Mission or Desire Band 2 - Lia K. Harry - E-Book

Mission or Desire Band 2 E-Book

Lia K. Harry

0,0
2,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Agent Ryan Parker is back. Ein neuer gefährlicher Auftrag führt ihn zurück in die Stadt, in der er das Wichtigste in seinem Leben verloren hat. Seine Liebe seines Lebens. Das Außergewöhnliche an diesem Auftrag ist, dass er die Frau beschützen soll, die ihm vor fast einem Jahr eine Kugel verpasst hat. Lucy, die Tochter des Mafiabosses. Die Gefahr lauert an jeder Ecke. Irgendjemand dort draußen will ihn weiterhin aus dem Weg haben und tut alles dafür. Wird er seinen Auftrag erfüllen können, ohne sein eigenes Leben dabei zu verlieren? Kann er die Frau beschützen, die für ihn alles bedeutet?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 296

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mission or Desire Band 2

TitelseiteProlog September 2016 Kapitel 1 August 2015 Ryan Kapitel 2 Oktober 2015 Luciana Kapitel 3 Oktober 2015 Ryan Kapitel 4 November 2015 Ryan Kapitel 5 Weihnachten 2015 Luciana Kapitel 6 Januar 2016 Ryan Kapitel 7 Juni 2016 Luciana Kapitel 8 Ryan Kapitel 9 Luciana Kapitel 10 Ryan Kapitel 11 Luciana Kapitel 12 Ryan Kapitel 13 Luciana Kapitel 14 Ryan Kapitel 15 Luciana Kapitel 16 Ryan Kapitel 17 Ryan Kapitel 18 Luciana Kapitel 19 Ryan Kapitel 20 Luciana Kapitel 21 Ryan Kapitel 22 Luciana Vier Tage später Kapitel 23 Ryan Vier Tage zuvor Kapitel 24 Sergeant Miller Kapitel 25 Lucy Kapitel 26 Connor Kapitel 27 Lucy Kapitel 28 Ryan Kapitel 29 Luciana Kapitel 30 Ryan EpilogBonusImpressum

Mission

or

Desire

Die Abrechnung

Band 2

Lia K. Harry

Ich möchte allen danken, die mir bei dieser Geschichte mit Rat und Tat zur Seite gestanden haben.

Vielen Dank

Copyright Lia K. Harry 2018

c/o AutorenService.de

König-Konrad Str. 22

36039 Fulda

Erste Auflage Oktober 2018

Cover: Fotolia

Die Personen und die Handlung dieser Geschichte sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Prolog

September 2016

Er steigt aus dem Auto, sieht sich um und geht anschließend um das Haus direkt in den Garten. Sie steht bereits an der offenen Terrassentür und wartet auf ihn. Hand in Hand gehen sie durch ihr Arbeitszimmer zum Flur.

Die zwei Frauen sitzen in der Küche und sehen sie schmerzerfüllt an. Ihre Augen sind rot. Sie fragt sich warum. Was ist bloß passiert? Sie steht da und sieht beide fragend an.

„Es tut mir leid, mein Kind“, sagt eine der Frauen mit zittriger Stimme. „Es tut mir so leid.“

„Wir konnten nichts tun. Sie haben sich als Lieferanten ausgegeben und dann...“, sagt die andere entschuldigend und ihre Stimme bricht.

Sie sieht beide geschockt an. Ihre Augen schauen an die Decke. Das Herz schlägt ihr bis zum Hals, die Kehle ist wie zugeschnürt. Ihr ganzer Körper zittert.

„Was ist los?“, fragt er.

„Luna“, wispert sie und macht sich auf den Weg nach oben.

Irritiert steht er da und schaut alle an.

„Kann mir jemand erklären, was hier los ist?“

Doch er bekommt von niemandem eine Antwort. Weder von ihr, noch von den beiden Frauen. Stattdessen fangen sie an zu weinen.

Sie läuft die Treppe hinauf und er folgt ihr im gleichen Tempo. Vor der Tür bleibt sie stehen. Ihr Körper zittert noch mehr als zuvor. Ihre Atmung ist rasend schnell. Er sieht es ihr an, dass sie vor irgendetwas Angst hat. Aber wovor?

Langsam greift ihre Hand nach der Türklinke und drückt sie vorsichtig hinunter.

„Nein!“, sagt sie geschockt, als die Tür offen ist.

Sie geht einen Schritt nach vorne. Ihre Augen suchen das ganze Zimmer ab. Es ist leer. Kein einziges Lebenszeichen von Luna. Sie ist weg.

Plötzlich fallen ihre Augen zu. Bevor sie bewusstlos zu Boden fällt, streckt er seine Arme aus und hält sie fest.

„Lucy!“

Kapitel 1

August 2015

Ryan

Seit zwei Monaten bin ich nun alleine. Kein Lebenszeichen von Lucy. Weder ein Anruf, noch eine Antwort auf meine Nachrichten. Ich hätte sie anrufen können, aber wenn sie gesehen hätte, dass ich es bin, hätte sie das Gespräch nie angenommen. Ich bin mir nicht sicher, dass sie irgendeine meiner Nachrichten gelesen hat.

Bestimmt hat sie sie sofort gelöscht, ohne sich die Mühe zu machen sie zu öffnen. Ich würde gerne wissen, wie es ihr geht. Denkt sie manchmal an mich oder hat sie mich schon längst vergessen und lebt ihr Leben weiter?

Es ist Freitagmittag und da ich mich für eine gewisse Zeit vom Außendienst habe freistellen lassen, beschließe ich nach Boston zu fahren. Ich möchte sie nur ein Mal sehen. Vielleicht schaffe ich es und sie redet mit mir. Immerhin sind zwei Monate vergangen. Kann doch sein, dass ihre Wut und der Hass nachgelassen haben. Ich packe ein paar Sachen ein und fahre direkt los.

Kurz nach neun Uhr abends komme ich in Boston an. Mittlerweile kenne ich mich hier gut aus. So oft wie ich in diesen fünf Monaten durch die Stadt gefahren bin, kenne ich fast jede Straße und Ecke. Soll ich zu ihr nach Hause fahren? Ich denke, ich sollte vielleicht erst einen Drink zu mir nehmen, um mich zu entspannen und nicht nervös zu sein, wenn ich auf sie treffe.

Also beschließe ich ins „Drink“ zu fahren. In die Bar, in der ich sie kennengelernt habe. Es ist Freitagabend und womöglich ist sie da. Wenn ja, dann wird sie dort vor allen Gästen bestimmt keine Szene machen und ich kann mit ihr reden. Oder sie bekommt einen Wutanfall und macht mich vor allen Leuten fertig.

Ich betrete das „Drink“ und schaue mich um. Keine Lucy anwesend, aber ich sehe eine Person, die mir sehr bekannt vorkommt, obwohl ich sie nur drei Mal gesehen habe.

Melissa.

Langsam gehe ich an die Bar und stelle mich neben sie. Sie sieht mich nicht, da sie sich mit jemandem unterhält und mir den Rücken zugewandt hat. Ich schaue vor ihr auf die Theke und sehe nur zwei Getränke. Melissa ist also alleine hier mit dieser Person. Ich bestelle mir ein Bier und stütze mich mit den Armen an der Theke ab. Durch den Spiegel beobachte ich sie. Sie redet und lacht dabei. Plötzlich dreht sie sich rum, greift nach ihrem Glas und schaut in den Spiegel. Ihr Lachen verschwindet sofort, als sie mich erblickt.

Sie wendet sich an mich und sieht mir finster in die Augen. Oh oh! Sie wird es doch nicht wagen hier eine Szene zu machen?

„Was willst du denn hier?“, blafft sie laut.

Meine Augen schweifen durch den ganzen Laden. Ein paar Gäste haben es mitbekommen und starren uns an. Aber nur die, die in nächster Nähe sitzen. Die anderen unterhalten sich unbeeindruckt weiter. Ein Glück ist die Musik ein wenig zu laut, sonst hätte sich jeder hier umgedreht. Ich glaube, dass das der peinlichste Moment in meinem ganzen Leben ist. Mein Gesicht fühlt sich so merkwürdig warm an. Ich trete einen Schritt an sie heran.

„Können wir das bitte draußen besprechen?“, frage ich. Sie kocht förmlich vor Wut. Ich spiele mit dem Gedanken zu gehen. „Bitte!“, flehe ich sie an.

Sie gibt einen genervten Laut von sich, nimmt ihre Tasche und geht zur Tür hinaus. Ich folge ihr. Als wir draußen ankommen, verschränkt sie die Arme und sieht mich immer noch wütend an.

„Du hast ja Mut hier wieder aufzutauchen“, stößt sie schließlich aus.

„Ich bin nicht gerade stolz auf das, was passiert ist.“

„Du hast uns angelogen, Ryan. Du hast Lucy angelogen.“

Ich hole meine Schachtel Zigaretten aus der Hosentasche, nehme mir eine heraus und halte ihr dann die Packung hin. Sie nimmt sich ebenfalls eine heraus.

„Seit wann rauchst du?“

„Seit zwei Monaten“, antworte ich und zünde mir die Zigarette an. Halte ihr anschließend mein Feuerzeug hin und nehme einen kräftigen Zug. „Ich muss mit Lucy reden.“

„Da kannst du deinen Arsch darauf verwetten, dass sie nicht mit dir reden will“, antwortet sie giftig.

„Melissa! Bitte!“

Genervt stößt sie den Zigarettenqualm aus. Ihre Augen verengen sich und sie beißt die Zähne zusammen.

„Sie ist weg“, sagt sie nach einer kurzen Pause.

„Wie meinst du das?“

„Sie ist weg. Sie wohnt nicht mehr in Boston.“

Warum wohnt sie nicht mehr hier? Hier ist doch das Haus indem sie groß geworden ist, das ihr Vater gekauft und eingerichtet hat.

„Wo ist sie hin?“

„Keine Ahnung.“

„Was heißt hier keine Ahnung! Du bist ihre beste Freundin“, blaffe ich sie an, versuche aber meinen Zorn zu zügeln.

Sie nimmt einen Zug, atmet aus, schaut auf die Straße und schüttelt ihren Kopf. Vielleicht hat Lucy sie gebeten, niemanden zu verraten, wo sie ist. Eventuell hat sie damit gerechnet, dass ich eines Tages wiederkommen werde.

„Also gut. Ich sage es nur ein Mal und hör genau zu. Ich bin vor knapp zehn Tagen aus Portugal wiedergekommen. Als ich zu ihrem Haus ging stellte ich fest, dass es komplett leer stand. Ich rief eine gemeinsame Freundin an und sie sagte mir, dass sie weggezogen ist und das Haus verkauft hat. Mehr weiß ich nicht.“

Sie hat das Haus verkauft?

„Und hat sie dir gesagt wo Lucy hin ist?“

„Nein, das hat sie nicht“, antwortet sie enttäuscht. „Und ehrlich gesagt, ist es auch gut so. Sonst müsste ich dich jetzt anlügen. Und ich bin keine Lügnerin so wie du einer bist“, zischt sie mich an.

Ja, ist gut. Ich habe es kapiert. Enttäuscht schaue ich auf den Boden und nicke dabei. Mein Brustkorb zieht sich zusammen und ich spüre einen Druck. Ich versuche so ruhig und gleichmäßig wie ich nur kann zu atmen.

„Machs gut, Ryan“, sie legt ihre Hand auf meinen Arm und geht wieder in die Bar.

Sie ist also weg und hat dafür gesorgt, dass niemand weiß wo sie ist. Möglich, dass Fiores Leute ihre Spuren verwischt haben. Nur einer hat die Möglichkeit und die geeignete Erfahrung, um sie zu finden. Ich hole mein Handy aus der Hosentasche.

„Connor, du musst mir einen Gefallen tun.“

Später sitze ich, mit einem Glas Chivas, auf der Couch in meinem Hotelzimmer. Ich halte mein Handy in der Hand und sehe mir die Nachrichten an, die ich Lucy geschickt habe. Alles Nachrichten, die sie mir nie beantwortet hat.

Samstag 04.07.2015

Vielleicht wirst du das nie lesen, aber ich liebe dich. Ich tue es wirklich. Vergiss das nicht. Vergiss mich nicht.

Donnerstag 09.07.2015

Es tut mir leid. Ich weiß, ich bin ein Scheißkerl, aber ich liebe dich so sehr. Ich hoffe, du kannst mir eines Tages verzeihen.

Sonntag 19.07.2015

Als ich dich das erste Mal gesehen habe, hatte ich nicht die blasseste Vorstellung, dass ich dich so sehr lieben würde. Ich werde dich nie aufgeben. Nachdem du gegangen bist, habe ich ein Stück von mir selbst verloren.

Sonntag 02.08.2015

Mein Leben ist gerade echt Scheiße. Mit dir war alles besser. Verdammt! Ich liebe dich so sehr.

Deprimiert werfe ich mein Telefon auf die Couch und leere mein Glas.

Kapitel 2

Oktober 2015

Luciana

Gestern habe ich mit meinem Vater telefoniert. Er freut sich, dass ich es geschafft habe mein Leben einigermaßen wieder in den Griff zu bekommen. Leicht war es nicht. Ich denke, ich werde Ryan nie vergessen können. Ein Teil von ihm wird immer bei mir sein.

Vincenzo, ein entfernter Cousin, hat sich seit meiner Ankunft rührend um mich gekümmert. Anscheinend hat mein Vater dafür gesorgt. Er hat die ersten Tage bei mir gewohnt und wir haben viel miteinander geredet. Ab und zu schläft er noch bei mir. Auf der einen Seite ist er wütend auf Ryan, weil er diesen Weg gegangen ist, aber auf der anderen versteht er ihn auch.

Vincenzo ist ebenfalls Polizist und hat auch einen Eid geleistet. Manchmal stand er ebenfalls vor Situationen, in denen er nach seinem Verstand handeln musste und nicht nach seinem Herzen. Das gleiche tat auch Ryan. Mit anderen Worten, wollte er mir damit klarmachen, dass ich Ryan verzeihen soll.

Aber das kann ich nicht. Er hat mich angelogen, ausgenutzt, hat nur mit mir gespielt. Ich war Mittel zum Zweck. Er wollte von Anfang an meinen Vater ins Gefängnis bringen und hat mir den Verliebten vorgespielt. Nein, ich kann ihm nicht verzeihen. Nicht jetzt. Vielleicht eines Tages.

Knapp drei Monate bin ich jetzt in Mondello, einem Vorort von Palermo. Ich habe mir hier ein kleines Haus gemietet. In das Haus meines Vaters oder meiner Tante wollte ich nicht, da die Gefahr bestand, dass Ryan mich dort finden könnte. Niemand weiß, dass ich hier bin. Michael und Antonio haben dafür gesorgt, dass sämtliche Spuren verwischt wurden. Ich bin mit dem Privatjet eines guten Freundes gekommen. Den meines Vaters wollte ich nicht benutzen, da alles in den Formularen des Flughafens vermerkt wird.

Das Haus ist klein und wunderschön. Es liegt direkt am Meer und so habe ich jeden Morgen das Glück auf der Terrasse mein Frühstück einnehmen zu können. Allerdings wird es Tag für Tag kälter. Mir macht es aber nichts aus, weil mir in den letzten Wochen sehr heiß ist. Maria und Rosa sind mit mir gekommen, da sie zur Familie gehören und ich nicht wollte, dass sie alleine in Boston zurückbleiben. Und außerdem brauche ich deren Hilfe. Alleine komme ich nicht klar.

Vincenzo hat sich für heute angemeldet. Er will nach Beendigung seiner Schicht vorbeikommen, um nach mir zu sehen. Jeden zweiten Tag kommt er vorbei. Er redet mit mir, nimmt mich auch mal in den Arm, wenn ich es nötig habe.

„Wie geht es deinem Vater?“, fragt er, als wir uns auf die Terrasse setzen.

„Es geht ihm gut. Er wird gut behandelt. Ich habe auch mit seinem Anwalt gesprochen. Wir könnten in Berufung gehen, um die Strafe zu mindern oder vielleicht kann er wegen guter Führung entlassen werden.“

„Luciana, er hat lebenslänglich bekommen. Ihr könnt nicht in Berufung gehen und er kann nicht wegen guter Führung raus. Das ist unmöglich. Sein Anwalt macht dir Hoffnungen, obwohl die nicht bestehen“, sagt er zögernd.

Empört stehe ich auf und sehe ihn wütend an. Wie kann er es wagen, so über seinen Onkel zu reden! Er sollte zuversichtlich sein. Immerhin steht die Familie an erster Stelle. Er ist zwar ein entfernter Cousin, aber immer noch Teil der Familie. Außerdem sollte er mal vergessen, dass er Polizist ist. Man kann nicht alles aus den Augen eines Carabinieri sehen.

„Du denkst also auch, dass er es verdient hat? Du solltest zu ihm halten und dich nicht gegen ihn wenden“, tadele ich ihn, verschränke die Arme und sehe aufs Meer hinaus. „Ich denke, es ist besser, wenn du jetzt gehst.“

Ich stehe vor ihm und warte auf eine Reaktion, aber er sitzt weiterhin da und sieht mich perplex an. Nach ein paar Minuten steht er auf. Seine Augen verraten mir, dass ich ihn mit meinen Worten sehr verletzt habe.

„Ich werde dich in Ruhe über alles nachdenken lassen. Ruf mich einfach an“, bekümmert wendet er sich von mir ab.

„Darauf kannst du lange warten!“, rufe ich ihm verbittert hinterher.

Großartig gemacht, Lucy. Wirklich toll. Er ist der einzige Freund, den du weit und breit hast und nun hast du ihn mit deiner mürrischen Art vertrieben. Irgendwie kann ich mich nicht mehr beherrschen. Ständig dieses auf und ab der Gefühle. Ich nehme meine Strickjacke und gehe die Stufen hinunter zum Strand. Für ein paar Minuten stehe ich mit meinen nackten Füßen im Wasser. Es ist zwar sehr kalt, aber da mir in den letzten Wochen ständig warm ist, erfrischt es mich.

Ich gehe hin und her und denke über seine Worte nach. Unter gewissen Umständen, hat er ja Recht. Es wäre sinnlos in Berufung zu gehen. Eine Chance da herauszukommen hat er nicht. Zu viele schlimme Sachen hat er getan oder in Auftrag gegeben. So ein Mist aber auch. Ich denke, ich muss mich bei Vincenzo entschuldigen.

Aber nicht heute. Dazu bin ich zu wütend und fühle mich auch nicht besonders. Dieses Sodbrennen und der Druck im Magen machen mich einfach wahnsinnig.

Am nächsten Tag fahre ich nach Palermo ins Polizeirevier. Vincenzo hatte zwar gesagt, dass ich ihn anrufen soll, aber ich denke, ich entschuldige mich lieber persönlich bei ihm. Er sitzt an seinem Schreibtisch und ist vertieft in irgendwelche Unterlagen die vor ihm liegen, als ich das Revier betrete. Ein Kollege macht ihn auf mich aufmerksam. Er sieht zu mir auf und irgendwie habe ich den Eindruck, dass er mit meinem Besuch gerechnet hat.

Seit meiner Ankunft ist er an meiner Seite und kennt mich mittlerweile sehr gut. Er steht auf und sieht mich nur an. Sekunden später bedeutet er mir zu ihm zu kommen, dreht sich um, geht zu einer Tür, öffnet sie und wartet, bis ich nachkomme. Ich betrete das leere Büro und er schließt die Tür.

„Tut mir leid, wegen gestern“, beginne ich zögerlich und irgendwie unbehaglich. „Ich weiß nicht was in mich gefahren ist. Natürlich hast du Recht. Das Verfahren wieder aufzurollen und in Berufung zu gehen, wird meinem Vater nicht weiterhelfen.“

„Luciana, ich kann dich verstehen. Meine Schwester war in diesem Zustand genauso ein Biest. Es ist eine Achterbahnfahrt der Emotionen und nichts Ungewöhnliches. Es wird noch eine Weile dauern, bis sich das wieder normalisiert hat“, sagt er mitleidsvoll. „Dein Vater hat schlimme Sachen getan. Und du musst aufhören Ryan dafür verantwortlich zu machen. Er hat, wie jeder loyale Polizist, nur seinen Job getan.“

„Du nimmst ihn immer noch in Schutz?“

„Genau das tue ich. Ich bin mir sicher, dass er nicht mit deinen Gefühlen gespielt hat. Er hat dich wirklich geliebt. Und ich denke, du liebst ihn immer noch, trotz allem was passiert ist.“

Kann er meine Gedanken lesen? Ja, ich liebe ihn. Mehr als ich es mir hätte vorstellen können. Jede einzelne Minute, sogar Sekunde, muss ich an ihn denken. Ständig kreisen meine Gedanken um ihn. Was er jetzt wohl tun wird, ob er eine andere Frau kennengelernt hat, mit ihr Sex hat. Ich nehme einen Stich in meiner Brust wahr und versuche mich zusammenzureißen. Trotz allem, kann ich ihm nicht so leicht verzeihen. Er hat dafür gesorgt, dass mein Vater aus meinem Leben verschwindet, dass ich ihn nie wiedersehe. Er hat mein Leben ruiniert. Das kann ich nicht so leicht vergessen.

„Ich weiß nicht, ob ich ihn noch liebe“, versuche ich mir selber einzureden.

„Oh doch, das tust du und der Beweis dafür ist sichtbar“, antwortet er. „Weißt du, wie oft ich nachts wach wurde, weil du im Traum seinen Namen gerufen hast? Wie oft du gedankenverloren einfach nur dagesessen hast?“

Er hat alles mitbekommen? Obwohl ich seit zwei Monaten seinen Namen nicht mehr erwähnt habe, träume ich ständig von Ryan. Mal hält er mich in seinen Armen und sagt mir, wie sehr er mich liebt. Dann wiederum, träume ich davor, wie er meinem Vater die Handschellen anlegt und ihn abführt. Doch der schlimmste Traum überhaupt ist, als ich ihn angeschossen habe und er mir in die Augen sah. Sein geschockter Blick, wie das Blut an seinem Arm herunterlief, sein schmerzerfülltes Gesicht. Wie er an der Wand gelehnt langsam zu Boden glitt. Wie er mich im Gerichtssaal ansah. Oh Gott! Wann wird das alles endlich aufhören.

„Er hat mit dem Feuer gespielt, Vin und ich habe mich verbrannt. Ich dachte er wäre der Richtige. Ich liebte ihn, aber er mich nicht“, sage ich kummervoll, gehe zur Tür und trete hinaus.

Mit meinem Wagen verlasse ich Palermo und fahre raus zu einem Feld, wo bereits Michael auf mich wartet, um mir das Schießen beizubringen. Er findet, dass es an der Zeit ist, mit einem Revolver umzugehen. Er kann nicht ständig auf mich aufpassen. Irgendwie muss ich lernen mich zu verteidigen. Und wenn ich eines Tages zurück nach Boston kehren sollte, muss ich in der Lage sein mich und mein Kind zu schützen.

Kapitel 3

Oktober 2015

Ryan

Connor feiert seinen Geburtstag und hat uns alle in eine Bar eingeladen. Besonders viel Lust habe ich nicht darauf, aber er ist nicht nur ein Kollege, sondern auch mein bester Freund. Wenn es jemand anderes wäre, dann hätte ich definitiv abgesagt, da mir nicht nach Feiern zumute ist.

Die Bar ist nicht besonders weit von meiner Wohnung entfernt, deshalb gehe ich zu Fuß. Wenn ich etwas trinken möchte, und mit Sicherheit werde ich es, komme ich besser nach Hause.

Nach ungefähr zwei Stunden und einigen Bieren, ist die Stimmung gut. Die Leute um mich herum lachen, trinken, albern herum und erzählen sich Witze. Unsere Abteilung ist einfach nur gutgelaunt, was mir besonders schwerfällt. Plötzlich höre ich ein vertrautes Lachen. Ein sehr vertrautes Lachen. Es hört sich an wie Lucy. Ich gehe durch die Menge, um sie zu finden. Das Lachen wird immer lauter. Ich bin ganz nah bei ihr. Dann sehe ich sie.

Sie steht mit dem Rücken zu mir. Ihre Haare sind länger geworden. Sie trägt eine enge Jeans mit einem bauchfreien Oberteil und sieht, wie immer, umwerfend aus. Ich gehe schnell auf sie zu, packe sie am Arm und drehe sie zu mir herum.

„Lucy!“, stoße ich heraus.

Sie schaut mir ängstlich in die Augen. Ich hebe meine Hand, um ihr Gesicht zu streicheln und ihr zu zeigen, dass sie vor mir keine Angst zu haben braucht, als sie mich anspricht.

„Wer sind Sie?“

Was ist mit ihrer Stimme los? Sie hört sich sehr merkwürdig an. Ich halte inne, blinzele ein paar Mal und sehe dann klarer. Es ist nicht Lucy.

„Tut mit leid.“ Ich schüttele meinen Kopf und schließe die Augen. „Es tut mir leid. Ich habe Sie verwechselt.“

Während ich mich entferne, sieht sie mich an, als wäre ich ein Verrückter, der durch die Gegend zieht und fremde Frauen anspricht. Ich gehe an die Theke, um meine Zigaretten zu nehmen und die Party zu verlassen. Das kann alles nicht wahr sein. Nicht nur, dass ich jede Nacht von ihr träume, jetzt sehe ich sie sogar vor mir. Höre ihre Stimme, ihr Lachen. Ich glaube ich verliere langsam den Verstand.

„Wo willst du hin?“, fragt mich Connor, als ich auf dem Weg nach draußen bin.

„Es geht mir nicht gut“, antworte ich. „Wir sehen uns am Montag im Büro.“

Ich gehe durch den Eingang nach draußen und er folgt mir. Was will er jetzt von mir? Wenn er versuchen sollte mich zu überreden noch länger zu bleiben, dann werde ich einfach weitergehen. Ich will mich nicht noch länger blamieren.

„Ryan!“

Ich gehe einfach weiter. Beachte ihn nicht.

„Ryan!“, ruft er erneut und packt mich am Arm. „Was zum Teufel ist mit dir los?“

Ich bleibe stehen und drehe mich zu ihm um. Er weiß ganz genau was los ist. Vor ihm steht ein Mann, der kurz davor ist durchzudrehen, weil er vor ein paar Monaten die Frau verloren hat, die er liebt. Langsam senke ich meinen Blick auf den Asphalt.

„Was ist los?“, fragt er eindringlicher. „Ist es immer noch wegen Lucy?“

Ich hebe meinen Kopf und sehe ihn an. Bingo! Er ist tatsächlich so schlau, wie er aussieht.

„Meinst du nicht, es ist an der Zeit endlich loszulassen? Sie ist weg. Sie kommt nicht mehr zurück. Du kannst nicht so weitermachen.“

Ohne ihm eine Antwort zu geben drehe ich mich um und gehe weiter.

„Du musst wieder in den Außendienst, nur so kommst du auf andere Gedanken. Das ständige Arbeiten vom Büro aus ist nichts für dich. Du hast so vielen Menschen geholfen und vor Schlimmeren bewahrt. Du musst weitermachen.“

Ich bleibe abrupt stehen.

„Ich habe viele vor Schlimmeren bewahrt, ja. Aber ich konnte mich nicht davor bewahren, mich in sie zu verlieben“, sage ich wütend und wende mich an ihn, um ihn ins Gesicht zu sehen.

Er hat keine Ahnung, was ich seit vier Monaten durchmache. Wie denn auch. Er schläft jede Nacht neben seiner Freundin. Ich bin derjenige, der jede Nacht wach wird, weil er ständig den gleichen Traum hat. Sie vor mir sehe, mit einer Waffe in der Hand und auf mich schießt. Jede einzelne verdammte Nacht, so dass ich manchmal Angst davor habe einzuschlafen.

„Du hast absolut keine Ahnung, wie es ist, wenn du von innen zerfressen wirst und so gut wie tot bist.“ Ich bin außer mir vor Rage. Sein Blick ist starr, geschockt würde ich sagen. Nicht einmal ein Blinzeln sehe ich. „Es gibt nur eine Person, die mich wieder ins Leben zurückholen kann“, fahre ich fort, „und die ist verschwunden.“

Plötzlich scheint er sich wieder gefasst zu haben, fährt sich mit der Hand durch die Haare und sieht mich mitleidsvoll an.

„Oh man! Du brauchst Hilfe, Kumpel.“

Einen Scheiß brauche ich! Kein Arzt oder irgendein Seelenklempner kann mir helfen. Können die Lucy zu mir zurückbringen? Wohl kaum. Ich lasse ihn stehen und gehe meines Weges.

Kurz bevor ich in die Straße einbiege, die zu meiner Wohnung führt, befindet sich eine kleine Bar. Es ist noch zu früh, um nach Hause zu gehen. Vielleicht sollte ich hier noch einen Drink nehmen, um ein wenig besser zu schlafen.

Ich betrete die Bar und setze mich an die Theke. Neben mir sitzt eine junge Frau. Sie sieht nicht schlecht aus. Ich bestelle mir einen Drink und sehe in meinem Augenwinkel, dass sie mich ständig ansieht. Der Barkeeper stellt meinen Drink vor mir und ich bitte ihn, der jungen Dame neben mir ebenfalls einen einzuschenken. Er stellt ihr den Drink hin und sie fragt ihn, von wem er ist.

„Von mir“, sage ich und wende mich an sie. „Ich hoffe Sie haben nichts gegen einen Drink von einem fremden Mann?“

Sie sieht mich an und ihre Augen fangen an zu strahlen. Genau so, wie Lucys Augen strahlten, als sie mich ansah. Sie lächelt ein wenig. Sie sieht hübsch aus. Nicht so hübsch wie Lucy, aber irgendwie hübsch - auf ihre Weise.

„Danke“, sagt sie etwas unbehaglich.

Die Art, wie sie mich ansieht, wie sie mich anlächelt, erinnert mich an Lucy. Verdammt, Ryan! Hör endlich auf alles und jeden mit ihr zu vergleichen. Du musst endlich versuchen sie zu vergessen. Es ist verdammt schwer, aber irgendwie musst du es schaffen. Und am besten, du versuchst eine andere kennenzulernen. Wer weiß! Vielleicht wird sie dafür sorgen, dass du diesen Schmerz überwindest und dein Leben weiterleben kannst.

„Gern geschehen“, erwidere ich. „Ich bin Ryan.“

„Celine“, sagt sie.

Celine! Hört sich Französisch an. Erst eine Italienerin, jetzt eine Französin. Gibt es hier weit und breit keine Amerikanerin?

„Bist du aus D.C., Celine?“, frage ich neugierig.

„Nein.“

Oh bitte, lass sie nicht aus Boston kommen. Lass sie nicht aus Boston kommen. Das würden meine Nerven nicht ertragen.

„Ich komme ursprünglich aus Montreal.“

„Oh! Ein echtes kanadisches Mädchen.“

Sie lächelt mich weiter an. Ihre Wangenknochen kommen dabei besonders zum Vorschein. Um ihre Augen bilden sich kleine Lachfältchen. Sie hat braune Augen und feuerrote Haare. Ich sehe genauer hin. Fuck! Sie hat rehbraune Augen. Genau wie Lucy.

Sie erzählt mir, dass sie seit ein paar Monaten in D.C. lebt. Berufliche Gründe haben sie gezwungen herzukommen. Aus mir unerklärlichen Gründen, bin ich vor ihr fasziniert.

Und plötzlich kommen mir Connors Worte wieder ins Gedächtnis. Es ist an der Zeit sie loszulassen. Ich muss mein Leben weiterleben. Sie wird nicht mehr zurückkommen. Es ist vorbei. Ich muss sie vergessen.

„Hast du morgen Abend schon was vor, Celine?“, sprudeln die Worte, ohne dass ich es wahrnehme.

„Nicht das ich wüsste.“ Ein sanftes Lächeln erscheint und sie beißt sich auf die Unterlippe.

„Wie wäre es mit Abendessen?“

„Gerne.“

Für eine weitere halbe Stunde unterhalten wir uns, bis sie sich entschließt zu gehen und ich kurz darauf denselben Entschluss fasse.

Ein Kumpel von mir, Steven, hat ein kleines Restaurant an der New York Avenue. Dort sitze ich nun und warte darauf, dass Celine kommt. Sie hat sich ein wenig verspätet, aber das wundert mich nicht. Frauen kommen immer irgendwo zu spät. Es fühlt sich komisch an, auf eine andere Frau zu warten, als auf Lucy. Ein Blick auf die Uhr sagt mir, dass sie zehn Minuten zu spät ist. Hoffentlich hat sie es sich nicht anders überlegt.

Ein Taxi fährt vor und sie steigt aus. Ich atme erleichtert aus. Sie hat mich doch nicht versetzt. Davor hatte ich, ehrlich gesagt, ein wenig Angst. Das letzte Mal, dass ich eine Frau in einer Bar aufgerissen habe, ist über zwei Jahre her.

Sie öffnet die Tür und ich sehe sie an. Sie trägt einen dunklen Anzug und eine rote Bluse. Ihre Lippen sind blutrot vom Lippenstift. Ganz langsam verschwimmt ihr Gesicht und Lucys kommt zum Vorschein. Sie sieht so aus, wie an meinem ersten Tag in ihrem Haus. Ich spüre, wie mein Grinsen immer breiter wird. Sie sieht atemberaubend aus.

Wie sich ihre Hüften schwingen, bei jedem Schritt den sie macht, auf diese elegante und einzigartige Art. Sie konnte schon immer perfekt in Heels laufen. Langsam stehe ich auf und strecke meine Hand nach ihr aus.

„Schön, dass du da bist.“

„Entschuldige die Verspätung“, sagt sie.

Und auf einmal ist es so, als hätte mich jemand gekniffen und ich bin hellwach. Das Gesicht verändert sich wieder. Es ist nicht Lucy. Um mir nichts anmerken zu lassen, grinse ich weiter, obwohl ich eigentlich bitter enttäuscht bin.

Wir setzen uns und ich stelle mir die ganze Zeit Lucy vor. Dass sie jetzt hier mit mir sitzt. Sie diejenige ist, die mit mir redet. Ich will nur hoffen, dass ich Celine nicht versehentlich mit Lucys Namen anspreche. Ich muss mich zusammenreißen.

Nach zwei interessanten Stunden verlassen wir das Restaurant. Sie macht einen netten Eindruck und – was das Wichtigste ist - sie ist Single. Sie arbeitet in der Modebrache. Eine Art Managerin für Modenschauen, wenn ich richtig verstanden habe. Ich denke, ich werde mich noch ein paar Mal mit ihr treffen, um sie besser kennenzulernen. Und wer weiß, vielleicht verliebe ich mich in sie und kann Lucy vergessen.

„Bist du morgen Abend frei?“, frage ich vorsichtig, als wir das Restaurant verlassen, um auf ein Taxi für sie zu warten.

Sie lächelt mich etwas scheu an, aber ihre Augen strahlen dabei. Ich denke, sie hat darauf gehofft, dass ich sie wiedersehen will.

„Ich dachte schon du würdest nie fragen.“

„Soll ich dich abholen oder wollen wir uns irgendwo treffen?“

Wenn ich sie abhole, dann weiß ich wo sie wohnt. Ich werde sie dann nach Hause bringen müssen und wenn ich mich überwinden kann, könnte ich die Nacht mit ihr verbringen, vorausgesetzt, sie will es auch. Vielleicht wäre das der erste Schritt, um endlich alles zu vergessen und hinter mir zu lassen.

„478 21zigste North West“, antwortet sie.

Ich nicke. Hoffentlich ist es eine inoffizielle Einladung mit ihr die Nacht zu verbringen. Versuchen könnte ich es ja.

„Okay, ich bin um sieben da“, sage ich und umarme sie zum Abschied.

Ein kalter Schweißfilm ist auf meinem Gesicht und Körper. Ich versuche zu atmen, da meine Kehle wie zugeschnürt ist. Es vergehen ein paar Sekunden, bis ich einigermaßen wieder normal atmen kann. Aber mein Herz schlägt immer noch schnell.

Mit meiner Hand berühre ich meine Narbe, die mich mein ganzes Leben an Lucy erinnern wird. Sie hat mich damit gebrandmarkt.

Ich hatte wieder diesen Traum. Sie war wieder da, kaltherzig und hat mich angeschrien. Und dann... dann hat sie abgedrückt.

Ich schiebe die Decke zur Seite und stehe auf. Es ist mitten in der Nacht. Wie immer. Langsam gehe ich ins Badezimmer und kühle mein Gesicht ab. Ich schaue in den Spiegel. Was, wenn ich die morgige Nacht mit Celine verbringe und wieder diesen Alptraum habe? Sie wird wissen wollen, was es für ein Traum war und warum ich ihn hatte. Ich kann es ihr unmöglich erklären. Vielleicht irgendwann, wenn es zwischen uns was wird.

Am nächsten Abend stehe ich um sieben Uhr vor dem Haus mit der Hausnummer 478. Ich werfe einen Blick auf meine Uhr, als die Haustür sich öffnet und sie herauskommt. Meine Augen schweifen nach rechts und ich komme nicht aus dem Staunen raus. Sie sieht einfach umwerfend aus.

Sie trägt einen Rock oder ein Kleid. Genau kann ich es nicht erkennen, da sie einen Mantel drüber trägt. Ihre Haare hat sie zusammengebunden und damit ihren Nacken freigelegt. Ich stelle mir vor, wie meine Lippen auf- und abgleiten.

Sie hat eine zierliche Figur und tolle Beine. So schlank und lang. Genau wie die von Lucy. Sie trägt High Heels. Genau wie Lucy gerne High Heels getragen hat.

Oh Gott, Ryan! Höre endlich auf sie ständig mit Lucy zu vergleichen. Es ist vier Monate her. Vier verdammte Monate. Sieh zu, dass du dein Leben wieder in den Griff kriegst. Sieh zu, dass du wieder anfängst zu leben.

„Hi!“, sagt sie, als sie einsteigt.

„Hi, du bist heute pünktlich.“

„Du aber auch. Wo fahren wir hin?“, fragt sie.

Ich schüttele meinen Kopf und verweigere ihr die Antwort. Ich werde ihr doch nicht verraten, wo es hingeht? Das soll eine Überraschung werden. Sie wird es lieben, da bin ich mir ganz sicher.

„Na gut. Wenn du mir nicht sagst, wo es hingeht, dann lasse ich mich eben überraschen.“

Ich fahre vor dem Restaurant, an der 16ten North West, vor.

„Das Lafayette? Du machst wohl Witze“, stößt sie heraus, als sie es sieht.

„Warum? Es ist eines der besten in D.C.“

„Ich weiß. Ich wollte schon immer mal hier essen. Es hat einen guten Ruf, weißt du das?“

„Das ist mir bewusst.“

Wir steigen aus, ich halte ihr meinen Arm hin, sie hakt sich unter und wir betreten das Restaurant.

„Wie hast du so schnell einen Tisch bekommen? Ich habe gehört, man hat hier bestimmt zwei Wochen oder mehr Wartezeit“, fragt sie.

Ich schaue sie an und zwinkere ihr zu.

„Beziehungen.“

Ich denke, ich verrate ihr lieber nicht, welche Beziehungen ich habe. Von meinem Job beim FBI weiß sie nichts. Ich habe ihr die gleiche Geschichte erzählt, wie Lucy damals. Dass ich hier in D.C. lebe und ein Bodyguard bin.

Der Kellner bringt uns an unseren Tisch, ich halte ihr den Stuhl hin – wie es sich für einen Gentleman gehört – und sie setzt sich. Nachdem ich mich auch gesetzt habe, bekommen wir die Menükarte.

Wir bestellen und ich nehme mir vor, mit ihr zu flirten. Hoffentlich schaffe ich es. Übung habe ich ja darin, aber ob ich das auch hinbekomme, bleibt ganz einfach abzuwarten. Ich muss mir alle Mühe geben, um mich in sie zu verlieben. Ich muss mich in sie verlieben. Etwas anderes bleibt mir nicht übrig.

Ihre Augen sehen sich um, bewundern die Einrichtung, aber auch die zahlreichen bekannten Gäste, die gerade hier speisen.

„Du sieht hübsch aus“, erwähne ich beiläufig und sie richtet ihren Blick wieder auf mich, während ich den ersten Versuch starte, um mit ihr zu flirten.

„Danke“, sagt sie etwas verlegen und senkt ihren Blick.

Diese Art von ihr gefällt mir. Sie erinnert mich an mein erstes Treffen mit Lucy in dieser Bar. Da hat sie auch ständig weggesehen, als ich sie angesehen habe. War das eine wundervolle Zeit!

„Ich freue mich, dass wir uns heute wiedersehen.“

„Ja“, bestätigt sie und sieht wieder auf zu mir. „Ich mich auch. Du scheinst ein netter Typ... ich meine, Mann zu sein.“

Sie ist erst 20, aber sieht älter aus. Ihre feuerroten Haare hat sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Die rehbraunen Augen hat sie so geschminkt, dass deren Farbe besonders zur Geltung kommt. Sie trägt ein Kleid. Bordeauxrot und schulterfrei. Ihre Lippenfarbe ist genauso Rot, wie ihr Kleid.

Sie fängt an mit dem Ende ihres Pferdeschwanzes zu spielen, der über ihrer Schulter liegt. Ein ganz klares Zeichen von Nervosität. Ich bin es auch, aber ich zeige es ihr nicht direkt. Ein Glück kann sie nicht unter dem Tisch sehen, wie ich die Tischdecke zwischen meinen Fingern zwirbele.

„Warst du schon mal hier?“, frage ich.

„Nein, es ist das erste Mal. Und du?“

„Ja, mit einem Klienten. Ich bin ja sehr viel unterwegs und habe die Gelegenheit gute Restaurants zu besuchen.“

Dass ich vor ein paar Monaten mit Lucy hier war sage ich ihr natürlich nicht. Ich muss ja nicht meine Vergangenheit preisgeben. Noch nicht. Wenn es zwischen uns was wird, dann werde ich ihr nach und nach darüber erzählen. Vielleicht nicht die ganze Wahrheit. Und irgendwann kann ich meinen wahren Beruf nicht vor ihr verbergen. Aber das hat noch Zeit. Jetzt muss ich dafür sorgen, dass ich mich wohlfühle.

Ich muss mich auf sie konzentrieren und nicht an den Abend denken, den ich hier mit Lucy verbracht habe. Damals hatte ich auch meine Beziehungen spielen lassen. Lucy war begeistert vom Ambiente des Restaurants. Sie hatte sogar darum gebeten mit dem Chef zu sprechen, um herauszufinden, wer der Innenarchitekt war. Ich schmunzele bei dem Gedanken daran.

„Sagst du mir, warum du lächelst?“, höre ich ihre Stimme, die mich aus meinen Gedanken reißt.

Ich sehe sie verblüfft an, weil ich nicht registriert habe, dass sie mich beobachtet.

„Ach, nichts. Ich musste nur an meinen ersten Besuch hier denken. Irgendwie habe ich mich nicht wohlgefühlt, weil mein Klient mir das Essen spendiert hat“, lüge ich sie an.

„Ich würde mich dabei auch nicht wohlfühlen“, bestätigt sie und lächelt dabei.

Den restlichen Abend erzählt sie mir, wie sie gerade dabei ist eine Modenschau zu organisieren. Sie findet im Dezember in den Niederlanden statt. Sie muss die Models aussuchen, welche Modelle sie anziehen werden, Visagisten und Stylisten buchen und für den Designer das geeignete Hotelzimmer buchen. Ich sehe es ihr an, dass ihr der Beruf Spaß macht, denn sie strahlt während sie mir davon berichtet. Sie liebt ihn.

Genau wie Lucy ihren liebt. Ich frage mich, wer das Büro jetzt wohl leiten wird, da sie weg ist. Vielleicht hat sie es auch verkauft? An Donati? Er war ja die ganze Zeit hinter der Alleinherrschaft her. Ich erinnere mich an diesen Abend, als er Fiore und mich abknallen wollte, um sich wegen seinem Sohn zu rächen. Dieser Mistkerl.

„Was meinst du?“, höre ich sie sagen.

„Hm?“

„Es ist spät geworden. Wollen wir langsam aufbrechen?“

„Ja, natürlich“, antworte ich verlegen. Hoffentlich hat sie nicht mitbekommen, dass ich nur die Hälfte von dem gehört habe, was sie mir erzählt hat. Das wäre außerordentlich peinlich. Ich begleiche die Rechnung und wir machen uns auf dem Weg zu meinem Wagen.

Während ich fahre, schaue ich, wie immer, ständig in den Rückspiegel. Irgendwie kann ich es mir nicht abgewöhnen. Jedes Mal, wenn ich abbiegen muss, schaue ich nach hinten. Ich denke, dass ein Fahrzeug uns verfolgt. Sicher bin ich mir natürlich nicht, da es dunkel ist, aber es sind ein paar Scheinwerfer, die uns schon eine ganze Weile folgen.

Ich nähere mich einem Kiosk und stoppe. Bevor ich aussteige, sehe ich in den Spiegel und liege mit meiner Vermutung richtig. Der Wagen hält ein paar Meter hinter uns. So eine verdammte Scheiße! Wer kann das sein? Vor ein paar Wochen hatte ich schon mal das Gefühl, dass mir jemand folgt. Erkennen konnte ich aber niemanden. Damals dachte ich, ich hätte Halluzinationen.

„Ich hole mir nur Zigaretten. Bin gleich wieder da“, sage ich und steige aus.

Ich schaue durch meine Augenwinkel auf den Wagen. Die Scheinwerfer sind noch an und ich kann weder eine Person, noch das Kennzeichen erkennen. Damals, als uns der Wagen in Boston verfolgt hat, konnte ich das Kennzeichen sehen. Aber es war am helllichten Tag. Jetzt muss ich einfach abwarten. Ich stecke die Zigaretten in meine Jackentasche, steige wieder ein und fahre los.