Misbehaving - Richard Thaler - E-Book
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Misbehaving E-Book

Richard Thaler

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Beschreibung

Wenn Wirtschaft auf den Menschen trifft: Ein Nobelpreisträger zeigt, warum wir uns immer wieder irrational verhalten

Warum fällt es uns so schwer, Geld fürs Alter zurückzulegen, obwohl es vernünftig wäre? Warum essen wir Fast Food, obwohl wir wissen, dass es uns schadet? Warum sind unsere Neujahrsvorsätze fast immer zum Scheitern verurteilt? Nobelpreisträger Richard Thaler hat als erster Ökonom anschaulich gezeigt, dass unser Handeln in Wirtschaft und Alltag zutiefst irrational und unberechenbar ist – und damit die traditionellen Grundannahmen der Ökonomie auf den Kopf gestellt. In diesem Buch fasst er seine Forschungen zusammen und zeigt anhand vieler Beispiele aus Beruf und Alltag, warum das Konzept des rational handelnden Homo oeconomicus ein fataler Irrglaube ist.

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Seitenzahl: 734

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Das Buch

Warum fällt es uns so schwer, Geld fürs Alter zurückzulegen, obwohl dies sinnvoll wäre? Warum essen wir zu viel fettige Speisen, obwohl wir wissen, dass es uns schadet? Warum sind unsere Neujahrsvorsätze fast immer zum Scheitern verurteilt?

Nobelpreisträger Richard Thaler hat als erster Ökonom anschaulich gezeigt, dass unser Handeln in Wirtschaft und Alltag oft unvernünftig ist – und hat damit die traditionellen Grundannahmen der Ökonomie auf den Kopf gestellt. In diesem Buch fasst er die Forschungen der Verhaltensökonomik zusammen und zeigt anhand vieler Beispiele aus Beruf und Alltag, warum das Konzept des rational handelnden Homo oeconomicus ein fataler Irrglaube ist.

Ein ebenso kluger wie amüsanter Blick auf die psychologischen Grundlagen unserer Entscheidungen – der unsere Sicht auf die Wirtschaft, auf die Welt und nicht zuletzt uns selbst für immer verändern wird.

Der Autor

Richard Thaler, geboren 1945, ist Professor für Behavioral Science and Economics an der University of Chicago. Er zählt zu den weltweit führenden Experten für Verhaltensökonomik und war u. a. Berater des US-Präsidenten Barack Obama. 2017 erhielt er für seine Forschungen zur Wirtschaftspsychologie den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.

Richard Thaler

Misbehaving

Was uns die Verhaltensökonomik überunsere Entscheidungen verrät

Aus dem Englischen von Thorsten Schmidt

Pantheon

Die Originalausgabe ist 2015 unter dem Titel »Misbehaving. The Making of Behavioral Economics« bei W. W. Norton, New York, erschienen.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte dieses E-Book Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung dieses E-Books verweisen.Erste Auflage

April 2018Copyright © Richard H. Thaler, 2015

© 2018 für die deutsche Ausgabe by Siedler Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, München, auf der Grundlage eines Entwurfs von Pete Garceau Umschlagabbildungen: istockphoto/Oksanita und mysondanube

Satz: Vornehm Mediengestaltung GmbH, MünchenISBN 978-3-641-23028-9V004www.pantheon-verlag.de

Für Victor Fuchs, der mir ein Jahr zum Nachdenken gab, und Eric Wanner und die Russell Sage Foundation, die eine verrückte Idee unterstützten.Und für Colin Camerer und George Loewenstein, die das Phänomen des »Fehlverhaltens« schon früh erforschten.

Inhalt

Vorwort

I. ANFÄNGE: 1970 – 1978

1. Vermeintlich irrelevante Faktoren

2. Der Endowment-Effekt

3. Die Liste

4. Die Werttheorie

5. California Dreamin’

6. Spießrutenlauf

II. Mentale Buchführung: 1979 – 1985

7. Schnäppchen und Abzocke

8. Versunkene Kosten

9. Einweckgläser und Budgets

10. Am Pokertisch

III. Selbstkontrolle: 1975 – 1988

11. Willenskraft? Kein Problem

12. Die Planerin und der Macher

Zwischenspiel

13. Ungezogenes Verhalten in der Wirklichkeit

IV. Meine Zusammenarbeit mit Danny: 1984 – 1985

14. Was erscheint uns als fair?

15. Fairness-Spiele

16. Kaffeebecher

V. Kontroversen mit anderen Wirtschaftswissenschaftlern: 1986 – 1994

17. Die Debatte beginnt

18. Anomalien

19. Ein Team bilden

20. Enges Framing in der Upper East Side

VI. Finanzökonomik: 1983 – 2003

21. Der Schönheitswettbewerb

22. Kommt es an der Börse zu Überreaktionen?

23. Die Reaktion auf die Überreaktion

24. Der Preis ist nicht richtig

25. Die Kontroverse um geschlossene Investmentfonds

26. Taufliegen, Eisberge und negative Aktienkurse

VII. Willkommen in Chicago: 1995 – heute

27. Rechtswissenschaft

28. Die Büros

29. Football

30. Spielshows

VIII. Anwendung in der Praxis: 2004 – heute

31. Morgen mehr sparen

32. Ein breiteres Publikum erreichen

33. »Nudging« in Großbritannien

Schluss: Wie geht es weiter?

Anhang

Dank

Bibliografie

Abbildungsverzeichnis

Personenregister

Anmerkungen

Die Grundlage der politischen Ökonomie und, im Allgemeinen, jeder Sozialwissenschaft ist offensichtlich die Psychologie. Es mag ein Tag kommen, an dem wir in der Lage sein werden, die Gesetze der Sozialwissenschaften aus den Prinzipien der Psychologie abzuleiten.

VILFREDOPARETO, 1906[1]

Vorwort

Bevor wir richtig loslegen, möchte ich zwei Anekdoten über meine Freunde und Mentoren Amos Tversky und Daniel Kahneman erzählen. Diese Geschichten liefern gewisse Anhaltspunkte darüber, worum es in diesem Buch gehen wird.

Der Wunsch, Amos zu gefallen

Selbst denjenigen von uns, die sich nicht daran erinnern können, wo sie zuletzt ihre Schlüssel hingelegt haben, bietet das Leben unvergessliche Momente. Einige davon sind öffentliche Ereignisse. Wenn Sie so alt sind wie ich, ist eines davon der Tag, an dem John F. Kennedy ermordet wurde (ich war Erstsemester im College und beim Basketballspielen in der Turnhalle). Für jeden, der alt genug ist, um dieses Buch zu lesen, ist der 11. September 2001 ein anderes (ich war gerade aufgestanden, hörte Radio und versuchte, mir einen Reim auf all das zu machen).

Andere Ereignisse sind persönlicher Natur: vom Heiraten bis zum Einlochen mit dem ersten Schlag auf dem Golfplatz. Für mich war ein solches Ereignis ein Anruf von Danny Kahneman. Obwohl wir oft miteinander sprechen und es Hunderte von Anrufen gibt, die keine Spuren hinterlassen haben, weiß ich noch genau, wo ich bei diesem Telefonat stand. Es war Anfang 1996, und Danny rief mich an, um mir mitzuteilen, dass sein Freund und Kollege Amos Tversky an Krebs im Endstadium leide und nur noch etwa sechs Monate zu leben habe. Ich war so verwirrt, dass ich das Telefon meiner Frau reichen musste, während ich versuchte, mich wieder zu fangen. Die Nachricht, dass ein guter Freund stirbt, ist immer schockierend, aber Amos Tversky war einfach nicht der Schlag Mensch, der im Alter von 59 Jahren stirbt. Amos, dessen Aufsätze und Vorträge präzise und perfekt waren und auf dessen Schreibtisch nur ein Notizblock und ein Bleistift lagen, parallel angeordnet, starb nicht einfach so.

Amos behielt die Neuigkeit für sich, bis er nicht mehr ins Büro gehen konnte. Zuvor wusste nur ein kleiner Kreis von Personen davon, darunter zwei enge Freunde von mir. Wir durften unser Wissen mit niemandem teilen, außer mit unseren Ehegatten, und so haben wir uns in den fünf Monaten, in denen wir diese schreckliche Nachricht für uns behielten, abwechselnd gegenseitig getröstet.

Amos wollte nicht, dass sein Gesundheitszustand öffentlich bekannt wurde, weil er in seinen letzten Monaten nicht die Rolle eines Sterbenden spielen wollte. Es gab noch Dinge zu erledigen. Er und Danny beschlossen, ein Buch herauszugeben: eine Sammlung von Aufsätzen, die sie und andere in jenem Teilgebiet der Psychologie, das sie selbst begründet hatten, der Urteils- und Entscheidungsforschung, geschrieben hatten. Sie gaben ihm den Titel Choices, Values, and Frames.[2] Vor allem aber wollte Amos das tun, was ihm Spaß machte: arbeiten, Zeit mit seiner Familie verbringen und sich Basketballspiele ansehen. Während dieser Zeit wehrte Amos alle Besuche von Leuten ab, die ihm ihr Mitgefühl aussprechen wollten, »Arbeitsbesuche« ließ er jedoch zu, und so suchte ich ihn etwa sechs Wochen vor seinem Tod unter dem Vorwand auf, einen Aufsatz fertigstellen zu wollen, an dem wir gearbeitet hatten. Wir diskutierten über diesen Aufsatz und sahen uns dann im Fernsehen ein Playoffspiel der National Basketball Association (NBA) an.

Amos war ein intelligenter, lebenskluger Mensch, und dies betraf auch seinen Umgang mit Krankheiten.1 Nachdem er mit Spezialisten an der Universität Stanford über seine Prognose gesprochen hatte, gelangte er zu dem Schluss, dass es keine verlockende Option sei, sich seine letzten Monate mit nutzlosen Behandlungen zu verderben, durch die er sich sehr schlecht fühlen würde und die sein Leben bestenfalls um ein paar Monate verlängern würden. Sein scharfer Intellekt blieb. Er erklärte seinem Onkologen, Krebs sei kein Nullsummenspiel. »Was schlecht für den Tumor ist, ist nicht unbedingt gut für mich.« Eines Tages fragte ich ihn bei einem Telefonat, wie er sich fühle. Er sagte: »Es ist wirklich seltsam. Wenn du die Grippe hast, hast du das Gefühl, du wirst bald sterben, aber wenn du stirbst, fühlst du dich die meiste Zeit bestens.«

Amos starb im Juni, und er wurde im kalifornischen Palo Alto beigesetzt, wo er und seine Familie lebten. Amos’ Sohn Oren hielt auf der Trauerfeier eine kurze Ansprache und zitierte aus einem Brief, den Amos ihm wenige Tage vor seinem Tod geschrieben hatte:

Ich habe den Eindruck, dass wir in den letzten Tagen Anekdoten und Geschichten ausgetauscht haben, in der Absicht, dass sie in Erinnerung bleiben mögen, zumindest eine Zeit lang. Ich meine, dass es eine lange jüdische Tradition gibt, historisches Wissen und Weisheitslehren nicht durch Belehrungen und Geschichtsbücher, sondern durch Anekdoten,komische Geschichten und passende Witze von einer Generation an die nächste weiterzugeben.

Nach der Beisetzung veranstalteten die Tverskys in ihrem Haus ein traditionelles jüdisches Schiwa-Trauerritual. Es war ein Sonntagnachmittag. Irgendwann wanderten einige von uns ins Fernsehzimmer ab, um sich das Ende eines NBA-Playoff-Spiels anzusehen. Es war uns ein wenig peinlich, aber dann sagte Amos’ Sohn Tal von sich aus: »Wenn Amos hier wäre, wäre er dafür gewesen, die Beisetzung auf Video aufzunehmen und sich das Spiel anzusehen.«

Seit dem Beginn meiner Bekanntschaft mit Amos im Jahr 1972 unterzog ich jeden Aufsatz, den ich schrieb, einem inoffiziellen Test: »Würde Amos ihn gutheißen?« Mein Freund Eric Johnson, den Sie später kennenlernen werden, kann bestätigen, dass ein Aufsatz, den wir gemeinsam schrieben, erst drei Jahre nachdem er von einer Fachzeitschrift angenommen worden war, veröffentlicht wurde. Der Redakteur, die Gutachter und Eric waren voll und ganz zufrieden mit dem Beitrag, aber Amos störte sich an einem Punkt, und ich wollte seinem Einwand Rechnung tragen. Ich habe mich mit diesem Aufsatz abgerackert, während sich dem armen Eric die Chance zur Beförderung bot, ohne dass dieser Beitrag auf seiner Publikationsliste auftauchte. Zum Glück hatte Eric zahlreiche andere exzellente Aufsätze geschrieben, sodass meine Verzögerungstaktik ihn nicht die Festanstellung kostete. Schließlich war Amos zufrieden.

Beim Schreiben dieses Buchs habe ich Amos’ Mitteilung an Oren ernst genommen. Es ist nicht die Art Buch, die man von einem Wirtschaftsprofessor erwarten würde. Es ist weder eine theoretische Abhandlung noch eine Polemik. Selbstverständlich werde ich Forschungsergebnisse behandeln, aber Sie werden auch Anekdoten, (möglicherweise) komische Geschichten und hin und wieder Witze lesen.

Danny über meine besten Eigenschaften

Eines Tages Anfang 2001 besuchte ich Danny Kahneman in seinem Haus in Berkeley. Wir saßen in seinem Wohnzimmer und plauderten, wie wir es oft tun. Dann erinnerte sich Danny plötzlich daran, dass er einen Termin für ein Telefonat mit Roger Lowenstein hatte, einem Journalisten, der einen Artikel über meine Arbeit für das New York Times Magazine schrieb.[3] Roger, der unter anderem das bekannte Buch When Genius Failed verfasst hatte, wollte sich aus nachvollziehbaren Gründen mit meinem alten Freund Danny unterhalten.[4] Das brachte mich in eine Zwickmühle. Sollte ich das Zimmer verlassen oder zuhören? »Bleib«, sagte Danny, »es könnte lustig werden.«

Das Interview begann. Wenn man einem Freund dabei zuhört, wie er eine alte Anekdote über einen erzählt, ist das nicht besonders aufregend, und es ist immer peinlich, mit anzuhören, wenn man von jemandem gelobt wird. Ich griff nach einer Zeitschrift und konzentrierte mich auf die Lektüre – bis ich Danny sagen hörte: »Das Beste an Thaler, das, was ihn wirklich besonders macht, ist die Tatsache, dass er faul ist.«

Was? Wirklich? Ich würde nie bestreiten, dass ich faul bin, aber hielt Danny meine Faulheit wirklich für meinen größten Vorzug? Ich begann, abwiegelnd mit den Händen zu winken und wie verrückt den Kopf zu schütteln, aber Danny fuhr fort, meine Faulheit zu loben. Bis heute beteuert er, er habe es als großes Kompliment gemeint. Meine Faulheit, so versichert er, bedeute, dass ich mich nur mit Fragen beschäftigte, die so faszinierend seien, dass sie diese natürliche Neigung, Anstrengung zu vermeiden, überwinden würden. Nur Danny konnte meine Faulheit in eine Stärke verwandeln.

Aber da haben Sie es. Bevor Sie weiterlesen, sollten Sie bedenken, dass dieses Buch von einem nachweislich faulen Mann geschrieben wurde. Der Vorteil besteht darin, dass – Danny zufolge – nur solche Themen darin vorkommen, die interessant sind – zumindest für mich.

1 Zu Amos’ Lebzeiten pflegten Psychologen untereinander zu scherzen, er habe einen IQ-Test ermöglicht, der nur ein einziges Item umfasste: Je eher man erkannte, dass er intelligenter war als man selbst, umso intelligenter war man.

I. ANFÄNGE: 1970 – 1978

2. Der Endowment-Effekt

Während meines Aufbaustudiums am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der University of Rochester im Norden des Bundesstaats New York kamen mir zum ersten Mal Zweifel an der herrschenden Wirtschaftstheorie. Obwohl mir ein Teil des Unterrichtsstoffs nicht einleuchtete, war ich nie ganz sicher, ob die Theorie das Problem war oder die Tatsache, dass ich den Stoff nicht richtig verstand. Ich war nicht gerade ein Topstudent. In dem Artikel im New York Times Magazine von Roger Lowenstein, den ich im Vorwort erwähnte, beurteilte mein Doktorvater Sherwin Rosen meine Studienleistungen folgendermaßen: »Wir haben nicht viel von ihm erwartet.«

Meine Doktorarbeit hatte ein provokant klingendes Thema, »The Value of a Life« (Der Wert eines Lebens), aber mein Ansatz war ganz und gar konventionell. In seinem wunderbaren Essay »The Life You Save May Be Your Own« (Das Leben, das Sie retten, könnte Ihr eigenes sein«) hat der Ökonom Thomas Schelling dargelegt, wie man in sachgerechter, konzeptionell überzeugender Weise an diese Frage herangeht. Im Lauf der Jahre haben sich meine Interessen viele Male mit denen Schellings überschnitten, der zu einem frühen Zeitpunkt bedeutende Beiträge zu dem Fachgebiet, das wir heute Verhaltensökonomik nennen, geleistet hat. Ein bekannter Abschnitt seines Essays lautet:

Wenn ein sechsjähriges Mädchen mit braunem Haar Tausende Dollar für eine Operation benötigt, die sein Leben bis Weihnachten verlängert, werden die Postämter von Fünf- und Zehn-Cent-Stücken überschwemmt werden, die in dem Wunsch gespendet werden, es zu retten. Aber wenn berichtet wird, dass ohne Mehrwertsteuereinnahmen die Krankenhauseinrichtungen in Massachusetts nach und nach verfallen, was einen kaum merklichen Anstieg vermeidbarer Todesfälle verursacht, dann werden nicht viele eine Träne vergießen oder ihr Scheckbuch zücken.[7]

Schelling schrieb so, wie er immer gesprochen hat: mit einem schiefen Lächeln und einem schelmischen Funkeln in den Augen. Er wollte beim Leser eine leichte Irritation hervorrufen.3 Die Geschichte von dem kranken Mädchen veranschaulicht auf plastische Weise die zentrale Idee des Artikels. Die Kliniken stehen für ein Konzept, das Schelling ein »statistisches Leben« nennt, im Gegensatz zu dem Mädchen, das ein »identifiziertes Leben« repräsentiert. In der Wirklichkeit begegnen wir gelegentlich Beispielen für gefährdetes »identifiziertes Leben«, etwa bei der spannenden Rettung verschütteter Bergleute. Schelling weist darauf hin, dass wir es nur selten hinnehmen, dass ein »identifiziertes Leben« allein wegen unzureichender finanzieller Mittel ausgelöscht wird. Aber selbstverständlich sterben jeden Tag Tausende »unidentifizierte Leben«, weil es ihnen an einfachen Dingen wie Moskitonetzen, Impfungen oder sauberem Wasser fehlt.

Im Unterschied zu dem Fall des kranken Mädchens sind innenpolitische Entscheidungen in der Regel abstrakt. Sie sind nicht emotional aufgeladen. Angenommen, wir bauen eine neue Fernstraße, und Sicherheitsingenieure sagen uns, die Verbreiterung des Mittelstreifens um knapp einen Meter koste 42 Millionen Dollar und verhüte 1,4 tödliche Unfälle pro Jahr über einen Zeitraum von 30 Jahren. Sollten wir den Mittelstreifen verbreitern? Selbstverständlich kennen wir nicht die Identität dieser Opfer. Sie sind »lediglich« statistische Leben. Aber um zu entscheiden, wie breit wir den Mittelstreifen machen wollen, müssen wir diesen Leben, die durch die Ausgaben verlängert beziehungsweise »gerettet« werden, einen Wert zuschreiben. Und in einer Welt der Econs würde die Gesellschaft für die Rettung eines identifizierten Lebens nicht mehr zahlen als für die Rettung 20 statistischer Leben.

Laut Schelling lautet die richtige Frage, wie viel die Nutzer dieser Fernstraße (und vielleicht deren Freunde und Familienmitglieder) bereit wären zu zahlen, um jede Fahrt ein kleines bisschen sicherer zu machen. Schelling hatte die richtige Frage gestellt, aber niemand hatte sie bislang beantwortet. Um das Problem zu lösen, benötigt man eine Situation, in der Menschen Entscheidungen treffen, bei denen sie zwischen Geld und Todesrisiko abwägen müssen. Daraus kann man folgern, wie viel ihnen ihre Sicherheit wert ist. Aber wo lassen sich solche Entscheidungen beobachten?

Der Ökonom Richard Zeckhauser, der bei Schelling studiert hat, wies darauf hin, dass man dieses Problem in gewisser Weise mit russischem Roulette vergleichen könne. Sein Beispiel lautet – leicht abgewandelt – so: Nehmen wir an, Aidan soll mit einem Maschinengewehr russisches Roulette spielen. Das Gewehr hat viele Kammern, sagen wir 1000, von denen vier nach dem Zufallsprinzip mit Patronen bestückt wurden. Aidan muss den Abzug betätigen. (Zum Glück ist das Gewehr auf Einzelschuss-Modus gestellt.) Wie viel wäre Aidan bereit zu zahlen, um eine Patrone zu entfernen?4 Auch wenn Zeckhausers Analogie mit dem russischen Roulette das Problem auf eine elegante Weise formuliert, hilft sie uns nicht dabei, konkrete Zahlen zu ermitteln. Experimente, bei denen sich die Teilnehmer geladene Schusswaffen an den Kopf halten, sind keine praktische Methode für die Erhebung von Daten.

Während ich über diese Probleme nachdachte, kam mir eine Idee. Angenommen, ich könnte mir Daten über die Sterblichkeit in verschiedenen Branchen beschaffen, darunter gefährliche wie Bergbau, Holzfällerei und Fensterputzen an Hochhäusern. In einer Welt der Econs müssten gefahrenträchtige Tätigkeiten besser bezahlt werden, da sie sonst niemand machen würde. Tatsächlich müssten die Lohnzuschläge für eine gefährliche Tätigkeit die Arbeitnehmer dafür entschädigen, dass sie die damit verbundenen Risiken eingehen (sowie alle anderen Anforderungen der Arbeit erfüllen). Wenn ich also zusätzlich an Daten über die Löhne für jeden Beruf käme, könnte ich die Zahl, die Schellings Analyse nahelegt, abschätzen, ohne irgendjemanden aufzufordern, russisches Roulette zu spielen. Ich suchte, konnte aber keine Quelle für Daten über die Berufssterblichkeit finden.

Mein Vater Alan kam mir zu Hilfe. Alan war Aktuar, also einer jener Mathematiker, die für Versicherungsgesellschaften Risiken berechnen und managen. Ich fragte ihn, ob er vielleicht an Daten über Berufssterblichkeit kommen könne. Bald darauf erhielt ich ein dünnes rotes Exemplar eines von der Society of Actuaries veröffentlichten Buchs mit festem Einband, in dem eben jene Daten, die ich benötigte, aufgelistet waren. Indem ich berufsspezifische Sterberaten mit frei erhältlichen Daten über Löhne nach Beruf abglich, konnte ich abschätzen, wie viel man Menschen bezahlen musste, damit sie bereit waren, ein höheres Risiko einzugehen, bei der Arbeit ums Leben zu kommen.

Die Idee und die Daten waren ein guter Anfang, aber entscheidend war nun die fehlerfreie statistische Auswertung. Ich musste einen Dozenten am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften finden, den ich dazu bewegen könnte, meine Dissertation zu betreuen. Dafür bot sich der bereits erwähnte Arbeitsökonom Sherwin Rosen an, der am Beginn einer vielversprechenden wissenschaftlichen Karriere zu stehen schien. Wir hatten bislang noch nicht zusammengearbeitet, aber da es gewisse thematische Überschneidungen zwischen meiner Dissertation und einem theoretischen Werk, an dem er arbeitete, gab, erklärte er sich bereit, mein Doktorvater zu werden.

Auf der Grundlage meiner Dissertation verfassten wir gemeinsam einen Aufsatz mit dem Titel »The Value of Saving a Life« (Der Wert eines geretteten Menschenlebens).[8] Aktualisierte Versionen der damals von uns geschätzten Zahl werden in staatlichen Kosten-Nutzen-Analysen noch immer verwendet. Gegenwärtig wird der Wert eines geretteten Menschenlebens auf rund sieben Millionen Dollar geschätzt.

Während der Arbeit an meiner Dissertation kam mir der Gedanke, es könnte interessant sein, Menschen einige hypothetische Fragen zu stellen, um auf diese Weise ihre Präferenzen bei der Abwägung zwischen Geld (Lohn) und Sterberisiko herauszufinden. Dabei musste ich mich zuerst einmal zwischen zwei verschiedenen Formulierungen der Frage entscheiden: Sollte ich nach der »Bereitschaft zu zahlen« oder nach der »Bereitschaft zu akzeptieren« fragen? Im ersten Fall wird danach gefragt, wie viel jemand zahlen würde, um die Wahrscheinlichkeit, im nächsten Jahr zu sterben, um einen bestimmten Prozentsatz zu senken, zum Beispiel um die Wahrscheinlichkeit von 1:1000 (0,001). Um diese Zahlen richtig einordnen zu können, sollten Sie wissen, dass ein 50-jähriger Einwohner der Vereinigten Staaten eine Sterbewahrscheinlichkeit von 4:1000 (0,004) pro Jahr hat.

Hier ist eine typische Frage, die ich in einer Lehrveranstaltung stellte. Die Studenten beantworteten beide Versionen.

A. Angenommen, Sie hätten sich durch Ihre Teilnahme an dieser Vorlesung einer seltenen tödlichen Erkrankung ausgesetzt. Wenn Sie erkranken, sterben Sie irgendwann im Lauf der nächsten Woche einen schnellen und schmerzlosen Tod. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie erkranken, beträgt 1:1000. Wir besitzen eine einzige Dosis eines Gegenmittels gegen diese Krankheit, die wir an den Höchstbietenden verkaufen werden. Wenn Sie dieses Gegengift einnehmen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass Sie an dieser Krankheit sterben, auf null. Was ist die höchste Summe, die Sie für dieses Gegenmittel zahlen würden? (Wenn Sie knapp bei Kasse sind, geben wir Ihnen ein zinsfreies Darlehen für den Kauf des Gegenmittels, das Sie über 30 Jahre zurückzahlen können.)

B. Wissenschaftler an der Uniklinik erforschen diese seltene Erkrankung. Sie brauchen Freiwillige, die bereit sind, sich fünf Minuten lang in einem Raum aufzuhalten und sich dem gleichen Risiko von 1:1000 auszusetzen, zu erkranken und in der nächsten Woche einen schnellen, schmerzlosen Tod zu sterben. Ein Gegenmittel ist nicht verfügbar. Welchen Geldbetrag würden Sie mindestens verlangen, um an dieser Studie teilzunehmen?

Aus der Wirtschaftstheorie lässt sich die eindeutige Vorhersage ableiten, wie Menschen auf die beiden Versionen dieser Fragen antworten sollten. Die Antworten sollten annähernd gleich sein. Für einen 50-Jährigen sollte die Abwägung zwischen Geld und Sterberisiko zu keinen sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen, wenn sich das Risiko von 5:1000 (0,005) auf 4:1000 (0,004) verschiebt (wie in der ersten Version der Frage) oder wenn es sich von 0,004 auf 0,005 verschiebt (wie in der zweiten Version). Auch wenn die Antworten der Teilnehmer sehr unterschiedlich ausfielen, schälte sich doch ein klares Muster heraus: Die Reaktionen auf die beiden Fragen waren nicht einmal annähernd gleich. Typische Antworten lauteten beispielsweise: Ich würde nicht mehr als 2000 Dollar zahlen (Version A), aber ich würde nicht weniger als 500.000 Dollar verlangen (Version B). Tatsächlich meinten viele der Befragten bei Version B, sie würden um keinen Preis an der Studie teilnehmen.

Nicht nur die Wirtschaftstheorie behauptet, dass die Antworten identisch sein sollten. Auch die logische Konsistenz verlangt das. Betrachten wir wieder einen 50-Jährigen, der, bevor er mir begegnete, ein Risiko von 0,004 hatte, im nächsten Jahr zu sterben. Angenommen, er gibt die gleichen Antworten wie in vorstehendem Absatz: 2000 Dollar für Szenario A und 500.000 Dollar für Szenario B. Aus der ersten Antwort folgt, dass die Erhöhung des Risikos von 0,004 auf 0,005 ihn höchstens um 2000 Dollar schlechter stellt, da er nicht bereit ist, mehr zu zahlen, um das erhöhte Risiko zu vermeiden. Aber seine zweite Antwort sagt, dass er die gleiche Risikozunahme nicht für weniger als 500.000 Dollar akzeptieren würde. Der Unterschied zwischen einem Risiko von 0,004 und einem von 0,005 kann eindeutig nicht höchstens 2000 Dollar und mindestens 500.000 Dollar sein!

Diese Tatsache ist nicht für jeden offensichtlich. Tatsächlich sehen viele Menschen sie auch dann noch nicht ein, wenn man es ihnen erklärt hat, wie es vielleicht auch gerade bei Ihnen der Fall ist. Aber die Logik ist zwingend.5 Für einen Wirtschaftswissenschaftler waren diese Ergebnisse irgendwo zwischen verwirrend und widersinnig angesiedelt. Ich zeigte sie Sherwin, und er sagte mir, ich solle aufhören, meine Zeit zu verschwenden, und mich wieder meiner Dissertation zuwenden. Aber ich hatte Feuer gefangen. Was war hier los? Das Szenario, sich selbst in Lebensgefahr zu bringen, ist sicherlich ungewöhnlich, aber sobald ich anfing, mich nach Beispielen umzusehen, fand ich sie überall.

Ein Fall kam von Richard Rosett, dem Dekan des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften und einem langjährigen Weinsammler. Er sagte mir, er habe in seinem Keller Flaschen, die er vor langer Zeit für zehn Dollar gekauft habe und die jetzt über 100 Dollar wert seien. Tatsächlich war ein lokaler Weinhändler namens Woody bereit, einige der älteren Flaschen Rosetts zu gegenwärtigen Preisen zu kaufen. Rosett sagte, er trinke gelegentlich eine dieser Flaschen zu einem besonderen Anlass, es würde ihm aber im Traum nicht einfallen, 100 Dollar zu zahlen, um eine zu kaufen. Auch verkaufte er keine seiner Flaschen an Woody. Dies ist unlogisch. Wenn er bereit ist, eine Flasche zu trinken, die er für 100 Dollar verkaufen könnte, dann muss ihm das Trinken des Weins mehr als 100 Dollar wert sein. Aber wieso wäre er dann nicht gewillt, eine solche Flasche zu kaufen? Ja, warum weigerte er sich strikt, irgendeine Flasche zu kaufen, die auch nur annähernd 100 Dollar kosten würde? Als Ökonom wusste Rosett, dass dieses Verhalten nicht rational war, aber er konnte einfach nicht anders.6

Bei all diesen Beispielen fallen sogenannte Opportunitätskosten an. Die Opportunitätskosten einer Aktivität sind das, was einem entgeht, wenn man ihr nachgeht. Wenn Sie eine Wanderung machen, statt zu Hause zu bleiben und sich ein Footballspiel im Fernsehen anzuschauen, dann sind die Opportunitätskosten der Wanderung das entgangene Vergnügen, das für Sie mit dem Betrachten des Spiels verbunden ist. Für die 100 Dollar teure Flasche Wein sind die Opportunitätskosten des Trinkens der Flasche das, was Woody bereit war, Rosett dafür zu zahlen. Unabhängig davon, ob Rosett eine eigene Flasche trank oder eine kaufte, bleiben die Opportunitätskosten des Trinkens der Flasche gleich. Aber wie Rosetts Verhalten verdeutlichte, fällt es selbst Ökonomen schwer, Opportunitätskosten mit Barauslagen gleichzusetzen. Auf die Gelegenheit zu verzichten, etwas zu verkaufen, schmerzt nicht so sehr, wie das Geld aus seinem Geldbeutel zu nehmen und dafür zu zahlen. Opportunitätskosten sind im Vergleich zur Übergabe von Bargeld vage und abstrakt.

Mein Freund Tom Russell wies mich auf einen weiteren interessanten Fall hin. Damals wurden Kreditkarten allgemein gebräuchlich, und die Kreditkartengesellschaften führten einen Rechtsstreit mit Einzelhändlern, bei dem es um die Frage ging, ob Händler Barzahlern und Kreditkartenkunden verschiedene Preise berechnen dürften. Da Kreditkartengesellschaften dem Einzelhändler für das Einziehen des Gelds eine Gebühr in Rechnung stellen, wollten einige Händler, insbesondere Tankstellenbetreiber, von Kreditkartennutzern einen höheren Preis verlangen. Die Kreditkartenindustrie lehnte diese Praxis verständlicherweise entschieden ab; sie wollte, dass die Verbraucher den Eindruck hatten, der Einsatz der Karte sei kostenlos. Als die Behörden auf den Plan traten und regulatorische Eingriffe drohten, ging die Kreditkartenlobby auf Nummer sicher und gab der Form Vorrang vor dem Inhalt. Sie behauptete: Wenn ein Geschäft Bar- und Kreditkartenzahlern verschiedene Preise in Rechnung stelle, sei der höhere Kreditkartenpreis der »reguläre Preis«, während Barzahlungskunden ein »Rabatt« gewährt werde. Die Alternative wäre gewesen, den Barzahlungspreis als den regulären Preis festzusetzen und von Kreditkartenzahlern einen »Preisaufschlag« zu verlangen.

Für einen Econ sind diese beiden Strategien gleichwertig. Wenn der Kreditkartenpreis 1,03 Dollar beträgt und der Barzahlungspreis einen Dollar, sollte es keine Rolle spielen, ob man den Unterschied von drei Cents einen Rabatt oder einen Aufschlag nennt. Trotzdem hatte die Kreditkartenindustrie zu Recht eine starke Präferenz für den Rabatt. Viele Jahre später nannten Kahneman und Tversky diesen Unterschied »Framing« (Einrahmung), aber Marketingfachleute ahnten bereits intuitiv, dass die Art der Formulierung eine Rolle spielte. Ein Aufpreis ist eine zusätzliche Zahlung, während es sich »lediglich« um Opportunitätskosten handelt, wenn man keinen Rabatt erhält.

Ich nannte dieses Phänomen »Endowment Effect« (Besitztumseffekt), weil im Fachjargon der Ökonomen das, was einer Person gehört, Teil ihres Besitztums ist, und ich war auf einen Befund gestoßen, der darauf hindeutete, dass Menschen Dinge, die sie bereits besitzen, als wertvoller einschätzen als Dinge, die sie besitzen könnten, die also verfügbar sind, ihnen aber noch nicht gehören.

Der Endowment-Effekt hat einen starken Einfluss auf das Verhalten derjenigen, die in Erwägung ziehen, an besonderen Konzerten oder Sportveranstaltungen teilzunehmen. Oftmals liegt der Verkaufspreis für eine bestimmte Eintrittskarte deutlich unter dem Marktpreis. Jemand, der sich eine Eintrittskarte sicherte, indem er entweder Schlange stand oder als einer der Ersten auf eine Website klickte, muss jetzt eine Entscheidung treffen: selbst zu der Veranstaltung gehen oder die Eintrittskarte verkaufen? In vielen Teilen der Welt gibt es heute einen einfachen, legalen Markt für Eintrittskarten auf Webseiten wie Stubhub.com, sodass Kartenbesitzer heute nicht mehr vor einem Veranstaltungsort stehen und die Karten verhökern müssen, um den unverhofften (Marktlagen-)Gewinn zu realisieren, den sie erzielten, als sie ein Produkt kauften, das stark nachgefragt wird.

Abgesehen von Ökonomen, gibt es nur wenige Menschen, die diese Entscheidung richtig durchdenken.[9] Eine Episode aus dem Leben des Wirtschaftswissenschaftlers Dean Karlan, der heute an der Yale University lehrt, veranschaulicht dies in plastischer Weise. Deans Zeit in Chicago – er studierte damals Betriebswirtschaftslehre – fiel zusammen mit Michael Jordans Zeit als König des Profibasketballs. Jordans Chicago Bulls gewannen sechs Meisterschaften, während er in der Mannschaft war. In dem fraglichen Jahr spielten die Bulls in der ersten Runde der Playoffs gegen die Washington Wizards. Obwohl die Bulls als die klaren Favoriten galten, gab es eine hohe Nachfrage nach den Eintrittskarten, unter anderem deshalb, weil die Fans wussten, dass Sitzplätze zu einem späteren Zeitpunkt der Playoffs noch teurer sein würden.

Ein Kommilitone Deans, der für die Wizards arbeitete, schenkte Dean zwei Eintrittskarten. Außerdem hatte Dean einen Freund, der in Theologie promovierte, ebenfalls über gute Kontakte zu den Wizards verfügte und auch ein Paar Freikarten bekommen hatte. Beide litten unter den üblichen finanziellen Schwierigkeiten von Studenten, auch wenn Dean auf lange Sicht die besseren finanziellen Aussichten hatte: Betriebswirte verdienen im Schnitt mehr als Theologen.7

Sowohl Dean als auch sein Freund fanden es leicht, sich zwischen den Alternativen Kartenverkauf und Besuch der Veranstaltung zu entscheiden. Der Theologiestudent lud jemanden ein, sich gemeinsam mit ihm das Spiel anzusehen, und hatte Spaß dabei. Unterdessen versuchte Dean, herauszufinden, welche Professoren, die Basketballfans waren, gleichzeitig gut gehende Consultingfirmen hatten. Dann verkaufte er die Eintrittskarten für jeweils mehrere Hundert Dollar. Sowohl Dean als auch sein Freund hielten das Verhalten des jeweils anderen für bescheuert. Dean verstand nicht, wie sein Freund auf die Idee kommen konnte, er könne es sich leisten, zu dem Spiel zu gehen. Sein Freund konnte nicht verstehen, warum Dean nicht verstand, dass die Eintrittskarten kostenlos waren.

Dies ist der Endowment-Effekt. Ich wusste, dass er real ist, aber ich hatte keine Ahnung, was ich damit anfangen sollte.

3 Ein typisch Schelling’sches Gedankenexperiment: Angenommen, es gäbe ein medizinisches Verfahren, das mit einem geringfügigen gesundheitlichen Nutzen verbunden, aber sehr schmerzhaft ist. Allerdings wird bei der Behandlung ein Medikament verabreicht, das zwar nicht die Schmerzen verhindert, aber dafür sämtliche Erinnerungen an das Ereignis auslöscht. Würden Sie sich dieser Behandlung unterziehen?

4 Die Frage, für die sich Zeckhauser interessierte, lautet: Welchen Einfluss hat die Anzahl der Patronen im Gewehr auf Aidans Zahlungsbereitschaft? Wenn alle Kammern gefüllt sind, sollte Aidan alles Geld, was er besitzt (und sich leihen kann), ausgeben, um auch nur eine Patrone zu entfernen. Aber was ist, wenn das Gewehr nur mit zwei Patronen geladen ist? Was wird er zahlen, um eine davon zu entfernen? Und wäre dies mehr oder weniger, als er zahlen würde, um die letzte Patrone zu entfernen?

5 Streng genommen, kann der sogenannte Einkommens- oder Vermögenseffekt zu unterschiedlichen Antworten führen. In Version A stehen Sie schlechter da als in Version B, weil Sie, wenn Sie in Version B nichts tun, dem Krankheitserreger nicht ausgesetzt werden. Aber dieser Effekt kann nicht Unterschiede in den Größenordnungen erklären, die ich beobachtet habe, und andere Studien, in denen ich in Version A Teilnehmern hypothetisch sagte, ihnen seien (zum Beispiel) 50.000 Dollar geschenkt worden, haben diese Unterschiede nicht beseitigt.

6 Rosett schien dieses Verhalten nicht weiter zu beunruhigen. Ich veröffentlichte später einen Artikel, der diese Anekdote enthielt und in dem Rosett als »Mr. R.« firmierte. Ich schickte Rosett ein Exemplar des Artikels und erhielt eine Antwort, die aus zwei Wörtern bestand: »Ah, Ruhm!«

7 Selbstverständlich können Theologen auf sehr, sehr lange Sicht diese Lücke möglicherweise schließen.

3. Die Liste

Die Diskrepanz zwischen Kaufs- und Verkaufspreisen beschäftigte mich. Welche sonstigen Verhaltensweisen widersprechen dem ökonomischen Modell rationaler Entscheidungen? Mir fielen spontan so viele Beispiele ein, dass ich sie auf der Tafel meines Büros auflistete. Hier einige Beispiele von Verhaltensweisen meiner Freunde:

Jeffrey und ich bekommen zwei Freikarten für ein Profibasketballspiel in Buffalo. Die Fahrt von Rochester, wo wir leben, nach Buffalo dauert unter normalen Umständen anderthalb Stunden. An dem Tag, an dem das Spiel stattfindet, tobt ein heftiger Schneesturm. Wir beschließen, nicht zu fahren, aber Jeffrey meint, wenn wir die (teuren) Karten gekauft hätten, hätten wir dem Blizzard getrotzt und versucht, zu dem Spiel zu fahren.Stanley mäht jedes Wochenende seinen Rasen und leidet dann jedes Mal unter einem schrecklichen Heuschnupfen. Ich frage Stan, warum er sich den Rasen nicht von einem Jungen aus der Nachbarschaft mähen lässt. Stan sagt, er wolle keine zehn Dollar zahlen. Ich frage Stan, ob er für 20 Dollar den Rasen seines Nachbarn mähen würde, und Stan sagt Nein, natürlich nicht.Linnea will einen Radiowecker kaufen. Sie findet ein Modell, das ihr gefällt und das nach ihren Recherchen mit 45 Dollar auch preiswert ist. Gerade als sie es kaufen will, erwähnt die Angestellte im Geschäft, dass das gleiche Radio in der neuen Filiale der Kette, die zehn Minuten entfernt ist und einen großen Eröffnungsverkauf durchführt, für 35 Dollar verkauft wird. Fährt sie zu der anderen Filiale, um den Radiowecker dort zu kaufen? Auf einer anderen Einkaufstour sucht Linnea nach einem Fernseher und findet einen zu dem günstigen Preis von 495 Dollar. Die Mitarbeiterin informiert sie erneut, dass das gleiche Modell in einem anderen Geschäft, zehn Minuten entfernt, für 485 Dollar zum Verkauf angeboten wird. Dieselbe Frage … aber wahrscheinlich eine andere Antwort.Lees Frau schenkt ihm zu Weihnachten einen teuren Cashmere-Pullover. Er hatte den Pullover im Geschäft gesehen und war zu dem Schluss gelangt, er könne sich diesen Luxus nicht guten Gewissens gönnen. Trotzdem freut er sich sehr über das Geschenk. Lee und seine Frau legen all ihre Finanzmittel zusammen, keiner von ihnen hat eine eigene Geldquelle.Einige Freunde kommen zum Abendessen. Wir trinken ein paar Drinks und warten darauf, dass der Braten im Backofen fertig ist, um uns zu Tisch zu begeben. Ich gehe eine große Schüssel mit Cashew-Nüssen zum Knabbern holen. Wir essen die halbe Schüssel innerhalb von fünf Minuten auf und werden bald keinen Appetit mehr fürs Abendessen haben. Ich bringe die Schüssel in die Küche. Alle sind glücklich.

Jedes Beispiel verdeutlicht ein Verhalten, das im Widerspruch zur Wirtschaftstheorie steht. Jeffrey ignoriert das Diktum der Ökonomen, »versunkene Kosten zu ignorieren«, das heißt solche Ausgaben, die bereits getätigt wurden. Der Preis, den wir für die Eintrittskarten zahlten, sollte sich nicht auf unsere Entscheidung auswirken, das Spiel zu besuchen. Stanley verstößt gegen den Grundsatz, dass Kauf- und Verkaufspreise ungefähr gleich sein sollten. Wenn Linnea zehn Minuten dafür aufwendet, bei einem kleinen Einkauf zehn Dollar zu sparen, nicht aber bei einem großen Einkauf, bewertet sie Zeit nicht in einer konsistenten Weise. Lee fühlt sich besser, wenn seine Frau die Entscheidung trifft, gemeinsames Geld für einen teuren Pullover auszugeben, auch wenn der Pullover dadurch nicht billiger wird. Und das Wegräumen der Cashew-Nüsse beseitigt die Option, mehr davon zu essen; Econs finden es immer besser, mehr als weniger Optionen zu haben.

Ich betrachtete die Liste recht lange und fügte neue Punkte hinzu, aber ich wusste nicht recht, was ich damit anfangen sollte. »Bescheuerte Dinge, die Menschen tun« ist kein befriedigender Titel für einen wissenschaftlichen Aufsatz. Dann hatte ich unverhofft Glück. Im Sommer 1976 besuchten Sherwin und ich eine Konferenz in der Nähe von Monterey, Kalifornien. Wir wollten über den Wert eines Menschenlebens sprechen. Was die Konferenz für mich besonders machte, waren zwei Psychologen, die daran teilnahmen: Baruch Fischhoff und Paul Slovic. Beide erforschten, wie Menschen Entscheidungen treffen. Es war für mich wie das Entdecken einer neuen Spezies. Ihre wissenschaftliche Herangehensweise war eine regelrechte Offenbarung für mich.

Ich habe Fischhoff schließlich zum Flughafen mitgenommen. Unterwegs erzählte er mir, er habe an der Hebräischen Universität in Israel in Psychologie promoviert. Dort arbeitete er mit zwei Wissenschaftlern zusammen, deren Namen ich noch nie gehört hatte: Daniel Kahneman und Amos Tversky. Baruch erzählte mir von seiner mittlerweile berühmten Dissertation über den »Rückschaufehler«.[10] Dieser besteht darin, dass wir im Nachhinein davon überzeugt sind, schon immer gewusst zu haben, dass der Ausgang eines Ereignisses wahrscheinlich, wenn nicht sogar eine ausgemachte Sache sei. Nachdem der nahezu unbekannte afroamerikanische Senator Barack Obama bei den Vorwahlen der Demokraten für die Präsidentschaftswahl die hoch favorisierte Hillary Clinton aus dem Feld geschlagen hatte, waren viele Menschen überzeugt, sie hätten es kommen gesehen. Aber das hatten sie nicht. Sie erinnerten sich falsch.

Ich fand das Konzept des Rückschaufehlers faszinierend und unglaublich wichtig für die Unternehmensführung. Eines der schwierigsten Probleme, mit denen ein Vorstandschef konfrontiert ist, besteht darin, nachgeordnete Führungskräfte zu ermuntern, riskante Projekte in Angriff zu nehmen, sofern die erwarteten Gewinne nur hoch genug sind. Die Führungskräfte befürchten aus gutem Grund, dass dem Manager, der sich für das Projekt einsetzt, die Schuld gegeben wird, wenn es schiefläuft, unabhängig davon, ob die Entscheidung zu dem Zeitpunkt, an dem sie getroffen wurde, richtig war oder nicht. Der Rückschaufehler verschärft dieses Problem ganz erheblich, weil der Vorstandschef fälschlicherweise denken wird, dass das Scheitern, unabhängig von der Ursache, hätte vorausgesehen werden müssen. Und im Nachhinein weiß er natürlich, dass dieses Projekt hochriskant war. Das besonders Heimtückische an dieser Verzerrung ist die Tatsache, dass wir sie zwar bei anderen, nicht aber bei uns selbst erkennen.

Baruch meinte, vielleicht würde ich einige der Arbeiten seiner Doktorväter mit Gewinn lesen. Als ich am nächsten Tag wieder in meinem Büro in Rochester war, ging ich hinüber zur Bibliothek. Nachdem ich all meine Zeit in der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung verbracht hatte, entdeckte ich jetzt einen neuen Bereich der Bibliothek. Ich begann mit dem zusammenfassenden Aufsatz von Kahneman und Tversky, der in Science veröffentlicht worden war: »Judgement Under Uncertainty: Heuristics and Biases« (Entscheidung unter Unsicherheit: Heuristiken und Verzerrungen).[11] Damals wusste ich nicht, was eine Heuristik ist, aber es zeigte sich, dass es ein hochtrabendes Wort für eine Faustregel ist. Beim Lesen begann mein Herz, so zu pochen, wie es vielleicht in den letzten Minuten eines engen Spiels pochen würde. Es dauerte 30 Minuten, bis ich den Aufsatz von Anfang bis Ende gelesen hatte, aber mein Leben hatte sich für immer geändert.

Die These des Aufsatzes war einfach und elegant. Menschen verfügen über begrenzte Zeit und kognitive Ressourcen. Daher verwenden sie einfache Faustregeln – Heuristiken –, die ihnen helfen, Entscheidungen zu treffen. Ein Beispiel wäre die »Verfügbarkeit«. Angenommen, ich frage Sie, ob »Dhruv« ein gebräuchlicher Name ist. Wenn Sie ein Bürger der meisten Länder in der Welt sind, würden Sie wahrscheinlich Nein sagen, aber es ist ein sehr häufiger Name in Indien, einem Land mit vielen Einwohnern, sodass es im globalen Maßstab tatsächlich ein recht gebräuchlicher Name ist. Beim Abschätzen der Häufigkeit von Ereignissen neigen wir dazu, uns zu fragen, an wie viele Beispiele dieses Typs wir uns erinnern. Es ist eine recht verlässliche Faustregel, und in der Gesellschaft, in der Sie leben, ist die Leichtigkeit, mit der Sie sich daran erinnern, Menschen mit einem bestimmten Namen begegnet zu sein, ein guter Anhaltspunkt für dessen tatsächliche Häufigkeit. Aber die Regel versagt in Fällen, in denen die Anzahl der Beispiele eines Ereignisses nicht hoch korreliert mit der Leichtigkeit, mit der man sich an Beispiele (wie etwa den Namen »Dhruv«) erinnert. Dies ist eine Illustration der Leitidee dieses Artikels, die beim Lesen meine Hände zittern ließ: Menschen, die diese Heuristiken verwenden, machen vorhersagbare Fehler. Daher der Titel des Aufsatzes: Heuristiken und Verzerrungen. Das Konzept vorhersagbarer Verzerrungen stellte einen Bezugsrahmen für meine bis dahin unausgegorenen Ideen bereit.

Ein Vorreiter von Kahneman und Tversky war Herbert Simon, ein Universalgelehrter, der den größten Teil seiner wissenschaftlichen Laufbahn an der Carnegie Mellon University verbrachte. Simon leistete bedeutende Beiträge zu fast allen Sozialwissenschaften, darunter Wirtschaftswissenschaften, Politikwissenschaft, Künstliche Intelligenz und Organisationstheorie. Für dieses Buch am relevantesten ist jedoch die Tatsache, dass er lange vor Kahneman und Tversky über »eingeschränkte Rationalität«, wie er es nannte, schrieb. Unter »eingeschränkter Rationalität« verstand Simon, dass Menschen die kognitive Fähigkeit fehlt, komplexe Probleme zu lösen, was offensichtlich zutrifft. Aber obgleich er den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt, muss man meiner Meinung nach wohl sagen, dass sein Einfluss auf die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften gering war.8 Ich glaube, viele Ökonomen haben Simon ignoriert, weil man die »eingeschränkte Rationalität« leicht als ein zwar »richtiges, aber unwichtiges« Konzept abtun konnte. Wirtschaftswissenschaftler konnten gut mit der Vorstellung leben, dass ihre Modelle ungenau sind und die Vorhersagen dieser Modelle Fehler enthalten. In den statistischen Modellen, die Ökonomen verwenden, versucht man dies dadurch auszugleichen, dass man einen »Fehlerterm« in die Gleichung einfügt. Angenommen, man versucht, die Größe, die ein Kind im Erwachsenenalter erreicht, anhand der Größe beider Eltern vorherzusagen. Dieses Modell wird eine einigermaßen zutreffende Vorhersage liefern, weil groß gewachsene Eltern tendenziell groß gewachsene Kinder haben, aber das Modell wird nicht ganz genau sein, und dies soll der Fehlerterm ausgleichen. Und solange die Fehler zufällig schwanken – das heißt, dass die Vorhersagen des Modells mit gleicher Häufigkeit zu hoch beziehungsweise zu niedrig sind –, ist alles bestens. Die Fehler heben sich gegenseitig auf. Mit dieser Argumentation begründeten Ökonomen, weshalb die Fehler, die auf das Konto der »eingeschränkten Rationalität« gehen, problemlos ignoriert werden könnten. Zurück zum Modell uneingeschränkter Rationalität!

Kahneman und Tversky schwenkten eine große rote Fahne, die signalisierte, dass es sich nicht um Zufallsfehler handele. Wenn man Menschen fragt, ob in den USA mehr Todesfälle durch Schusswaffengebrauch Morde oder Selbstmorde sind (ob also mehr Menschen erschossen werden oder sich selbst erschießen), werden die meisten antworten: Mehr werden erschossen. Tatsächlich aber töten sich fast doppelt so viele Menschen mit einer Schusswaffe wie mit einer solchen ermordet werden.9[12] Dies ist ein vorhersagbarer Fehler. Selbst wenn man viele Menschen betrachtet, werden sich die Fehler nicht vollständig gegenseitig ausgleichen. Obgleich ich es zum damaligen Zeitpunkt nicht voll und ganz ermaß, hatten mich Kahnemans und Tverskys Erkenntnisse ein gutes Stück vorangebracht, sodass ich mir schon bald einen Reim auf meine Liste machen konnte. Jeder Eintrag auf meiner Liste war ein Beispiel für eine systematische Verzerrung.