fahrer lenkte den Wagen durch die Häuserschluchten. Genauer gesagt schoben wir uns Stück für Stück durch die Straßen, denn wir standen im Stau.

»Es gibt hier nur zwei Zustände: mehr oder weniger Stau«, kommentierte Aaron die Autoschlangen. Er sah zu mir.

Sofort schlug mein Herz schneller. »Deine Familie kann ihren Stammbaum wirklich Jahrhunderte zurückverfolgen?« Ich fuhr mit meinen Händen über meine Jeans. Nicht nur Aarons intensiver Blick machte mich nervös, sondern auch die Vorstellung, meinem Vater näherzukommen.

»Meine Schwester hatte eine entsprechende Website gefunden und die Firma beauftragt, um Dad damit zum Geburtstag zu überraschen. Es ist ein beeindruckendes Dokument.«

»Kann ich mir vorstellen. Habt ihr auch Prominente unter euren Vorfahren – wie Könige oder Eroberer?« Ich lächelte.

»Ich mag es, wenn du lächelst«, sagte Aaron, worauf ich mich verlegen räusperte. Mein Mund war ganz trocken. »In meinem Stammbaum gibt es niemand von Bedeutung, wir sind schon von jeher eher bodenständig und sesshaft. Trotzdem sind ein paar meiner Vorfahren nach Europa gegangen.«

»Europa? Vielleicht kamen sie sogar bis nach Deutschland?« Ich strich meine blonden Strähnen zurück. »Wir könnten gemeinsame Vorfahren haben«, erwiderte ich vergnügt, worauf mich Aaron seltsam ansah. Hatte ich etwas Falsches gesagt?

»Das wäre schon ein großer Zufall«, antwortete Aaron schnell und grinste, doch seine Augen blieben ernst.

»Du hast recht.« Ich blickte aus dem Fenster, um der seltsamen Stimmung zu entkommen, die plötzlich zwischen uns herrschte.

Wir erreichten Brooklyn. Der Wagen hielt an einer Ecke. Aaron bezahlte das Taxi, und wir stiegen aus. Hier kam es mir noch kälter vor als in Greenwich Village. Schon nach wenigen Schritten hatte ich das Gefühl, meine Nase würde einfrieren. Ich zog das Foto aus der Brusttasche meiner Jacke und hob es hoch. Die Gegend besaß viel Ähnlichkeit mit der auf dem Bild. In mir keimte Hoffnung auf, dass ich Erfolg haben könnte. Die zweistöckigen Häuser, die die Gegend bestimmten, waren sehr hübsch. Dann entdeckte ich das Straßenschild und in der Ferne die Kirche. Das sakrale Gebäude hatte sich kein bisschen verändert. Ich hob das alte Foto hoch, versuchte abzuschätzen, vor welchem Gebäude das Auto genau gestanden hatte.

»Das könnte es sein.« Ich sah von dem Haus zu Aaron. Meine Beine wurden weich. Wie sollte es weitergehen? Die Idee, meinen Vater zu suchen, erschien mir auf einmal sehr dumm.

»Die Straße gibt es. Gut, dass ich das weiß. Jetzt können wir wieder gehen.« Auf dem Absatz drehte ich mich um, wollte die Flucht antreten, doch Aaron hielt mich fest.

»Willst du nicht klingeln und nach deinem Dad fragen?«

»Hat er in all den Jahren nach mir gefragt?«, fuhr ich ihn an, versuchte, mich aus seinem Griff zu befreien. Ich musste einfach weg. All die Gründe, warum ich meinen Vater finden wollte, verflüchtigten sich wie Rauch im Wind. Der Mann war ein vollkommen Fremder für mich. Wahrscheinlich wohnte er hier schon seit Ewigkeiten nicht mehr, wenn er überhaupt in dieser Straße gelebt hatte.

Eine ältere Dame kam des Weges. Aaron zog mich hinter sich her. Vor der Frau blieb er stehen. »Verzeihen Sie, dürfte ich Sie etwas fragen?«

Schmollend schaute ich in die andere Richtung. Murmelte »Vollidiot« in meinen nicht vorhandenen Bart.

»Natürlich, junger Mann.«

»Sie scheinen hier schon länger zu wohnen«, hakte Aaron nach.

»Seit über vierzig Jahren, mein Junge«, bestätigte die Frau. Nun sah ich sie doch an. Sie lächelte freundlich, war eine richtige Bilderbuchoma. Aaron ließ mich los und nahm mir, trotz meines geflüsterten Protestes, das Bild ab. Ich verschränkte die Arme.

»Kennen Sie vielleicht diesen Mann?«

»Da brauche ich meine Gläser.« Die alte Dame stellte ihren Einkaufstrolley ab und holte eine Brille aus der Innentasche ihres Mantels, die sie umständlich aufsetzte.

»Das Auto kommt mir bekannt vor. Ein Mustang. Die Farbe ist hier kaum noch zu erkennen, aber ich erinnere mich an das knallige Orange. Ich glaube, der junge Mann hieß Joe oder John. Er war mit Steven Walters, der im Haus nebenan wohnte, befreundet.«

Ein Zittern ging durch meinen Leib und keineswegs, weil ich fror. »Wohnen die Walters noch hier?«, kam ich Aaron zuvor.

»Nein, sie zogen nach der tragischen Sache fort.« Die Frau hielt mir das Foto entgegen. Ich griff danach und senkte den Blick. Sie seufzte leise.

»Was für eine tragische Sache?«

»Ihr Sohn Steven wurde von einem tollwütigen Hund angefallen und tödlich verletzt. Er sah so schlimm aus, dass man ihn nicht einmal in einen offenen Sarg legen konnte. Der arme Junge.« Die Frau nahm ihre Brille wieder ab, schüttelte dabei den Kopf.

»Haben Sie eventuell eine Adresse, wo man die Familie erreichen könnte?«, fragte Aaron.

»Muriel, also Mrs Walters, hat mir noch eine Zeit lang Briefe geschrieben. Die habe ich aufgehoben.«

»Ich weiß, das ist aufdringlich, aber dürften wir einen Blick darauf werfen?« Ich stellte mich vor Aaron. Das war meine Mission, ich musste die Zügel selbst in die Hand nehmen.

»Junger Mann, würden Sie meinen Trolley ziehen?« Die Frau hakte sich bei mir ein. »Bei mir ist aber nicht aufgeräumt, ich bekomme nur wenig Besuch.«

»Ich bin auch keine Ordnungsfanatikerin, Miss …«, erwiderte ich, worauf die alte Dame kicherte.

»Nennen Sie mich Imogen.«

»Ich bin Liv, und das ist Aaron.« Ich zeigte mit dem Daumen in seine Richtung.

Imogen und ich stiegen zusammen die Stufen zu einem der Häuschen hinauf. Aaron folgte uns mit dem Trolley. Zuerst erreichten wir einen Hausflur, Imogen öffnete die Wohnungstür. Eine Geruchsmischung aus Mottenkugeln, Veilchen und Katzenurin schlug mir entgegen. Dann schlich schon der erste Stubentiger um die Ecke. Wie es hierzulande üblich war, standen wir direkt im Wohnzimmer.

»Wo soll der Trolley hin?«, wollte Aaron wissen.

Die Katze stellte alles an Fell auf, was sie hatte, und fauchte sich die Seele aus dem Leib. Ihr Schwanz war fast so dick wie mein Arm. Lautstarkes Knurren kam von einem zweiten Stubentiger, der hinter dem Sofa in Deckung gegangen war.

»In die Küche«, antwortete Imogen und deutete zum Gang. »Die erste Tür rechts.«

Aaron befolgte ihre Anweisung, während sie sich den Mantel auszog. Fauchend und knurrend pirschten die Katzen ihm hinterher, als wollten sie den Feind genau im Auge behalten. Ich musste schmunzeln. Katzen schienen Mister Perfect also nicht zu mögen.

»Legen Sie doch ab!« Imogen hängte ihren Mantel ordentlich in den Wandschrank neben der Tür.

»So lange können wir nicht bleiben«, antwortete ich, musterte dabei die Einrichtung. Die alte Dame hatte maßlos übertrieben. Ihre Wohnung war total ordentlich. Jedes Kissen auf dem Blümchensofa hatte in der Mitte eine akkurate Knickfalte.

»Kann ich Ihnen etwas anbieten?«

»Wir wollen keine Umstände machen.«

»Ach Unsinn, ich freue mich über Gäste. Für eine Tasse Tee werden Sie wohl Zeit haben, Kindchen.«

Aaron kam mit seinem aufgebrachten Gefolge zurück.

»Salome, Finnegan! Jetzt seid aber still. Was soll unser Besuch von euch beiden halten?«, schimpfte Imogen die Katzen, als sie den beiden auf dem Weg in die Küche begegnete.

Ich nahm auf dem Sofa Platz, Aaron setzte sich neben mich. Die Katzen liefen vor ihm auf und ab, machten weiter Radau.

»Ich glaub, die mögen dich nicht.« Ich kicherte leise.

»Katzen.« Aaron machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Bisher hielt ich dich für Mister Perfect, aber deine Abneigung gegen Samtpfötchen ist jetzt doch ein dicker Minuspunkt.«

»Mister Perfect?« Aaron sah mich an, ein knabenhaftes Lächeln umspielte seine Lippen.

»Wie wir jetzt festgestellt haben, bist du keineswegs perfekt. Katzen besitzen eine gute Menschenkenntnis«, sagte ich herausfordernd.

»Wahrscheinlich hassen die Viecher alle Fremden.« Aaron verschränkte die Arme. Ich stand auf und ging neben dem Sessel in die Hocke. Sofort hörten die Katzen mit Fauchen und Knurren auf. Freundlich gurrend schmiegten sie sich an mich. Sanft strich ich über das weiche Fell. Kraulte der Grauen das Ohr, die sich sofort auf den Boden warf und lautstark schnurrte.

»Damit wäre deine Theorie widerlegt. Es liegt wohl doch an dir. Ihre Abneigung gegen dich sollte mir wirklich zu denken geben.«

»Na, Salome, Finnegan, jetzt seid ihr wieder lieb. So ist es schön.« Imogen trug ein Tablett herein, auf dem Tassen leise aneinanderstießen. Es roch nach englischem Tee. Sofort stand ich auf.

»Kann ich helfen?« Ohne auf eine Antwort zu warten, nahm ich ihr das Tablett ab, um es auf den Tisch zu stellen. Dann setzte ich mich wieder neben Aaron, während Imogen Tee in die Tassen goss.

»Milch und Zucker stehen auf dem Tablett. Ich sehe jetzt nach den Briefen.« Sie ging zu einer Kommode, auf der eine kleine Armee von unterschiedlich großen Plüschbären saß. Ich zog die Handschuhe aus, stopfte sie in die Tasche meines Parkas und nahm die Tasse. Der Tee tat wirklich gut.

»In deinen Kaffee schüttest du jede Menge Zucker, und deinen Tee trinkst du ganz ohne?« Aaron betrachtete mich, als wären mir Hörner gewachsen.

»Ja, was dagegen?«, erwiderte ich belustigt.

»Nein, das war nur eine Feststellung«, meinte er vergnügt. »Ihr beide seid ein reizendes Paar.« Imogen trat mit Briefen in ihren Händen an den Tisch.