Mimi, Roberta und der König - Viveca Lärn - E-Book

Mimi, Roberta und der König E-Book

Viveca Lärn

0,0

Beschreibung

Endlich hat Mimi zu ersten Mal Sommerferien. Schon komisch, dass man erst sieben Jahre warten muss, um überhaupt Sommerferien zu bekommen. Wenn man nicht gerade zum Zahnarzt muss, sind Sommerferien eine tolle Erfindung. Man muss weder schreiben noch Betten machen und kann den ganzen Tag Eis essen. Mimi fährt sogar mit dem Nachtzug in den Urlaub. Ihre Freundin Roberta bekommt in den Sommerferien Besuch vom König in Göteborg und schreibt ihr viele Briefe. Außerdem lernt Mimi Lasse kennen und mit einem Freund wie Lasse machen die Sommerferien umso mehr Spaß. Biografische Anmerkung Viveca Lärn wurde 1944 als Tochter des Journalisten und Zeichners Hubert Lärn in Göteborg geboren. Nach einer Karriere als Journalistin bei verschiedenen schwedischen Zeitungen beschloss sie im Jahr 1983, sich vollständig dem Schreiben von Büchern zu widmen. Seit ihrem ersten Kinderbuch aus dem Jahr 1975 hat sie insgesamt 40 Kinderbücher veröffentlicht. Berühmt wurde sie vor allem durch die Mimmi-Buchserie, die mit dem Buch "Mimmi und das Monster im Schrank" eingeleitet wurde. Viveca Lärn wurde mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet, darunter der Astrid Lindgren-Preis, die Nils Holgersson-Plakette und Expressens Heffaklumb.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 113

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Viveca Lärn

Mimi, Roberta und der König

Deutsch von Angelika Kutsch

Zeichnungen von Eva Eriksson

Saga

Mimis Vorwort

Wir sind ins Schreibwarengeschäft gegangen, Papa und ich.

«Das haben wir gleich», sagte Papa fröhlich und guckte auf die Uhr. Aber er versteht nichts von einem Tagebuch. Das kauft man doch nicht einfach so im Vorbeigehen. Nicht in einer Viertelstunde und auch nicht in einer halben Stunde. Es gab rosa Tagebücher mit weißen Hunden drauf, karierte mit linierten Seiten, dicke schwarze mit roten Rändern aus China, rote mit weißen Herzen ...

Papa seufzte und stöhnte. Dann sagte er, um mich zu ärgern: «Soll ich fragen, ob sie noch mehr Tagebücher zur Auswahl haben?»

Ich tat so, als hätte ich nichts gehört. Da ging er zu dem Regal in der nächsten Abteilung und guckte sich alte Donald-Duck-Comics an.

Genau in dem Augenblick fand ich das Tagebuch, von dem ich immer geträumt hatte (obwohl ich es nicht wusste). Ein dunkelblaues mit gelben kleinen Kronen drauf. Es sah so königlich aus! Ich hab eine Freundin, die heißt Roberta Karlsson, und sie ist sehr königlich. Weil sie nämlich mit Gustav Vasa verwandt ist. Ich bin das leider nicht. Gustav Vasa war vor vielen hundert Jahren König bei uns und hat uns von der Herrschaft der Dänen befreit. Roberta hat es mir erzählt, damit ich es weiß. In der Schule krieg ich Gustav Vasa erst später.

«Das hier nehm ich», sagte ich zu Papa.

Aber er murmelte nur was vor sich hin und blätterte in den Donald-Duck-Comics.

«Soll ich fragen, ob sie noch mehr Donald Duck zur Auswahl haben?», fragte ich.

Da lachte er und nahm mich in die Arme, und dann gingen wir nach Hause.

All das hab ich in mein neues tagebuch geschrieben!

8. Juni

Wenn man erst mal lesen kann, kann man überhaupt nicht damit aufhören, und so ist das bei mir auch. Seitdem ich lesen kann, seh ich überall Wörter. Über dem Geschäft mit den Pelzpantoffeln steht «Johanssons Schuhe». Ich muss das Schild einfach lesen, wenn ich dran vorbeigeh. Und das kommt daher, weil ich jetzt lesen kann. Ich brauchte das Schild gar nicht zu lesen. Ich weiß ja, dass der Laden mit den Pelzpantoffeln Enok Johansson gehört.

Beim Frühstück ist es dasselbe. Ich esse Müsli mit Milch, und sofort muss ich lesen, was auf der Milchpackung steht. Da stehen so wichtige Sachen wie:

«Herr Bell hat das Telefon erfunden.»

Oder:

«Trink Milch zum Frühstück, das ist gesund – doch zum Rülpsen gibt es keinen Grund.»

All so was lese ich, weil ich nun mal lesen kann.

Ich kann auch sehr gut geradeaus auf meinem Fahrrad fahren. Ich kann sogar mit der linken Hand loslassen und mich ganz schnell am Ohr kratzen, aber das darf man nicht. Ich erinnere mich noch gut, wie das war, als ich noch nicht Rad fahren konnte und meine Mama hinten am Gepäckträger hing und zog, damit ich nicht umkippte. Damals war das Radfahren sehr anstrengend.

Aber jetzt kann ich allein Rad fahren. Neulich hab ich ausprobiert, wie das war, als ich es noch nicht konnte. Es ging nicht mehr. Wenn man etwas kann, dann kann man es.

Ich hab unserer goldigen Lehrerin erzählt, dass ich nicht aufhören kann zu lesen. Da sagte sie, wie gut es ist, dass das Schuljahr Freitag zu Ende ist. Dann könnte ich mich den Sommer über noch ein bisschen erholen vom Lesen, bevor ich in die zweite Klasse komme. Ich fand, ihre Stimme klang ein bisschen müde.

9. Juni

Morgen ist die Abschlussfeier. Mama hat mir vierzehn Zöpfe geflochten, gleich nach dem Baden, als mein Haar noch nass war. Mit diesen Zöpfen geh ich auch schlafen. Ich möchte morgen so gern Engelshaar haben. Das kriegt man, wenn man mit nassen geflochtenen Haaren schläft. So eine Frisur hab ich schon einmal gehabt, aber da hab ich es nicht mal eine Viertelstunde ausgehalten, und dann musste Mama die Zöpfe wieder aufmachen. Wenn ich es heute Nacht auch nicht aushalte, bin ich jedenfalls nicht schuld.

«Wer dann?», fragte Papa. Er hat eben keine Ahnung von Frisuren.

Mama hat mein Kleid mit den Punkten an die Tür von meinem Kleiderschrank gehängt, meine roten Sandalen darunter gestellt und die neuen weißen Kniestrümpfe reingelegt.

So zieht man sich zur Schulabschlussfeier an, sagt Mama. Alle schwedischen Mädchen haben sich immer so angezogen. Die Mädchen also, die sich das leisten konnten. Früher sind viele so arm gewesen, dass sie sich Ziegelsteine unter die Füße legten, die sie mit Schnürbändern festbanden. Anstelle von Sandalen. Strümpfe hatten sie auch nicht.

Dann holte Mama ihr Frotteekleid mit Leopardenmuster hervor.

«Gehst du zu einem Maskenball?», fragte Papa.

«Nein, morgen ist Mimis Abschlussfeier in der Schule, das weißt du doch», sagte Mama. «Schade, dass dir dein Chef nicht freigegeben hat. Sonst hättest du auch mitkommen können.»

«Willst du das kleid zu meiner abschlussfeier anziehen?», schrie ich. «Nie im leben!»

Mama sah ganz erstaunt aus. «Was soll ich denn sonst anziehen?»

«Das», sagte ich, «und das.» Und ich holte ihre rote Kordhose vor und den schwarzen Pullover. Darin sieht sie fast wie eine ganz normale Mama aus. Aber meine weiß nicht, wie eine richtige Mama aussieht. Ich hab’s nicht immer leicht.

10. Juni

Ich hab’s ausgehalten. Als Mama meine Haare auskämmte, waren sie ganz kraus. Aber wir hatten Windstärke acht, wenn ihr versteht, was das bedeutet. Das weiß man, wenn man wie ich an der Westküste von Schweden wohnt. Windstärke acht, das bedeutet «Engelshaar auf Wiedersehen!». Schon als ich an Johanssons Schuhgeschäft vorbeiging, war mein Haar genauso glatt wie sonst.

Enok Johansson stand vor seinem Laden und stellte Pelzpantoffeln auf einen Ständer, lauter linke Pelzpantoffeln.

«Zwei hübsche Damen», sagte Enok. «Ihr seht aus, als ob ihr auf eine Schulabschlussfeier gehen wolltet.»

Enok kann zwei und zwei zusammenzählen, wie meine goldige Lehrerin das nennt.

Der Hausmeister hatte die Fahne gehisst, und das Schulorchester stand in einer Ecke des Schulhofs und spielte. Alle hatten die gleichen weißen Pullover an. Ihre Notenblätter wehten dauernd weg. Die Spieler mussten rumlaufen und die Noten wieder einsammeln. Jedenfalls spielten sie «Im Frühtau zu Berge». Das hab ich sehr gern. Roberta Karlsson, die in die dritte Klasse geht, spielt auch mit im Orchester. Ich hab sie wohl gesehen, wie sie dastand und auf ihrer Flöte blies. Aber ich hab so getan, als hätte ich sie nicht gesehen. Sonst bildet sie sich noch was drauf ein.

Alle aus meiner Klasse und ihre Mamas und Papas standen in einem Extrahaufen zusammen. Mama und ich kamen natürlich zuletzt. Die Mädchen waren besonders schön angezogen, die Jungen sahen komisch aus. Björn trug sogar eine Fliege! Keine Fliege, die fliegt, nein, eine unterm Kragen wie ein alter Opa. Aber auch die konnte jeden Augenblick wegfliegen bei dem Sturm. Die anderen Klassen standen auch jeweils in Gruppen zusammen.

Dann kam unsere goldige Lehrerin. Sie sah hübsch wie ein Marzipanschwein aus. Rosa Kleid mit weitem Rock und rosa Schuhe. Und sie lächelte wie eine Sonne. Sie begrüßte alle Eltern, nicht mit Handgeben. Aber sie nickte allen sehr vornehm zu. Ich hätte sie in den Arm beißen mögen, so goldig war sie.

Aber ich hab es nicht getan.

Dann kam der Direktor in einem karierten Jackett. Sportlich hüpfte er auf eine Holzkiste. Als er so sportlich hinaufsprang, schrien alle aus den sechsten Klassen «Buuh!». Die sind ja verrückt. Und trotzdem sagte er nur Nettes über sie.

«Lebt wohl, liebe Sechste», sagte er, «jetzt sehen wir uns nie wieder. Ihr wechselt auf eine andere Schule. Aber wenn ihr mal alt seid, werdet ihr euch an uns erinnern, und dann wisst ihr, dass dies die beste Schule war.»

Dann sagte der Direktor noch so einiges, was ich leider nicht verstand, weil Linda sich an mich rangeschlichen und mir einen Zettel zugesteckt hatte. Seine Ränder waren ganz fusselig. Ich entfaltete ihn und las:

«Ich gehe jeden Tag nach Liseberg. Tschüs, Linda.»

Liseberg, das ist unser Vergnügungspark in Göteborg.

Plötzlich wurde es ganz still. Dann fingen einige an zu kichern. Dem Direktor waren die Zettel weggeweht, von denen er seine Rede ablas, und jetzt versuchte er, die Zettel zu erwischen.

Einige Lehrerinnen rannten auch hinterher. Schließlich hatte er alle Papiere wieder beisammen und konnte auf seine Holzkiste zurückkehren. Aber diesmal sprang er nicht ganz so sportlich.

Er guckte auf den Zettel, und dann sagte er:

«Ich wünsche euch allen einen wunderschönen Sommer. Und denkt immer daran: Springt niemals in unbekannte Gewässer.»

Dann kam ein Pastor mit Bart und schaute hinauf in den Himmel.

«Ich möchte wissen, ob die Vögel sprechen können», sagte er. «Ich glaube, sie können es. Passt auf euch und die Vögel auf. Im richtigen Himmel sind alle nett zueinander.»

Alle aus unserer Klasse guckten hinauf in den Himmel. Dort oben segelten nur ein paar Wolken und Möwen. Er sah aus wie der richtige Himmel. Aber der Pfarrer sagte, der richtige Himmel ist jenseits von alldem hier. Vielleicht sieht man deswegen oft so wenige Möwen, wenn man zum Himmel hinaufschaut. Sie sind zu weit geflogen. Aber ich hab schließlich meine eigene Fellmöwe. Die heißt Alfons.

Dann sangen wir «Geh aus, mein Herz, und suche Freud», und fast alle Mamas und Papas weinten. Meine Mama schluchzte am lautesten. Ich fand es ja auch feierlich, aber wir haben das Lied mehrere Wochen lang geübt, deshalb bin ich schon dran gewöhnt und brauch nicht zu weinen.

Schließlich sagte unsere Lehrerin «tschüs» und gab uns allen die Hand. Jeder kriegte ein kleines Stück Papier. Darauf stand, wann das nächste Schuljahr beginnt.

Es war eine schöne Abschlussfeier, nur ein bisschen stürmisch.

13. Juni

Als ich heute Morgen aufwachte, wusste ich sofort, dass ich Sommerferien hab. Meine Füße waren ganz heiß und müde. Ich beguckte meine Hände und sah, dass sie auch abgearbeitet aussahen. Das kommt daher, weil ich in der ersten Klasse so viel schreiben musste.

«Ihr dürft euch den ganzen Sommer erholen», sagte ich zu meinen kleinen Händen. Dasselbe haben der Direktor, unsere Lehrerin und der Pastor gesagt. «Ihr braucht nicht zu schreiben und keine Betten zu machen, nicht abzuwaschen und nichts zu tragen, was schwerer ist als ein Eis.»

Sommerferien sind wunderbar. Es ist wirklich ungerecht, dass man erst sieben Jahre alt werden muss, ehe man Sommerferien kriegt. Dann ist man vielleicht müde!

Ich wollte bis elf im Bett bleiben. Mindestens. Wenn dann die Sonne schien, wollte ich aufstehen, wenn es aber regnete, wollte ich auch aufstehen. Es ist gefährlich, länger als bis elf Uhr im Bett zu bleiben. Dann kann man sich wund liegen. Das hab ich mal gehört. Und ich möchte mich nicht wund liegen. Als ich noch darüber nachdachte, kam Mama herein und sagte: «Die Post ist da.»

Das war wirklich ein komischer Satz am ersten Montag in den Sommerferien. Ich finde, es ist überhaupt nichts Besonderes, dass jeden Tag die Post kommt. Mein Papa ist nämlich Briefträger, ich weiß genau, wie es zugeht.

Aber Mama hatte eine weiße Karte in der Hand.

«Du musst zum Zahnarzt», sagte sie. «Wir haben einen Termin, morgen um Viertel nach elf.»

Ich vergaß meine müden Füße. Sprang aus dem Bett wie ein Gummiball und schrie.

«Ich geh in den Sommerferien nicht zum Zahnarzt! Das glaub ja nicht! Willst du mir meine ersten Sommerferien kaputtmachen?» Und dann warf ich mich aufs Bett und weinte und weinte, und Mama saß neben mir und seufzte und redete und stöhnte.

«Aber Mimi», sagte sie, «hör doch mal, Mimi. Du bist immer so gern zum Zahnarzt gegangen. Du hast doch noch nie ein Loch im Zahn gehabt! Und gerade jetzt, wo du vier neue Zähne hast. Erinnerst du dich nicht an die Zahnärztin? Die mit den braunen Locken? Du hattest sie doch so gern letztes Mal. Und wenn du diesmal ein winziges Loch hättest, obwohl ich das nicht glaube, dann kriegst du eine Spritze. Und die Spritze tut nicht mehr weh als ein Mückenstich, und dann schläft dein kleiner Zahn, und du fühlst nichts. Und vielleicht schenkt dir die Zahnärztin einen Button, wenn alles vorbei ist. Du erinnerst dich doch noch an die Buttons in der Blechschachtel? Wär das nicht gut?»

Aber ich lag nur da und starrte an die Decke. Eine Woche eher wäre ich losgehüpft und hätte nur gelacht über den Zahnarztbesuch. Aber in den Sommerferien – das war grausam!

«Ich glaub, es wird ganz prima», sagte Mama und öffnete eine Tür von meinem Kleiderschrank. Da fiel ihr einiges entgegen. «Der Winter ist vorbei, jetzt ist Sommer.» Sie sah sich ein Paar Wollfäustlinge an, und es klang, als ob sie mit den Handschuhen redete. Damit war das Gespräch über den Zahnarztbesuch wohl zu Ende.

Immer noch der 13. Juni

Ich klingelte an Robertas Tür. Sie machte sofort auf, und ich fiel fast in Ohnmacht, denn Roberta hatte einen großen Tintenfisch in der einen Hand. Sie warf ihn an die Wand, und der Fisch lief an der Tapete runter.

«Lebt er?», fragte ich. Ich hatte ein bisschen Angst.

«Klar lebt er, was denkst du denn», sagte Roberta und kam heraus und machte die Tür hinter sich zu. Wir gingen auf den Spielplatz. Da duftet es im Juni so gut nach Jasmin, das mag ich sehr.

Auf dem Spielplatz waren neue Kletternetze aufgespannt. Wir kletterten hinauf, und ich legte mich auf den Rücken.

«Morgen um Viertel nach elf muss ich zum Zahnarzt», sagte ich.

«Prima!», rief Roberta und schoss in die Höhe. «Lass mich mal sehen, ob du Löcher hast.»

«Das kannst du doch nicht sehen», sagte ich. Ich lag da und guckte in den Himmel. Heute waren besonders wenig Möwen zu sehen.

«Klar kann ich das, meine Mama ist schließlich Zahnärztin», sagte Roberta. «Warte mal.» Sie kletterte nach unten, kam aber schnell mit einem Stöckchen zurück, das sie aus der Sandkiste geholt hatte.