Mimi und der Millionärsklub - Viveca Lärn - E-Book

Mimi und der Millionärsklub E-Book

Viveca Lärn

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Beschreibung

Es ist schon ein Unterschied, ob man Millionär ist oder nicht. Mimi und Arne finden, dass es nur Vorteile hat, wenn man Millionär ist und beschließen deshalb, selber welche zu werden. Dann könnten sie eine Keksfabrik kaufen und in einem roten Porsche mit Chauffeur zum See fahren. Und wenn man als Millionär auf der Straße mal zehn Kronen verliert, dann ist das gar nicht schlimm, denn man hat ja noch genug Geld übrig. Die Frage ist nur: Wie wird man Millionär? Biografische Anmerkung Viveca Lärn wurde 1944 als Tochter des Journalisten und Zeichners Hubert Lärn in Göteborg geboren. Nach einer Karriere als Journalistin bei verschiedenen schwedischen Zeitungen beschloss sie, sich vollständig dem Schreiben von Büchern zu widmen. Seit ihrem ersten Kinderbuch aus dem Jahr 1975 hat sie insgesamt 40 Kinderbücher veröffentlicht. Berühmt wurde sie vor allem durch die Mimmi-Buchserie, die mit dem Buch "Mimmi und das Monster im Schrank" eingeleitet wurde. Viveca Lärn wurde mit vielen Literaturpreisen ausgezeichnet, darunter der Astrid Lindgren-Preis, die Nils Holgersson-Plakette und Expressens Heffaklumb.

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Viveca Lärn

Mimi und der Millionärsklub

Deutsch von Angelika Kutsch

Saga

Erstes Kapitel

Die Luft war voller April, als wir Arnes kleinen Bruder Eddie von seiner Tagesmama abholten. Wir, das waren Arne, Maria Magnusson und ich.

Und April – das ist ein wunderbares Gefühl! Es war noch ganz hell, obwohl es schon fünf Uhr war, und ich fand, es duftete nach Frühling. Und das sagte ich auch.

«Ich finde, es riecht nach Steak mit Zwiebeln», sagte Maria Magnusson.

Wir guckten in jedes Küchenfenster entlang der Straße, und wir sahen mehrere Leute, die beim Essenmachen waren.

Maria Magnusson schnupperte sich sachkundig von Küche zu Küche. Neben jedem Küchenfenster ist ja so ein kleines Gitter, durch das die Dünste aus der Küche abziehen. Aber Steak mit Zwiebeln fand sie nicht.

«Fischstäbchen», sagte sie, «und beim letzten Abzug ist es Blutpudding, da bin ich ganz sicher. Wartet, hier riecht es – nein, das sind bloß Hamburger.»

«Holst du mich jetzt immer von der Tagesmama ab?», fragte Eddie und hob sein kleines Gesicht zu mir.

Mir wurde ganz warm, denn wenn ich eine Schwäche hab, dann für Arnes kleinen Bruder Eddie.

«Klar», sagte ich, «wenn du willst.»

«Das will ich aber nicht», sagte Eddie. «Du hast so eine blöde Nase.»

Ich seufzte ein bisschen, aber nicht sehr tief. Viele Jungs sind eben so.

«Ich weiß was», sagte Maria Magnusson. «Wir gehen zu Mimi nach Hause und essen Restaurantessen.»

Manchmal bringt meine Mama etwas zu essen aus dem «Goldenen Schwan», wo sie als Kellnerin arbeitet, mit nach Hause. Einmal, als sie chinesisches Allerlei mitgebracht hatte, kam Maria Magnusson vorbei, weil sie glaubte, ich hätte ihr Lineal in der Schule geklaut. Stattdessen kriegte sie etwas vom Allerlei ab, und da sagte sie, das mit dem Lineal mache nichts.

Das war eigentlich gemein, denn ich hatte ihr blödes Lineal ja gar nicht.

«Immer haben wir kein Restaurantessen zu Hause», sagte ich. «Manchmal gibt es auch was Selbstgemachtes.»

«Ach, und was zum Beispiel?», fragte Maria Magnusson interessiert. «Frikadellen mit sauren Gurken?»

«Kenn ich nicht», sagte ich. «Ich meine Fischstäbchen und schwedisches Allerlei.»

«Wir gehen lieber runter zum Fluss!», rief Arne plötzlich. «Da ist hoffentlich was los!» Arne gehört nicht zu denen, die stehen bleiben und abwarten, was die anderen meinen. Er haute einfach ab, und wir hinterher.

«Harne, Harne, warte!», rief Eddie.

Arne blieb stehen und drehte sich wütend um. «Du darfst nicht mit, wenn du nicht ordentlich redest, du Blödmann!», brüllte er Eddie an. «Du darfst im Herbst nicht in die Schule gehen, wenn du Harne statt Arne und heklig statt eklig sagst.»

Eddie fing an zu weinen und setzte sich, platsch, mitten auf den Gehweg mit seiner kaputten grauen Kordhose.

«Ich hab ja überhaupt nicht heklig gesagt», sagte er schluchzend.

«Komm, Eddie», sagte ich und zog ihn hoch. «Wir gucken mal nach, ob Indianer am Fluss sind.»

«Hindianer?» Eddies Gesicht leuchtete auf.

«Hindianer!», sagte Arne und verdrehte die Augen.

«Hist hier hüberhaupt jemand bei Verstand?»

Zweites Kapitel

Der Fluss, der durch unsere Stadt fließt, ist das ganze Jahr aufregend, und am gefährlichsten ist er im Frühling. Deswegen fangen alle Mamas an zu schreien, wenn man sagt, man will mal schnell runter zum Fluss.

Und die Papas schreien noch schlimmer, besonders die, die selbst an Flüssen gespielt haben, als sie klein waren.

Mein Papa hat ein sehr gutes Gedächtnis, wenn es um so was geht. Aber wenn er Schnupftabak genommen hat, dann erinnert er sich eine Minute später schon nicht mehr, wohin er ihn gelegt hat.

Wir taten also das Allereinfachste, Arne, Eddie, Maria Magnusson und ich. Wir gingen runter zum Fluss, ohne zu fragen. «Ich will meiner Mama keine Sorgen machen», sagte Maria Magnusson.

«Ich auch nicht», sagte ich.

Arne tippte sich an die Stirn. Er hat nie jemanden, den er fragen kann. Er ist sozusagen seine eigene Mama.

Am Flussufer war es kälter, und es war zu spüren, dass es bald Abend und dunkel werden würde. Große, eckige Eisschollen schwammen still vorbei. Zwischen ihnen war kaum Wasser, und manchmal klirrte es, wenn sie gegeneinander stießen. «Prost», sagte Eddie,«prost, prost!»

«Er hat leider einen Knall», sagte Arne.

«Prost! Prost! Prost, ihr alten Schnapsnasen!», schrie Eddie jedes Mal, wenn die Eisschollen gegeneinander klirrten. «Wenn man doch eine Keksfabrik hätte», sagte Maria Magnusson sehnsuchtsvoll und atmete den süßen Duft von Henrys Keks- und Brotfabrik ein, die oberhalb unserer Stelle am Flussufer liegt.

«Dann würde ich eine Billion Kekse am Tag essen», sagte Eddie.

«Quatsch, so viel kannst du gar nicht essen», zischte Arne.

«Halles, was ich sage, hist falsch», sagte Eddie und fing wieder an zu weinen.

«Äh», sagte Arne, «warum hältst du dann nicht die Klappe, statt die ganze Zeit dummes Zeug zu reden.»

«Guckt mal!», schrie Maria Magnusson und zeigte.

Die Abendsonne blitzte nicht nur in den Fensterreihen der Keksfabrik, sondern auch auf einem großen glänzenden Rolls-Royce, der vorm Haupttor vorgefahren war.

«Jetzt macht Henry eine kleine Abendspazierfahrt», sagte Arne. «Echt stark, wenn man mal eben bis nach Malmö oder so fahren könnte.»

«Malmö?», sagte Eddie und hörte auf zu weinen. «Was sollen wir in Malmö?»

«Ich hab ja nicht gesagt, dass du mitsollst», sagte Arne.

Eddie stürzte sich auf ihn und fing an, nach ihm zu treten und mit den Fäusten auf ihn einzutrommeln.

«Nee», sagte Maria Magnusson, «das reicht mir mit der Prügelei für heute. Ich geh jetzt nach Hause, essen.»

«Ich will auch nach Hause», sagte Eddie.

«Du bist doch blöd», sagte Arne. «Wir müssen bis sieben in der Stadt bleiben, bis Papa von Stockholm zurückkommt. Dann treffen wir uns bei der Kneipe.»

Wie traurig das klang! Allein die Vorstellung, man hätte keinen Ort, wohin man gehen könnte.

«Wisst ihr nicht, wo ihr hin sollt?», fragte ich seufzend.

«Der ganze Erdball gehört uns», sagte Arne und warf einen Stein durch Henrys Zaun, «falls du das noch nicht wusstest. Wo ich stehe, da gehöre ich hin. Da sind meine Wurzeln.»

«Hast du Wurzeln an den Füßen?», fragte Eddie erschrocken und starrte auf Arnes Gummistiefel.

Jetzt startete Henry, und der Kies knirschte unter seinen neuen Reifen.

«Wenn ich eine Million habe, kauf ich mir ein Wohnmobil mit tausend PS, und darin werde ich wohnen», sagte Arne.

«Die Frage des Tages ist nur, wie wir Millionäre werden sollen!», rief ich eifrig.

Arne stöhnte. «Die Frage des Tages» ist das Schlimmste in der Schule. Man muss sich Fragen ausdenken, nachdem man langweilige Artikel in der Tageszeitung gelesen hat, und dann müssen die anderen antworten. Wie heißt der Präsident? und so was Blödes. Janna sagt, Frau Svensson denkt sich so gemeine Sachen wie «Die Frage des Tages» bloß aus, weil sie schwanger ist. Schwangere, die Mörtel essen, sind nicht so anstrengend, sagt Janna. Mörtel zu essen, das ist ganz normal bei Schwangeren. Janna ist Expertin in solchen Fragen. Sie hat nämlich ungefähr neunzehn Geschwister und einen Kanarienvogel.

Drittes Kapitel

Bevor ich in unser Haus ging, warf ich noch einen Blick in das Schaufenster vom Süßigkeitenladen. Man muss ja immer auf dem Laufenden sein, ob neue Kaugummibilder gekommen sind. Eddie guckte auch interessiert, aber Arne trat nur nach einem vereisten Schneehaufen vor unserer Tür. In dem Augenblick kam Linda aus Elnas Schuhladen, Hand in Hand mit ihrer Mama. Ihr Gesicht leuchtete auf, als sie uns entdeckte, und sie zeigte auf ihre Füße.

«Kommt mal her und riecht an meinen Stiefeln, Arne und Mimi!», schrie sie.

«Nein, pfui Teufel», sagte Arne, «nicht für eine Million.»

Lindas Mama blieb stehen und sah ärgerlich aus.

«Das sind Stiefel mit Geruch, bist du schwer von Begriff?», sagte Linda wütend und streckte einen Fuß vor.

Aber Arne hielt sich die Nase zu, und da taten Eddie und ich das auch.

«Ich riech lieber an meinen eigenen Stiefeln, wenn ich was erleben will», sagte Arne mit erstickter Stimme.

«Was ist das denn für ein Benehmen!», rief Lindas Mama.

«Das sind Stiefel mit Geruch aus Amerika, schnallt ihr das nicht?», fauchte Linda. «Echte Mondstiefel mit Kaugummigeruch. Reib mal an den Zehen, dann riechst du es.»

«Niemals!», sagte ich und guckte Arne an.

Arne stöhnte nur und hielt sich die Nase zu.

«Komm, Linda, wir gehen», sagte ihre Mama streng. «Diese Kinder können das Wort Erziehung wahrscheinlich nicht mal buchstabieren.»

«Doch!», schrien Arne und ich im Chor. «E-R-Z-I-E-H-U-N-G!!» Linda und ihre Mama waren schon ein Stück weg, und ihre Rücken sahen richtig aufgeblasen aus. Plötzlich drehte Linda sich um und rief: «Erziehung schreibt sich aber mit k am Ende, falls ihr das noch nicht wisst!»

Wir gaben keine Antwort.

«Das waren die blödesten Stiefel, die ich jemals gesehen hab», sagte Arne. «Und ich hab schon ziemlich viel blöde Stiefel gesehen. In Stockholm zum Beispiel, der königlichen Hauptstadt.»

«Hast du da denn königliche Stiefel gesehen?», fragte ich. «Mit Kronen drauf?»

Arne nickte.

«Ich will auch Stiefel mit Geruch haben», sagte Eddie schluchzend. «Nie krieg ich Stiefel mit Geruch und nichts.»

«Halt die Klappe», sagte Arne. «Wir können uns keine Stiefel mit Geruch leisten. Du bist ja beknackt.»

Eddie dachte lange nach, während er in seinen Taschen suchte, vermutlich nach Geld. Aber er fand keins, nur einen Haufen anderer mehr oder weniger schrecklicher Sachen, die ich lieber nicht aufzählen will.

Arne setzte sich auf die Straße. Das macht er immer, wenn er nachdenkt. Wir setzten uns neben ihn.

«Ich hab keins gefunden», sagte Eddie, «kein Geld.»

«Still», sagte Arne. «Ich denk über was Wichtiges nach.»

«Wollen wir so lange Ball spielen?», fragte Eddie mich, und seine Augen leuchteten, dass ich ihn am liebsten hochgehoben und umarmt hätte. Das hätte ich leicht gekonnt, obwohl er sechs Jahre alt ist und ich acht, es sind also eigentlich nur zwei Jahre Unterschied zwischen uns. Aber ich heb Eddie nicht einfach hoch, wenn er mich nicht darum bittet. Man will ja schließlich keine runtergehauen kriegen.

Arne dachte lange nach, mindestens vier Minuten. Währenddessen wurde es ganz dunkel, und die Straßenbeleuchtung ging an.

Schließlich war er fertig.

«Wir müssen Millionäre werden», sagte er ernst.

«Warum nicht?», sagte Eddie und zuckte mit den Schultern.

«Klingt gut», sagte ich.

Wir saßen lange auf der Straße und dachten nach. Zum Glück gibt es Thermohosen. Wir grübelten und überlegten, aber weder Arne noch mir fiel auch nur ein einziger Nachteil ein, wenn man Millionär ist.

«Vielleicht», sagte Arne, «kriegt man Ärger, wenn man mitten in der Nacht durch eine dunkle Gasse geht. Da stürzt sich vielleicht eine Alte aus einem Tor auf einen und haut einem mit einem Knüppel auf den Schädel, und dann klaut sie den ganzen Packen Scheine, und da liegt man dann allein auf der Straße, nackt und arm.»

«Ja, das schon», sagte ich, «aber sonst gibt es wohl meistens nur Vorteile.»

Später am Abend, als Mama mir gute Nacht sagte, fragte ich, was sie tun würde, wenn sie Millionärin wäre. Dann würde sie auf der Stelle kündigen, sagte sie, und nicht einen einzigen Handschlag mehr in ihrem ganzen Leben tun.

«Aber wenn du nicht mehr im ‹Goldenen Schwan› arbeitest, kannst du ja nie mehr lachen und mit Roberto und Rodolfo italienische Pastalieder singen», sagte ich.

«Nein, das nicht», sagte Mama seufzend. «Aber ich kann ja ein eigenes Restaurant eröffnen und die beiden anstellen.»

«Doch nicht hier zu Hause bei uns?», fragte ich.

Am nächsten Morgen beim Frühstück fragte ich Papa, was er tun würde, wenn er Millionär werden würde. Er zögerte nicht eine Sekunde. Dann würde er sechzehn Kartons mit exklusiven Zwiebeln aus Holland kaufen, eine Kreuzung von dunklen Tulpen und blassen Orchideen.

«Warum nur sechzehn?», fragten Mama und ich im Chor. «Wenn du Millionär bist, kannst du sechzehntausend kaufen!»

«Aber das macht nicht solchen Spaß», antwortete Papa schniefend.

Viertes Kapitel

Manchmal wache ich morgens früher auf als alle Menschen auf der Welt.

Dann kann ich so gut denken.

Ich kann in meinem Bett liegen und auf die drei Punkte an der Decke gucken und mir wer weiß was für kluge und intelligente Sachen ausdenken.

Wenn ich allerdings fertig gedacht habe, überkommt mich eine große Schläfrigkeit und versetzt mir einen Schlag auf den Kopf, sodass ich innerhalb einer Sekunde tief einschlafe. Dann ist es immer Viertel vor sieben, und das ist in dem Augenblick, wenn mein Papa an meinem Bett steht und mich schüttelt und sagt, dass ich ein Langschläfer bin. Das ist ziemlich ungerecht.

Heute war so ein Morgen. Draußen war es ganz schwarz, als ich aufwachte, obwohl es April und alles und ganz still auf der Straße war.

Ich dachte an Arne und Eddie und ob sie schliefen. Sie wohnen in einem kleinen komischen kaputten Haus draußen auf dem Lande. Manchmal ist ihr Papa zu Hause, manchmal ist er nicht zu Hause, und dann kocht Arne und bringt den Abfall weg. Sein Papa hat einen blauen Laster, der ziemlich geil ist. Damit arbeitet er. Manchmal schlafen Arne und Eddie ganz allein da draußen im Wilden Westen. Das ist ja lebensgefährlich! Aber Arne wird furchtbar wütend, wenn ich ihn frage, ob er Angst hat. Er sagt, er steckt mich in den Basketballkorb in der Turnhalle, wenn ich ihn nochmal so was Blödes frage.

Während ich so toll nachdachte, fiel mir ein, dass Arne und Eddie, wenn wir Millionäre werden, die ganze Nacht die Lampen im Haus anlassen können, obwohl das so teuer ist. Dann schlief ich ein.

Auf dem Weg zur Schule dachte ich darüber nach, wie anders alles wird, wenn ich Millionärin bin und auf derselben Straße gehe.

Wenn ich zum Beispiel einen Zehnkronenscheina in meinem Rucksack als Spende für irgendeinen Verein hätte und wenn der Schein plötzlich aus meinem Rucksack flattert und auf der Straße landet ... Wenn mir das heute passierte, würde ich mich furchtbar aufregen und hinterherjagen und ihn wieder in meinen Rucksack stecken. Aber wenn ich Millionärin wäre, würde ich nur rufen: «Tschüs, du oller Zehner!»

Es ist ein großer Unterschied, ob man Millionär ist oder ob man keiner ist.

Aber in der Schule hatten wir nicht die kleinste Chance, an Geld und wichtige Sachen zu denken, denn unsere Lehrerin wollte, dass wir das Frühlingsfest planen.

«Klassenelternvertreter sind, wie ihr wisst, Eltern, die bestimmen, dass alle ein Frühlingsfest feiern und miteinander Spaß haben sollen», sagte Frau Svensson säuerlich. «Jetzt haben sie entschieden, dass das Fest am Sonntag, dem 10. April stattfinden soll. Das ist zufällig der Geburtstag meiner Mutter. Aber ich kann sie ja Weihnachten besuchen. Ja also», fuhr sie fort und stöhnte, «jetzt sollen wir entscheiden, wer eine Schnitzeljagd will und wer gegrillte Würstchen essen oder wer einen echten Bauernhof besuchen möchte, obwohl, das kann Johan wohl nicht, denn er ist ja allergisch ...»

Frau Svensson ließ sich schwer auf ihren Stuhl fallen, und Janna hob die Hand.

«Müssen wir so was jetzt planen?», fragte sie. «Können wir nicht lieber Mathe haben?»

Da lächelte Frau Svensson. Das war das erste Mal seit zwei Monaten.

«Ja», sagte sie. «Eigentlich sollte das ganz und gar die Sorge der Eltern sein. Ich hasse nämlich Würstchen.»

In der Pause kam Leben in uns.

Arne drückte mich in eine Ecke zwischen den Büschen bei der Turnhalle. «Hast du nachgedacht?», fragte er und starrte mich mit seinen dunklen Augen an.

«Klar», sagte ich. «Ich finde, wir können hundert Kronen für die Armen in Brasilien spenden.»

Er lächelte zufrieden. «Gut», sagte er, «dass du weißt, wovon wir reden. Nur du und ich wissen davon und irgendwie auch Eddie, weil er doch dabei war.»

«Ich mag Eddie», sagte ich.

«Himmel!», stöhnte Arne. «Können wir nicht endlich anfangen zu arbeiten?»

Wir krochen ins Gebüsch. Es war ziemlich feucht und scheußlich, denn die Aprilsonne war warm und holte jeden kleinen Eiszapfen herunter, der sich unterm Schuldach versteckte. Es tropfte in unsere Nacken.

«Wir müssen uns eine Methode einfallen lassen», sagte Arne.

«Was ist das denn? Hat das was mit Computern zu tun?», fragte ich.

«Nein, nein, nein», brüllte Arne. «Eine Methode ist das, was wir anstellen müssen, um Millionäre zu werden. Ob wir klauen, eine Bank überfallen, ein Hochhaus bauen oder beim Pferderennen gewinnen.»

«Und dann müssen wir entscheiden, wie wir damit leben werden», sagte ich. «Wenn wir fertige Millionäre sind.»

Arne guckte mich bewundernd an. Ich fiel fast in Ohnmacht.

«Gut», sagte er. «Wir fangen damit an, dass wir uns Geld leihen, damit wir uns ein Notizbuch kaufen können. Und dann nennen wir uns Millionär Martinsson.»

In dem Augenblick gab es keine Sonne mehr, sondern nur noch Schatten.

Das lag daran, dass sich Roberta Karlssons Kopf zwischen uns und der Sonne befand. Sie geht in die Fünfte und ist ziemlich groß.

«Was ist das denn?», fragte sie und zeigte auf Arne.

«Nichts», sagte ich.

Da haute Arne ab.

Fünftes Kapitel

«Wo findet man Millionäre?», fragte ich meine Mama. Sie lag zusammengerollt auf unserem Sofa und las in einem dicken Buch über den Mississippi. Das ist kein Kaugummi, falls das jemand glauben sollte, sondern ein Fluss in Amerika.

«Millionäre», sagte sie abwesend. «Überall ein bisschen, glaub ich. In Kneipen zum Beispiel. Aber selten im ‹Goldenen Schwan›. Doch, Henry, der, dem die Keksfabrik gehört, der ist Millionär. Ihn triffst du fast jeden Tag im ‹Goldenen Schwan›. Ich glaub, seine Frau kann nicht kochen. Jedenfalls kann sie keinen Punsch machen.»

Mama grunzte und las weiter. So ein Grunzen ist das Zeichen, dass man verduften soll.

«Aber wenn du einen Millionär haben möchtest?», fragte ich eigensinnig. «Wo würdest du dann suchen?»

«Nun hör endlich auf», sagte Mama. «Ich bin doch schon verheiratet.»

Hahaha, sehr witzig. Erwachsene denken nur an sich selbst. Ich zog meine Jacke an und knallte die Tür zu.

«Wo gehst du hin, Mimi?», hörte ich sie schreien.

Aber jetzt hatte sie ihre Chance verpasst, mit mir zu reden.