Mila & Blake: Country Dreams - Estelle Maskame - E-Book

Mila & Blake: Country Dreams E-Book

Estelle Maskame

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Beschreibung

Eigentlich ist es die impulsive Mila, die den Ärger förmlich anzieht. Doch jetzt hat ihr Vater die Familie ins schmutzige Blitzlicht der Boulevardpresse gezogen: Er, der berühmte Schauspieler, hat eine Affäre. Ihre Mutter flüchtet von L.A. nach Tennessee, auf die Familienfarm, wo bereits Mila den ganzen Sommer bei der Verwandtschaft verbringt. Für Mila selbst läuft es bis dahin gar nicht so schlecht: Blake, ihr heißer Bad Boy, bietet ihr offiziell den Beziehungsstatus an. Seitdem denkt sie kaum noch an ihr Leben in Kalifornien. Bis die Ehekrise ihrer Eltern Milas ganze Aufmerksamkeit beansprucht. Und gerade jetzt, als Mila und Blake unmerklich auseinanderzudriften drohen, taucht plötzlich Lacey auf, eine Kindheitsfreundin von Blake, die ganz offensichtlich mehr von ihm will. Wird Blake ihren Avancen widerstehen?

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Seitenzahl: 353

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DASBUCH

»Mila«, flüstert Blake. Ich sehe mich um und stelle fest, dass er ausgestiegen ist, einen Arm auf die offene Tür gelehnt hat und mich mit dem süßesten Lächeln aller Zeiten ansieht. »Was hältst du davon, vielleicht offiziell meine Freundin zu sein?« Ich erschrecke, denn damit habe ich wirklich nicht gerechnet. »Deine Freundin?« »Ja«, sagt er, sieht nach unten und kickt die Fußspitze ins sandige Gras. »Meinst du, ich bin gut genug für Everett Hardings Tochter?« »Denkst du, ich bin gut genug für den Sohn der Bürgermeisterin von Nashville?«, kontere ich im Scherz. »Ich denke«, murmelt Blake und schaut mich wieder an, »dass Mila Harding und Blake Avery gut füreinander sind.« Es ist zwecklos, auch bloß zu versuchen, es zu verbergen. Ich strahle, bis sich meine Wangen fühlbar dehnen, und kribbelnde Elektrizität surrt mir durch den Körper. Meine Füße bewegen sich wie von selbst, als ich zurück zu Blake renne, in seine Arme springe und meine Beine um ihn schlinge. »Ja, ja, ja!«

DIEAUTORIN

Estelle Maskame, 1997 geboren, lebt in Peterhead, Schottland, wo sie auch zur Schule ging. Bereits mit 13 Jahren begann sie die DARK-LOVE-Serie zu schreiben, die auf Wattpad vier Millionen Reads erreichte und in Buchform auch international ein sensationeller Erfolg wurde. Mit MILA & BLAKE, ihrer zweiten großen Serie, dürfen die Leser*innen sich nun auf ein weiteres unwiderstehliches Paar freuen.

ESTELLE MASKAME

Mila & BLAKE

Country Dreams

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

WILHELMHEYNEVERLAGMÜNCHEN

Die Originalausgabe Trusting Blake erschien erstmals 2021 bei Ink Road,

Black & White Publishing Ltd

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Deutsche Erstausgabe 09/2023

Copyright © 2021 by Estelle Maskame

Copyright © 2023 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Redaktion: Lisa Scheiber

Umschlaggestaltung: Zero Werbeagentur, München, unter Verwendung von Motiven von © FinePic®, München

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-28649-1V001

www.heyne.de

Eins

Es gibt nicht genug Adrenalin auf dieser Welt, um meine Beine noch viel weiter zu treiben. Keine noch so große Wut kann mich wieder zu Atem kommen lassen, kein noch so großer Schmerz meinen Körper bewegen, einen weiteren Schritt zu machen.

Das Pflaster dehnt sich unter meinen Füßen aus, doch die Straßen sehe ich durch meine Tränen nur verschwommen und die vorbeifahrenden Wagen sind nichts als Farbschlieren. Weil ich so schlecht sehe, habe ich pulsierende Kopfschmerzen, als würden eine Million Nadeln in meinen Schädel stechen.

Keuchend sacke ich gegen einen Briefkasten. Meine Kehle brennt, als ich nach Luft ringe, aber meine Brust hebt und senkt sich so heftig, dass richtiges Atmen beinahe unmöglich ist. Schweiß rinnt mir über Gesicht und Hals, weil die Sonne gnadenlos herunterbrennt.

Ich weiß nicht, wie weit ich gelaufen bin, nicht einmal, ob ich in die richtige Richtung gerannt bin.

Meine Knie geben nach, und ich sacke auf den glühenden Gehweg. Ich habe keine Ahnung, wo in Fairview ich hier bin, und erst recht nicht, wie weit es von hier zum Harding Estate ist. Aber selbst wenn ich es wüsste, habe ich bereits aufgebraucht, was mein Herz-Kreislauf-System zu bieten hat. Mein Puls dürfte schon am absoluten Maximum sein – noch schneller, und mein Herz könnte einfach explodieren.

Schluchzend und japsend ziehe ich mein Handy aus der Tasche. Lauter Benachrichtigungen erscheinen auf dem Display, die ich jedoch wegwische; stattdessen gehe ich direkt zu meinen Kontakten. Heftig blinzelnd suche ich nach Sheris Nummer. Ich tippe sie an, drücke das Telefon an mein Ohr und halte mir die freie Hand vors Gesicht, um mich vor der Welt zu verstecken. Ich weiß, dass ich in einem Wohngebiet bin, und kann mir nicht vorstellen, dass die Leute hier daran gewöhnt sind, beim Blick aus dem Fenster einen schluchzenden Teenager an einem Briefkasten lehnen zu sehen. Andererseits bin ich momentan zu verletzt, um irgendwelche Scham zu empfinden.

»Mila …«, meldet Sheri sich.

»Weißt du es?«, platze ich heraus und umfange das Telefon fester. »Hast du die Schlagzeilen gesehen?«

Sheri antwortet nicht. Es tritt eine lange Pause ein, und würde ich ihren flachen Atem nicht hören, ich würde denken, dass sie aufgelegt hat. Endlich fragt sie leise: »Wo bist du?«

Keine Überraschung oder Verwirrung. Kein Welche Schlagzeilen?, womit meine Frage beantwortet ist: Sheri hat die Nachrichten gesehen.

»Ich … ich weiß nicht«, schniefe ich und blicke mich noch einmal in der Hoffnung um, etwas klarer zu sehen. Doch meine Augen brennen zu sehr, sodass ich nur noch mehr blinzle. »Kannst du mich holen? Bitte?«

»Ja, natürlich, Mila. Schick mir deinen Standort. Ich schnappe mir jetzt die Autoschlüssel, okay, Süße?« Ich höre das Klimpern von Schlüsseln und eine Tür, die zufällt. »Ich bin gleich da. Ich komme.«

Hastig beende ich das Gespräch, schicke Sheri die Daten und bete, dass sie schnell fährt. Ich will jetzt gerade nicht allein sein, aber auch bei niemandem, der nicht zur Familie gehört und nicht versteht, wie schwer diese Situation wiegt. Vor allem brauche ich meine Mom.

O, Mom …

Ich schließe die Augen und versuche, mir die Szene zu Hause in Thousand Oaks vorzustellen. Hat Mom es zur selben Zeit erfahren wie der Rest der Welt? Löst sich die Ehe meiner Eltern in diesem Moment auf, während Ruben einen Notfallplan entwirft, wie sich diese Geschichte weniger schaurig darstellen ließe?

Ist sie überhaupt wahr?

Ich hole tief Luft und überlege.

Die Klatschpresse tut nichts anderes, als harmlose Fotos und Videos zu etwas zu verdrehen, was sie nicht sind. So bekommen sie ihre Leser und Zuschauer, machen ihr Geld – aus großen Schockgeschichten, die Skandale und verzückte Empörung herrufen. Dieses Foto … das von Dad und Laurel Peyton, die sich in dem Restaurant küssen … kann nicht echt sein. Es muss ein Fehler, ein Missverständnis sein. Dad würde Mum nicht so wehtun. Er würde mir nicht wehtun.

Aber er hat LeAnne Avery früher einmal wehgetan, und wie sie sagte …

Einmal ein Betrüger, immer ein Betrüger.

Ich muss gleich kotzen.

Diesmal wünschte ich wirklich, es wäre von zu viel teurem Champagner und nicht davon, dass alles erschüttert wurde, was ich über meinen Vater weiß.

»Geht es dir gut, Liebes?«, ruft eine besorgte Stimme von der anderen Straßenseite.

Die Ablenkung unterdrückt die Übelkeit in meiner Kehle, und mit verschwommenem Blick sehe ich dahin, wo die Stimme hergekommen ist: Eine alte Frau beobachtet mich von ihrem Rasen aus, die rosigen Wangen eingesogen vor Sorge.

»NEIN!«, brülle ich rüber. »Mein Dad ist ein Lügner! Everett Harding ist ein Betrüger!«

Ich denke nicht klar. Kann ich gar nicht.

Und könnte mein Handy bitte mal eine verdammte Sekunde lang aufhören zu vibrieren?

»Bist du Everett Hardings Tochter?«, fragt die Frau, und trotz des Nebels in meinem Kopf weiß ich, dass ich meine Gefühle nicht so hätte rausschreien dürfen.

»Nein«, lüge ich völlig bescheuert, rapple mich hoch, wische mir die tränennassen Wangen und trotte die kleine Straße entlang, bis ich außer Sicht bin.

Okay. Tief ein- und ausatmen. Beruhige dich. Denk nach.

In Hollywood ist eine Affäre zwischen zwei Promis ein Riesending. Ich habe das schon so oft bei anderen in der Branche miterlebt. Es nimmt die Presse dort komplett ein. Dads und Laurel Peytons Karrieren werden erbarmungslos in Fetzen gerissen, und jeder um sie herum wird in das Drama mit hineingezogen. Was bedeutet: Mom und ich.

Trotz meiner Wut und meiner Kopfschmerzen darf ich es nicht schlimmer machen.

Ich darf nichts sagen. Zu niemandem. Darf mit keinem außerhalb der Familie über meine Gefühle reden. Und erst recht sollte ich Fremden in Dads Heimatstadt keinen Mist über ihn zubrüllen.

Alles, was ich jetzt tun kann, ist, zur Ranch zurückkehren, meine Sachen packen und den ersten Flug nach L.A. buchen. Es bleibt keine Zeit für Abschiede, nicht von Savannah und Tori, nicht von Blake. Ich muss nach Hause, weil dies ein Familiengeheimnis ist, aus dem ich nicht ausgeklammert werden kann.

Und als Sheris Van fünf Minuten später mit schlitternden Reifen neben mir hält, atme ich auf.

»O, Mila …«, flüstert Sheri, als ich die Beifahrertür aufreiße und einsteige.

Sie sieht irgendwie älter aus. Da haben sich neue Falten in ihre Augenwinkel gegraben, die nicht vom Lächeln kommen, ihre Haut wirkt blasser, und sie sieht mich mit einem Blick voller Enttäuschung und Schmerz an. Dennoch ist sie tausendmal gefasster als ich.

»Wie kann er das machen?«, zwinge ich heiser heraus und blicke blind durch die Windschutzscheibe. »Wieder.«

»Ich … ich verstehe ihn nicht«, antwortet Sheri und atmet hörbar aus. »Es tut mir so leid, Mila. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

Weiß ich auch nicht.

Wir fahren schweigend zurück zur Farm. Nicht mal das Radio ist an, und das grelle Sonnenlicht, das mir durch die Windschutzscheibe entgegenbrennt, macht mich … wütend. In mir brauen sich Gewitterwolken zusammen, die krachenden Blitz und Donner versprechen.

Vor uns ragen die Sicherheitstore und Mauern des Harding Estate wie eine Festung in der Ferne auf, als wir die Landstraße entlangfahren, und je näher wir kommen, desto schmerzhafter fühlt es sich an.

Ich hasse dieses Leben.

Ich hasse Hollywood. Ich hasse die Medien und die Paparazzi. Ich hasse die Produktionsfirmen, die Fans und die Security Guards. Ich hasse Dads Management-Team, ganz besonders Ruben Arsch Fisher, und ich hasse die tausend idiotischen Regeln, die mir aufgezwungen werden. Ich hasse das Gefühl, dass mich die ganze Welt beobachtet.

Und ich hasse dieses blöde Sicherheitstor und alles, wofür es steht.

Doch am meisten hasse ich jetzt gerade Dad.

Ich hasse, was er unserer Familie angetan hat.

Mir, Mom, Popeye und Sheri.

Bevor mir bewusst ist, was ich tue, knalle ich die Faust auf das Armaturenbrett von Sheris Van. Ich schreie. Schreie so richtig. Mein Hals tut weh, trotzdem schreie ich so laut, dass man es sicher meilenweit hört, und hämmere in einem Wutanfall auf das Armaturenbrett ein.

»Mila!«, brüllt Sheri und stampft auf die Bremse. Sie packt meine Handgelenke und hält mühsam meine geballten Fäuste still, aber ich sträube mich, bis ich mich schließlich geschlagen gebe und in Tränen ausbreche.

»ICHHASSEIHN!«, schreie ich zwischen den Schluchzern.

»Ja, ich weiß«, sagt Sheri beruhigend und zieht mich in ihre Arme. Sie streicht über mein Haar, lehnt ihr Kinn auf meinen Kopf und hält mich eine gefühlte Ewigkeit lang fest.

Das Klingeln eines Handys bewirkt, dass wir uns voneinander lösen.

Es ist nicht meines. Das habe ich bereits ausgeschaltet und nicht vor, es in absehbarer Zeit wieder einzuschalten. Sheri nimmt ihr Telefon von der Mittelkonsole auf und runzelt die Stirn, als sie auf das Display blickt.

»Es ist deine Mom«, sagt sie.

»Meine Mom?« Ich reiße Sheri das Telefon aus der Hand und drücke es an mein Ohr.

Zunächst scheint es, als wollte Sheri es mir gleich wieder abnehmen, überlegt es sich jedoch anders, weil es sinnlos sein dürfte, in meiner jetzigen Verfassung mit mir zu kämpfen.

»Mom, ich bin’s. Ich komme nach Hause«, platze ich schnell heraus.

»Mila …« Moms Atem ist zu hören. Ihre Stimme ist gebrochen, heiser, als hätte sie eine Million Tränen mehr vergossen als ich. »Du kommst nicht nach Hause.«

»Doch! Tue ich!«

»Nein, tust du nicht«, erwidert sie streng, schnieft und fügt hinzu: »Ich komme zu dir.«

»Was?«

»Morgen bin ich bei dir, versprochen, Mila. Bitte, ich muss Sheri sprechen.«

Mom kommt nach Fairview? Das ergibt Sinn, schätze ich. L.A. mit Dad ist wahrscheinlich der letzte Ort, an dem sie sein will. Je weiter weg wir beide von dem Chaos sind, desto besser.

»Mom?«, flüstere ich.

»Ja?«

»Bist du okay?«

Für eine Weile ist sie still, dann antwortet sie: »Bist du es?«

Es beantwortet meine Frage.

Ich beiße mir auf die Unterlippe und wische die Tränen von meinen Wangen, während ich ihrem flachen Atmen zuhöre.

»Bleib auf der Ranch. Geh da nicht weg, rede mit keinem und halte dich bitte von Internet und Fernsehen fern«, sagt sie. Dann bricht ihre Stimme. »Es tut mir so leid, Mila. Ich hab dich lieb. Wir beide haben dich lieb.«

Da bin ich mir nicht mehr sicher.

Ich gebe Sheri das Handy und steige aus dem Van. Das Tor ist nur ein Stück weiter, und ich schlurfe zu den hohen Mauern und öffne es mit der Fernbedienung, die ich inzwischen immer bei mir habe. Als ich den Sandweg hinaufgehe, sehe ich Popeye mit einer Axt über der Schulter.

Mein Großvater mag alt und krank sein, aber das hält ihn nicht davon ab, seine Wut abzubauen. Ich beobachte, wie er Holzscheite spaltet, auch wenn es ein wenig ungelenk wirkt. Wütend schlägt er mit der Axt immer wieder zu, dann kommt er unter dem Baum hervor in die sengende Sonne, sinkt auf das Gras und vergräbt das Gesicht in den Händen.

Popeye ist schon früher wenig begeistert davon gewesen, welches Leben Dad für sich gewählt hat.

Sein Anblick bricht mir das Herz aufs Neue, aber ich muss mich von ihm abwenden und mich ungesehen ins Haus schleichen. Wenn ich mich nicht in mein Zimmer zurückziehe, um mit meiner eigenen Wut fertigzuwerden, fürchte ich, dass ich nicht nur wieder auf Sheris Van einschlagen, sondern auch einiges im Haus zerlegen könnte.

Oben knalle ich die Tür zu und schleudere mein Handy auf den Fußboden. Mir ist egal, ob ich das Display zerschmettert habe. Ich schließe das Rollo und steige vollständig bekleidet ins Bett, wo ich mich unter der Decke verkrieche.

Zwei

Beim Aufwachen am nächsten Morgen bin ich anfangs überzeugt, dass es bloß ein Albtraum war. Ein sehr intensiver Albtraum, bei dem ich mich an jedes Detail zu erinnern scheine. Und warum fühlen sich meine Augen und mein Hals so schmerzhaft ausgetrocknet an?

Ich drehe mich um und sehe mein Handy auf dem Fußboden. Hä? Über Nacht lade ich es immer auf dem Nachttisch auf … Ich strecke die Beine – wieso pochen meine Schienbeine? – und steige aus dem Bett, um das Telefon aufzuheben. Als ich es umdrehe, sehe ich das zersplitterte Display. Da sind breite Sprünge, und Teile vom Glas sind herausgebrochen.

Ich erschaudere, als mir plötzlich kalt wird.

Ich habe mein Handy gestern wirklich kaputtgemacht.

Es war kein böser Traum. Alles ist tatsächlich passiert. Die Schlagzeile … Dass ich von Blakes Haus weggelaufen bin … Dass ich in den Straßen von Fairview geweint habe … alte Frauen angebrüllt habe …

Die Affäre.

Der ganze Horror holt mich wieder ein, da wird sanft an meine Tür geklopft. »Mila?«

»Komm rein«, murmle ich und starre blind auf mein kaputtes Telefon. Ich muss mich ermahnen zu atmen.

Zögerlich öffnet Tante Sheri die Tür, als fürchte sie sich vor dem, was sie drinnen vorfinden könnte. Hier ist lediglich ein emotionales Wrack von einem Teenager, weiter nichts. »Ich denke, du brauchst heute etwas Koffein«, sagt sie und hält mir einen dampfenden Becher mit frischem Kaffee hin.

»Ich mag keinen heißen Kaffee. Nur geeisten. Das weißt du.«

»Mila, ich finde, du brauchst den hier heute wirklich«, wiederholt sie mit einem kleinen traurigen Lächeln und drückt mir den Becher in die Hand. »O, dein Telefon. Wann ist das passiert?«

»Gestern.« Mein Tonfall ist völlig emotionslos. Ich kann Sheri nicht ansehen, denke aber, dass sie auch nicht versucht, mir in die Augen zu blicken. »Wie spät ist es?«

Mein Handy ist seit gestern ausgeschaltet, daher weiß ich nicht, ob es ganz hinüber ist oder nur das Display beschädigt. Aber ich bin nicht bereit, es wieder einzuschalten und nachzusehen. Ruben, Dads Manager, kontrolliert immer noch meine Social-Media-Accounts, also habe ich auf die so oder so keinen Zugriff, selbst wenn ich wollte. Was momentan wohl gut ist. Das körnige Bild von Dad und seinem Co-Star, Laurel Peyton, wird überall auf Instagram rumgehen. Ihre Namen werden bei Twitter trenden. Und auf ihren Fanseiten bei Facebook wird Chaos herrschen.

»Kurz nach neun. Du bist seit gestern Nachmittag weggeknipst gewesen«, sagt Sheri. Sie setzt sich auf meine Bettkante und streicht unsicher die Decke glatt. »Und ich nehme an, das kaputte Handy erklärt, warum ein gewisser hartnäckiger Junge seit einer Stunde pausenlos auf dem Festnetz anruft.«

Überrascht sehe ich zu ihr auf. »Blake?«

»Ja, Blake«, antwortet sie, und erst jetzt bemerke ich, wie müde sie aussieht. Anders als ich, hat Sheri anscheinend so gut wie gar nicht geschlafen. »Er sorgt sich um dich und denkt, dass du abreist.«

»Hast du ihm gesagt, dass ich bleibe?«

»Nein, ich habe ihm gar nichts gesagt, außer dass du ihn zurückrufst, wenn du reden willst.«

Ich atme erleichtert auf. »Danke. Ich weiß nicht, ob ich schon über alles reden will.«

»Das ist wahrscheinlich auch nicht gut«, stimmt Sheri mir zu, und ich glaube, auch sie will die nächsten Tage lieber den Mund halten. Wir Hardings müssen uns bedeckter denn je halten. »Deine Mom wird bald hier sein. Sie kommt mit der ersten Maschine, und dein Großvater und ich sind uns einig, dass es das Beste ist, wenn ihr zwei eine Weile hierbleibt.«

»Macht es euch nichts aus?«, frage ich verwundert. Mom war noch nie ohne Dad hier zu Besuch, und bedenkt man, wie das Verhältnis von Sheri und Popeye zu Dad ist, bin ich mir nicht sicher, was es für Mom bedeutet.

»Wir lassen euch nicht in einem Hotel wohnen. Es ist genug Platz hier«, erklärt Sheri mit einem freundlichen Lächeln. »Außerdem ist es nicht deine Mom, mit der ich Probleme habe. Es ist dein Arschloch von einem Vater …« Erschrocken bremst sie sich. »Entschuldige, Mila. So sollte ich vor dir nicht über ihn reden.«

»Aber du hast ja recht«, sage ich. »Er ist ein Arschloch.«

»Hmm.« Sheri steht auf und streicht sich eine verirrte Locke hinters Ohr. »Du musst Hunger haben. Iss was zum Frühstück, und wie wäre es, wenn wir uns mittags was bestellen?«

»Klingt gut.«

Es ist ein sehr großer Elefant im Raum, um den wir auf Zehenspitzen herumschleichen, doch was können wir schon sagen? Ehe nicht mehr über Dads vermeintliche Affäre bekannt wird, ist es sinnlos, über sie zu diskutieren. Im Moment sind noch zu viele Fragen offen, und keiner von uns weiß irgendwelche Antworten.

Sheri umarmt mich kurz. »Wir sind unten, falls du ein wenig Gesellschaft möchtest«, sagt sie und lässt mich wieder allein.

Ich gehe zum Fenster, stelle den Kaffeebecher ab, den Sheri mir gegeben hat, und blicke hinaus zu den gepflegten Weiden der Ranch unter dem strahlend blauen Himmel und der leuchtend gelben Sonne. Noch ein schöner Tag, natürlich. Ich frage mich, was die Welt jenseits der Steinmauern jetzt gerade über Dad denkt.

Was sagen Savannah und Tori zu dem Hollywoodskandal, der sich um meine Eltern dreht? Was ist mit den Schülern der Fairview High, mit denen ich die letzten Monate zu tun gehabt habe? Was ist mit Blake?

Mir wird schlecht bei dem Gedanken, dass Dads Name in aller Munde ist.

Und vielleicht ist es meine perverse Neugier oder schlicht der Drang, mich zu vergewissern, jedenfalls hole ich tief Luft, stütze die Ellbogen auf die Fensterbank und schalte mein Handy ein. Das Display ist gesprungen, doch es funktioniert noch. Es lädt, während ich mit angehaltenem Atem warte, und dann ertönen mit einem Schlag Tausende unterschiedliche »Plings«, die eingegangene Benachrichtigungen melden. Verpasste Anrufe, ungelesene Textnachrichten.

Da sind verpasste Anrufe von Mom, von Sheri, von Ruben, von meinen engsten Freunden zu Hause in L.A., von Savannah und sogar von entfernten Verwandten, mit denen ich ewig nicht gesprochen habe. Keine von Dad, aber siebenunddreißig von Blake Avery. Sie reichen von gestern Nachmittag bis heute Morgen, als er offenbar beschloss, es statt auf meinem Handy auf dem Festnetzanschluss des Harding Estate zu versuchen.

Er denkt, dass ich fortgehe. Ich habe auch gedacht, ich würde abreisen. Was genau ich getan hätte, wäre ich erst zu Hause angekommen, weiß ich nicht. Ich will nur nicht mehr im Unklaren gelassen werden als ohnehin schon. Ich will dort sein, meine Mom trösten und meinen Dad zur Rede stellen. Ich bin alt genug, um die Wahrheit zu erfahren.

Aber jetzt muss ich nicht mehr nach Hause, weil Mom herkommt, nach Fairview, zum Harding Estate, wo sie die hohen Mauern vor der Außenwelt abschirmen werden. Und ich bleibe, wo ich bin … was Blake wissen soll.

Zögernd tippe ich seine Nummer in einer der Benachrichtigungen an. Ich hocke mich auf die Fensterbank und ziehe die Knie fest an meine Brust, meine Unterlippe vor Nervosität zwischen meine Zähne geklemmt. Eigentlich will ich mit niemandem reden und bin nicht ganz sicher, was ich sagen soll, aber Blake verdient zumindest zu erfahren, dass ich doch nicht verschwinde.

Er meldet sich nach dem zweiten Klingeln, als hätte er das Telefon schon in der Hand und warte auf meinen Anruf.

»Mila, endlich«, sagt er erleichtert in seinem traumhaften Akzent. Er atmet laut auf, und ich stelle mir vor, wie er sich mit der Hand durchs Haar fährt. »Geht es dir gut?«

»Nein«, antworte ich matt.

»Natürlich, sorry, das war eine blöde Frage.« Er stöhnt, bevor er nervös fragt: »Bist du schon weg aus Fairview?«

Die Sorge in seiner Stimme zu hören hat den überraschenden Effekt, dass ich mich ein wenig besser fühle. Während die Welt auf Everett Harding konzentriert ist, sorgt Blake sich einzig um mich. »Ich fahre nicht nach Hause«, antworte ich. »Vorerst bleibe ich hier.«

»Warte mal. Echt?«

»Ja. Meine Mutter ist unterwegs hierher.«

»O«, sagt er, und sein Ton verändert sich deutlich. Da ist keine Panik mehr, dass ich die Stadt verlasse. »Ich fühle mich so beschissen, Mila«, murmelt er nach einem Moment. »Ich wollte nicht, dass du es von mir hörst … und erst recht nicht von meiner Mom.«

»Ich bin nicht wütend auf dich, Blake. Nicht mal auf deine Mom«, sage ich sanft, weil ich genau weiß, wer in dieser Situation der Böse ist. »Ich bin wütend auf meinen Dad.«

»Kann ich irgendwas tun, um es für dich leichter zu machen? Lass mich dich ablenken. Fahren wir mit Bailey zur Hundewiese oder in die Stadt und probieren einige neue Honky Tonks aus, oder … Ich weiß nicht. Irgendwas.«

»Klingt nett, aber … ich weiß nicht genau, ob ich das jetzt kann.« Der Gedanke, die Ranch zu verlassen und etwas Normales zu unternehmen, nachdem eben meine Welt in sich zusammengestürzt ist, ist mir unerträglich. Aber mir gefällt, dass Blake mir die Option gibt. Es tut gut zu wissen, dass er trotz des Mists, der in meinem Leben abläuft, immer noch auf mich achtgibt.

»Ja, klar, sicher. Das verstehe ich. Aber vielleicht würde es helfen. Mal wegkommen von dem ganzen Drama, du weißt schon.«

Ich schüttle den Kopf. »Tut mir leid.«

Er schweigt eine Weile, bevor er ernst sagt: »Mila?«

»Ja?«

Seine Stimme ist leise und voller Zweifel. »Ist bei uns alles okay? Zwischen dir und mir?«

»Ja, selbstverständlich«, flüstere ich. »Ich kann nur momentan nicht klar denken, aber danke, dass du fragst.«

»Kein Problem. Ich bin immer da, falls du mich brauchst.«

»Danke.« Dann, weil es klar sein muss, ergänze ich: »Aber ruf bitte nicht mehr hier auf dem Festnetzanschluss an.«

Er lacht, auch wenn es wenig amüsiert klingt. »Klar, sorry. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Mila.«

»Das ist nett, musst du aber nicht. Ich komme klar«, versichere ich ihm, auch wenn es kein bisschen überzeugend wirkt. Nichts legt nahe, dass ich klarkommen werde. »Ich melde mich wieder. Bye, Blake.«

Ohne ihm die Chance zu geben, mehr zu sagen, lege ich auf. Es ist das Beste, was ich ihm jetzt gerade bieten kann – kurze, knappe Antworten. Aber wenigstens weiß er nun, dass ich nicht abreise. Wir können uns wiedersehen, sobald ich begriffen habe, was zur Hölle mit meiner Familie passiert ist.

Apropos Familie … ich habe immer noch nicht mit Popeye gesprochen. Es liegt eine Menge Wut in der Luft, aber wir dürfen uns nicht einfach gegenseitig ignorieren. Die nächsten Tage, Wochen, Monate werden schwer. Es wird einige sehr schwierige Gespräche geben. Am Ende ist es eventuell nicht okay. Aber ich muss mich der Realität stellen.

Nachdem ich Blake beruhigt habe, muss ich nach Popeye sehen. Ich nehme den Kaffee, den Sheri mir gemacht hat, trinke einen Schluck, der mir den Mund verbrüht, und gehe nach unten. Bei jedem Schritt täusche ich Zuversicht und Stärke vor. Ich muss tapfer sein. Was bringt Schluchzen? Was nützt endloses Weinen?

Es ist kein Geräusch zu hören. Kein Fernseher, kein Radio, keine Stimmen. Popeye und Sheri sind nicht unten, also schlüpfe ich in ein Paar von Sheris Stiefeln an der Tür und gehe nach draußen an die frische Luft, immer noch in meinen Sachen von gestern. Mein Shirt riecht muffig, und es kommt mir vor, als hätte ich mir ewig nicht die Zähne geputzt. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass mein Haar gnadenlos verfilzt ist und es schmerzhaft wird, das zu richten. Aber es gibt im Augenblick Wichtigeres auf der Welt, und mir ist es schlicht egal.

Drüben beim Stall entdecke ich sie. Popeye hat sich einen Gartenstuhl an den Stalleingang geholt, auf dem er sitzt und über die Weiden zum Horizont blickt. Sheri ist von drinnen zu hören, wo sie die Pferde versorgt.

»Hey, Popeye«, sage ich leise, als ich näher bei ihm bin. Die sengende Sonne fühlt sich auf meiner bereits klebrigen, verschwitzten Haut hundertfach übler als sonst an.

Popeye streckt den Kopf vor, um mich anzusehen, und runzelt sofort die Stirn. »Wow, du siehst …«

»Hinreißend aus?«, scherze ich.

»Furchtbar«, kontert er. »Wir haben hier Duschen, und die darfst du übrigens gerne benutzen.« Eine Sekunde später grinst er, und ich schaffe es, die Augen zu verdrehen. Wie bei Sheri ist es auch bei ihm gerade leichter, die Unterhaltung zu umgehen, die wir führen sollten. Doch dann wird Popeyes Lächeln traurig, und er setzt sich auf. »Komm her, süße Mila.«

Mist. So viel dazu, nicht mehr zu flennen.

Ich beuge mich zu Popeye, und er zieht mich zittrig in seine Arme. Man kann seine Gefühle unmöglich im Zaum halten, wenn man so von seinem Großvater umarmt wird. Es ist, als stünde man kurz vor einem Zusammenbruch und jemand fragt, wie es einem geht: Man löst sich umgehend in ein heulendes Elend auf.

»Alles wird gut«, flüstert er mir ins Ohr und drückt mich fest. »Deine Eltern lieben dich, ganz gleich was wird.«

Ich nicke an seiner Schulter, ehe ich mich wieder aufrichte und mir die Tränen abwische. »Aber wie geht es dir, Popeye?«

»Ich bin wütend. Und enttäuscht«, grummelt er. »Das Einzige, was ich nicht bin, ist verwirrt. Dein Vater hat schon immer Entscheidungen getroffen, die für mich keinen Sinn ergaben. Wir müssen eben abwarten, wie er diese erklärt.«

»Denkst du, er meldet sich?«

Popeye schnaubt verächtlich und lehnt sich zurück, wobei er trotzdem noch steif und verkrampft wirkt. »Es wäre ein Wunder, würde er. Du aber«, sagt er streng, erhebt sogar den Zeigefinger, »musst dich um nichts sorgen. Er wird mit dir reden, da bin ich mir sicher. Du und deine Mutter braucht dringender Antworten als der Rest von uns.«

»Mila?«, ruft Sheri aus dem Stall.

Ich streiche Popeye über die Hand und folge dem Klang von Sheris Stimme. Sie striegelt eines ihrer Pferde – ich glaube, es ist das, das vor wenigen Wochen mit Tori durchgegangen war –, hält jedoch mittendrin inne und sieht mich komisch an.

»Sind das meine Stiefel?«, fragt sie.

»Ja.«

»Was bist du doch für eine Stilikone«, sagt sie, und ich verschränke trotzig die Arme vor der Brust. »Jetzt, da du unter den Lebenden bist, kannst du mir vielleicht helfen? Maisy drüben muss gründlich gestriegelt werden. Und du auch, wie es aussieht.« Sie blickt zu der Box mit dem Putzzeug. »Vergrab dich nicht den ganzen Tag in deinem Zimmer. Es ist besser, die Zeit produktiv zu verbringen.«

Links von mir wiehert ein Pferd um Aufmerksamkeit. Es ist Fredo, mein Liebling. Er ist der Einzige, dem ich vertraue, dass er mich nicht abwirft.

»Hey, Fredo«, sage ich und drehe mich zu ihm, um ihn zu begrüßen. Er neigt die Nüstern an meine Brust, und ich lehne meinen Kopf an seinen, während ich ihn unter dem Kinn kraule. Ich frage mich, ob er unseren Kummer spürt. »Tante Sheri, darf ich ihn ein bisschen reiten? Frische Luft schnappen und so.«

Sheri mustert mich skeptisch. »Du bist noch nicht alleine draußen gewesen.«

»Stimmt, aber ich habe von dir und Savannah alles gelernt, was ich wissen muss. Ich kann ihn sogar alleine satteln!« Ich will zu dem Gestell mit den Sätteln gehen, doch Sheri stellt sich mir in den Weg und breitet sogar die Arme aus. Sie grinst.

»Zuerst wird Maisy gestriegelt, und dann sollst du duschen, sagt Fredo.«

Drei

Der Torsummer geht abends um kurz nach sechs.

Popeye, Sheri und ich sitzen schweigend und vollgegessen im Wohnzimmer, nachdem wir die Reste von dem Thai-Essen verputzt haben, das wir mittags bestellt hatten. Das plötzliche Geräusch lässt uns alle gleichzeitig zusammenzucken. Ich rücke auf der Couch nach vorn, die Augen weit aufgerissen und die Hände gefaltet.

»Ich mache auf«, sagt Sheri und geht in die Küche, um auf den Monitor der Sicherheitskamera vom Tor zu schauen.

Der Summer war heute mehrfach ertönt – als unser Essen geliefert wurde, als eine der neugierigen Nachbarinnen von weiter hinten in der Straße mehr Tratsch hören wollte, und einige Lokalreporter sind auch da gewesen, um zu fragen, was die Familie zu Everett Hardings schockierender Affäre sagt. Sheri hatte ihnen durch die Gegensprechanlage höflich, aber bestimmt geantwortet: »Kein Kommentar.« Ich bin mir sicher, dass sie eigentlich meinte: »Ich verrate Ihnen, wohin Sie sich Ihre Notizblöcke stecken können.«

»Ist es wieder einer?«, rufe ich Sheri zu und wechsle einen misstrauischen Blick mit Popeye, der so missmutig reagiert wie auf alle Fremden, die bei seiner Ranch aufkreuzen.

»Nein«, sagt Sheri und sieht zu mir, sichtlich nervös. »Es ist deine Mom.«

»Endlich!«, hauche ich und springe auf.

»NEIN, Mila«, sagt Sheri so scharf und untypisch, dass ich prompt erstarre. Ich schaue fragend zu ihr. »Da draußen lauert bereits die Presse«, erklärt sie. »Um deinetwillen ist es besser, wenn sie dich nicht sehen. Bleib hier. Ich gehe deiner Mom helfen.«

Mit diesen Worten eilt sie zur Tür hinaus.

»Ich hasse dieses beknackte Leben«, murmle ich, als ich wieder zurück ins Wohnzimmer und dort ans Fenster gehe.

Ich fühle mich nutzlos, als ich beobachte, wie Sheri den Toröffner bedient. Alles geht so schnell, dass es praktisch verschwimmt.

In der Ferne sehe ich Mom. Sobald das Tor weit genug offen ist, quetscht sie sich durch den Spalt. Sie hat eine sehr große Sonnenbrille auf und zieht ihr Gepäck hinter sich her. Noch ehe sich das Tor ganz geöffnet hat, schließt Sheri es wieder. Allerdings kann ich vorher noch flüchtig die Horde Paparazzi ausmachen, die sich dort versammelt hat, sehe die nervigen Kamerablitze, die mich nun seit Wochen schon nicht mehr verfolgt haben. Die Presse in L.A. ist Mom jede Wette zum Flughafen gefolgt und hat dann den Kollegen in Nashville einen Tipp gegeben.

Das Tor schließt sich scheppernd und sperrt die Paparazzi aus. Aber sie werden nicht verschwinden, sondern die ganze Nacht dort draußen campieren. Wir kennen das Chaos, das diese Typen anscheinend auf Kommando anrichten können, und ich habe das schreckliche Gefühl, dass es … übel wird.

Ich sehe Moms Erleichterung an der Art, wie ihre Schultern einsacken und sie Sheri umarmt. Jetzt, da ich vor den neugierigen Augen abgeschirmt bin, gebe ich meinen Posten am Fenster auf und stürme so schnell nach draußen, dass ich beinahe auf den Verandastufen stolpere.

»Mom!«, rufe ich und laufe den Sandweg hinunter.

Ich will sie umarmen, will sie umarmen, will sie umarmen.

Ich muss von ihr hören, dass alles gut wird. Das muss ich von ihr gesagt bekommen.

»Psst!«, zischt Sheri und zeigt über ihre Schulter. Wir mögen außer Sicht sein, aber das bedeutet nicht, dass sie uns vor dem Tor nicht hören.

»Mila«, flüstert Mom, als ich bei ihnen bin, und schiebt ihre Sonnenbrille nach oben. Sie hat Tränen in den Augen, sieht aber so … beschämt, schuldig und gebrochen aus. »Es tut mir so leid.«

»Wag es ja nicht!«, knurre ich sie an, bevor ich sie fester als jemals zuvor umarme. Ich habe sie seit einem Monat nicht gesehen, und so hatte ich mir unser Wiedersehen nicht vorgestellt. Umarmungen? Klar. Tränen? Nein. »Dir muss nichts leidtun, Mom. Es ist Dads Schuld!«

»Ich bringe dein Gepäck nach drinnen, Marnie«, sagt Sheri und zieht Moms Rollkoffer zum Haus.

»Ist das ein Mist!«, stöhnt Mom, als wir uns widerwillig voneinander lösen. Sie tritt zurück und legt die Hände auf meine Schultern.

Ausnahmsweise ist sie nicht die schillernde Frau eines Filmstars. Sie ist vollkommen ungeschminkt, auch wenn die Wimpernverlängerungen noch da sind. Ich scheine vergessen zu haben, wie braun ihre Augen wirklich sind. Ihr dunkles Haar ist offen, hängt jedoch glatt und leblos herunter, unfrisiert. Sie trägt eine Jeans und ein Trägertop – ein Outfit, das normalerweise nur für zu Hause reserviert ist –, und schon daran erkenne ich, dass Mom zutiefst verletzt ist und Mühe hat zu funktionieren.

»Du siehst … anders aus«, sage ich. »Wie du.« Jünger, natürlicher, normal. Aber das behalte ich für mich.

»Und du hast sehr viele Sommersprossen!« Mom kneift mich in die Wange, und ich versuche nicht einmal, sie zu bremsen, weil ich so froh bin, dass sie hier ist.

»O, Mom.« Wieder umarme ich sie. »Ich kann nicht glauben, dass das wirklich passiert.«

»Weiß ich, Schatz.« Seufzend streicht Mom mir übers Haar, und ich bin mir nicht ganz sicher, ob sie damit mich oder sich selbst trösten will. »Aber wir kriegen das hin.«

»Marnie!« Popeyes tiefe, raspelnde Stimme ertönt von der Veranda und unterbricht uns. Er winkt und bedeutet uns, zu Sheri und ihm nach drinnen zu kommen.

Mom nimmt meine Hand, und gemeinsam gehen wir zum Haus. Wie nervös sie ist, merke ich daran, dass sie meine Finger sehr fest umklammert. Dies hier wird enorm unangenehm für sie, schätze ich. In Dads Elternhaus zu sein. Das letzte Mal ist sie vor Jahren hier gewesen, und dies sind kaum ideale Umstände für eine Rückkehr.

»Guten Tag, Wesley«, sagt sie, als sie sich langsam die Verandastufen hinauf müht. Es ist untypisch für Mom, ohne jeden Stil oder Eleganz aufzutreten, aber jetzt gerade muss sie nicht perfekt sein. Hier ist sie sicher.

»Dieser arrogante, egoistische Mistkerl«, brummelt Popeye kopfschüttelnd. Er kann seine Gedanken keine Sekunde länger für sich behalten. »Er ist nie zufrieden, oder? Wie hältst du dich?«

»Ich versuche, es zu begreifen«, gesteht Mom, ehe sie zu mir sieht. »Aber vergessen wir nicht, dass wir über Milas Vater sprechen, also beschränken wir die Beschimpfungen vielleicht auf ein Minimum.«

»Ach, Marnie, das arme Mädchen ist doch nicht blind!«, entgegnet Popeye, und ich sehe ihn staunend an. Wohin ist mein Großvater verschwunden, der gesüßten Tee trinkt und den Sonnenuntergang bewundert? In meiner Gegenwart ist er bisher immer so … sanftmütig gewesen. Aber bei Sheri? Und Mom? Bei ihnen ist er schlicht voller Wut und Ärger, ohne Filter.

Mom dreht sich zu mir. »Mila, ich bin so froh, dich zu sehen, Süße, aber kannst du uns vielleicht für eine Minute allein lassen?«

»Ihr müsst mich bei den Familiengesprächen nicht mehr ausschließen«, sage ich entschlossen und sehe sie an. »Ich bin sechzehn und kann damit umgehen.«

»O«, macht Mom. Sie betrachtet mich eine halbe Ewigkeit lang. Vielleicht fragt sie sich, wie viel erwachsener ich in dem letzten Monat geworden sein mag.

In Kalifornien hatte ich nichts infrage gestellt. Ich tat, was immer Ruben wollte, hielt mich an die Regeln und glaubte, unsere Familie wäre glücklich. Aber nach einem Monat in Tennessee, in dem ich Geheimnisse aufdeckte, bin ich nicht mehr ahnungslos, und Mom scheint dieser Gedanke zu entwaffnen.

»Marnie, möchtest du, dass ich dich zu deinem Zimmer oben bringe?«, fragt Sheri, die hinter Popeye auftaucht, nachdem sie Moms Gepäck auf deren Zimmer gebracht hat. Hier gibt es reichlich Gästezimmer, und Sheri und ich hatten schon abgesprochen, dass Mom das neben meinem bekommt.

»Eigentlich denke ich, dass wir uns lieber erst mal hinsetzen und reden«, antwortet Mom. »Bringen wir den schlimmsten Teil hinter uns, ja?« Sie versucht zu lachen, doch es klingt nur wie das traurigste, nervöseste Seufzen aller Zeiten.

»Guter Plan«, sagt Popeye. »Ich habe Fragen.«

Das wird nicht einfach, so viel weiß ich. Mom schafft es knapp, die Fassung zu wahren, und mich wundert, dass sie überhaupt so gefasst sein kann. Ich versuche, einen Blick mit ihr zu wechseln, als wir alle nach drinnen gehen, aber sie sieht mich nicht an. Im Haus schaut sie sich kaum um, hält den Kopf gesenkt und starrt zum Holzfußboden.

Im Wohnzimmer setzt Popeye sich in seinen abgewetzten Sessel. Sheri bleibt stehen und gibt vor, den Nippes auf dem Couchtisch zu ordnen, was es nur noch schlimmer macht; dann entschuldigt sie sich und geht in die Küche, um Wasser für uns alle zu holen. Mom und ich nehmen auf der Couch Popeye gegenüber Platz, und ich ringe die Hände, während ich mich frage, wer zuerst etwas sagen wird.

»Zunächst einmal«, beginnt Mom, »danke, dass ich hier sein darf. Ich weiß, dass es … kompliziert ist. Und ich bin aufrichtig dankbar. Es ist so viel besser für Mila.« Sie wirft mir einen schuldbewussten Seitenblick zu und berührt meine Hand. »Zu Hause ist es schon reichlich verrückt geworden.«

»Natürlich bist du hier willkommen«, murmelt Popeye, der sich kräftig die buschigen Brauen reibt und dann lauter und schroffer wird. »Aber was zum Teufel ist denn da drüben los gewesen? Denn es scheint, als hätte Everett mal wieder nur an sich gedacht, nicht daran, was sein Tun für die Menschen um ihn herum bedeutet. Wie oft will er noch denselben Fehler machen?«

»Dad!« Sheri sieht ihn streng an, als sie mit einem Wasserkrug und Gläsern zurückkommt. »Ein wenig Mitgefühl vielleicht?«

»Schon okay«, sagt Mom und hält eine Hand hoch. »Ich verstehe, wie du jetzt gerade für ihn empfindest, Wes, aber Mila ist hier.«

»Hatten wir nicht festgestellt, dass Mila alt genug ist, um hier zu sein?«, kontert Popeye.

»Ja«, springe ich rasch ein, drücke Moms Hand und nicke ihr zu. Ich bin kein Kind, das geschützt werden muss. Und ich will nicht nach oben auf mein Zimmer geschickt werden, wo ich mein Ohr an die Tür pressen muss, um etwas zu verstehen. Ich will an dieser Unterhaltung beteiligt werden, nicht mit einer beschönigten, verdünnten Version abgespeist. Und wie Popeye habe auch ich Fragen. »Wie hast du es herausgefunden, Mom?«

Sie seufzt, weil ihr klar wird, dass es keinen Sinn hat, das Thema vor mir zu umschiffen. »Ruben hat es mir erzählt.«

»Ruben?«, frage ich verwirrt. Ich habe angenommen, dass Mom es aus der Klatschpresse erfahren hat, wie der Rest der Welt … Und niemals hätte ich gedacht, dass sie es von Ruben weiß.

Mom nickt und holt tief Luft. »Er hatte Bescheid bekommen, dass einige Fotos durchgesickert waren … Deshalb hat er mich wenige Stunden vor dem Druck informiert. Allerdings nur, weil er dringend einen Plan zur Schadensbegrenzung brauchte. Ich fürchte, ich habe ihm gesagt, wohin er sich seine Strategie stecken kann, und bin direkt gegangen.«

»Konntest du mit Everett sprechen, bevor du gegangen bist?«, fragt Sheri, die sich endlich auf die Couch gegenüber setzt, kerzengerade und eindeutig genauso angespannt wie wir anderen.

Ich bin froh, dass Sheri fragt, denn dasselbe wollte ich auch wissen. Hat Mom überhaupt Dads Seite der Geschichte gehört, oder ist sie direkt geflohen?

»Ja«, antwortet Mom leise.

»Und?«, hakt Popeye nach. »Was ist diesmal seine Ausrede? Er hat sich in all den Jahren offensichtlich kein verdammtes bisschen geändert.«

Sheri sieht aus, als wollte sie im Erdboden versinken. Popeyes ständige Anspielungen auf Dads vorherige Affäre – die, die er mit Mom gehabt hatte – machen dies hier grausam unangenehm, um es milde auszudrücken. Mom ignoriert es, aber ich sehe ihr an, dass es ihr zusetzt.

»Na ja, ich … ich hatte einen Verdacht.« Sie trinkt einen Schluck Wasser, wobei mir auffällt, dass ihre Hand zittert. »Ich kann nur nicht glauben, dass er sich bewahrheitet hat.«

»Vermutlich kennst du die Zeichen, auf die du achten musst«, höre ich Popeye murmeln. Es ist kaum verständlich, weshalb ich mir einrede, ich hätte ihn missverstanden.

»Verdacht?«, frage ich erschrocken. Was für einen Verdacht hatte sie genau? Und wie kann ich nichts mitbekommen haben? Sicher, ich bin ihr Kind, aber dennoch … Mir bleibt die Luft weg.

»Tut mir leid, Mila«, sagt Mom. Ihre Unterlippe bebt, als sie näher zu mir rückt. »Ich habe versucht, es mit harmlosen Erklärungen abzutun, aber ich … ich wünschte, ich hätte mich längst richtig darum gekümmert. Vielleicht hättest du es dann nicht auf diese Art erfahren müssen. Vielleicht wären wir dann alle nicht in solch einer furchtbaren Lage.«

Popeye räuspert sich, und seine Stimme klingt barscher, als ich ihn je gehört habe. »Eine Lage, in die ihr LeAnne Avery gebracht hattet, ohne einen Gedanken an die Folgen zu verschwenden.«

»Dad! Wir sind nicht hier, um die Vergangenheit aufzuwühlen.« Sheri schlägt sich eine Hand vor den Mund und starrt meine Mom an. »Es tut mir so leid!«

Mom schweigt. Sie starrt Popeye an, und ich erkenne Kränkung in ihrem Blick, aber ihre Miene wirkt seltsam unverschämt. »Wesley, bitte. Das ist doch eine uralte Geschichte, Schnee von gestern, und um Milas willen, können wir bitte zivilisiert bleiben? Du musst kein Mitleid mit mir haben, aber nimm bitte etwas Rücksicht auf Mila.«

Sheri hat ihre Hand inzwischen über ihre Augen gelegt, als könne sie nicht hinsehen, erwarte eine echte Explosion. Derweil kann ich nur denken: Also mag Popeye Mom wirklich nicht?

Es ist verblüffend, wie viele Details man übersieht, wenn man jung ist. Vor vier Jahren, als wir alle zu Thanksgiving hier waren, gab es keine Spannungen, kein Drama. Nur Lächeln und fröhliches Lachen an dem üppig gedeckten Esstisch. Aber damals hatte ich nicht zwischen den Zeilen gelesen. Ich ahnte nicht, dass ich es musste. Jetzt hingegen ist mir die erdrückende Atmosphäre schrecklich bewusst.

Popeye richtet sich trotzig auf, und als er an der unglücklichen Sheri vorbeischlurft, sieht er mich an. »Mila, ich würde dich um nichts in der Welt anders haben wollen. Aber es ist ein himmelschreiender Jammer, dass deine Eltern so selbstsüchtig sind.«

Vier

Es ist der längste, unerträglichste Abend meines Lebens.

Popeye und Mom reden nicht miteinander. Sheri sagt, es wäre nur zu hitzig geworden und würde besser, wenn sich die Aufregung erst gelegt hat, aber ich habe da meine Zweifel. Anscheinend ist Popeye zu stur, um etwas anderes zu tun, als seine Meinung zu äußern, und was soll Mom tun? Stumm herumschleichen, bis sie auf die eine oder andere Art zu einer Einigung mit Dad gekommen ist? Und wie soll das passieren, solange er Tausende Meilen weit weg ist? Will