Mimis allerbester Freund - Viveca Lärn - E-Book

Mimis allerbester Freund E-Book

Viveca Lärn

0,0

Beschreibung

Mimi ist froh bis in den Bauch hinein und das, obwohl Weihnachten schon seit Ewigkeiten vorbei ist. Sie hat nämlich Besuch von Lasse, den sie in den Ferien kennengelernt hat und Lasse ist ihr bester Freund. Er und seine Mutter wollen eine ganze Woche bei Mimi in Göteborg bleiben. Sie gehen Schlittschuhlaufen und in die Markthalle und Lasses Mutter trinkt Kaffee aus der Untertasse. Eigentlich will Mimi Lasse die ganze Stadt zeigen, aber der will ständig nur Autokennzeichen notieren. Bei ihm in Norrland gibt es nämlich nicht so viele Autos wie in der Stadt. Biografische Anmerkung Viveca Lärn wurde 1944 als Tochter des Journalisten und Zeichners Hubert Lärn in Göteborg geboren. Nach einer Karriere als Journalistin bei verschiedenen schwedischen Zeitungen beschloss sie im Jahr 1983, sich vollständig dem Schreiben von Büchern zu widmen. Seit ihrem ersten Kinderbuch aus dem Jahr 1975 hat sie insgesamt 40 Kinderbücher veröffentlicht. Berühmt wurde sie vor allem durch die Mimmi-Buchserie, die mit dem Buch "Mimmi und das Monster im Schrank" eingeleitet wurde. Viveca Lärn wurde mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet, darunter der Astrid Lindgren-Preis, die Nils Holgersson-Plakette und Expressens Heffaklumb.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 98

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Viveca Lärn

Mimis allerbester Freund

Deutsch von Angelika Kutsch

Zeichnungen von Eva Eriksson

Saga

Montag, 27. Dezember

Sobald ich aufgewacht war, dachte ich:

Ich bin so froh. Ich bin so besonders froh. Warum bin ich heute nur so froh?

Weihnachten war ja schon seit tausend Jahren vorbei. Ich hatte auch noch keinen Zahn wieder verloren. Ich hatte ganz bestimmt keine kleine Schwester, keinen Hund oder Bruder und auch keine Locken gekriegt.

Ich schüttelte ein bißchen den Kopf, wie ich da so im Bett lag, um ordentlich wach zu werden und herauszubekommen, warum ich bis in den Bauch froh war. Und als ich den Kopf nach rechts schüttelte (guten Tag, guten Tag), da wußte ich plötzlich, warum ich so froh war.

Auf dem Fußboden neben meinem Bett lag eine blaue Matratze mit weißen Kommas drauf. Und auf der Matratze lag sehr unordentlich eine alte Decke mit grünen Kamelen.

Ratet mal, was über den Kamelen herausguckte? Richtig – ein nettes kleines Ohr, das gerade richtig vom Kopf abstand!

Und um das Ohr herum? Richtig – massenhaft dünnes nettes helles und struppiges Haar! Das Haar war natürlich an Lasse dran, und genau aus dem Grund war ich so besonders froh.

Nicht weil Haar und Ohr immer noch an Lasse dran waren, sondern weil Lasse selbst dort lag und schlief.

Lasse aus Norrland würde eine Woche bei mir in Göteborg wohnen.

Und Lasse ist jedenfalls mein allerbester Freund.

Wenigstens von den Jungen.

27. Dezember

aber etwas später

Es war fast unmöglich, Lasse wachzukriegen. Schließlich versuchte ich es damit, daß ich Sachen nach ihm schmiß. Ich fing ein bißchen vorsichtig mit vier rosa Büroklammern an, aber er rührte sich nicht. Da warf ich etwas härteres Zeugs: einen Mokassin, ein Radiergummi mit Geruch (mein bestes) und schließlich meine Pelzmöwe, die Alfons heißt. Ich weiß genau, was es für Sachen waren, denn nach dem Frühstück mußte ich sie alle selber aufheben. Gäste brauchen nämlich nicht aufzuräumen, sagt Mama.

Aber Lasse wurde erst wach, als seine Mama, die aussieht wie eine Tanne, ins Zimmer geschwirrt kam, ohne anzuklopfen.

»Oh, Lasse, mein kleiner Liebling, wie geht’s dir? Du hast doch hoffentlich nicht gefroren? Es ist ja so windig hier in Göteborg«, jammerte sie und kniff ihn in die Backen.

Da endlich machte Lasse die Augen auf.

Und kaum hatte er das getan, warf er beides von sich, die Kameldecke und seine Mama und stürzte zum Fenster. Rauf mit dem Rollo und das mit einem mächtigen Krach, von dem mein Papa sagt, daß er verboten ist, denn dann landet eine wichtige Schraube im Blumentopf. Aber das war Lasse doch egal. Er riß das Fenster auf, daß mindestens ein Zwerg und drei Oblaten wegflatterten, und dann starrte er auf die Straße und schrie:

»Beeil dich, Mimi! Wir müssen runter und Autonummern sammeln.«

Ich hatte mir natürlich vorgestellt, daß wir uns erst mal verschiedene Sachen in meinen Schreibtischschubladen angucken würden, aber so sind eben die Norrländer.

Viel später

Vierundsechzig Autokennzeichen in einer Viertelstunde! Lasse war wirklich beeindruckt.

»Wenn es zu Hause in Norrland so zuginge, würde ich es nie rechtzeitig in die Schule schaffen«, sagte er. »Dann würde ich mitten auf der Straße auf einem Stuhl sitzen und immer nur Nummern aufschreiben. Und wenn ich groß bin, würde ich alle Autonummern in einen Computer eingeben.«

Ich war sehr stolz, daß Lasse meine Stadt so sehr mochte, mein Göteborg. Aber seine Mama stellte die Kaffeetasse so hart auf den Unterteller, daß der Kaffee überschwappte.

»Bist du ohne mich auf die Straße gegangen?« schrie sie. »Lasse, das darfst du auf keinen Fall tun!«

Ich guckte auf mein Butterbrot und pulte ein bißchen an den Wurstscheiben herum, damit Lasse sich nicht so blöd fühlte. Aber das tat er nicht.

»Papperlapapp!« rief er nur.

Lasse ist so witzig.

»Hätten wir diese Reise nach Göteborg bloß nicht gemacht«, nörgelte seine Mama weiter. »Großstädte bringen nur Unglück.«

»Guck lieber, was du mit deinem Kaffee angestellt hast«, sagte Lasse mutig.

»Warum soll ich meinen Kaffee nicht aus der Untertasse trinken, wie man das in Norrland macht?« zischte seine Mama und kippte sich den Kaffee direkt von der Untertasse in den Mund. Das sah ungeheuer lustig aus, jedenfalls fanden das meine Mama, mein Papa und ich samt dem großen getupften Hund Plutten von meiner Tante. Und wenn Plutten etwas lustig findet – dann merkt man das wirklich. Er zuckte mit den Ohren, kläffte und landete mit einem kleinen Tigersprung auf dem Küchentisch und versuchte, sich in den Brotkorb zu legen. Er hat keine Ahnung, wie groß er in Wirklichkeit ist.

»Geht es immer so lustig zu bei euch in Göteborg?« fragte Lasse.

Ich war so stolz, daß ich das ganze Wurstbrot auf einmal in den Mund stopfen mußte. Plutten sah mich böse an. Er mag Leute, die keine Tischmanieren haben, nicht.

»Jaha«, sagte mein Papa plötzlich. »Jetzt wollen Mimi und ich euch unsere hübsche Stadt zeigen. Ich mag zwar Denkmäler und frische Luft am liebsten, aber heute werden wir wohl auch in einige Museen gehen müssen. Wir fangen mit dem Götaplatz an, wo die berühmte Prachtstraße Avenyn beginnt ...«

»Das hast du dir vielleicht so gedacht, aber Lasse und ich haben was ganz anderes vor«, sagte ich. »Wir wollen Autonummern sammeln.«

»Genau«, sagte Lasse, »und Kennzeichen von Motorrädern.«

»Und Lasse soll nicht auf die Straße laufen, denn mein Lasse und ich fahren zu Ikea und kaufen Gardinen.«

Papa stöhnte.

»Ihr seid doch nicht Hunderte von Kilometern aus dem Urwald zur Perle der Westküste gereist, nur um euch alte Gardinen anzugucken!« brüllte er.

»Nein, neue Gardinen, Dummchen«, sagte Lasses Mama und goß noch ein bißchen Kaffee in die Untertasse.

»Wenn das so ist, nehm ich den Bus und fahr raus in meinen Schrebergarten und schipp Schnee«, sagte Papa seufzend.

Mamas Gesicht tauchte über der Morgenzeitung auf.

»Ausgezeichnet«, sagte sie »jeder macht, was er will. Und ich, ich werde Schlittschuh laufen auf dem Kungsplatz.«

»Ooooh«, riefen alle. »Darf ich mit?«

Mama legte erstaunt die Zeitung weg. Plutten schlug sofort seine Zähne hinein und fraß die ganze Seite mit den Kinoanzeigen auf.

»Was für ein Glück, daß niemand ins Kino will«, brummte Papa und verließ die Küche.

»Ich bin schon seit dreißig Jahren nicht mehr Schlittschuh gelaufen«, sagte Lasses Mama, als wir uns die Schlittschuhe auf dem Kungsplatz anzogen. Lasse und seine Mama hatten gemietete Schlittschuhe mit Nummern dran.

»Eigentlich wäre ich ja lieber zu Ikea gefahren«, jammerte sie weiter. »Aber ich will nicht, daß der Junge allein aufs Eis geht. Dann fahren ihn bestimmt irgendwelche Raudis über.«

»Was willst du denn machen, wenn dein Goldjunge in zehn Jahren zum Militär muß?« fragte Mama und kicherte boshaft. »Willst du ihn dann auch begleiten?«

»Ich werd wohl mit dem General reden und ihn fragen, wie er sich das denkt«, antwortete Lasses Mama ruhig. »Backpflaumen sind zum Beispiel nicht gut für Lasses Magen, und im Luftzug schlafen darf er schon gar nicht.«

Ich hatte Angst, Lasse könnte besser Schlittschuh laufen als ich, und das tat er leider auch, aber ich hab eine gute Singstimme, und darüber bin ich froh. Das sagte ich ihm auch sofort, als ich hinfiel. Aber er lachte nur.

»Sing doch«, sagte er.

Meine Eltern können sehr gut Schlittschuh laufen. Das ist ihr Glück, denn sonst hätten sie nicht mitkommen dürfen. Meine Mama sah ziemlich normal aus, wie sie da immer rundherum zum Takt der Musik fuhr. Sie hatte keine Tigerhosen oder so was an.

Aber Lasses Mama konnte überhaupt nicht Schlittschuh laufen. Ein Haufen Göteborger stand herum und amüsierte sich, wie sie durch die Gegend stakste. Niemand ahnte, daß sie aus Island ist. Na ja, daher kommt sie ja auch nicht direkt, aber jedenfalls aus einem Winterland. Lasses Mama trug einen Hut und eine Handtasche, während sie hinter Lasse herstolperte, um mit ihm Schritt zu halten. Aber um so was kümmert er sich nicht. Das kommt daher, weil er aus Norrland ist.

Schließlich hatten alle müde Füße – außer Lasse. Der sagte, er könnte noch tausend Runden drehen, ohne Luft zu holen.

Aber ich hab gesehen, daß er sich dreimal heimlich ausgeruht hat. Obwohl er behauptete, es wäre kein Ausruhen gewesen. Er mußte nur seine Ameisen zählen. Er hat nämlich acht tote Ameisen in einer Schachtel in seiner Hosentasche. Die braucht er, falls er Heimweh kriegt.

Als wir genug Schlittschuh gelaufen waren, wackelten wir in die Markthalle. Ich hatte ein Gefühl, als ob ich immer noch Schlittschuhe an den Füßen hätte.

»Ich hab ein Gefühl, als hätte ich immer noch Schlittschuhe an den Füßen«, sagte Lasses Mama.

»So was Blödes«, sagte Lasse.

»Total blöd«, sagte ich.

In der Markthalle sind die altmodischsten Geschäfte, die es gibt. Da wissen sie nicht mal, daß es Wagen gibt, mit denen man rumfahren und in die man Sachen legen kann. In der Markthalle gibt es viele kleine Geschäfte. Da muß man elf Stunden anstehen und warten, und wenn man endlich dran ist, muß man Laut sagen, was man will. Das ist sehr peinlich. Meine Mama liebt die Markthalle. Und wenn sie an der Reihe ist, dann sagt sie wirklich Sehr laut, was sie haben will. Ungefähr so: »Ein kilo rosenkohl!!!«

Ja, da steht man dann und schämt sich.

Meistens weigere ich mich, samstags mit in die Markthalle zu gehen. Man sieht ja sowieso nichts, weil die Tresen so hoch sind. Und außerdem riecht es nach Wurst und Käse und Zigarren und Brot.

»Was für ein lustiger Laden«, schrie Lasse, als er reinkam. Und dann warf er den Kopf zurück und starrte hinauf zum Glasdach.

»Was für ein herrliches Haus«, grölte er.

»Ja, es ist ganz gut«, sagte ich. »Ich geh jeden Samstag mit meiner Mama hierher.«

Aber Lasses Mama war nicht zu sehen. Wir suchten sie überall. Papa kaufte russisches Schwarzbrot, und schließlich fanden wir sie vor einem Stand, wo echte Sachen aus Norrland verkauft wurden. Da stand sie und blubberte vor Freude.

»Oh, Rentierfleisch«, sagte sie. »Oh, Ziegenkäse. Oh, Fladenbrot. Woij, woij.«

Papa wollte eigentlich Makrelen zum Mittagessen kaufen. Aber nun entschied er sich für Rentierfleisch.

Lasses Mama war überglücklich. Sie blieb am Tisch sitzen und knabberte Fladenbrot, und da konnten Lasse und ich nach draußen entwischen und Autonummern zählen, ohne daß sie ein Wort von Autos, Rabauken und Banditen sagte.

Lasse kriegte zweihundertneunzehn Autonummern zusammen und ich dreihundertvier, aber wir haben uns keinmal gezankt. Zwei soll Lasse heute abend übrigens von mir bekommen, denn schließlich ist er mein allerbester Freund.

Dienstag, 28. Dezember

Heute haben wir in aller Ruhe und friedlich gefrühstückt. Niemand hat gekleckert. Niemand hat geschrien. Sogar Plutten lag ganz still und anständig da und studierte seine Vorderpfote. Da sagte Lasses Mama:

»Ihr könnt sagen, was ihr wollt, aber heut geh ich zu Ikea und kauf Gardinen. Wer kommt mit?«

Am Frühstückstisch wurde es ganz still. Plötzlich stand Papa auf, guckte auf die Uhr und sagte:

»Ich hab gehört, daß der neue Samenkatalog da ist. Ich muß los und ein paar Samen kaufen. Man hat so viel zu tun, wenn man Besitzer eines Schrebergartens ist. Ich wollte mit frühem Gemüse anfangen wie Gurke und Cocktailtomaten, tja, obwohl ich die ja vorher ziehen muß. Wenn ich es schaffe, will ich das heute erledigen. Und dann brauch ich unbedingt einen selbstfeuchtenden Pflanzkasten. Es ist höchste Zeit, daß ich damit anfange ...«

Mama guckte zur Decke.

»Himmel«, rief sie, »da sind ja Spinnweben an der Decke. Ich muß heute wirklich mal weihnachtlich saubermachen. Die Leute müssen ja denken, wir sind kurzsichtig, wenn sie uns besuchen kommen.«

»Weihnachten ist doch schon vier Tage vorbei«, sagte ich. »Du brauchst doch jetzt nicht mehr sauberzumachen!«

»Wer redet denn vom vergangenen Weihnachtsfest«, sagte Mama schnell. »Ich meine doch das nächste Weihnachten. Es hilft nichts, ich muß heut zu Hause bleiben und saubermachen.«

»Und Mimi und ich sammeln Autonummern«, sagte Lasse so schnell, daß mir ganz heiß wurde.