Migräne - Peter Mersch - E-Book

Migräne E-Book

Peter Mersch

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Beschreibung

Immer mehr Menschen leiden unter Migräne, einer Krankheit mit quälenden Kopfschmerzen und zum Teil schweren neurologischen Symptomen. Allein in Deutschland geht man von 6 bis 8 Millionen Betroffenen aus, darunter eine zunehmende Zahl kleiner Kinder. Peter Mersch zeigt auf, dass es sich bei Migräne keineswegs - wie von der Schulmedizin behauptet - um eine unheilbare neurologische Erkrankung handelt, sondern um temporäre energetische Krisen im Gehirn, in vielen Fällen verursacht durch eine zu kohlenhydratreiche Ernährung. Die Umstellung der Energieversorgung des Gehirns vom Kohlenhydratstoffwechsel auf den leistungsfähigeren Fettstoffwechsel war die Voraussetzung dafür, dass das Gehirn des Menschen in der Altsteinzeit wachsen konnte. Mit Einführung des Getreides im Neolithikum und dem späteren Siegeszug des Zuckers erfolgte eine immer stärkere Regression der Energieversorgung des Gehirns auf den labileren Kohlenhydratstoffwechsel, womit viele Menschen nicht zurechtkommen. Die Folge sind Unterzuckerungen und andere sporadische zerebrale Mangelsituationen, die zu den Migräneattacken führen. Das Buch stellt dar, wie durch Umstellung auf eine Ernährung, die den energetischen Anforderungen des Gehirns entspricht, und andere Lebensstilmaßnahmen Migräne deutlich gebessert oder sogar geheilt werden kann. 2. unveränderte Auflage der Erstausgabe aus 2006

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Meiner Mutter und Dr. Wolfgang Lutz gewidmet

Inhaltsverzeichnis

Migräne ist heilbar

Körper und Psyche

Migräne in der Schulmedizin

Die vergessene dritte Ebene

Der Sinn von Schmerzen

Migräne und Insulin

Insulin und Serotonin

Reizverarbeitungsstörung und Hypoglykämie

Gehirn und Fettstoffwechsel

Was uns die Anthropologie lehrt

Adipositas und Fettstoffwechsel

Energetische/funktionelle Migräne-Theorie

Überprüfung der Hypothese

Reicht dies als Beweis?

Lebensstilmaßnahmen

Was Migräne ist

Beschreibung der Migräne

Leiden Sie unter Migräne?

Diagnose

Formen der Migräne

Medizinische Erklärungen

Migränegenerator

Epidemiologie

Komorbidität

Verwandte Krankheiten

Ist Migräne heilbar?

Hinterlässt Migräne Spuren?

Ursachen

Die Ernährungsrevolution

Unterzuckerung

Was ist Hypoglykämie?

Woran erkennt man Hypoglykämie?

Sie sind leistungsfähiger als Sie glauben

Unterzuckerung und Angst/Stress

Unterzuckerung und Aggressivität

Migräne in der Entspannungsphase

Therapie der Hypoglykämie

Syndrom X und Syndrom Y

Erbliche Faktoren

Hormonelle Faktoren

Trigger

Stress

Unverträglichkeiten

Störungen im Elektrolythaushalt (Salzhaushalt)

Befall mit Mikroorganismen

Sonstige Umweltbelastungen

Psychische Faktoren

Medikamenten-induzierter Kopfschmerz

Sonstige Ursachen

Maßnahmen

Die Bedeutung der Prophylaxe

Lebensstiländerungen

Einfache Verhaltensmaßnahmen

Ernährung

Kohlenhydratarme Diäten

Das böse Fett

Das gute Fett

Kohlenhydratarme Diäten in der Migräneprophylaxe

Kohlenhydratreiche Diäten

Auslassdiäten

Bio-Diäten

Vegetarische Diäten

Basenbildende Diäten

Die Mersch-Diät

Heilfasten

Darmsanierungen

Sport

Änderung der Verhütungsmethode

Rauchverzicht

Entspannungstechniken

Sonstige Maßnahmen

Fragen und Antworten

Statistiken

Kohlenhydrat-Intoleranz-Test

Migräne bei Stress und Entspannung

Literatur

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Tatsächliches und erwartetes Organgewicht

Abbildung 2: Abnahme des Leber-Glykogengehaltes nach Nahrungsentzug

Abbildung 3: Asymmetrien bei den Energieträgern

Abbildung 4: Abnorme Blutzuckerentwicklung bei GTT

Abbildung 5: Jährlicher Zuckerkonsum USA

Abbildung 6: Ein geregelter Schallplattenspieler

Abbildung 7: Ketonkörperkonzentrationen während Glucose-Toleranz-Test

Abbildung 8: Ausschüttung von Adrenalin auf diverse Ereignisse

Abbildung 9: Zwei unabhängige Hormonspiegel

Abbildung 10: Summierte Hormonspiegel

Abbildung 11: Modifizierter Hormonfahrplan

Abbildung 12: Gesamtstressbelastung nach Hormonberuhigung

Abbildung 13: Mersch-Diät-Pyramide

Abbildung 14: Migräne bei Stress und Entspannung

Danksagung

Mein besonderer Dank gilt Lenore Steller für die kritische Durchsicht des Manuskripts und zahlreiche Anregungen, ohne die das Buch in dieser Form nicht hätte entstehen können.

Peter Mersch

Vorwort

Zwischen dem 15. und 35. Lebensjahr erkrankte ich schwer an Migräne. In vielen Jahren musste ich mehr als 100 schwere Migräne-Attacken pro Jahr durchstehen1, und das alles ohne die modernen Triptane zur Migräne-Akut-Behandlung.

Seit 20 Jahren bin ich geheilt. Dennoch hat diese Krankheit dafür gesorgt, dass ich die besten Jahre meines Lebens nicht so genießen konnte, wie ich es mir gewünscht hätte, dass ich meinen Beruf nicht so planen konnte, wie es beabsichtigt war.

In diesem Buch geht es also um Migräne.

Es geht aber auch um die Medizin und deren Umgang mit chronischen Erkrankungen.

6 – 8 Millionen Menschen sollen nach Angaben der Medizin in Deutschland regelmäßig unter Migräne leiden23, bei den erwachsenen Frauen soll jede 6. betroffen sein. In den USA sprechen Schätzungen gar von ca. 30 Millionen Migränekranken4.

Eine finnische Studie5 unter 7-jährigen Schulkindern konnte nachweisen, dass sich Migräne in dieser Altersgruppe zwischen 1974 und 1992 verdreifacht hat.

Migräne: Nicht nachweisbar und doch unheilbar

Trotzdem vergeht kaum ein Tag, an dem die Schulmedizin nicht behauptet, dass es sich bei Migräne um eine Erbkrankheit handelt, die nicht heilbar, sondern bestenfalls behandelbar sei.

Man fragt sich unwillkürlich:

Ist jede 6. erwachsene Frau von einer Erbkrankheit betroffen, die sie zwingt, regelmäßig ganze Tage vor Schmerz gekrümmt im Bett zu verbringen und schwere Medikamente einzunehmen?

Kann sich die Migräne-Prävalenz

6

unter 7-jährigen Schulkindern in 30 Jahren verdreifachen und die Migräneursache trotzdem genetisch bedingt sein?

Bei solchen Aussagen der Schulmedizin geht es aber nicht nur um theoretische Spitzfindigkeiten, sondern um handfeste Auswirkungen für alle Betroffenen: Wenn eine Krankheit genetisch bedingt ist, dann spielen der eigene Lebensstil und viele andere äußere Rahmenbedingungen so gut wie keine Rolle mehr, dann ist es egal, ob man zum Mittagessen Cola oder Wasser trinkt, man kann sowieso nicht viel ändern.

Leider ist in der Schulmedizin die Verhinderung von Krankheiten nur noch von untergeordneter Bedeutung. Ihre Haltung zu solchen Fragen entspricht – überspitzt ausgedrückt – der einer Feuerwehr, die gerne kommt, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, sich aber für die Absicherung des Brunnens nicht wirklich zuständig fühlt.

Dies wirkt sich bin in die Forschung aus: Es werden erhebliche Summen in die genetische Forschung gesteckt, damit irgendwann einmal Medikamente entwickelt werden können, die irgendeinen genetischen Schalter aktivieren oder deaktivieren können, so dass man damit ein bestimmtes innerkörperliches Verhalten ändern kann – auch auf die Gefahr hin, damit andere Erkrankungen zu aktivieren, die dieser Schalter bisher verhindert hat.

Im Prinzip kann man das niemandem verübeln. Jeder will letztendlich Geld verdienen. Warum sollte eine Industrie Mittel in eine Forschung stecken, aus der kein Gewinn zu erwarten ist bzw. deren Ergebnisse sogar die eigenen Margen langfristig schmälern könnten?

Allerdings sind die Verhältnisse dabei mittlerweile sehr weit aus dem Ruder gelaufen. Bei Migräne wurde nun eine Erkrankung von den führenden Experten als genetisch bedingt und unheilbar deklariert, die sich medizin-technisch nicht einmal nachweisen

lässt und bei der eine Diagnose auch heute noch ausschließlich auf Basis der Symptombeschreibungen des Patienten erfolgt7.

Da die Missverhältnisse so offensichtlich sind, könnte sich der Verdacht aufdrängen, dass sich in der Medizin und medizinischen Versorgung neben dem

Erfinden neuer Krankheiten

8

,

Durchführen unnötiger Untersuchungen,

Verordnen nicht indizierter oder überteuerter Therapien

9

,

Nichtgewähren sinnvoller Behandlungen aus Kostengründen

10

noch ein weiteres Problem auftut:

das zunehmende Erklären von chronischen Leiden zu unheilbaren, genetisch bedingten Erkrankungen zwecks langfristiger Kundenbindung, oder anders ausgedrückt: Das zunehmende Verfolgen untauglicher und in die Irre führender Hypothesen, und dies alles vollständig evidenzbasiert.

Krankheit und Heilung

In der Medizin setzt sich immer mehr der Gedanke durch, dass der Mensch eine genetische Grundausstattung hat, die idealerweise ein beliebig flexibles Leben ermöglicht. Insoweit kennt nicht nur die Menschheit keine Grenzen, sondern der einzelne Mensch ebenso wenig.

In diesem Rahmen ist es dann, bis auf einige wenige Ausnahmen (zum Beispiel Tabak, Alkohol, Drogen), ziemlich egal, ob Sie täglich mehrere Liter Limonade trinken oder versuchen, einen halbwegs gesunden und überlegten Lebensstil zu führen. Üblicherweise werden Sie in Arztpraxen nicht einmal danach gefragt, weil dies als zu persönlich gilt und der Arzt ja sowieso keine Zeit hat.

Wenn es dann Probleme gibt, dann heißt es meist nach ganz kurzer Zeit etwa:

Sie haben die Krankheit Migräne und diese ist genetisch bedingt. Nun bekommen Sie mal keinen Schreck, wir haben sehr leistungsfähige Medikamente, die die Krankheit lindern können.

Mit anderen Worten:

Ihr Lebensstil ist normal, Ihre Gene sind es aber nicht.

Ich habe dazu eine ganz andere Vorstellung:

Der Mensch wird krank, wenn er ein Leben führt, das nicht seinem genetischen Erbe entspricht.

Mit anderen Worten:

Ihre Gene sind normal, Ihr Lebensstil entspricht diesen aber nicht.

Natürlich gibt es Menschen, die mit einer genetischen Erkrankung auf die Welt kommen, und die unter normalen Bedingungen kein gesundes Leben führen können. Hierbei handelt es sich aber um relativ seltene Ausnahmen. Keineswegs geht es dabei um Zahlen, wie sie zum Beispiel bei Migräne genannt werden.

Und sicherlich versuchen viele Menschen einmal an ihre „Grenzen“ zu gehen, auszuloten, was ihre Gene zulassen. Aber auch darum geht es hier nicht. Es geht darum, dass wir uns alle üblicherweise einen Lebensstil zu Eigen gemacht haben, der sehr häufig mit unserer genetischen Grundausstattung in Konflikt steht.

Da jeder Mensch leicht unterschiedliche Gene besitzt, gibt es keine allgemeine Regel, welcher Lebensstil denn für alle Menschen optimalerweise einzuhalten wäre. Allerdings kann man speziell bei Migräne auf Basis einiger vorliegender Untersuchungen doch gewisse Empfehlungen aussprechen, die für eine ganze Reihe Menschen Sinn machen können.

Die Medizin überträgt völlig unzulässig den aus der Akutmedizin bekannten Begriff der Heilung auf chronische Erkrankungen. Wenn Sie sich einen Arm gebrochen haben, dann wird der Chirurg dieses Problem beheben und einige Wochen später sind Sie gesund und geheilt.

Bei chronischen Erkrankungen, die nicht auf Infekten basieren, ist das meist nicht möglich, weil es sich hierbei um Anpassungsstörungen, um so genannte Zivilisationserkrankungen handelt. Sie müssen herausfinden, woran Sie nicht angepasst sind, was Sie ändern müssen, was Sie benötigen, wie viel Sie benötigen usw. und das kann manchmal sehr schwierig und zeitaufwendig sein.

Wenn Sie nach Afrika umziehen und es sich dort angewöhnen, den ganzen Tag unbekleidet in der Sonne herumzulaufen, dann werden Sie nach kurzer Zeit feststellen: Dafür bin ich genetisch nicht gebaut, da muss ich etwas ändern.

Nehmen wir einmal an, Sie betanken Ihr Normal-Benzin-Fahrzeug irrtümlich mit Diesel. Nach dem Sie den Schaden bemerkt haben, lassen Sie das Fahrzeug von einer Vertragswerkstatt aufwendig reparieren. Anschließend betanken Sie es wieder mit Diesel und stellen fest, dass das Fahrzeug erneut liegen bleibt. Empört wenden Sie sich an Ihre Werkstatt:

Was soll das? Nach dem ich das Fahrzeug wieder mit Diesel betankt habe, ist es wieder liegen geblieben. Sie haben mir gesagt, Sie hätten es repariert. Davon kann ich nichts feststellen. Ich möchte mein Geld zurück!

Würden Sie von einer Autowerkstatt eine solche Heilung erwarten? Nein? Warum erwarten Sie diese dann in einer ähnlichen Situation von ihrem Arzt?

In diesem Sinne sind Sie nach meiner Auffassung von einer chronischen Erkrankung wie Migräne geheilt, wenn Sie einen akzeptablen Lebensstil finden, der sich innerhalb des Spielraumes bewegt, der gemäß Ihrer genetischen Grundausstattung möglich ist. Bei technischen Geräten würde man sagen: Sie müssen sich innerhalb der Spezifikation bewegen, wenn dort steht: „Benötigt Normal- oder Superbenzin“, dann können Sie das Gerät nicht mit Diesel betanken, ohne dass schwerste Schäden zu erwarten sind. Und wenn in Ihrer Betriebsspezifikation steht:

Er/Sie darf nicht täglich mit größeren Mengen Zucker oder Stärke betankt werden.

dann sollten Sie sich, wenn Sie vermeiden wollen, lebenslänglich unter einer oder mehreren chronischen Erkrankungen zu leiden, besser daran halten.

Insgesamt haben wir also bezüglich dem medizinischen Heilungsbegriff folgende unterschiedliche Auffassungen:

Medizin:

Ihr Lebensstil ist ok, Ihre Gene sind krank.

Wenn wir Ihre Gene ändern, können Sie geheilt werden, vorher nicht.

Dagegen meine Ansicht:

Ihre Gene sind ok, Ihr Lebensstil macht sie krank.

Wenn Sie Ihren Lebensstil mit Ihren genetischen Voraussetzungen in Einklang bringen, können Sie geheilt werden.

Lebensstilfaktoren sind nicht bekannt

Über den Einfluss von Lebensstilfaktoren auf Migräne weiß man so gut wie nichts. Man weiß unter anderem auch deshalb nichts, weil darüber nicht geforscht wird. Und wenn dann jemand mal eine Empfehlung ausspricht, heißt es gleich, dass es dafür keine Evidenz gibt.

Natürlich gibt es keine Evidenz, in diesem Bereich gibt es praktisch für Nichts eine Evidenz, da es keine Resultate gibt.

Ein häufig anzutreffendes Argument ist, dass Kinder heute deshalb mehr unter Migräne leiden als noch vor 30 Jahren, weil sie einer ständigen Reizüberflutung durch Fernsehen und Spielekonsole ausgesetzt sind und sich gleichzeitig viel zu wenig bewegen. Damit ist der schwarze Peter bei den Eltern, jedenfalls hat man keiner Industrie auf die Füße getreten, mit der man sich nicht anlegen möchte.

Wenn dann aber tatsächlich mal ein wenig Forschung bezüglich Migräne und Lebensstil betrieben wird, stellt sich schnell heraus, dass die Wirklichkeit ganz anders aussieht. Beispielsweise ergab eine weitere finnische Studie11, dass intensive Sportaktivitäten geradezu charakteristisch für Migräniker sind, sich diese Personengruppe also häufig eher zu viel denn zu wenig bewegt und sich möglicherweise hierdurch energetisch leichter erschöpft.

Auch scheint Migräne in sozial schwachen Schichten häufiger aufzutreten als in besser gestellten Bevölkerungskreisen, also dort, wo man eher eine stärkere Reizüberflutung durch neue und vielfältige Medien vermuten dürfte, scheint sie eher weniger präsent zu sein1213.

In einem Test zur Kohlenhydrat-Toleranz auf meiner Website www.miginfo.de gaben fast 68% von über 850 Teilnehmern an, dass sie gerne und oft Süßigkeiten und generell viele Kohlenhydrate essen. Dieses Ergebnis ist besorgniserregend, da Forschungsergebnisse andeuten, dass Migräniker Süßigkeiten und schnell resorbierbare Kohlenhydrate und möglicherweise sogar Kohlenhydrate insgesamt genau so meiden sollten wie Diabetiker14.

Das hindert aber viele Neurologen nicht daran, Ihren Migräne-Patienten zu empfehlen, sich kohlenhydratreich zu ernähren1516. Und dies, obwohl gleichzeitig längst bekannt ist, dass

man epileptische Kinder durch Kohlenhydratverzicht genauso gut behandeln kann wie etwa durch Antiepileptika (zum Beispiel Valproinsäure, Topiramat)

17

18

19

20

,

Epilepsie und Migräne sehr stark verwandt sind

21

22

,

zahlreiche moderne Antiepileptika (zum Beispiel Valproinsäure, Topiramat) zu den leistungsstärksten Migräneprophylaktika gehören

23

.

Sollte sich in der ärztlichen Praxis herausstellen, dass Patienten leicht Migräne bekommen, wenn sie mal eine Mahlzeit auslassen oder später aufstehen, dann geht man diesen Phänomen nicht auf den Grund, sondern empfiehlt den betroffenen Personen einen regelmäßigen Tagesrhythmus einzuhalten, stets zur gleichen Zeit aufzustehen, auch am Wochenende, und stets zur gleichen Zeit zu essen24.

Über viele Millionen Jahre hat sich der menschliche Stoffwechsel aus dem Tierreich heraus entwickelt, trotzdem sollen nach Vorstellung der meisten Neurologen viele Menschen nur dann ordentlich funktionieren können, wenn sie regelmäßig zur gleichen Uhrzeit aufstehen und essen!

Eine japanische Studie ergab, dass die Migräne-Prävalenz in Japan signifikant niedriger ist als in Europa oder den USA. Gleichzeitig stellte sich heraus, dass Japaner mit Migräne weniger Fisch essen als Nicht-Betroffene25.

Eine Studie mit Daten aus Holland brachte hervor, dass Migräniker häufiger rauchen, weniger Alkohol trinken und dass die weiblichen Betroffenen fast doppelt so häufig orale Kontrazeptiva einnehmen wie andere26.

Das ist dann aber auch schon fast alles, was wir über das Verhalten von Migränikern wissen. Dagegen kennen wir bald jedes einzelne Gen, welches in irgendeiner Weise mit Migräne in Zusammenhang stehen könnte.

Die unheilvolle Ernährungsberatung

Mediziner neigen dazu, sich um das eigene Fachgebiet zu kümmern und Probleme, die in einen anderen Kompetenzbereich zu fallen scheinen, an andere Experten weiter zu geben.

Dies hat dazu geführt, dass für alles, was mit Ernährung zu tun hat, Ernährungswissenschaft und -beratung verantwortlich sind. Diese verstehen nun aber wiederum von den meisten Krankheiten so gut wie nichts.

In der Folge wird – egal welcher Typ Sie sind und ob Sie unter Übergewicht, Diabetes, Migräne, Rheuma oder was auch immer leiden – stets die gleiche Einheits-Diät, die im Wesentlichen auf theoretischen Überlegungen basiert und zum Beispiel anthropologische Ergebnisse und damit genetische Faktoren unberücksichtigt lässt, empfohlen:

Viele Kohlenhydrate, möglichst ballaststoffreich, zum Beispiel Vollkorn

Viel Obst und Gemüse

Wenig Fett, pflanzliche Fette sind zu bevorzugen

Wenig tierische Proteine

Ich werde in diesem Buch zeigen, dass sehr viele Gründe dafür sprechen, dass solche Diäten unter den heutigen Lebensbedingungen eher migränefördernd denn -verhindernd sind.

Wer ist Schuld?

Leider muss man feststellen, dass sich niemand ernsthaft für Lebensstilfaktoren bei chronischen Erkrankungen interessiert, weder Medizin, Medien noch Patienten.

Patienten haben oft aus 3 Gründen eine abwehrende Haltung:

„Ich will meinen Lebensstil nicht ändern. Wenn es ein Problem gibt, dann sollen die Ärzte dieses beheben. Dafür zahle ich Beiträge zur Krankenkasse. Ich weiß, dass man von Süßigkeiten Karies bekommen kann, dann muss der Zahnarzt eben meine Zähne reparieren.“

„Wenn ich meinen Lebensstil ändere, muss ich mich von vielen lieb gewonnenen Dingen trennen. Am Ende helfen mir die vorgeschlagenen Maßnahmen aber gar nicht und dann habe ich neben meiner Krankheit auch noch auf vieles andere verzichtet. Meinen Lebensstil ändere ich nur, wenn es eine Garantie gibt, dass das auch hilft.“

„Wenn mein Lebensstil meine Erkrankung entscheidend beeinflussen kann, dann heißt das ja, dass ich selber Schuld bin.“

Gerade bezüglich dem letzten Punkt reagieren viele Patienten sehr empfindlich: Sie wollen nicht Schuld an ihrer eigenen Erkrankung sein. Und deshalb findet man gerade unter Betroffenen häufig die stärksten Befürworter der Genetikhypothese: „Meine Krankheit ist vererbt, und deshalb konnte ich nichts dafür.“

Dies ist aber absurd. Schuld ist man nur dann, wenn man es besser hätte wissen können. War ich Schuld, als ich mit 15 an Migräne erkrankte? War gar meine Mutter Schuld? Nein, natürlich nicht, wir haben einfach nicht gewusst, was mein Körper benötigt, um optimal funktionieren zu können. Und die Sache war auch alles andere als einfach oder gar offensichtlich. Erst über zahlreiche Umwege und mehr oder weniger zufällig bin ich auf die Lösung gestoßen27.

Schuld haben dagegen Medizin und Ernährungswissenschaft. Denn diese hätten es besser wissen können und müssen: Zu viele Fakten liegen zum Teil seit Jahrzehnten auf dem Tisch.

Die Zukunft des Gesundheitssystems

Wenn Sie nun den Eindruck bekommen haben, dass ich etwas gegen Ärzte und Medikamente habe, dann ist das weit gefehlt. Im Gegenteil: Ich bin überzeugt, dass die meisten Krankenhausärzte und praktizierenden Mediziner ihre Arbeit sehr gewissenhaft machen. Allerdings befinden sie sich mehr und mehr in der Klemme zwischen

Patienten, die eine Lösung und die bestmögliche Behandlung für jegliches Problem und unabhängig vom Lebensstil erwarten,

zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen, die die „bestmögliche“ Behandlung längst nicht mehr zulassen und

einer Pharmaindustrie, die im Wesentlichen den Gegebenheiten der internationalen Finanzmärkte unterliegt und die auf Grund ihrer Finanzmacht weitestgehend die Forschung dominiert.

All das hat dazu geführt, dass unser Gesundheitssystem längst heillos überteuert ist und gleichzeitig doch keine optimale Versorgung – speziell bei chronischen Erkrankungen – liefert, so dass sich mittlerweile im Internet eine Schattenmedizin in Form von tausenden Selbsthilfegruppen etabliert hat, deren Arbeitswert auf mehrere Milliarden EUR pro Jahr geschätzt werden darf, die im Prinzip den Gesamtkosten für die gesundheitliche Versorgung zugerechnet werden müssen.

Ich bin davon überzeugt, dass wir die aktuellen Probleme unseres Gesundheitssystems nur dann langfristig in den Griff bekommen werden, wenn die Krankheitsprävention (Verhinderung von Erkrankungen) vor die eigentliche Behandlung gestellt wird. Dabei sind Modelle bezüglich einer Kommerzialisierung solcher Dienstleistungen und gleichzeitig monetäre Anreize für einen gesünderen Lebensstil noch zu entwickeln.

Bevor aber damit begonnen werden kann, muss viel stärker in eine entsprechende Forschung investiert werden. Diese ist allein schon für die Optimierung der staatlichen Steuerung erforderlich, denn ein Staat muss wissen, ob und wodurch seine Bürger zunehmend krank werden.

Solange man nicht weiß, welche Faktoren eine Erkrankung begünstigen oder ihr gar entgegenwirken können, kann man keine Empfehlungen aussprechen. Und so lange wird weiterhin manche Mutter mit Sorge auf ihre größer werdenden Kinder schauen und sich fragen, wer von ihnen denn wohl ihre Migräne geerbt haben mag. Und leider kann sie ihren Kindern keinen Rat geben, was sie denn vielleicht besser machen könnten.

Ziel dieses Buches ist es, für Migräne dazu einen Anfang zu machen. Deshalb stehen Verhaltensänderungen und Lebensstilmaßnahmen, das heißt Ihre eigenen Maßnahmen zur Behandlung oder zur Prävention der Migräne im Vordergrund.

Dabei werden Sie in diesem Buch häufig ganz andere Empfehlungen finden, als dies in den meisten anderen – speziell von Medizinern verfassten – Migräne-Büchern der Fall ist. Erhebliche Teile der Ausführungen sind damit beschäftigt, die vorgeschlagenen Maßnahmen auf Basis vorhandener Forschungsergebnisse zu begründen.

Sollten Sie sich darüber hinaus dafür interessieren, welche medikamentösen oder sonstigen medizinischen Maßnahmen zur Behandlung einer Migräne zur Verfügung stehen, dann empfehle ich Ihnen den Besuch meiner Website www.miginfo.de.

Frankfurt, im Februar 2006

Peter Mersch

1 Mersch, P: Eine Migräne-Geschichte, http://www.miginfo.de/molmain/main.php?docid=46

2 Migräneliga: Unsere Ziele, http://www.migraeneliga.de/ziele.htm

3 Göbel, Hartmut et al.: Schlüssel zum Migräne-Erbgut entdeckt, http://www.schmerzklinik.de/Microsoft_Word_-_PI_Migraenegen_gefunden_31-08-05__02_.doc_DiKonietzko_182.pdf

4 Lipton RB, Stewart WF, Reed M, Diamond S: Migraine's impact today – Burden of illness, patterns of care, Vol 109 / No 1 / January 2001 / Postgraduate Medicine

5 Sillanpaa M, Anttila P: Increasing prevalence of headache in 7-year-old schoolchildren, Headache. 1996 Sep;36(8):466-70

7 Diener, Hans-Christoph: Migräne – Taschenatlas spezial, 2002, Seite 22

8 Blech, Jörg: Die Krankheitserfinder, 2005

9 Blech, Jörg: Heillose Medizin, 2005

10 Vollborn, Marita und Georgescu, Vlad: Die Gesundheitsmafia, 2005

11 Oksanen, A. et al.: Leisure activities in adolescents with headache, Acta Paediatrica, Volume 94, Number 5, May 2005, pp. 609-615(7)

12 MerckMedicus Modules: Migraine – Epidemiology, http://www.merckmedicus.com/pp/us/hcp/diseasemodules/migraine/epidemiology.jsp

13 Queiroz LP, Barea LM, Blank N: An epidemiological study of headache in Florianopolis, Brazil, Cephalalgia. 2006 Feb;26(2):122-7

14 Rainero I et al., Insulin sensitivity is impaired in patients with migraine, Cephalalgia, 2005 Aug;25(8):593-7

15 Göbel, Hartmut: Kursbuch Migräne, 2003, Seite 160

16 Göbel, Hartmut et al.: Schlüssel zum Migräne-Erbgut entdeckt, http://www.schmerzklinik.de/Microsoft_Word_-_PI_Migraenegen_gefunden_31-08-05__02_.doc_DiKonietzko_182.pdf

17 Sinha SR, Kossoff EH: The ketogenic diet. Neurologist. 2005;11: 161-170

18 Mady MA, et al.: The ketogenic diet: adolescents can do it, too. Epilepsia. 2003;44: 847851

19 Sirven J, et al.: The ketogenic diet for intractable epilepsy in adults: preliminary results. Epilepsia. 1999;40: 1721-726

20 Kossoff EH, Krauss GL, McGrogan JR, Freeman JM: Efficacy of the Atkins diet as therapy for intractable epilepsy. Neurology. 2003;61: 1789-1791

21 Mumenthaler M.: Epilepsie und Migräne, http://www.medicalforum.ch/pdf/pdf_d/2002/2002-07/2002-07-297.PDF

22 Haut SR, Bigal ME, Lipton RB: Chronic disorders with episodic manifestations: focus on epilepsy and migraine, Lancet Neurol. 2006 Feb;5(2):148-57

23 Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN): Therapie der Migräne, http://www.dgn.org/97.0.html

24 Göbel, Hartmut: Kursbuch Migräne, 2003, Seite 99

25 Koba H. et al.: Migraine Update, Nippon Rinsho. 2005 Oct;63(10):1733-41

26 Scher AI et al.: Cardiovascular risk factors and migraine – The GEM population-based study, NEUROLOGY 2005;64:614-620

27 Mersch, P: Eine Migräne-Geschichte, http://www.miginfo.de/molmain/main.php?docid=46

1 Migräne ist heilbar

Sie werden wahrscheinlich genauso wenig Zeit haben wie ich. Und deshalb möchte ich es Ihnen ersparen, sich erst einmal durch viele und zum Teil recht schwierige Seiten dieses Buches zu mühen, bevor Sie verstehen, worum es überhaupt geht und ob die Inhalte für Sie relevant sind. Denn dieses Buch versucht ja nicht nur Anleitung zur Selbsthilfe zu geben, sondern auch zu begründen,

was Migräne ist,

wie sie entsteht,

warum eine bestimmte Maßnahme Sinn machen kann oder nicht und

warum die aktuelle neurologische Theorie der Migräne ungeeignet ist, diese zu erklären.

Dies ist naturgemäß dann kein ganz einfaches Thema mehr.

Und: Wer liest in den Zeiten des Internets noch ganze Sachbücher?

Das vorliegende Buch ist deshalb so strukturiert, dass seine Kernaussagen – und diese enthalten einigen Zündstoff – bereits in diesem ersten Kapitel vorgestellt und kurz begründet werden. Wenn Sie dann Interesse auf „mehr“ bekommen und alles ganz genau wissen wollen, sollten Sie auch die restlichen Kapitel lesen.

Diese sind dann aber so geschrieben, dass Sie relativ leicht an einer beliebigen Stelle einsteigen können, ohne alle vorherigen Seiten gelesen haben zu müssen. Dies hat für Leser, die das Buch ganz herkömmlich von der ersten bis zur letzten Seite lesen, den Nachteil, und ich bitte deshalb um Nachsicht, dass sich manche Informationen und Gedankengänge wiederholen.

Wenn Sie das Buch mehr aus praktischen Gesichtspunkten zur Hand nehmen und Ihnen langatmige Begründungen zuwider sind, dann sollten Sie dennoch zumindest das Vorwort, dieses einleitende Kapitel, ausgewählte Abschnitte aus dem Ursachen-Kapitel und den Maßnahmen-Teil lesen.

Körper und Psyche

Die Schulmedizin teilt den Menschen grob gesprochen in Körper und Psyche. Der Körper selbst besteht gemäß dieser Vorstellung aus einer ganzen Reihe von Organen und Körperteilen, zum Beispiel Herz, Magen, Gehirn, Wirbelsäule, Geschlechtsorgane, wofür jeweils eine andere medizinische Fachdisziplin verantwortlich ist.

Wenn Sie ein gesundheitliches Problem haben, dann wird die Schulmedizin zunächst untersuchen, ob dieses organischer Natur ist. „Organisch“ heißt in erster Linie „körperlich“, konkret steht dahinter aber praktisch immer die Zuordnung des Problems zu konkreten Organen. Mit anderen Worten: Die Schulmedizin wird versuchen, Ihr Problem der medizinischen Fachdisziplin zuzuweisen, die für das erkrankte Organ verantwortlich ist.

Dieser Ansatz hat der Schulmedizin den Vorwurf eingebracht, nicht ganzheitlich zu denken und Probleme nicht in größeren Zusammenhängen zu sehen.

Wird von der Schulmedizin mit den aktuellen Analysemethoden keine Ursache Ihrer Symptome gefunden, dann wird meist angenommen, dass Ihre Beschwerden eine psychische Ursache haben. Sind Ihre Symptome primär körperlicher Art, dann wird folglich vermutet, dass Ihre Erkrankung psychosomatisch bedingt sein könnte. Hier verliert sich dann meist das Denken in kleinen Kästchen, und das Problem landet im großen Bauchladen der Psychosomatik, wobei Sie sich auf eine jahrzehntelange psychotherapeutische Behandlung einstellen dürfen.

Migräne in der Schulmedizin

Neurologische Erkrankung

Migräne ist gemäß der mehrheitlichen Auffassung der Schulmedizin eine selbständige (idiopathische) organische Erkrankung des Gehirns.

Oder etwas präziser:

Migräne ist eine genetisch bedingte Reizverarbeitungsstörung

28

des Gehirns.

Migräne ist eine Erbkrankheit

29

und damit nicht heilbar. Es ist lediglich möglich, akute Migräneattacken zu behandeln und bei häufigen Attacken eine wirksame Prophylaxe zu betreiben

30

.

Migräne ist eine idiopathische (ohne erkennbare Ursache) Erkrankung, der Migräne-Kopfschmerz ist ein primärer Kopfschmerz.

Eine unmittelbare Konsequenz dieser Auffassung der Schulmedizin ist, dass die für Migräne verantwortliche medizinische Fachdisziplin die Neurologie ist.

Ich werde in diesem Buch den Nachweis führen, dass die Auffassung der Schulmedizin falsch ist, und zwar in allen Punkten. Stattdessen werde ich aufzeigen:

Migräne ist keine neurologische Erkrankung.

Migräne ist keine Reizverarbeitungsstörung.

Migräne ist keine Erbkrankheit.

Migräne ist kein primärer Kopfschmerz.

Migräne ist heilbar.

Migräne ist eine energetische/funktionelle Störung, in vielen Fällen maßgeblich angestoßen durch Störungen im Insulinstoffwechsel.

Ferner werde ich zeigen, dass Migräne alles andere als ein Leiden ist, welches sich klar lokalisieren und einem einzelnen Körperorgan zuweisen lässt. Migräne ist – als energetische/funktionelle Störung – ein Teil einer Erkrankung, die den ganzen Körper erfasst, mit zahlreichen Komorbiditäten und Begleitsymptomen, auch wenn dies zu Beginn der Erkrankung häufig noch nicht deutlich wird. Nicht wenige Betroffene leiden im Laufe der Zeit zusätzlich unter Magenbeschwerden, Reizdarm, Depressionen, Angststörungen, Panikattacken, Allergien, Endometriose, Fibromyalgie, Epilepsie, Erschöpfung und vieles andere mehr, und diese begleitenden Symptome und Beschwerden lassen sich nicht als Folge der Schmerzerkrankung erklären.

Schulmedizinischer Erklärungsnotstand

Das Wichtigste an einer guten Theorie ist, dass sie mit gesicherten Beobachtungen in Einklang steht und gegebenenfalls neue Beobachtungen vorhersagen kann: Eine gute Theorie muss falsifizierbar (widerlegbar) sein. Die gesamte Physik basiert auf diesem Prinzip.

Außerdem sollte eine gute Theorie einfach sein.

Ein Dilemma der Schulmedizin (und der meisten alternativen Ansätze ebenso) ist, dass sie mit ihrer Migränetheorie viele Erscheinungen rund um die Migräne nicht schlüssig erklären kann, zum Beispiel:

Die meisten Migräneanfälle beginnen in der Entspannungsphase (etwa mitten in der Nacht) bei relativer Reizarmut und nicht bei erhöhter Reizaussetzung.

Mehr als 70% aller Migräniker behaupten, dass bei ihnen Migräne durch Wetterwechsel entstehen kann.

Viele Betroffene bekommen Migräneattacken, wenn sie Mahlzeiten auslassen oder gar fasten.

Ganz häufig bekommen Betroffene Migräne einige Zeit nach außergewöhnlichen Anstrengungen, zum Beispiel nach dem Sport, der Sauna, einer Bergwanderung oder anderen Anlässen.

Zahlreiche Frauen bekommen Migräne vor, während oder unmittelbar nach der Menstruation (menstruelle bzw. Menstruations-assoziierte Migräne).

Bis zur Pubertät leiden ungefähr gleich viele Jungen wie Mädchen unter Migräne, ab der Pubertät und synchron zur Entwicklung der geschlechtlichen Reife steigt dann aber die Migräne-Prävalenz bei Mädchen rapide an. Frauen leiden 2- bis 3-mal so häufig unter Migräne wie Männer

31

.

In den letzten 4 Monaten einer Schwangerschaft bleibt bei 70% aller Migränikerinnen die Migräne aus

32

. Ähnliches gilt für die Menopause.

Zahlreiche Medikamente wirken bei Migräne prophylaktisch, obwohl sie zum Teil (etwa einige migränewirksame Beta-Blocker) nicht einmal die Blut-Hirn-Schranke überwinden können, im Gehirn direkt also gar nicht wirksam werden können.

Praktisch allen Migräneprophylaktika (= vorbeugend einzunehmenden Migränemedikamenten) ist gemeinsam, dass die Schulmedizin ihre Wirkungsweise nicht schlüssig erklären kann. Man weiß durch zufälliges Ausprobieren und anschließende evidenzbasierte Studien lediglich, dass diese Medikamente wirken, nicht aber warum

33

.

Migräne breitet sich in den westlichen Industrieländern epidemisch aus. Ernst zu nehmende Studien gehen von einer Zunahme der Migräne-Prävalenz um mindestens den Faktor 2 bis 3 in den letzten 40 Jahren aus

34

35

36

. Dies ist umso bedenklicher, als der Zuwachs bei Migräne – anders als bei vielen anderen Erkrankungen – nicht mit der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft erklärt werden kann, denn Migräne ist üblicherweise in hohem Alter rückläufig.

Migräne ist zwar angeblich nicht heilbar, gleichzeitig schulmedizinisch aber noch nicht nachweisbar. In der Regel erfolgt die Diagnose auf Grund einer gezielten Befragung der Patienten

37

.

Folgt man der Auffassung der Schulmedizin, dann wäre Migräne eine sich epidemisch ausbreitende, genetisch bedingte, unheilbare, aber nicht diagnostizierbare Reizverarbeitungsstörung, die vorzugsweise während reizarmen, entspannenden Phasen in Erscheinung tritt, in erster Linie Frauen befällt, dies aber auch erst nach der Pubertät, und während der Schwangerschaft verschwindet die vererbte Reizverarbeitungsstörung ganz häufig wieder: Dies klingt wenig plausibel. Und dies ist viel zu kompliziert.

Die Kombination aus Unheilbarkeit und Nicht-Diagnostizierbarkeit klingt dabei fast wie ein Scherz, denn woran will man denn Heilung ausmachen, wenn man den Status der Krankheit nicht an messbaren Größen überprüfen kann, sondern ausschließlich auf die Angaben des Betroffenen angewiesen ist38? Wenn allein der Patient durch seine Antworten entscheidet, ob er nun Migräne hat oder nicht, dann entscheidet auch allein der Patient, ob er geheilt ist oder nicht.

Nimmt man also gesicherte Beobachtungen als Maßstab, dann kann nur der Schluss gezogen werden, dass die vorherrschende Migränetheorie der Schulmedizin wenig plausibel bzw. gar widerlegt ist.

Ich werde in diesem Buch eine alternative Migränetheorie vorstellen, die alle obigen Phänomene fast zwanglos erklärt und darüber hinaus sogar Erklärungen dafür liefert, warum viele Beta-Blocker bei Migräne wirksam sind, oder warum die meisten Migräneprophylaktika zu einer substanziellen Gewichtszunahme führen.

Die Theorie wird zusätzlich auch viel einfacher sein und auf Grund der Vielzahl an einfachen Erklärungen für beobachtete Migräne-Phänomene über einen viel höheren empirischen Gehalt als die neurologische Theorie der Schulmedizin verfügen.

Auslöser (Trigger)

Auslöser (Trigger) sind ein weiterer Kernbestandteil der vorherrschenden Migränetheorie der Schulmedizin. Da Migräne zwar angeblich eine genetisch bedingte, permanent vorhandene Erkrankung ist, die sich aber nur gelegentlich in so genannten Attacken äußert39, benötigt man das Konzept der Auslöser, um das anfallsartige Auftreten der Symptomatik erklären zu können.

Auslöser sind individuelle Einflussfaktoren, die einzeln oder zusammen mit anderen Triggern eine Migräneattacke auslösen können.

Um Ihre persönlichen Trigger ausfindig zu machen, werden die meisten Migräneärzte Sie auffordern, einen Migränekalender zu führen, in welchem Sie Ihre Migräneattacken und wichtige vorausgehende Ereignisse eintragen (zum Beispiel ob Sie Ihre Menstruation hatten, was Sie gegessen haben, ob Sie Sport gemacht haben usw.).

Sehr häufig werden die folgenden Auslöser genannt:

Ausgelassene Mahlzeiten

Zuviel oder zu wenig Schlaf

Bestimmte Nahrungsmittel wie Alkohol (insbesondere Rotwein), Hartkäse, Zitrusfrüchte, Schokolade, Nüsse usw. oder auch Nahrungsmittelzusätze wie Glutamat oder Aspartam.

Entspannung nach dem Stress oder dem Sport

Wetterwechsel

Umwelteinflüsse wie Zigarettenrauch, Lärm, Licht

Menstruation, Eisprung

Und ebenso häufig wird Ihnen dann ärztlicherseits geraten, ein regelmäßiges Leben zu führen, möglichst stets zur gleichen Zeit aufzustehen (auch an Sonn- und Feiertagen) und regelmäßig (5 – 7 kleine Mahlzeiten pro Tag) zu essen40, wobei die einzelnen Mahlzeiten kohlenhydratreich sein sollten4142.

Es mag diese Trigger in Einzelfällen geben. Ich werde aber im Laufe dieses Buches zeigen, dass auch das Konzept der Trigger im Rahmen von Migräne problematisch und zur Erklärung der Auslösung von Migräne-Attacken ungeeignet ist, da in den meisten Fällen eine der Migräne zu Grunde liegende Basisstörung vieles zu Triggern werden lässt, was eigentlich problemlos verarbeitbar sein sollte. Wenn Sie zum Beispiel feststellen, dass Ihre Migräne sehr stark auf Wetterwechsel reagiert, dann kann die Folgerung nicht lauten, dass etwa ein aufkommendes Sturmtief ein Migräneauslöser für Sie ist, sondern nur, dass Sie erschöpft sind und zwar so sehr, dass Sie einen einfachen Wetterwechsel nicht mehr verkraften können: Sie wären in der Natur nicht überlebensfähig, wenn Sie einen Wetterwechsel nicht halbwegs reibungslos verarbeiten könnten.

Ich werde zeigen, dass Trigger in der Regel nicht wirklich Migräne auslösen, sondern stattdessen einen Grad für die der Migräne zu Grunde liegende Basisstörung darstellen.

1. These:

Migräne reagiert nicht auf Trigger, sondern Migräne produziert ihre Trigger.

Mit anderen Worten: Bei der Suche nach individuellen Migräne-Triggern konzentriert sich die Migränemedizin auf Bäume und übersieht dabei den Wald.

Die vergessene dritte Ebene

Was wir von Computern lernen können

Wie bereits dargelegt wurde, unterteilt die Medizin den Menschen in Körper und Psyche.

Wenn Sie mit einem Computer kommunizieren, zum Beispiel einen Text in ein Textverarbeitungsprogramm eingeben, dann gibt es hier zunächst eine ähnliche Aufteilung:

Der sichtbare Computer ist der Körper,

Festplatte, Tastatur, CD-ROM-Laufwerk, Soundkarte, Bildschirm usw. sind die Organe (Komponenten) des Körpers und

das Textverarbeitungsprogramm ist seine Psyche bzw. sein Geist.

Ein solcher Computer könnte leider nicht funktionieren, denn es fehlt etwas Drittes: eine verbindende Steuerung, die die Kommunikation zwischen den einzelnen Organen (Festplatte, Tastatur usw.) und der Psyche (Textverarbeitung) herstellt. Diese dritte Ebene nennt man bei Computern das Betriebssystem, auf ihrem PC konkret zum Beispiel Windows oder Linux.

Stellen Sie sich einmal vor, das Betriebssystem würde die von Ihnen über das „Organ“ Tastatur eingegebenen Zeichen entgegennehmen, leicht durcheinander werfen oder auch verändern und dann auf das „Organ“ Festplatte schreiben. Sie können sich leicht vorstellen, dass auf einem solchen Computer so gut wie nichts mehr funktionieren würde.

Auch der Mensch hat wie jedes komplexe System, welches sich aus zahlreichen Teilen (Organen) zusammensetzt, die miteinander kommunizieren müssen, um optimal zusammen wirken zu können, ein Betriebssystem. Sehr vereinfacht dargestellt besteht das menschliche Betriebssystem aus mindestens den folgenden Komponenten:

vegetatives (autonomes) Nervensystem

Hormonsystem (endokrines System)

Immunsystem

Dabei gliedert sich das vegetative Nervensystem in eine vorwiegend aktivierende und anspannende Komponente, den Sympathicus, eine vorwiegend entspannende Komponente, den Parasympathicus, und weitere, die Verdauungsorgane betreffende Funktionen. Wird im weiteren Text etwa von einer sympathischen Aktivierung gesprochen, dann ist damit eine Aktivierung des Sympathicus des vegetativen Nervensystems gemeint.

Die 3 Kernkomponenten des menschlichen Betriebssystems – vegetatives Nervensystem, Hormonsystem, Immunsystem – arbeiten eng zusammen. So haben sowohl das vegetative Nervensystem als auch das Hormonsystem eine gemeinsame höchste Kontrollinstanz: den Hypothalamus im Gehirn. Eine sympathische Aktivierung hat beispielsweise gleichzeitig eine verstärkte Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin und Cortisol zur Folge, betrifft also nicht nur das vegetative Nervensystem, sondern auch das Hormonsystem.

Zwar bestehen auch Teile der Komponenten des menschlichen Betriebssystems aus konkreten Organen (insbesondere Hormondrüsen), um die sich dann weitere Disziplinen der Schulmedizin kümmern (zum Beispiel die Endokrinologie), allerdings ist der bedeutendste Teil reine Logik, denn die eigentliche Aufgabe dieser Systeme ist die Steuerung.

Und obwohl die wichtigsten Teile reine Logik und damit nicht-organischer Art sind, können diese nicht der Psyche zugeordnet werden, denn die obigen Systeme müssen auch – und gerade dann – reibungslos funktionieren, wenn ein Mensch schwer krank ist und beispielsweise bereits das Bewusstsein verloren hat.

Das Betriebssystem des Menschen hat unter anderem die Aufgabe, dessen Überlebensfähigkeit selbst unter widrigsten Bedingungen zu optimieren. Dazu gehört auch die gesamtkörperliche Stressbewältigung.

Ein Schulmediziner geht bei Erkrankungen üblicherweise wie ein Computertechniker vor, der sich auf Hardware-Probleme spezialisiert hat: Es wird überprüft, ob alle Kabel noch stecken, die Festplatte getestet, kritische Systemparameter gecheckt. Wenn der Computertechniker nichts findet, dann hat er eine so genannte Ausschlussdiagnose gestellt und die äußert er dann üblicherweise so: „Das muss wohl an der Software liegen!“. Mediziner sind da nicht anders. Nach dem Ausschluss einer organischen Ursache folgt ganz häufig die Diagnose: „Das wird wohl psychisch sein!“.

Eine Ausnahme bildet mittlerweile die Migräne selbst, dies aber auch erst, seit dem die Pharmaindustrie mit den modernen Migräne-Akut-Medikamenten – den Triptanen – sich einen Milliardenmarkt erschlossen hat. Migräne gilt heute, obwohl medizintechnisch nicht nachweisbar, als organische Erkrankung.

Was bei dieser Vorgehensweise nicht gefunden werden kann, sind Probleme im Bereich des Betriebssystems selbst.

Und dies wird umso häufiger der Fall sein, je mehr es Usus wird, Symptome einzelnen Organen zuzuordnen und nicht in einen Gesamtkontext zu stellen, der auch nicht-organische Störungen in der Kommunikation zwischen den Organen berücksichtigt. Solche Störungen werden im Folgenden „funktionelle“ oder zum Teil auch „energetische“ Störungen genannt43.

Deshalb ist nicht selten von Fällen zu berichten44, wo eine Frau beispielsweise

zunächst an Migräne erkrankt,

dann Fibromyalgie bekommt,

später an Epilepsie erkrankt,

dann Endometriose hat,

dann Depressionen bekommt und

schließlich Diabetes.

Alle diese Erkrankungen werden seitens der Schulmedizin als unabhängige Krankheiten aufgefasst, deren Behandlungen zwar optimalerweise aufeinander abzustimmen sind, dennoch in erster Linie individuell als Einzelkrankheiten angegangen werden, wobei die Tendenz dahin geht, immer neue Krankheiten zu definieren, die einer separaten Behandlung bedürfen45.

Ich werde zeigen, dass dies ein Fehler ist. Denn fast immer liegt hinter solchen Fällen eine einzige Störung – eine energetische/funktionelle Störung – im Bereich des Betriebssystems des Menschen, und so lange diese nicht erkannt und durch entsprechende Maßnahmen behoben wird, wird sich die Störung gnadenlos ihren Weg durch den gesamten Körper und letztendlich auch die Psyche bahnen.

Leider mangelt es zurzeit diesbezüglich an der ärztlichen Versorgung, denn es gibt kaum Ärzte, die für komplexe Probleme dieser Art ausreichend ausgebildet sind oder gar zuständig wären. Eine Patientin, die zum Beispiel unter Migräne, Epilepsie, Fibromyalgie, Endometriose und Reizdarm leidet und dann vom Neurologen die klassische Migränebehandlung erfährt, wird jedenfalls definitiv falsch behandelt.

2. These:

Migräne ist keine neurologische Erkrankung.

Der Sinn von Schmerzen

Schmerzen sind Signale

Die in diesem Buch dargestellte Migränetheorie geht zunächst davon aus, dass massenhaft in der Natur auftretende Erscheinungen einen Sinn haben. Sollten Menschen massenhaft unter bestimmten Symptomen leiden, dann ist die Ursache nicht in genetischen Besonderheiten dieser Menschen zu suchen, sondern in inadäquaten Lebensbedingungen, an die diese Menschen nicht ausreichend angepasst sind. Die Annahme, dass mehr als 15% aller erwachsenen Frauen auf Grund von genetischen Besonderheiten regelmäßig unter schrecklichen und sinnlosen46 Schmerzen leiden müssen, dürfte für gläubige Menschen gar an Gotteslästerung grenzen.

Darüber hinaus geht die hier vorgestellte Theorie davon aus, dass Schmerzen ein Signal darstellen, einen Versuch von niederen Ebenen (zum Beispiel des Betriebssystems des Menschen oder seiner Organe), sich bei den höheren kognitiven, also der Wahrnehmung zugänglicheren Ebenen, Aufmerksamkeit zu verschaffen, damit dort – zum Beispiel mittels einer Änderung des Verhaltens – gegengesteuert werden kann, wobei die niederen Ebenen üblicherweise besonders robust ausgestaltet sind, denn sie erfüllen die wichtigsten Aufgaben47.

Schmerz bedeutet in der Regel nicht, dass der Schmerz selbst das Problem ist (etwa ein genetisch bedingtes Schmerzleiden), welches es nur möglichst rasch medikamentös zu unterdrücken gilt. Es mag solche Fälle geben, speziell bei einer Chronifizierung von Schmerzen, aber normalerweise ist Schmerz nicht selbst das Problem, sondern ein Hinweis auf ein Problem. Der Schulmedizin ist es im Rahmen ihrer Migränetheorie gelungen, dieses einfache körperliche Prinzip außer Kraft zu setzen, und folgerichtig nennt sie den Migräneschmerz einen idiopathischen, primären und neuerdings sogar sinnlosen48 Kopfschmerz.

Die in diesem Buch präsentierte Theorie interessiert sich deshalb auch nicht dafür, durch welche Ausschüttungen von welchen Neurotransmittern und welche sonstigen Maßnahmen es dem Körper schließlich gelingt, den Migräneschmerz in Gang zu setzen. Solche Erkenntnisse mögen relevant sein, um hochleistungsfähige Schmerzmittel entwickeln und den Pathomechanismus49 einer Migräneattacke vollständig verstehen zu können, sie haben aber für das „Warum?“ des Schmerzes, für die Ursachen der Ursachen keine Bedeutung.

Energetisches Problem im Gehirn

Eine Migräneattacke ist nach meiner Auffassung ein Hinweis des Gehirns auf ein gravierendes Problem, welches den gesamten Betrieb des Organs dauerhaft gefährdet. In der Regel dürfte es sich dabei um ein massives energetisches Problem handeln, also zum Beispiel um einen Mangel oder gegebenenfalls auch ein unzulässiges Überangebot bei der Versorgung mit Sauerstoff50, Glucose (Zucker) oder anderen Energieträgern. Daneben sind erhebliche Abweichungen bei kritischen Parametern wie Blut-pH-Wert, Elektrolyten usw. denkbar. Sollte dieser Zustand fortbestehen, dann drohen schwerste irreparable Schäden zu entstehen. Eine Migräneattacke ist deshalb in etwa zu vergleichen mit einer Angina-Pectoris-Attacke des Herzens.

Anders als beim Herzen, wo durch weniger Aufregung und Bewegung eine deutliche Reduzierung der energetischen Anforderungen erreicht werden kann, ist der Energieverbrauch des Gehirns stets relativ konstant. Ein energetisches Problem im Gehirn dürfte deshalb aus Sicht des Gehirns in der Regel durch außerhalb des Gehirns liegende Prozesse verursacht werden. Da es selbst über keine ausreichende eigene Energieversorgung verfügt und einen relativ konstanten Energiestrom von außen erwartet, muss irgendetwas außerhalb des Gehirns im Argen sein. Darauf möchte es aufmerksam machen.

Man könnte die Situation mit einem Haus vergleichen, welches von außen durch Fernwärme beheizt wird, wobei die Bewohner des Hauses den Gehirnzellen entsprechen. Wird die Verbindung zwischen Heizwerk und Haus geschwächt oder gar unterbrochen, dann werden die Bewohner nicht nur frieren, sondern sich auch bald beim Hausmeister (vegetatives Nervensystem) beklagen, worauf sich dieser bemerkbar macht. Nichts anderes macht das Gehirn bei einer Migräneattacke auch.

3. These:

Eine Migräneattacke ist Ausdruck einer energetischen Krise des Gehirns.

Als denkbare Ursachen für die energetischen Probleme kommen unter anderem in Frage:

In den Folgekapiteln werde ich auf diese Ursachen und einige weitere näher eingehen.

Migräne und Insulin

Hauptursache Blutzuckerschwankungen

Ich bin davon überzeugt, dass es unter den im letzten Abschnitt aufgeführten möglichen Ursachen eine Hauptursache gibt: Blutzuckerschwankungen, wobei – wie Sie gleich feststellen werden – das Thema auf Grund der unterschiedlichen vom Gehirn verwertbaren Energieträger und der beteiligten Hormone komplexer ist, als es sich zunächst anhören mag. Im Prinzip müssen die für das Gehirn relevanten Energieträger Glucose, Laktat und Ketonkörper zusammenhängend betrachtet werden und Blutzuckerschwankungen folgerichtig allgemeiner als Energieschwankungen bezeichnet werden. Da die einschlägige Literatur zur Biochemie des Menschen aber in der Regel behauptet, dass das Gehirn bevorzugt Glucose zur Energiegewinnung verwertet, soll hier weiterhin der Begriff Blutzuckerschwankungen verwendet werden, auch wenn allgemeiner Energieschwankungen gemeint sind51.

Mit der Fokussierung auf Blutzuckerschwankungen sind die anderen denkbaren Ursachen nicht hinfällig, diese mögen in Einzelfällen durchaus dominieren. Allerdings sollen sie hier in ihrer Bedeutung bewusst relativiert werden: Die Annahme, dass Menschen plötzlich massenhaft unter einem Loch in der Herzscheidewand und in der Folge unter Migräne leiden, ist genauso unwahrscheinlich wie die Annahme, dass Menschen zunehmend unter einer genetisch bedingten Reizverarbeitungsstörung leiden.

Die Rolle des Insulins

Im Rahmen der für Migräne so kritischen Blutzuckerschwankungen spielt Insulin52 eine entscheidende Rolle (siehe dazu auch die detaillierteren Ausführungen im Abschnitt Hormonelle Faktoren):

Eine Untersuchung konnte zeigen, dass Migräniker mehrheitlich über eine schlechtere Glucose-Toleranz bzw. verringerte Insulin-Sensitivität verfügen

53

.

In 3-stündigen Glucose-Toleranz-Tests stieg der Blutzuckerspiegel nach dem Trunk einer standardisierten Zuckerlösung bei Migräne-Kranken deutlich stärker an als bei gesunden nicht-diabetischen Kontrollpersonen. Der medizinische Fachbegriff für diese Erscheinung ist postprandiale Hyperglykämie54 .

Dabei wurde offenkundig, dass die Migräniker zwar verzögert, dann aber über den gesamten Beobachtungszeitraum deutlich mehr Insulin ausschütteten als die Personen der Kontrollgruppe (latenter Hyperinsulinismus), trotzdem blieb ihr Blutzuckerspiegel im Mittel stets höher als bei den Vergleichspersonen. Mit anderen Worten: Die Insulin-Rezeptoren hatten ihre Sensitivität gegenüber Insulin heruntergeregelt.

Experten machen diese Erscheinungen dafür verantwortlich, dass Migräne-Kranke ein erhöhtes Risiko für koronare Herzkreislauferkrankungen haben55.

Die verringerte Insulin-Sensitivität bedeutet, dass Migräniker mehr Insulin ausschütten müssen, um eine bestimmte Menge an Kohlenhydraten zu verstoffwechseln. Die erhöhte Insulinmenge führt nach Verarbeitung der Mahlzeit üblicherweise zu einer zu starken Absenkung des Blutzuckerspiegels.

Zahlreiche andere und zum Teil schon länger zurückliegende Untersuchungen konnten nachweisen, dass Migräne-Betroffene verstärkt unter Hypoglykämien, das heißt Unterzuckerungen, leiden

56

57

.

Roberts schlug 1967 gar vor, Migräne in "hypoglykämische Kopfschmerzen" umzubenennen.

Genetische Untersuchungen an Migräne-Betroffenen konnten Unterschiede an Insulin-Rezeptor-Genen aufzeigen

58

.

Eine andere Studie wies nach, dass nach Einnahme der beiden bekannten Migräne-Prophylaktika Flunarizin und Amitriptylin unter anderem die Insulinspiegel ansteigen

59

, was die zum Teil beträchtlichen Gewichtszunahmen dieser beiden Medikamente miterklären könnte. Langfristig besteht die Gefahr, dass die Anwendung solcher Medikamente auf Grund des durch sie verursachten Übergewichts zu Insulin-Resistenz führt.

Daneben leiden andere Migräniker – wie gelegentlich bereits vermutet wurde60 – unter Hyperinsulinismus, das heißt unter einer zu starken Insulin-Ausschüttung, die den latenten Hyperinsulinismus aus der Studie zur Insulin-Sensitivität von Migränikern noch übertrifft. Hyperinsulinismus führt bei kohlenhydratreicher Ernährung zwangsläufig zu häufigen Hypoglykämien.

Dieses Problem wird sich möglicherweise in Zukunft verstärken, da immer mehr Mütter auf Grund der zuckerreichen westlichen Diät unter Schwangerschaftsdiabetes leiden. Der Blutzucker ist also während der Schwangerschaft zu hoch und dem Fötus bleibt nichts anderes übrig, als die eigene Insulin-Produktion anzuheben. Die dann

geborenen Kinder sind meist bei der Geburt bereits zu schwer und leiden unter Hyperinsulinismus61.

Auch andere Probleme im Bereich der Verdauungsorgane können regelmäßige Hypoglykämien begünstigen, zum Beispiel ein zu schwacher oder auch operierter Magen, der die Nahrung zu schnell an den Dünndarm weiterreicht. Dabei ist zu

berücksichtigen, dass eine satte Mehrheit der Migräne-Betroffenen ohnehin unter idiopathischen Magen-Problemen leidet6263.

Die bei Migränikern festgestellte inadäquate Insulin-Reaktion sollte in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden, denn sie kann sich auf Dauer verstärken und eine ganze Reihe an Folgereaktionen nach sich ziehen, worauf insbesondere im Abschnitt Hormonelle Faktoren näher eingegangen wird.

Migräniker sollten hochglykämische Kohlenhydrate meiden

Die genannten Untersuchungen legen nahe, dass Migräne-Betroffene ein Problem mit hochglykämischen Kohlenhydraten – für eine Begriffspräzisierung siehe Abschnitt Diäten mit Lebensmitteln mit niedrigem glykämischen Index (niedriger glykämischer Last) – haben: Essen sie eine Mahlzeit mit vielen leicht resorbierbaren Kohlenhydraten, dann steigt ihr Blutzuckerspiegel zunächst zu stark an (postprandiale Hyperglykämie), da das angebotene Insulin nicht ausreichend verwertet wird. Auf Grund der sich bei Ausbleiben von Mahlzeiten verbessernden Insulin-Sensitivität bei

gleichzeitig erhöhtem Insulin-Angebot fällt der Blutzuckerspiegel anschließend zu stark ab64.

Man könnte die Situation auch so interpretieren: Die Bauchspeicheldrüse von vielen Migräne-Kranken verhält sich nach dem Verzehr von schnell resorbierbaren Kohlenhydraten ungefähr so wie bei einem Diabetiker, der sich zu spät Insulin gespritzt hat. Die Folge: Der Blutzuckerspiegel steigt zunächst zu stark an, um anschließend zu stark abzufallen.

Dies ist weder eine Störung noch etwas Krankhaftes: Hochglykämische Kohlenhydrate sind in Form von Getreide erst seit ca. 5.000 Jahren (in unserer Gegend vermutlich sogar deutlich später) nennenswerter Bestandteil der menschlichen Ernährung. Die Dominanz der leicht resorbierbaren Kohlenhydrate in der menschlichen Diät existiert erst seit dem Siegeszug des Zuckers seit maximal 100 bis 200 Jahren. Migräne-Kranke sind an diese Verhältnisse schlicht und ergreifend nicht ausreichend angepasst und sollten sich deshalb anders ernähren.

Man könnte sogar vermuten, dass eine solche Veranlagung in früheren Zeiten einmal einen genetischen Vorteil darstellte. Denn wer beispielsweise in der Lage war, in kritischen Zeiten durch die Zufuhr von einigen Beeren den Blutzuckerspiegel gezielt in die Höhe zu bringen, konnte damit auch mehr Leistung aus seinem Körper herausholen (so wie wir das heute mit einer Tasse Kaffee machen), ohne gleich eine zu starke Ausschüttung der Stresshormone zu provozieren (konnte also auch in der Krise „cool“ bleiben). Eine zu schnelle Insulin-Reaktion nach Zufuhr der Kohlenhydrate hätte diese Wirkung verhindert.

Ich werde im Laufe des Buches deutlich machen, dass der Blutzucker systemtechnisch gesprochen nur eine innere Betriebsversorgung des Körpers darstellt, die nichts direkt mit der energetischen Versorgung von außen zu tun hat und sogar vor deren Schwankungen geschützt werden muss. Dies macht man bei praktisch allen technischen Geräten (zum Beispiel Computern) und anderen komplexen Systemen nicht anders. Der Körper hat als Schutz vor äußeren Energieschwankungen die einfachen Mechanismen Insulin und Glucagon, die normalerweise ausreichen, um die innere Betriebsversorgung auf einem konstanten Niveau zu halten.

Der Mensch hat über Millionen Jahre versucht, seine Nahrungsversorgung immer effizienter zu gestalten. Dabei wurden unter anderem weite Teile der Nahrungsaufschlüsselung außerhalb der eigenen Verdauungsorgane verlegt.

Bei dieser Entwicklung konnte es aber nicht ausbleiben, dass einzelne Menschen mit Beschwerden reagieren. So verfügen viele Menschen über keine ausreichenden Mechanismen, um auf die direkt ins Blut gehende Wirkung der heute üblichen sehr kohlenhydratreichen Ernährung mit ihrem hohen Anteil hochglykämischer Kohlenhydrate adäquat reagieren zu können, bei ihnen funktioniert dann der Insulin-Glucagon-Mechanismus nicht mehr einwandfrei. Der Stoffwechsel des Menschen war ja nie vorher mit einer entsprechenden Ernährung konfrontiert worden, nie dafür ausreichend während seiner Entwicklung adaptiert bzw. „getestet“ worden.

Nehmen wir einmal an, Sie arbeiten an einem PC, dessen Hersteller diesen nur unter der Bedingung getestet hat, dass Sie maximal gleichzeitig Word, Excel und Power-Point ausführen. Nun müssen Sie aber an Ihrem Arbeitsplatz zusätzlich noch eine Datenbank bearbeiten. Sie stellen fest, dass der Computer dann regelmäßig abstürzt und sie ihn wieder „rebooten“ müssen. Mit anderen Worten: Ihr Computer bekommt leicht Migräne, wenn er es mit Anforderungen zu tun bekommt, für die er nicht ausgelegt und getestet wurde.

Bei Computern können Sie darauf hoffen, dass der Hersteller das Problem demnächst abstellt. Sie als Person haben dagegen nur ein Leben. Wenn in Ihrem Körper ein Betriebssystem steckt, welches nicht ausreichend an bestimmte Bedingungen angepasst ist, dann können Sie das zur Zeit nur akzeptieren und versuchen, die Bedingungen so zu ändern, dass Sie Ihnen entsprechen oder sich alternativ mit Medikamenten voll stopfen. Wenn Ihre Kollegin scheinbar problemlos jeden Tag eine Tafel Schokolade essen kann (und einen guten Zahnarzt hat), dann heißt das noch lange nicht, dass Sie das auch können.

4. These:

Die energetischen Krisen im Gehirn des Migränikers werden maßgeblich durch ungeeignete Ernährung verursacht.

Die Beschädigung des Stress-Systems

Die obigen Fakten allein reichen noch nicht aus, um Migräne und die zahlreichen begleitenden Erkrankungen des typischen Migräne-Betroffenen erklären zu können.

Durch die ständigen abnormen Blutzuckerschwankungen des Migräne-Kranken entsteht ein anderes Problem: Die dauerhafte Beschädigung des Stress-Systems.

Wie wir gesehen haben, löst eine ungeeignete Ernährung (die heute typische kohlenhydratbetonte westliche Diät) bei Migräne-Betroffenen zu starke Blutzuckerschwankungen aus. Wenn der Blutzuckerspiegel dabei zu stark fällt, muss er vom Betriebssystem (vegetatives Nervensystem, Hormonsystem) des Menschen wieder gestützt werden. Der menschliche Organismus ist nämlich in der Lage, den Blutzuckerspiegel auch dann in engen Grenzen zu halten, wenn über längere Zeit keine Nahrung aufgenommen wird. Dies geschieht normalerweise über die beiden Hormon-Kontrahenten Insulin und Glucagon.

Zusätzlich gibt es die sympathische Aktivierung mit der Adrenalin-Reaktion. Mit diesem Mechanismus ist der Körper in der Lage, auf sehr schnelle Weise zusätzliche Glucose aus Speichern abzurufen oder mittels der Glukoneogenese gar zu erzeugen. Die Erzeugung geschieht zum Teil mit Unterstützung des Stresshormons Cortisol im Rahmen der so genannten Eiweißverzuckerung. Dabei werden bei Bedarf körpereigene Proteine aus Haut, Haaren, Bindegewebe, Muskeln usw. geopfert und für die Glucoseproduktion zur Verfügung gestellt.

Der Blutzuckerspiegel gesunder Menschen wird in Ruhe überwiegend durch die Hormone Insulin und Glucagon – also ohne Stress und ohne massiven Zugriff auf körpereigene Proteine – reguliert, während Migräniker bei ungeeigneter Ernährung dazu entweder noch die Unterstützung der Stresshormone oder zusätzliche Mahlzeiten benötigen. Sie leiden dann unter chronischer Hypoglykämie.

5. These:

Chronische Hypoglykämie ist ein Phänomen, bei dem der Blutzuckerspiegel auch in Ruhe nur mit massiver Unterstützung sympathischer Aktivierungen (körperliche Stressreaktionen) oder gegebenenfalls durch weitere Nahrungsaufnahmen in engen Grenzen gehalten werden kann.Chronische Hypoglykämie muss sich nicht in niedrigen Blutzuckerspiegeln ausdrücken.

Anfordernde, Angst machende oder gefährliche Situationen führen auf Dauer dazu, dass der Körper sich selbst verzehrt. In Anlehnung an einen Film von Rainer Werner Fassbinder könnte man deshalb auch sagen: Angst essen Körper auf. Doch der eigentliche Filmtitel gilt genau so: Angst essen Seele auf65.

Findet der oben beschriebene Vorgang der stressbedingten Eiweißverzuckerung sehr häufig statt, dann wird sich mit der Zeit eine Dünnhäutigkeit einstellen, und zwar sowohl wirklich, als auch im übertragenen Sinn.

Denn Cortisol ist eines der wesentlichen Stresshormone. Wie im Ursachen-Teil näher erläutert wird, ist die Standard-Reaktion des Körpers auf Unterzuckerung eine massive sympathische Aktivierung mit der verstärkten Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin und Cortisol. Man könnte es auch so ausdrücken: Als Gegenreaktion auf eine Unterzuckerung, setzt der Körper sich selbst massiv unter Stress (für eine feinere Unterscheidung fehlt den zentralen Steuerungsorganen die Intelligenz). Stellen sich regelmäßig mehrmals am Tag auf Grund einer bestimmten Ernährungsweise Unterzuckerungen ein, dann leidet man auf lange Sicht unter chronischem Stress und das, ohne externem Stress ausgesetzt zu sein.

Unser Organismus ist zwar auf Stress eingestellt, aber nicht auf chronischen Stress. Chronischer Stress führt zwangsläufig zu einer dauerhaften Beschädigung des vegetativen Nervensystems und des Hormonsystems.

Bitte beachten Sie: Für den Organismus ist nur das Stress, was zu einer verstärkten Ausschüttung der Stresshormone führt. Dies erklärt, warum etwa das Hören von Mozarts „Eine kleine Nachtmusik“ Sie beruhigen mag, das gleich laute Bohrmaschinengeräusch aus einer nachbarlichen Wohnung aber nervös macht. Ein Blutzuckerabfall wird vom Organismus nicht nur durch die Stresshormone abgefangen, sondern stresst Sie!

Geht man mit dem Verdacht auf Hypoglykämie zum Arzt, um seinen Blutzuckerspiegel überprüfen zu lassen, dann wird dieser in aller Regel nur ganz normale Werte vorfinden, da Adrenalin und Cortisol den Blutzuckerspiegel längst angehoben haben. Sogar der Vorgang des Abzapfens des Blutes kann über die Stressreaktion den Blutzuckerspiegel bereits ansteigen lassen.

In chronischen Fällen kann die Situation so ernst werden, dass der Cortisol-Spiegel permanent erhöht bleibt. So konnte etwa eine brasilianische Studie zeigen, dass Personen mit chronischer Migräne in der Regel erhöhte Cortsol-Spiegel haben66.

Eine andere Studie lieferte das Ergebnis, dass Migräniker mehrheitlich über abnorme Cortisol-Spiegel oder -Reaktionen verfügen67. Eine weitere Studie sieht eine maßgebliche Beteiligung des Hypothalamus (oberste Instanz des vegetativen und hormonellen Systems) bei allen episodischen Gehirnstörungen68.

Erleidet ein Migräne-Patient einen verlängerten Migräne-Anfall, einen so genannten Status migraenosus, aus dem er allein und mit seinen üblichen Medikamenten nicht mehr herauskommt, oder leidet er unter täglichen bzw. episodischen Migräneattacken, dann wird vom Arzt oft eine Kortisonkur verordnet. Meist wird die Wirksamkeit dieser Kuren mit der entzündungshemmenden Eigenschaft von Kortison begründet. Viel nahe liegender ist es aber, dass hier die Eiweiß-verzuckernde und damit Blutzucker-stabilisierende Wirkung des Kortisons entscheidend zum Tragen kommt.

Dafür spricht auch, dass sich selbst ein Alkoholkater – der sehr viel Ähnlichkeit mit einer Migräneattacke besitzt – verhindern lässt, wenn man vor einem alkoholisierten Abend noch etwas Kortison einnimmt. Denn Alkohol wird in der Leber verarbeitet und behindert damit die ebenfalls in der Leber ablaufende Glukoneogenese, was entscheidend zum Alkoholkater beitragen kann69.

Stresshormone während einer Migräneattacke

Wie bereits dargestellt wurde, geht einer Migräneattacke in der Regel eine substanzielle Energiekrise im Gehirn voraus. Die Energiekrise wird von den niederen Hirnfunktionen wie Hirnstamm und Hypothalamus erkannt, worauf es zu einer massiven sympathischen Aktivierung und der Ausschüttung von Adrenalin und Cortisol kommt.

Die niederen Hirnfunktionen sind unter anderem für die Steuerung der lebensnotwendigen Körperfunktionen verantwortlich und müssen alles daran setzen, dass mindestens ihre eigene energetische Versorgung gesichert bleibt. Dabei werden sie gegebenenfalls eine Reduzierung anderer Funktionen in Kauf nehmen. Bei schweren Erkrankungen kann die Aktivität des Großhirns soweit herunter gefahren werden, dass das Bewusstsein verloren geht. Vergleichbare Phänomene werden gelegentlich auch zu Beginn einer Migräneattacke beobachtet.

Die sympathische Aktivierung und die Ausschüttung der Stresshormone haben den Sinn, den Körper kurzfristig auf Höchstleistung zu trimmen. Dazu gehören:

Steigerung des Herzschlags

Steigerung des Blutdrucks

Erweiterung der Blutgefäße der arbeitenden Muskulatur

Verengung der Blutgefäße der Haut und der inneren Organe (kalte Hände, kalte Füße)

Anspannung der Skelettmuskulatur

Verstärkte Schweißbildung

Erhöhung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes und Ausschüttung von Prostaglandinen (Entzündungsmediatoren)

Beschleunigung des Stoffwechsels

Erweiterung der Bronchien

Hemmung der Verdauungsfunktionen

Hemmung der Ausscheidungsorgane

Reduzierung der Durchblutung in den Geschlechtsorganen

Vermehrte Freisetzung von Glucose und Fettsäuren

Hemmung von Insulin in der Bauchspeicheldrüse

Pupillenerweiterung

Massive Freisetzung von Serotonin aus bestimmten Gehirnbereichen (bei gleichzeitiger Anhebung des Serotonin-Spiegels in anderen Gehirnbereichen), um möglichst rasche, spontane Entscheidungen fällen zu können.

Diese Maßnahmen wirken wie eine konzertierte Aktion, mit dem Ziel, einer Gefahr möglichst effektiv zu begegnen oder auszuweichen („Fight or Flight“). Dabei werden aktuell relativ unwichtige Funktionen temporär heruntergefahren (zum Beispiel Verdauung, Ausscheidung, Sexualtrieb) und wichtige Funktionen verstärkt. Einige Funktionen wie die Erhöhung der Gerinnungsfähigkeit des Blutes bzw. die Ausschüttung von Prostaglandinen dienen gar dazu, eventuelle Wunden möglichst rasch zu schließen und die Folgen einer kämpferischen Auseinandersetzung klein zu halten.

Andere Funktionen, wie die Anspannung der Wirbelsäulenmuskulatur, sollen für einen festeren Stand oder eine bessere Abwehr von Schlägen sorgen.

Genau die obigen Symptome sind es denn auch, die Migräne-Patienten zu Beginn und während einer Attacke beobachten:

Die Schmerztabletten wirken nicht effizient, da sie nicht verdaut werden.

Der Blutdruck steigt.

Die Wirbelsäulen- und Nackenmuskulatur verspannen sich.

Die Hände werden kalt.

Es stellt sich ein zeitweiliges Harnverhalten ein.

Bei vielen Betroffenen stellen sich parallel dazu Angstzustände oder gar Panikattacken ein, bei denen sie über die erweiterten Bronchien bei gleichzeitig fehlender Bewegung zum Teil zu viel Sauerstoff aufnehmen und dann überatmen. Manche Ärzte empfehlen in solchen Situationen eine Tütenatmung, um das Blut nicht zu alkalisch werden zu lassen und um möglichen Verkrampfungen entgegenzuwirken.

Die zwecks Gefahrenabwehr verstärkte Wahrnehmung (Erweiterung der Pupillen, Verbesserung von Gehör und Geruch) wird von den Migränebetroffenen als äußerst unangenehm empfunden, weswegen sie einen dunklen, ruhigen und geruchsarmen Raum benötigen. Manche Personen nehmen in solchen Situationen Gerüche wahr, die sie sonst nicht registrieren würden.

Viele der gelisteten Stress-Symptome werden von zahlreichen Migränikern auch außerhalb einer konkreten Migräneattacke festgestellt. Denn mit dem Fortschreiten der Migräneerkrankung stellt sich häufig chronischer Stress – festzumachen an chronisch erhöhten Cortisol-Spiegeln7071 – ein, der unter anderem für eine chronische Verspannung der Wirbelsäulenmuskulatur sorgt, denn der Körper befindet sich ja jetzt quasi in permanenter Alarmbereitschaft. Die hohe innere Stressbelastung sorgt gleichzeitig für eine Hemmung der Verdauungsorgane. Tatsächlich konnte nachgewiesen werden, dass Migräniker sowohl während als auch außerhalb von Attacken eine deutlich verlangsamte Magenentleerung besitzen72, welche direkt auf die hohe chronische Stressbelastung zurückgeführt werden kann.

Daneben führt die permanente Alarmbereitschaft zu einer fehlenden Gewöhnung an äußere sich wiederholende Reize. Der Migräniker leidet dann zusätzlich unter einer Reizverarbeitungsstörung mit fehlender Habituation (Gewöhnung), die in Experimenten nachgewiesen werden konnte. Diese ist aber – anders als es die Neurologie vermutet – Folge und nicht Ursache des Geschehens.

6. These:

Ungeeignete Ernährung und die dadurch verursachten zerebralen Mangelzustände versetzen den Migräniker in einen chronischen Stresszustand.Der chronische Stress wiederum führt zu einer Beschädigung des vegetativen und hormonellen Systems.

Stress-Reaktion zur Unzeit

Es ist vorstellbar, dass es in erster Linie nicht die Unterzuckerung ist, die Migräne auslöst, sondern die durch sie veranlasste massive sympathische Aktivierung mit Ausschüttung der Stresshormone.

Und dabei ist es durchaus möglich, dass die Steuerungsorgane im Gehirn unangemessen reagieren. Denn Sie sollten sich immer vor Auge halten, dass die zu Grunde liegenden Mechanismen über Millionen Jahre durch das gesamte Tierreich entwickelt wurden. Die Mechanismen arbeiten in anderen Säugetieren ganz ähnlich. War das Gehirn eines Lebewesens in der Natur unvermittelt (also nicht krankheitsbedingt) unzureichend mit Energie versorgt, dann lag immer eine Gefahrensituation vor (zum Beispiel ein schwerer Blutverlust auf Grund einer Verletzung), so dass das Lebewesen rennen oder kämpfen oder sich verletzt zur Ruhe legen musste.

Stellen Sie sich dagegen die folgende Situation vor:

Sie hatten den ganzen Tag einen stressreichen Tag, bei dem Sie sich mit Kaffee und Keksen über Wasser gehalten haben. Nach Feierabend wollen Sie noch unbedingt etwas für die Gesundheit tun und rennen noch ein paar Runden im Park. Danach essen Sie nichts mehr, denn Sie sind am Abend noch in einem guten Restaurant eingeladen und wollen nicht zu satt sein. Nach dem Joggen müssen Sie sich noch zurechtmachen, denn Sie wollen in dem guten Restaurant eine gute Figur machen. Nun haben Sie alles erledigt, haben alles geschafft, was Sie sich vorgenommen haben und können sich nun langsam auf den Weg machen.

Unmerklich für Sie beginnt sich der Körper zu entspannen. Körperlich hat das zur Konsequenz, dass die Stresshormone langsam heruntergefahren werden. Sie spüren, wie ihre angespannte Wirbelsäule weicher wird, während sich gleichzeitig Ihr Appetit regt. Sie freuen sich auf das Essen, doch plötzlich sehen Sie zu Ihrem Entsetzen erste Blitze vor Ihren Augen.

Was ist passiert?

Sie haben den ganzen Tag im Stress gelebt und dieser Stress hat über die Ausschüttung der Stresshormone dafür gesorgt, dass Sie stets leistungsfähig waren. Sollte nicht ausreichend Glucose über die Verdauungsorgane geliefert werden, haben Adrenalin und Cortisol und zum Teil vielleicht auch die Schilddrüsenhormone diesen Mangel sofort ausgeglichen. Sie haben dabei von der Substanz gelebt. Doch nun war endlich Feierabend und Sie konnten sich entspannen und damit wurde Ihnen durch das Herunterfahren der Stresshormone die wichtigste Glucosequelle entzogen: Ihre eigene Substanz, zumal Sie vorher auch noch Sport betrieben und weitere Glucosereserven aufgebraucht und lange nichts mehr gegessen hatten.

Ihr Blutzuckerspiegel sinkt für Sie unbemerkt sehr schnell und es droht eine Hypoglykämie. In dieser Phase müssen dann die Stresshormone aktiviert werden, obwohl Sie gerade beginnen, sich zu entspannen.

Auf eine solche Situation müssen die Steuerungsorgane im Gehirn nicht zwangsläufig eingestellt sein, denn in der Natur ist so etwas unbekannt. Folglich versuchen die Steuerungsorgane so zu reagieren, wie sie es immer tun: Mit einer Aktivierung des Stresssystems. Und das kann in einer solchen Situation regelrecht zu Fehlern führen.

Es gibt nämlich in Ihrem inneren Steuerungssystem niemanden der sagt:

Lieber Sympathicus, bitte bleib cool! Es ist kein Löwe in Sicht, verwundet sind wir auch nicht, es dreht uns auch keiner die Gurgel ab, die Lady hat nur einfach mal wieder vergessen, rechtzeitig für Nachschub zu sorgen. Ist aber alles schon in Planung.

Eine solche coole Reaktion würden Sie sich vielleicht wünschen und Ihr Großhirn weiß das ja auch alles, allein die niederen Gehirnfunktionen wissen es nicht und haben für solche Spezialsituationen auch kein Programm. Ein solches mag vielleicht in ein paar tausend Jahren existieren, aber leider jetzt bei Ihnen nicht. Jetzt führt eine solche Situation zu einem Konflikt zwischen den beiden Kontrahenten des vegetativen Nervensystems: Sympathicus und Parasympathicus, und sollte so etwas regelmäßig passieren, dann kann sich hieraus eine vegetative Dystonie oder auch eine sympathische Erschöpfung entwickeln.

Kurz: Sie sind an den von Ihnen zelebrierten Lebensstil nicht angepasst, auch wenn Sie sich das noch so sehr wünschen würden, Sie haben die spezifischen hohen und konstanten Energieanforderungen Ihres großen Gehirns nicht ausreichend berücksichtigt.

Es mag Menschen geben, für die vergleichbare Situationen kein Problem darstellen, weil sie zum Beispiel über eine bessere Glucose-Toleranz verfügen. Diese Menschen sollten aber für Sie kein Maßstab sein. Der Maßstab für Sie sind Sie.

Migräne und Menstruation

Mediziner gehen heute mehrheitlich davon aus, dass fallende Östrogenspiegel für das Auslösen der menstruellen Migräne verantwortlich sind. Dies wird aber allein nicht ausreichen, da die Östrogenspiegel nur zu Beginn der Menstruation fallen, viele Frauen in dieser Zeit jedoch ganz häufig über mehrere Tage mit Migräne flachliegen.

Es ist deshalb zu vermuten, dass hier noch zusätzliche Faktoren eine Rolle spielen.