Die Geburtsstunde der Lügenpresse - Peter Mersch - E-Book

Die Geburtsstunde der Lügenpresse E-Book

Peter Mersch

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Beschreibung

Der Fall Eva Herman gehört zu den größten Medienskandalen der Nachkriegsgeschichte. Unmittelbarer Auslöser war eine öffentliche Äußerung der ehemaligen Sprecherin der Tagesschau zur fehlenden "Wertschätzung der Mutter" durch die 68er. Eine einzelne Journalistin hatte dies als Nazi-Lob ausgelegt; eine Interpretation, der sich praktisch die gesamte Presse und schließlich auch der Bundesgerichtshof anschlossen. Peter Mersch zeigt anhand einer Wort-für-Wort-Analyse, dass es sich bei der damaligen Presse-Deutung um eine Fehlinterpretation handelt. Er kommt zu dem Schluss, dass der ehemaligen Tagesschau-Sprecherin durch Medien und Judikative schwerstes Unrecht zugefügt wurde. Sie ist deshalb vollständig zu rehabilitieren. Der Skandal trug maßgeblich dazu bei, den Begriff der "Lügenpresse" in der Öffentlichkeit zu etablieren. Der Fall wird im Kontext aktueller gesellschaftlicher Themen wie Gleichberechtigung der Geschlechter, Familienproblematik, demografischer Wandel, Massenmigration und Meinungsfreiheit dargestellt und diskutiert.

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Peter Mersch

DIE GEBURTSSTUNDE DER LÜGENPRESSE

Der Fall Eva Herman

OSIRIS Verlag

1. Auflage März 2019

Copyright © 2019

OSIRIS – Verlag, Marktplatz 10, D-94513 Schönberg

www.osiris-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten

Nachdrucke oder Kopien dieser Publikation - auch auszugsweise - nur mit schriftlicher Genehmigung des Verlags.

Haftungsausschluss:

Die Inhalte dieser Publikation wurden sorgfältig recherchiert, aber dennoch haften Autor oder Verlag nicht für die Folgen von Irrtümern, mit denen der vorliegende Text behaftet sein könnte.

Umschlaggestaltung, Satz und Layout: Luna Design KG

ISBN: 978-3-947397-15-0

Dieser Titel ist auch als gedrucktes Buch erhältlich, ISBN: 978-3-947397-14-3

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Tel.: (08554) 844

Fax: (08554) 942894

Unser Buch- und DVD-Angebot finden Sie auch im Internet unter:

www.osirisbuch.de

INHALTSVERZEICHNIS

Cover

Titel

Impressum

EINFÜHRUNG

VOR DEM SKANDAL

DER EVA HERMAN-SKANDAL

WAS EVA HERMAN WIRKLICH SAGTE

HERMAN ZUR NAZI-FAMILIENPOLITIK

ÖFFENTLICHES NACHTRETEN

DIE FAZ ZUR KERNER-SENDUNG

WIPPERMANN BEI KERNER

SENTA BERGER BEI KERNER

GLEICHSCHALTUNG

LÜGENPRESSE UND FAKE NEWS

FAZIT

LITERATUR

EINFÜHRUNG

Der Fall Eva Herman gehört zweifellos zu den größten Medienskandalen der Nachkriegsgeschichte. Unmittelbarer Auslöser war eine Äußerung der ehemaligen Sprecherin der Tagesschau zur fehlenden „Wertschätzung der Mutter“ durch die 68er, die sie am 6. September 2007 auf einer Pressekonferenz anlässlich der Veröffentlichung ihres Buches Das Prinzip Arche Noah1 getätigt hatte. Eine einzelne Journalistin legte ihre Worte als Lob für die Wertschätzung der Mutter durch die Nationalsozialisten aus, eine Interpretation, der sich praktisch die gesamte Presse und schließlich auch der Bundesgerichtshof anschlossen.

Das vorliegende Buch analysiert die Äußerungen Eva Hermans auf ihrer damaligen Pressekonferenz im Kontext des finalen Urteils des Bundesgerichtshofs, der Medienlandschaft, der Gleichberechtigung der Geschlechter und des Anliegens der 68er-Generation und kommt zu dem Schluss, dass der ehemaligen Tagesschau-Sprecherin sowohl von der Presse als auch der Judikative schwerstes Unrecht zugefügt worden ist. Sie ist im Grunde das Opfer einer öffentlich geführten Mobbingattacke geworden.

Ermöglicht wurde dies durch eine Medienlandschaft, der es längst an Vielfalt in der veröffentlichten Meinung mangelt. Dazu gehört, dass sich ein überragender Anteil aller Journalisten der linken Sache verbunden fühlt, während kaum jemand mehr dem bürgerlichen Lager zugeneigt ist 2. Gemäß einer Studie verteilen sich die politischen Standpunkte unter den Journalisten ganz anders und vor allem auch viel einseitiger als in der deutschen Bevölkerung. Während linke Meinungsmacher gerne von sozialer Vielfalt und Buntheit schwärmen, ist etwas Entsprechendes bei den politischen Standpunkten von Journalisten und der veröffentlichten Meinung eben gerade nicht gegeben. Dies hat längst zu einem Verlust an demokratischer Qualität geführt. Im Fall Eva Herman drückte sich dies unter anderem darin aus, dass sie – anders als in der Bevölkerung – in den sogenannten Qualitätsmedien keinen einzigen ernsthaften Fürsprecher besaß, der frühzeitig und energisch darauf hinwies, dass bevor die von ihr auf der Arche Noah-Pressekonferenz gesprochenen Sätze nicht wortgetreu vorliegen, überhaupt nichts zur Sache gesagt oder geschrieben werden könne.

Eine eingehende Analyse des Falls Eva Herman zeigt, dass der beschriebene „Gleichschaltungsprozess“ 3 der veröffentlichten Meinungen in den Medien selbst erfolgt, indem klassische bürgerliche Standpunkte zunehmend als nicht länger zulässig (politisch inkorrekt), „rechts“ oder gar „nationalsozialistisch“ bezeichnet und deren Vertreter öffentlich diskreditiert beziehungsweise ausgegrenzt werden. Insoweit könnte der Fall Eva Herman auch als Blaupause für den heutigen Kampf der politischen Linken gegen „rechts“ verstanden werden, der in Wahrheit die bürgerliche Mitte zum Ziel hat.

In den Medien wird all dies meist genau andersherum dargestellt, etwa so, wie es der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen noch am 05.01.2015 im SPIEGEL unter dem vielsagenden Titel „Der Hass der Bescheidwisser. Die aktuellen Attacken von Verschwörungstheoretikern bedrohen den Journalismus“ formuliert hat 4:

Die Idee einer Medienverschwörung – die ideologisch verschärfte Spielform einer ohnehin verbreiteten Medienverdrossenheit – ist momentan schwer in Mode. (…) Man entdeckt sie in den Videos der geschassten Moderatoren Eva Herman und Ken Jebsen, dem Umfeld des Rechtspopulisten Jürgen Elsässer oder den Veröffentlichungen von Udo Ulfkotte, Autor des Verschwörungsbuchs „Gekaufte Journalisten“, das sich seit Wochen auf den Bestsellerlisten hält.

Gemäß einer solchen Sicht sind die Medien das Opfer, während Eva Herman als Angreiferin beziehungsweise Täterin den Medien in unzutreffender und unzulässiger Weise vorgeworfen hat, eine Verschwörung gegen sie geführt zu haben. Ähnliches gilt für die Verwendung des Wortes „Lügenpresse“, das für Reporter ohne Grenzen eine pauschale Verunglimpfung der Medien darstellt 5.

Dabei hatte Eva Herman in den Jahren 2006 und 2007 lediglich eine völlig legitime eigene Meinung kundgetan. Dennoch ist ihr von praktisch der gesamten Medienlandschaft fälschlicherweise ein Nazi-Lob und eine gedankliche Nähe zu den Ideologien des Dritten Reichs unterstellt worden.

Mich selbst hatten die Vorgänge während des Eva Herman-Skandals zutiefst betroffen gemacht. Unter anderem verlor ich jegliches Vertrauen in die Arbeit der sogenannten Qualitätsmedien. Wenn es nicht möglich war, selbst renommierten Journalisten zu vermitteln, dass ein einfacher, in freier Rede gesprochener Dreizeiler kein Nazi-Lob enthält, welchen Grund sollte es dann geben, ihren sonstigen Nachrichten und Berichten zu vertrauen? Und warum hatte damals nicht wenigstens ein einziger namhafter Journalist energisch darauf hingewiesen, dass sich Eva Hermans Worte auf die Epoche der 68er bezogen haben und allein deshalb schon vom zeitlichen Kontext her kein Nazi-Lob sein konnten?

Verschwörung hin oder her, für mich existieren in der konkreten Angelegenheit im Grunde nur zwei Möglichkeiten: Entweder wird die damals zu Unrecht beschuldigte Eva Herman seitens der Medien nachträglich vollständig rehabilitiert, oder die Medien müssen sich den Vorwurf der Lügenpresse weiterhin gefallen lassen.

Ich bin übrigens selbst ein ehemaliger 68er. Als ich die von Eva Herman auf ihrer Arche Noah-Pressekonferenz ursprünglich gesprochenen Worte in der legendären Kerner-Sendung zum ersten Mal unverfälscht zu Gesicht bekam, verstand ich sie sofort: Sie hatte nicht die „Wertschätzung der Mutter“ durch die Nationalsozialisten gelobt, sondern die fehlenden Familienwerte bei den 68ern und den Nationalsozialisten bemängelt. Aus der Wort für Wort-Analyse des Kapitels Was Eva Herman wirklich sagte geht dies unmittelbar hervor.

In meiner Studienzeit (Beginn 1968) gehörte ich von Anfang an der Studentenbewegung an. Bereits im zweiten Semester saß ich für eine linke Fachschaftsgruppe im Studentenparlament. Neben meinem Mathematikstudium, bei dem ich mich frühzeitig für die Grundlagen der Mathematik (mathematische Logik etc.) interessierte, beschäftigte ich mich auch eingehend mit den damals angesagten theoretischen Werken (Herbert Marcuse, Max Horkheimer etc.) und Zielen der 68er-Bewegung. Nebenbei besuchte ich Seminare an der philosophischen Fakultät. Als Mathematiker und Naturwissenschaftler interessierte ich mich unter anderem für die Frage, was eine bestimmte naturwissenschaftliche Theorie wie die Relativitätstheorie gegenüber einer alternativen Theorie (wie die klassische Mechanik) oder dem reinen Glauben auszeichnet. Bei meinen Forschungsbemühungen stieß ich frühzeitig auf das Buch Die Logik der Forschung6 des österreichisch-britischen Philosophen Karl Popper, das mich als Naturwissenschaftler zutiefst beeindruckte und beeinflusste, und dessen Falsifikationsprinzip7 mir – auch aufgrund meiner Kenntnisse in mathematischer Logik – unmittelbar einleuchtete. Allerdings wusste ich zum damaligen Zeitpunkt noch nicht, dass Popper einer der großen Gegenspieler Max Horkheimers (einer der wichtigsten Theoretiker der 68er-Bewegung) im Positivismusstreit über Werturteile in den Sozialwissenschaften war.

Als Mathematiker war mir bekannt, dass bei einfachen logischen Schlussfolgerungen gewissermaßen eine Asymmetrie besteht. Beispielsweise würde aus dem fiktiven Naturgesetz „wenn es regnet, dann wird die Straße nass“ und der Beobachtung einer trockenen Straße unmittelbar folgen, dass es zurzeit nicht regnen kann. Regnet es dennoch, dann wäre das fiktive Naturgesetz bereits widerlegt („falsifiziert“). Ist die Straße hingegen nass, dann folgt daraus rein logisch noch gar nichts, weder dass es regnet noch das es nicht regnet. Die Straße könnte auch nass sein, weil gerade ein Hydrant geplatzt ist.

In einem im Laufe meines Studiums besuchten wissenschaftstheoretischen Seminar an der philosophischen Fakultät kam auch das Poppersche Falsifikationsprinzip zur Sprache. Vielleicht sollte ich genauer sagen: Es wurde dort in hämischen Worten durch den Kakao gezogen. Ich meldete mich deshalb zu Wort und sagte: „Aber in diesem Punkt hat Popper doch recht, allein schon wegen der Asymmetrie in den logischen Schlussfolgerungen.“ Mein Einwand löste unter den zahlreich anwesenden damaligen – überwiegend an der philosophischen Fakultät studierenden – Wortführern der Studentenbewegung größte Empörung aus. Fast inquisitorisch fragten mich gleich mehrere Studierende: „Bist du etwa ein Popper-Fan?“ Renegat war schon immer ein gern gemachter Vorwurf innerhalb der politischen Linken.

Es kam mir so vor, als sei ich in irgendeine Sekte hineingeraten. Mit Wissenschaft hatte das jedenfalls nichts zu tun. Ich beschloss, mich ganz auf mein Studium zu konzentrieren und mich aus der Studentenbewegung „aus zeitlichen Gründen“ zu verabschieden.

In Anbetracht des Eva Herman-Falls und einiger ähnlich gelagerter Fälle ist zu vermuten, dass sich ein Großteil der Vertreter der politischen Linken und des Gleichheitsfeminismus auch heute noch zu den oben beschriebenen Methoden zur Einschränkung der Meinungsfreiheit und zur Schaffung eines Bündels vermeintlich korrekter Ansichten („politische Korrektheit“) bekennt, denn all dies hat den öffentlichen Diskurs längst durchdrungen – mit einer bedeutsamen Beteiligung der Medien.

Ein wesentliches Merkmal eines solchen, durch die Medien stark beeinflussten Debattenstils, ist, dass bei abweichenden (nicht politisch korrekten) Ansichten auch stets die Person angegriffen wird. Es ist im gesellschaftlichen Diskurs heute kaum mehr möglich zu sagen: „In diesem Punkt hat Thilo Sarrazin meines Erachtens recht, in einem anderen aber nicht.“ Man ist entweder für oder gegen Sarrazin, tertium non datur – ein Drittes gibt es nicht 8. Es wird also nicht einer bestimmten Ansicht von Thilo Sarrazin zugestimmt und ihm in einem anderen Kontext widersprochen, sondern man ist für oder gegen die Person Thilo Sarrazin. Am Beispiel des Eva Herman-Falls werde ich exemplarisch aufzeigen, welche zutiefst undemokratischen, inhumanen und unethischen Konsequenzen ein solches Verhalten hat.

Allerdings hatte sich Eva Herman in ihrer damaligen Arche Noah-Pressekonferenz meiner Meinung nach die falsche Zielgruppe für ihre Schelte ausgesucht. Für viel bedeutsamer für den desolaten Zustand der aktuellen deutschen Familien- und Nachwuchssituation als die „68er“ halte ich den sogenannten Gleichheitsfeminismus. Wenn es eine fehlende „Wertschätzung der Mutter“ zu bemängeln gibt, dann eher im Gleichheitsfeminismus als bei den 68ern. Was genau ist aber der Gleichheitsfeminismus?

Gemäß Alice Schwarzer gliedert sich die Frauenbewegung in zwei grundsätzlich verschiedene Lager 9:

Die eine Strömung, das sind die Antibiologistinnen, genannt die Radikalen bzw. Universalistinnen bzw. Gleichheitsfeministinnen. Sie gehen von einer grundsätzlichen Gleichheit der Menschen und damit auch der Geschlechter aus. Nicht der biologische Unterschied, sondern die sozialen, ökonomischen und politischen Unterschiede sind für sie die Ursache der heutigen Differenz zwischen den Geschlechtern. In dieser Tradition stehen (…) alle AutorInnen dieses Buches.

Die andere Strömung beruft sich auf den Unterschied der Geschlechter, auf die Differenz. Die Differenzialistinnen halten den Unterschied zwischen Frauen und Männern für unabänderlich; sei es, dass er naturgegeben oder aber, dass er irreversibel geprägt, also quasi genetisch verankert sei. Sie sind für „Gleichberechtigung“, aber gegen „Gleichheit“ und wollen den bestehenden Unterschied nicht aufheben, sondern umwerten.

Unter den Autorinnen des von Alice Schwarzer herausgegebenen Buchs gehört unter anderem die ehemalige Bundesfamilienministerin (1985-1988) Rita Süssmuth 10. Auch sie bekennt sich demnach zum Gleichheitsfeminismus gemäß Alice Schwarzers Definition. Alice Schwarzer bezeichnet ihn synonym als antibiologistischen Feminismus. Tatsächlich ist er gemäß Definition jedoch antibiologisch. Er ignoriert jegliche Erkenntnisse der Naturwissenschaften. Er könnte deshalb auch als realitätsferner Feminismus bezeichnet werden. Wer annimmt, dass in einer Gesellschaft, die wesentlich von ihren Ingenieursleistungen lebt, naturwissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert werden könnten, bewegt sich letztlich in einer realitätsfernen Parallelwelt.

Während Eva Herman von der Autorin Thea Dorn aufgrund ihrer skeptischen Aussagen zu einem schrankenlosen Individualismus kritisiert und in die Nähe der Ideologien des Dritten Reichs gerückt wurde, zweifelt der auf der soziologischen Gleichheitsideologie beruhende antibiologistische Feminismus gemäß Alice Schwarzer jegliche echte Individualität an. Eine Grundannahme der Gleichheitsideologie ist nämlich, dass die individuellen Unterschiede zwischen Menschen (fast) ausschließlich auf sozialen, ökonomischen und politischen Unterschieden beruhen. Eine solche Sicht ist letztlich menschenverachtend. Und sie steht im Widerspruch zur Evolutionstheorie und zu grundsätzlichen Erkenntnissen der Biologie und der Entwicklungspsychologie.

Beispielsweise ist in unserer Gesellschaft zu beobachten, dass an den Schulen im Mittel eher das weibliche Geschlecht Vorteile besitzt, an den Universitäten und bei der Besetzung von leitenden Positionen hingegen das männliche. Die Erklärung des Gleichheitsfeminismus für die späteren männlichen Vorteile (nicht aber der frühen weiblichen Vorteile an den Schulen) sieht die Ursachen ausschließlich in sozialen, ökonomischen und politischen Unterschieden (ohne diese konkret benennen zu können).

Ein entscheidender – wenn nicht gar der alles entscheidende – Grund für das beobachtbare Phänomen dürfte jedoch in der größeren Varianz der männlichen Intelligenzverteilung im Vergleich zur weiblichen (und auch einiger sonstiger Merkmale) liegen 1112131415. Beispielsweise ergab ein Test unter 2.500 Geschwistern, dass sich unter den „klügsten“ und „dümmsten“ zwei Prozent einer Bevölkerung doppelt so viele Männer wie Frauen befinden 16. Gemäß anderen Untersuchungen 1718 haben doppelt so viele Männer wie Frauen einen IQ oberhalb von 125 Punkten. Ab einem IQ von 155 soll auf 5,5 Männer durchschnittlich nur noch eine Frau kommen 19.

Ähnliches gilt für sehr niedrige IQs, auch dabei dominieren die Männer zahlenmäßig deutlich, und zwar je niedriger der IQ ist, desto ausgeprägter. Kurz: Männer sind sowohl dümmer als auch klüger als Frauen 20.

Hinzu kommt, dass Männer häufiger als Frauen von genetischen Mutationen betroffen sind, was möglicherweise auf die männliche XY-Chromosomen-Asymmetrie zurückzuführen ist 21. Beispielsweise sind durchschnittlich sechs von sieben Inselbegabten 22 (Savants) Männer. Der Savant Kim Peek23, der das Vorbild für die Figur des autistischen Raymond Babbitt im 1988 erschienenen Film Rain Man24 war, verfügte zwar über außergewöhnliche geistige Fähigkeiten, die sich auf ein gegenüber Vergleichspersonen völlig anders strukturiertes Gehirn zurückführen lassen, gleichzeitig war er aber auch geistig behindert. Die meisten Mutationen dieser Art wirken sich nämlich in der Summe eher unvorteilhaft aus. Dennoch kann der Natur dabei gelegentlich ein „Volltreffer“ gelingen. So behauptet der Hirnforscher Michael Fitzgerald etwa, selbst bei Genies wie Einstein, Newton, Beethoven oder Mozart habe eine mehr oder weniger starke Ausprägung von Autismus vorgelegen 25.

All dies kann erklären, warum es bei Männern im Vergleich zu Frauen anteilsmäßig sowohl mehr geistig behinderte Personen als auch Genies gibt.

Eine solche biologische, durch empirische Beobachtungen als auch evolutionstheoretische Überlegungen 26 bestens gestützte Erklärung wird vom „antibiologistischen“ (in Wahrheit „antibiologischen“) Gleichheitsfeminismus jedoch abgelehnt und in der öffentlichen Debatte diskreditiert. Die Folge ist: Statistische Unterschiede bei der Erlangung von sozialen Erfolgspositionen zugunsten des männlichen Geschlechts werden als „unfair erworben“ diffamiert und oftmals durch Frauenquoten auf verordnete Weise ausgeglichen. Dass die beschriebenen Unterschiede jedoch gleichfalls im gesamten Leistungssport (einschließlich Schachsport) in oftmals noch wesentlich deutlicherer Form zutage treten und deshalb einen eigenen Frauensport erforderlich machen 27, wird durch systematisches Totschweigen des Sachverhalts ignoriert.

Mit dem bislang Gesagten wurde übrigens keineswegs behauptet, dass Frauen keine Nobelpreisträger für Physik, keine Fields-Medaillen-Träger für Mathematik werden oder sonst wie überragende geistige Leistungen vollbringen könnten. Der aktuelle Stand der Wissenschaften lässt jedoch erwarten, dass ihnen das bereits aus natürlichen/biologischen Gründen anteilsmäßig seltener als Männern gelingen wird. Und dass ein zukünftiger Isaac Newton oder Albert Einstein mit hoher Wahrscheinlichkeit ebenfalls wieder männlich sein wird.

Auch wurden keine rassistischen Aussagen getroffen, etwa der Art, dass nur Menschen mit weißer Hautfarbe über bestimmte geistige Fähigkeiten verfügen könnten. Darum ging es auch bei Thilo Sarrazins Aussagen zur Teilerblichkeit von individuellen menschlichen Intelligenzunterschieden nicht, obwohl ihm das oft und gerne unterstellt wurde. Wesentlich bleibt jedoch die bereits dem Volksmund bekannte Weisheit, dass Eltern auch einen Teil ihrer natürlichen Potenziale (ihrer natürlichen Individualität) an ihre Kinder weitergeben, und ihnen damit eine echte eigene, natürliche und nicht durch staatliche Maßnahmen beeinflussbare Individualität mit auf den Lebensweg geben. Wenn es in der Öffentlichkeit aber angesichts der Tatsache, dass akademisch ausgebildete Eltern in unserer Gesellschaft anteilsmäßig deutlich häufiger akademisch ausgebildete Kinder hervorbringen als Nichtakademiker, sinngemäß heißt 28, „dass gute Hochschulbildung ein Privileg der höheren Schichten bleibe und akademische Abschlüsse weiterhin von Generation zu Generation vererbt werden“, dann wird den Menschen eine solche natürliche Individualität generell abgesprochen. Dann ist unsere Gesellschaft beim Menschenbild vorstellungsmäßig im Kommunismus angekommen.

Vor exakt dem gleichen Hintergrund argumentieren sowohl Gleichheitsideologie als auch Gleichheitsfeminismus (siehe die obige Definition Alice Schwarzers): Sie bezweifeln jegliche, auf biologischen Unterschieden beruhende menschliche Individualität. Sind dennoch statistische Unterschiede bei der Erlangung von Erfolgspositionen zu beobachten, so sind sie – den Gleichheitsideologen zufolge – konsequenterweise durch Zwangsmaßnahmen (insbesondere Frauenquoten) auszugleichen, da die Privilegien offenkundig „unfair“ erworben wurden.

Es gäbe demnach deutlich mehr Gründe, die Gleichheitsideologie aus humanen oder moralischen Gründen abzulehnen, als etwa Eva Hermans skeptische Äußerungen gegenüber einem schrankenlosen Individualismus. Zumal auf der Gleichheitsideologie eines der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte beruhte: das Wirken der maoistischen Roten Khmer (Pol-Pot-Regime) in Kambodscha, über das es auf Wikipedia heißt 29:

Den kommunistischen Ideen hing Pol Pot schon als junger Mann an und trat mit 18 Jahren in die Kommunistische Partei Kambodschas ein und wenig später, als Student in Paris, in die Kommunistische Partei Frankreichs. Die Ursachen für die Armut Kambodschas sah er (...) gerade im Unterschied von Stadt und Land. Also glaubte er, das Bauerntum stärken und alles Städtische zerstören zu müssen. (...)

Die sofortige Deportation der Stadtbevölkerung auf die Reisfelder des Landes verwandelte das zuvor über zwei Millionen Einwohner zählende Phnom Penh binnen weniger Tage in eine Geisterstadt, ebenso wurden die Provinzhauptstädte entvölkert. Auf diesem „langen Marsch“, der bis zu einem Monat dauerte, starben tausende Menschen (insbesondere Ältere und Kinder) aufgrund der Strapazen.

Bald war jeder Überlebende zum Arbeiter gewandelt und gezwungen, eine schwarze Einheitskleidung zu tragen, die jede Individualität beseitigen sollte. Die Sprecher der Roten Khmer verkündeten den Beginn eines neuen revolutionären Zeitalters, in dem jede Form der Unterdrückung und der Gewaltherrschaft abgeschafft sei. (…)

Die „Bourgeoisie“ wurde „abgeschafft“, und um ein „Bourgeois“ zu sein, reichte es oft, lesen oder eine Fremdsprache (vor allem Französisch) sprechen zu können. Unter der Diktatur der Roten Khmer wurden massenhaft Oppositionelle wie Monarchisten und Anhänger des LonNol-Regimes und deren Ehegatten und Kinder getötet, aber auch jene Kommunisten, die kurz vor der Machtübernahme aus Vietnam nach Kambodscha zurückgekehrt waren.

Während der vierjährigen Schreckensherrschaft wurden schätzungsweise 1,7 bis 2,2 Millionen Menschen in Todeslagern umgebracht oder kamen bei der Zwangsarbeit auf den Reisfeldern ums Leben (bei einer Gesamtbevölkerung von etwas mehr als sieben Millionen, was einem Viertel bis über 30 % entspricht). Im berüchtigten „Sicherheitsgefängnis 21“ in Phnom Penh, das unter der Leitung des unter seinem Pseudonym „Duch“ (…) bekannten Kaing Guek Eav stand, überlebten sieben von insgesamt 15.000 bis 30.000 Gefangenen. Wer dort nicht an der Folter starb, wurde auf den Killing Fields vor den Toren der Stadt umgebracht.

Die Massensäuberung wird auch als Autogenozid bezeichnet, da die Vernichtungsmaßnahmen der Regierung auf das eigene Staatsvolk zielten. Ebenfalls von Massenmorden betroffen waren Angehörige der vietnamesischen Minderheit, der indigenen muslimischen Cham und der Bergvölker. Die Rechte dieser und anderer Ethnien wurden vom Pol-Pot-Regime grundsätzlich ignoriert und missachtet.

Folgt man Alice Schwarzers Definition des Gleichheitsfeminismus, dann handelt es sich bei ihm um Feminismus plus Gleichheitsideologie und damit letztlich um Feminismus plus Kommunismus. Der weitaus größte Teil des Feminismus bekennt sich heute zum wissenschaftlich unhaltbaren Gleichheitsfeminismus und nicht etwa zum Differenzfeminismus, den ich für die einzige wissenschaftlich haltbare Form des Feminismus halte. Es ist mir ehrlich gesagt schleierhaft, wie eine den reproduktiven Bereich unserer Gesellschaft (Familie, Kinder etc.) maßgeblich bestimmende „kommunistische“ Gleichheitsideologie mit einer ansonsten marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaft (Wirtschaft etc.) zusammenpassen soll. Viele Menschen in Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Medien scheinen sich des Problems nicht einmal ansatzweise bewusst zu sein. Oder es ist ihnen im Grunde zu abstrakt und womöglich auch „zu hoch“, sodass sie lieber dazu schweigen.

Wenn Sie mir als Mathematiker und Atheisten die beiden Fragen stellen würden, ob ich es für möglich halte, dass die Welt von Gott geschaffen wurde (wie es religiöse Menschen glauben), oder dass die sozialen, ökonomischen und politischen (und nicht die biologischen) Unterschiede die fast alleinige Ursache der heutigen Differenz zwischen den Geschlechtern und Menschen sind (wie es der Gleichheitsfeminismus beziehungsweise die Gleichheitsideologie annehmen), dann würde ich Ihnen antworten, dass ich die Gotteshypothese natürlich nicht vollkommen verwerfen kann (anders gesagt: ich weiß es nicht, ein göttlicher Schöpfer kommt in meinem Weltbild lediglich nicht vor), dass die Grundannahme des Gleichheitsfeminismus für mich jedoch genauso albern und haltlos ist wie die Vorstellung vom Mann im Mond. Das Erschreckende ist nun aber, dass Menschen, die an solch krude und wissenschaftlich unhaltbare Hypothesen wie die Gleichheitsideologie glauben, in unserer Gesellschaft maßgeblich das Sagen haben und das öffentliche Denken bestimmen.

Am Fall Eva Herman lässt sich nachweisen, dass die Attacken gegen sie schon lange vor ihrer angeblich problematischen Äußerung auf der Arche Noah-Pressekonferenz vorangetrieben wurden. Die vermeintliche Nähe ihrer Thesen zu Nazi-Gedankengut wurde nämlich schon sehr frühzeitig konstruiert, und zwar nicht von den 68ern, sondern von Gleichheitsfeministinnen. Besonders hervorgetan hatten sich in diesem Zusammenhang Alice Schwarzer und die Autorin Thea Dorn. Sie konnten ihre Attacken auf etablierten Mainstream-Medien ausüben, ohne jemals dafür kritisiert zu werden.

Mit anderen Worten: Die kruden, unbelegten und wissenschaftlich nicht haltbaren Standpunkte des Gleichheitsfeminismus werden in unserer Gesellschaft vielfach auf undemokratische Weise durchgesetzt. Gegen Kritik, die den Interessen des Gleichheitsfeminismus zuwiderläuft, wird nicht selten mit systematischem Mobbing und mit Nazi-Begriffen und Ausgrenzung vorgegangen. Wie grotesk das am Ende ist, zeigt ein Vergleich der familienpolitischen und frauenemanzipatorischen Thesen Eva Hermans, so wie sie in ihren Büchern Das Eva-Prinzip30 und Das Prinzip Arche Noah31 vorgetragen wurden, mit den entsprechenden Vorgaben des Korans und des Islam, die in unserer Gesellschaft aus anderen Gründen als schützenswert angesehen werden. Wie im Laufe des Buches noch gezeigt wird, kann der Gleichheitsfeminismus in einem gewissen Sinne als der Steigbügelhalter einer islamischen Einwanderung angesehen werden.

Wie die Diskreditierung und Nazifizierung des politischen Gegners in der Praxis vonstattengeht, kann am Beispiel der Kerner-Show vom 09.10.2007 demonstriert werden, in der Johannes B. Kerner die ehemalige Tagesschaumoderatorin Eva Herman unvermittelt mit den folgenden Sätzen konfrontierte 32:

Ich möchte nur vorher (…) zwei Zitate miteinander vergleichen. Und zwar lautet das eine: „Die Forderung der heutigen Frauenemanzipation wurde im Namen eines schrankenlosen Individualismus erhoben“. Das ist das eine Zitat! Das zweite Zitat heißt: „Das Hohelied des Individualismus hat längst seinen verführerischen Klang verloren, doch mittlerweile haben sich reichlich Gründe erschlossen, warum man sich von dieser gefährlichen Vorstellung befreien sollte“! Das klingt vergleichsweise ähnlich. Das eine ist aus deinem ersten Buch und das andere ist von Alfred Rosenberg aus dem Buch „Mythos des 20. Jahrhunderts“ von 1930, das war der Chefideologe der deutschen Nationalsozialisten.

Johannes B. Kerner berief sich in diesem Zusammenhang auf einen Artikel der Autorin Thea Dorn, die – wie bereits erwähnt – mit ihren Beiträgen schon lange vor dem eigentlichen Eva Herman-Skandal zu den stärksten Verleumdern der Tagesschaumoderatorin zählte (siehe Kapitel Vor dem Skandal).

Zitat-Vergleiche, wie sie von Johannes B. Kerner und Thea Dorn angestellt wurden, sind in einer öffentlichen Debatte absolut unzulässig. Auch haben sie den demokratischen Diskurs in unserem Land regelrecht vergiftet. Es bedarf heute oftmals nicht mehr als irgendeinen x-beliebigen Satz eines politischen Gegners herauszugreifen, ihn mit einem anderen Satz eines Nationalsozialisten zu vergleichen, und schon ist aus ihm ein Nazi geworden. In der politischen Debatte geschieht das mittlerweile nahezu täglich, auf Facebook praktisch tausendfach am Tag.

Dabei haben sich die beiden zitierten Autoren Eva Herman und Alfred Rosenberg in ihren jeweiligen Äußerungen lediglich gegenüber einem schrankenlosen oder übertriebenen Individualismus ausgesprochen. Das haben viele Persönlichkeiten getan, sehr ausgeprägt auch im linken Umfeld, beispielsweise Wladimir Iljitsch Lenin 33 oder Che Guevara 34. Über Boris Pasternaks Roman „Dr. Schiwago“ schrieb die sowjetische Zeitschrift Nowyj Mir im September 1956, die Liebesgeschichte des Arztes Juri Schiwago und der Krankenschwester Lara kranke am „pathologischen Individualismus“ des Helden und lasse erkennen, dass der Autor die Revolution für einen „Fehler“ halte 35. Auch in Mao Zedongs Kulturrevolution war der Kampf gegen den Individualismus wesentlich 36. Unter Sinologen ist die Meinung verbreitet, der Konfuzianismus kenne nicht einmal den Begriff eines Individuums, das als Träger von Rechten gegen den Staat infrage käme 37. So ist im vatikanischen Dokument Auf der Suche nach einer universalen Ethik. Ein neuer Blick auf das natürliche Sittengesetz über die chinesische Kultur das Folgende zu lesen 38:

Die chinesische Zivilisation ist zutiefst geprägt durch den Taoismus des Lăozĭ oder LaoTse (6. Jh. v. Chr.). Nach Lao-Tse ist der Weg oder das Dào das vorrangige Prinzip, das dem ganzen Universum innewohnt. Es ist ein unbegreifliches Prinzip des ständigen Wandels unter dem Wirken der beiden konträren und komplementären Pole yīn und yáng. Es ist Sache des Menschen, sich mit diesem natürlichen Prozess der Umwandlung zu verbinden, sich treiben zu lassen im Fluss der Zeit dank der Haltung des Nicht-Handelns (wúwéi). Die Suche nach Harmonie mit der Natur, die untrennbar zugleich materiell und spirituell ist, befindet sich also im Herzen der taoistischen Ethik. Was Konfuzius angeht (551–479 v.Chr.), „Meister Kong“, so versucht er anlässlich einer Periode tiefer Krise, die Ordnung wiederherzustellen durch das Respektieren der Riten, gründend auf der Ehrerbietung der Kinder gegenüber ihren Eltern, die im Zentrum des ganzen sozialen Lebens stehen muss. In der Tat nehmen die sozialen Beziehungen die Familienbeziehungen zum Modell. Die Harmonie wird erreicht durch eine Ethik des rechten Maßes, wobei die ritualisierte Beziehung (das lĭ), das den Menschen in die natürliche Ordnung einfügt, das Maß aller Dinge ist.

Von Individualismus findet sich darin keine Spur, dafür ist viel von einer Harmonie mit der Natur die Rede. Und weite Teile des Christentums und des Islam stehen dem westlichen Individualismus ohnehin äußerst kritisch gegenüber. Beispielsweise mahnte der „deutsche“ Papst Benedikt XVI. auf dem zwölften Weltjugendtag in Madrid (2011), dass wer den Glauben „entsprechend der in der Gesellschaft vorherrschenden individualistischen Auffassung“ zu leben versuche, Gefahr laufe, Christus niemals zu begegnen oder einem Zerrbild von ihm zu folgen 39.

Die Sozialwissenschaftler Meinhard Miegel und Stefanie Wahl verfassten gar ein Buch mit dem Titel Das Ende des Individualismus. Die Kultur des Westens zerstört sich selbst40.

Warum musste es bei Johannes B. Kerner oder Thea Dorn also unbedingt ein Satz eines Nationalsozialisten sein, mit dem eine Äußerung Eva Hermans zum Individualismus verglichen wurde? Warum konnte es nicht eine Formulierung von Che Guevara oder irgendeines anderen prominenten Kommunisten sein?

Die Antwort lautet: Weil in Deutschland der Nazi-Vorwurf als äußerst erfolgreiches Mittel zur Diskreditierung oder gar Ausschaltung von politischen Gegnern beziehungsweise sonstiger unliebsamer Meinungen eingesetzt wird. Eine Nebenwirkung davon ist, dass hierdurch immer mehr Meinungen und Ansichten „politisch inkorrekt“ werden. Sie können nicht mehr wirklich frei geäußert werden.

Es fängt damit an, dass sich Menschen dann für ihre Meinungen bereits vorab zu rechtfertigen und entschuldigen versuchen. Die im Kapitel Herman zur Nazi-Familienpolitik auf Seite 67 wiedergegebene Schlussbemerkung41 aus Eva Hermans Buch Das Prinzip Arche Noah stellt eine solche Rechtfertigung dar. In der Kerner-Sendung wies Herman in aller Deutlichkeit darauf hin, dass sie sich auf der Pressekonferenz vom 6. September 2007, die den Skandal auslöste, sehr klar von allen rechten Ideologien distanziert habe 42:

Das Originalband der gesamten Pressekonferenz wird nicht herausgegeben. RTL hat es aufgezeichnet. Auf diesem Band ist zu sehen, dass ich mich mehrfach, nicht nur in diesem Zitat, vorher und nachher von allen diesen Ideologien ausdrücklich distanziere, mit tiefster Ablehnung diese Begriffe aus dem Dritten Reich auch bewehrte. Und mein Verleger Christan Strasser vom Pendo-Verlag hat die Schlussbemerkung in meinem neuen Buch vorgelesen, worin ich das nochmal zum Ausdruck bringe und wir es erklärt haben. Wir tun dieses alles damit nicht wieder Missverständnisse aufkommen.

Und an anderer Stelle sagte sie 43:

Also, ich meine das steht doch außer Frage, dass ich das Dritte Reich ablehne. Ich habe wie gesagt, ich habe Leute angezeigt, auch das stand hier in großen Tageszeitungen und habe darauf gedrungen, dass Leute, die den Holocaust geleugnet haben, verurteilt werden. Das ist doch klar. Ich habe mit meiner Großmutter, die sehr alt geworden ist, bis vor kurzer Zeit darüber diskutiert, und habe gesagt, wie konnte das passieren, warum habt ihr nichts unternommen?

Das Problem an solchen Stellungnahmen ist: Sie nützen nichts. Ganz im Gegenteil. Für die politischen Gegner laufen sie ohnehin unter dem Motto „wer sich verteidigt (entschuldigt), klagt sich an“. Auf diese Weise gerät die bedrängte Person zunehmend in die Defensive, und sieht sich gegebenenfalls genötigt, sich noch mehr zu rechtfertigen und zu entschuldigen, da die Attacken trotz der eigenen freiwilligen Unterwerfung nicht aufhören wollen.

Ein typisches Beispiel waren auch die regelrecht unzivilisierten Angriffe gegen Thilo Sarrazin und dessen Buch Deutschland schafft sich ab44, das von den meisten Kritikern wohl nicht einmal angelesen worden war.

Der damalige Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Frank Schirrmacher – immerhin ein Leser – kritisierte es in seinem Artikel Biologismus macht die Gesellschaft dümmer mit den folgenden markanten Worten 45:

Denn im Innersten dieses Buches steckt eine vulgärdarwinistische Gesellschaftstheorie, die mit einer Unbefangenheit dargelegt wird, als hätte es alle Erfahrungen des zwanzigsten Jahrhunderts nicht gegeben. Ein Kernsatz des Buches lautet: „Das Muster des generativen Verhaltens in Deutschland seit Mitte der sechziger Jahre ist nicht nur keine Darwinsche, natürliche Zuchtwahl im Sinne von ,survival of the fittest‘, sondern eine kulturell bedingte, vom Menschen selbst gesteuerte negative Selektion, die den einzigen nachwachsenden Rohstoff, den Deutschland hat, nämlich Intelligenz, relativ und absolut in hohem Tempo vermindert.“

Das sind unerhörte Sätze. Und Sarrazin weiß das.

Das eigentlich Unerhörte an diesem Sachverhalt ist, dass der zitierte Satz Thilo Sarrazins sachlich richtig ist, er von Frank Schirrmacher dafür jedoch des Sozialdarwinismus – und indirekt auch einer theoretischen Nähe zum Nationalsozialismus – bezichtigt wurde, obwohl Schirrmacher überhaupt nicht verstanden zu haben schien, was die primäre Problematik des Sozialdarwinismus (den er in seinem Artikel vulgärdarwinistische Gesellschaftstheorie nennt) war und ist 46.

In der Folge gilt es heute als guter Stil, sich von Thilo Sarrazins Thesen und Büchern vorab abzugrenzen. Die Medien erwarten dies gewissermaßen. Hierdurch gibt man sich als eine aufgeschlossene, keineswegs dem rechten Lager zurechenbare Person zu erkennen. Ein typisches Beispiel ist Tania Kambouris Buch Deutschland im Blaulicht. Notruf einer Polizistin, in dem es unvermittelt heißt 47:

Ich bin wahrlich kein Befürworter von Sarrazins Thesen, die zum Teil richtig bizarr sind, wenn sie mit ihren Intelligenz-Vererbungstheorien mehr oder weniger stark an Eugenik und Rassenlehre erinnern – dennoch spricht er negative Entwicklungen an, die schlicht und ergreifend wahr sind.

Tatsächlich gehört Thilo Sarrazins Behauptung, dass die Intelligenzunterschiede zwischen Menschen zu einem erheblichen Anteil genetisch bedingt sind, zu den bestvalidiertesten Resultaten der gesamten Humanwissenschaften überhaupt. Lediglich unter den Vertretern der in der Soziologie weit anerkannten – unwissenschaftlichen – Gleichheitsideologie ist sie umstritten, da sie dem Geschäftsmodell der Sozialwissenschaften letztlich zuwiderläuft.

Langfristig bewirkt all dies einen schleichenden Linksruck. Während die liberalkonservative Seite sich zu immer mehr Erklärungen und Abgrenzungen gegen rechts genötigt sieht, weitet die linke Seite das Spektrum der angeblich politisch inkorrekten beziehungsweise unzulässigen rechten Standpunkte unverdrossen weiter aus. Und sie gewinnt dabei an Einfluss. Dies gilt umso mehr, als im liberalkonservativen Lager jegliche Solidarität noch zu fehlen scheint. Sollte eine Einzelperson ins Visier der linken McCarthy-Jäger 48 geraten, wird sie im Allgemeinen nicht in Schutz genommen, sondern von allen anderen allein im Regen stehen gelassen, in der Hoffnung, nicht selbst zur Zielscheibe der selbst ernannten Nazi-Jäger zu werden. Der Fall Eva Herman ist ein klassisches Beispiel dafür. Im Ergebnis führt die Entwicklung dazu, dass die liberalkonservativen Kräfte wie das Kaninchen vor einer bestens aufgestellten Nazi-Jäger-Schlange und deren immer wüster werdenden Attacken und Hetzkampagnen verharren.

Da sich die politischen Standpunkte auf diese Weise sukzessive nach links verschieben, werden eventuell noch verbliebene liberalkonservative oder gar rechte Positionen mit immer drastischeren Worten bedacht. Galt die AfD etwa zunächst allgemein noch als rechtspopulistisch, so wird sie mittlerweile gern als rechtsradikal, möglicherweise verfassungswidrig bis – kaum noch steigerungsfähig – „offen nationalsozialistisch“49 bezeichnet. Letztere Einordnung stammt – wie fast zu erwarten – keineswegs von Linksextremen, sondern von Friedrich Merz, der im Jahr 2002 bereits Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag war und somit das damalige Wahlprogramm der CDU für die Bundestagswahl 2002 mit zu verantworten hatte 50. Aus heutiger Sicht ist dieses jedoch keineswegs links vom aktuellen Grundsatzprogramm der AfD 51 einzuordnen, was zeigt, wie weit sich die Orientierungspunkte mit den Jahren nach links verschoben haben.

Eine interessante unterstützende Erklärung für die beschriebene Entwicklung findet sich in einem kurzen Abschnitt in Douglas Murrays Buch Der Selbstmord Europas52. Sie entspricht exakt der Grundannahme der von mir entwickelten Systemischen Evolutionstheorie, gemäß der alles Leben absolute und komparative (Kern-)Kompetenzverlustvermeidung ist 53. Leider ist der Abschnitt in Murrays Buch dermaßen schlecht ins Deutsche übersetzt, dass ich es vorgezogen habe, seinen vollen Wortlaut in die obige Endnote zu verschieben. Ich begnüge mich im Folgenden damit, Murrays Grundgedanken inhaltlich wiederzugeben und ihn hier und da in die Terminologie der Systemischen Evolutionstheorie zu übersetzen.

Murray zufolge beginnt zunächst alles mit einem Anliegen (beispielsweise die Verhinderung von Diskriminierung, Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit), das durchaus seine Berechtigung haben kann. Finden die Vertreter des Anliegens in der Gesellschaft damit hinreichend Gehör, sodass sie sich einen gewissen sozialen Status [Systemische Evolutionstheorie: Kompetenzen zur Erlangung von Ressourcen wie Geld oder Aufmerksamkeit] erarbeiten können, dann gewinnt die Absicherung der neu erworbenen Kompetenzen zunehmend an Bedeutung. Oder in Murrays Worten: „Während sie am Anfang gegen tatsächliche Diskriminierungen vorgingen, verfolgten sie nach einiger Zeit das Ziel, ihren Einfluss, ihre Verbindungen und ihre Finanzausstattung zu vergrößern.“

Spätestens ab diesem Zeitpunkt ist das primäre Ziel der „Vertreter des Anliegens“ nicht mehr das ursprüngliche, gegebenenfalls sinnvolle Anliegen (Diskriminierung, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, gegen rechts, …), sondern die Kompetenzverlustvermeidung. Im Laufe dieses Prozesses können sich sogar die Ziele wandeln und ins genaue Gegenteil verkehren, etwa von der Verbesserung einer bestimmten diskriminierenden sozialen Situation zur Aufrechterhaltung eben jener. Oder es wird alternativ behauptet, dass sich trotz aller bisherigen Anstrengungen noch nicht wirklich etwas gebessert hat, sodass es weiterer – kostenintensiver – Anstrengungen bedarf. Eine bewährte Methode besteht auch darin, immer mehr Situationen als diskriminierend oder politische Meinungen als „rechts“ beziehungsweise „rechtsextrem“ zu erklären, damit die vorgeschlagenen kostenintensiven Maßnahmen und Aktionen gerechtfertigt werden können. Beziehungsweise in Murrays Worten: „Es war ihnen bewusst, dass sie diese Ziele [in der Terminologie der Systemischen Evolutionstheorie: die Bewahrung ihrer Kernkompetenzen] nur erreichen konnten, wenn das Problem nicht gelöst wurde. Also musste es so erscheinen, als würde die Diskriminierung immer schlimmer und müsste deshalb immer stärker bekämpft werden – gerade dann, wenn die Lage besser zu werden begann.“

Das Lebensprinzip der Kompetenzverlustvermeidung gilt natürlich auch für Organisationssysteme wie Unternehmen oder Stiftungen 54. Es muss letztlich nur irgendeine Organisation gegründet und mit einer Aufgabe (der Verfolgung eines Ziels) betraut werden, und schon wird sie versuchen, die eigenen Kernkompetenzen zu bewahren und gegebenenfalls noch weiter auszubauen, ganz so wie es Murray in seinem Buch beschreibt. Eine Organisation, die es sich beispielsweise zum Ziel gesetzt hat, „gegen rechts“ zu kämpfen, wird deshalb überall rechte Gesinnung sichten, selbst wenn sich die politischen Orientierungspunkte – wie es sich für die Bundesrepublik Deutschland nachweisen lässt – mit der Zeit immer weiter nach links verschoben haben55. Das Lebensprinzip der Kompetenzverlustvermeidung treibt die Organisation dazu an. Am Ende stellt sich auf diese Weise eine Situation ein, die die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) sehr treffend mit den Worten umschrieb: Der „Kampf gegen rechts“ zielt auf die bürgerliche Mitte56.

Ich habe übrigens selbst einen familienpolitischen Vorschlag zur Lösung der prekären deutschen Familiensituation und des demografischen Wandels eingebracht, und zwar das sogenannte Familienmanager-Konzept 57. Seine Grundzüge werden im Kapitel Senta Berger bei Kerner kurz angerissen und diskutiert.

Wesentlich im gegebenen Kontext ist nun aber, dass es mir im Jahr 2006 noch recht leicht gelang, den damals sehr bekannten Familiensoziologen Franz-Xaver Kaufmann dazu zu bewegen, mein Buch Die Familienmanagerin58 bereits vor seiner Veröffentlichung zu lesen und zu begutachten. Er erlaubte mir sogar den folgenden Text auf den Buchumschlag zu drucken:

Das Plädoyer für eine Professionalisierung von Familientätigkeiten hat vieles für sich. Manche werden einwenden, das Familienmanager-Konzept leiste einer Deinstitutionalisierung von Familie weiter Vorschub. Auf jeden Fall spricht der konsequente Vorschlag aber eine bisher kaum bedachte Dimension in der Diskussion um die prekäre Nachwuchssicherung an.

Der Punkt, auf den es mir ankommt, ist der Satz: „Manche werden einwenden, das Familienmanager-Konzept leiste einer Deinstitutionalisierung von Familie weiter Vorschub.“

In einem Artikel der Zeitschrift ‚beziehungsweise‘ heißt es dazu erläuternd 59: