Mit Gift und Genen - Marie-Monique Robin - E-Book

Mit Gift und Genen E-Book

Marie-Monique Robin

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  • Herausgeber: DVA
  • Kategorie: Fachliteratur
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2009
Beschreibung

Monsanto – ein Skandalkonzern manipuliert unsere Nahrung

Der Chemie- und Biotech-Riese Monsanto gelangte bisher kaum ins Bewusstsein der Öffentlichkeit, obwohl er mit seinen Produkten wie Pestiziden und genmanipulierten Pflanzen eine fundamentale und höchst umstrittene Rolle in der Weltnahrungsmittelproduktion spielt. In ihrem brisanten Buch schildert die Journalistin Marie-Monique Robin, welche Gefahren von den Produkten und der Macht des Konzerns weltweit und vor unserer Haustür ausgehen.

Der amerikanische Chemie- und Biotech-Konzern Monsanto hat sich zum weltweiten Marktführer bei genmanipuliertem Saatgut vorgekämpft. Schädlingsresistente Monsanto-Pflanzen werden jedoch vielerorts, auch bei uns, als gesundheitliche, biologische und wirtschaftliche Bedrohung angesehen. Andere Produkte sind nicht weniger umstritten: Mit sogenanntem Hybridsaatgut etwa, das nach der Ernte nicht wieder zur Aussaat verwendet werden kann, geraten Bauern nach Ansicht vieler Beobachter in ruinöse Abhängigkeit. Der Multi ist berüchtigt für seine rücksichtslose Geschäftspolitik, die Einschüchterung von Kritikern und den Eingriff in demokratische Prozesse. Er betreibt aggressive Lobbyarbeit auch in Deutschland.

Marie-Monique Robin hat bei ihrer langjährigen Recherche Fakten, Aussagen und Untersuchungsergebnisse zusammengetragen, die erstmals umfassend das Geschäftsgebaren und die Ziele von Monsanto darlegen. Vor dem Hintergrund der weltweiten Nahrungsmittelkrise gewinnen ihre Erkenntnisse noch an Brisanz.

• Enthüllt die umstrittenen Aktivitäten des global agierenden Biotech-Konzerns

• Auch in Deutschland versucht Monsanto mit genmanipulierten Produkten Fuß zu fassen

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Seitenzahl: 691

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Inhaltsverzeichnis
 
Prolog
 
I - Einer der größten Umweltverschmutzer der Industriegeschichte
1 PCB: Verbrecher mit weißem Kragen
David gegen Goliath
Monsanto - so fing alles an
500 000 Seiten geheimer Dokumente
Obwohl Monsanto Bescheid wusste, hat es geschwiegen
»Kriminelles Verhalten«
Komplexität und Manipulation
Ein ebenso starkes Gift wie Dioxin
 
Copyright
Gewidmet meinen Eltern, den Bauern Joël und Jeannette, denen ich den Sinn für die schönen Dinge der Erde und damit des Lebens verdanke …
Prolog

Die Monsanto-Frage

»Sie müssen unbedingt eine Reportage über Monsanto machen. Wir müssen alle erfahren, was dieser multinationale amerikanische Konzern wirklich will, der gerade dabei ist, das Saatgut und damit die Welternährung in den Griff zu bekommen...« Wir befinden uns auf dem Flughafen von Neu-Delhi, es ist Dezember 2004. Yudhvir Singh, mein Gesprächspartner, ist Sprecher der Bharatiya Kisan Union, eines nordindischen Bauernverbandes mit etwa 20 Millionen Mitgliedern. Mit ihm bin ich gerade zwei Wochen lang kreuz und quer durch den Pandschab und Haryana gefahren, die beiden indischen Bundesstaaten, in denen fast der gesamte Weizen Indiens erzeugt wird und die zu einem Symbol für die Grüne Revolution geworden sind.

Eine notwendige Untersuchung

Ich war dabei, zwei Dokumentationen für den deutsch-französischen Fernsehsender Arte zu drehen, die im Rahmen eines Themenabends über Biodiversität (biologische Vielfalt) ausgestrahlt werden sollten.11 Im ersten, Les Pirates du vivant2, schildere ich, wie es dank der genetischen Manipulationstechniken zu einem regelrechten Run auf die Gene kam und biotechnologische Großkonzerne keine Skrupel haben, sich der natürlichen Ressourcen von Entwicklungsländern zu bemächtigen, indem sie Patentrechte missbrauchen. So kann sich etwa ein Landwirt aus Colorado ein Patent auf die grüne Bohne sichern, die seit Menschengedenken in Mexiko angebaut wird, indem er vorgibt, deren amerikanischer »Erfinder« zu sein, und damit Lizenzgebühren von allen mexikanischen Bauern beansprucht, die ihre Ernte in die USA exportieren wollen. Auf diese Weise ist es auch einer amerikanischen Firma namens Monsanto gelungen, ein europäisches Patent auf eine indische Weizensorte anzumelden, die zur Herstellung der berühmten »Chapatis« (Fladenbrote) dient...
In der zweiten Dokumentation mit dem Titel Weizen - Chronik eines angekündigten Todes? gehe ich der Entwicklung der Biodiversität und ihrer Bedrohung nach, und zwar anhand der Geschichte des Weizens - von der Domestikation des goldenen Getreides durch den Menschen vor zehntausend Jahren bis zur Einführung gentechnisch veränderter Organismen (GVOs), deren Weltmarktführer Monsanto ist. Gleichzeitig arbeitete ich an einem dritten Film für Arte mit dem Titel Argentine: le soja de la faim, der eine (katastrophale) Bilanz des Anbaus transgener Kulturen im Land der Kühe und der Milch zieht. Wie sich dabei herausstellt, handelt es sich bei den besagten GVOs, die auf 50 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes angebaut werden, um eine Sojasorte namens »Roundup ready«, die von Monsanto manipuliert wurde, um dem seit den 1970er Jahren meistverkauften Herbizid der Welt »Roundup« zu widerstehen, das ebenfalls von Monsanto hergestellt wird.3
Für diese drei Filme - die mehrere einander ergänzende Facetten derselben Problematik zeigen, nämlich die der Auswirkungen von Biotechnologie auf die weltweite Landwirtschaft und darüber hinaus auf die menschliche Nahrungsmittelerzeugung - habe ich im Laufe eines Jahres die ganze Welt bereist: Europa, die USA, Kanada, Mexiko, Argentinien, Brasilien, Israel, Indien... Und allerorten schwebte über allem das Gespenst der Firma Monsanto, das weltweit als Big Brother der neuen landwirtschaftlichen Ordnung wahrgenommen wird und viel Unbehagen verursacht.
Daher hat Yudhvir Singhs Empfehlung kurz vor meiner Abreise aus Indien in mir ein bis dato diffuses Gefühl bestätigt und verstärkt: mich mehr mit der Geschichte dieses multinationalen 1901 in St. Louis, Missouri, gegründeten amerikanischen Unternehmens beschäftigen zu müssen, dem heute 90 Prozent der weltweit angebauten GVOs gehören und das 2005 zum größten Saatgutproduzenten der Welt wurde.
Kaum aus Neu-Delhi zurück, stürzte ich mich in die Arbeit, fuhr den Computer hoch und gab in meine Lieblingssuchmaschine »Monsanto« ein. Ich fand über sieben Millionen Einträge, die das Porträt eines Unternehmens zeichneten, das fern aller Einstimmigkeit als eines der umstrittensten des Industriezeitalters gilt. Wenn man nämlich zu »Monsanto« das Wort »pollution« hinzufügte, das sowohl im Englischen wie im Französischen »Verschmutzung« bedeutet, erhielt man 343 000 Treffer... Mit »criminal« - »kriminell« auf Englisch wie auf Spanisch - waren es 165 000; mit »corruption« - »Korruption« auf Englisch und Französisch - 129 000; der Satz »Monsanto falsified scientific data« (»Monsanto hat wissenschaftliche Daten verfälscht«) ergab 115 000 Verweise.
Ausgehend von diesen Suchergebnissen machte ich mich als eifrige Internet-Userin ans Werk und navigierte wochenlang von einer Seite zur anderen, studierte zahlreiche öffentlich zugängliche Dokumente, Berichte und Zeitungsartikel, bis ich mit viel Geduld die Puzzleteile zu einem hochpolemischen Ganzen fügen konnte, das die Firma selbst auf ihrer Internetseite zu verschweigen vorzieht. Wenn man auf die Seite »Monsanto.com« geht, entdeckt man, dass der Konzern sich als »landwirtschaftliches Unternehmen« (an agricultural company) versteht, dessen Ziel es sei, »den Bauern weltweit zu helfen, gesündere Nahrungsmittel zu erzeugen […] und dabei die Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt zu reduzieren«. Was dort nicht steht, ist, dass der Konzern vor seinem Engagement in der Landwirtschaft eines der größten Chemieunternehmen des 20. Jahrhunderts war, spezialisiert auf Kunststoffe, Polystyrole und andere Kunstfasern.
In der Rubrik »Wir über uns« findet sich kein Wort über die extrem giftigen Produkte, mit denen jahrzehntelang große Gewinne gemacht wurden: PCBs (polychlorierte Biphenyle), Verbindungen, die fünfzig Jahre lang in den USA unter dem Namen Aroclor, in Frankreich als Pyralène und in Deutschland als Clophen als Isolierflüssigkeit in elektrischen Transformatoren verwendet wurden und deren Giftigkeit Monsanto bis zu ihrem Verbot Anfang der 1980er Jahre verschwiegen hat; 2-4-5-T, ein starkes, dioxinhaltiges Herbizid und Ausgangsstoff für Agent Orange, ein Entlaubungsmittel, das von der amerikanischen Armee im Vietnamkrieg eingesetzt wurde und dessen Giftigkeit Monsanto wissentlich bestritten hat, indem es wissenschaftliche Studien verfälscht hat; 2-4-D - der andere Bestandteil von Agent Orange; DDT, inzwischen verboten; Aspartam, dessen Unschädlichkeit noch lange nicht bewiesen ist; Wachstumshormone für Milchkühe und Rinder allgemein (die in Europa wegen ihrer Risiken für die Gesundheit von Mensch und Tier verboten sind).
So viele äußerst umstrittene Produkte, die aus der offiziellen Firmengeschichte des Konzerns aus St. Louis einfach verschwunden sind (mit Ausnahme des Milchkuh-Wachstumshormons, auf das ich in diesem Buch noch ausführlich zurückkomme)! Wenn man die internen Firmendokumente unter die Lupe nimmt, entdeckt man allerdings, dass diese düstere Vergangenheit nach wie vor die Geschäfte belastet und das Unternehmen zwingt, beträchtliche Summen bereitzustellen, um sich Gerichtsverfahren zu stellen, die sich regelmäßig negativ auf das Betriebsergebnis auswirken.

100 Millionen Hektar GVOs

Diese Entdeckungen haben mich jedenfalls dazu gebracht, Arte eine neue Dokumentation mit dem Titel Monsanto, mit Gift und Genen vorzuschlagen. Das vorliegende Buch basiert auf den Rechercheergebnissen für diese Dokumentation. Die Idee war, die Geschichte dieses Weltkonzerns zu erzählen und zu verstehen, in welchem Maße seine Vergangenheit zu den gegenwärtigen Geschäftspraktiken und der heutigen Selbstdarstellung beigetragen hat. Mit 17 500 Angestellten, einem Umsatz von 7,5 Milliarden Dollar im Jahre 2007 (davon eine Milliarde Gewinn) und Niederlassungen in 46 Ländern behauptet das Unternehmen, einen Sinneswandel hin zu den Tugenden der nachhaltigen Entwicklung durchgemacht zu haben, die es nach seinem Verständnis durch die Markteinführung transgenen Saatguts fördert, das angeblich die Grenzen der Ökosysteme zum Wohl der Menschheit neu definiert.
Seit 1997 war es Monsanto mit großem Werbeaufwand und einem wirkungsvollen Slogan - Food, Health and Hope (Ernährung, Gesundheit und Hoffnung) - gelungen, seine GVOs, hauptsächlich Soja, Mais, Baumwolle und Raps, in weiten Gebieten der Erde durchzusetzen. Im Jahre 2007 wurden transgene Kulturen (von denen, zur Erinnerung, 90 Prozent von Monsanto patentierte genetische Charakteristika aufweisen) auf 100 Millionen Hektar angebaut: Über die Hälfte davon befindet sich in den USA (54,6 Mio.), gefolgt von Argentinien (18 Mio.), Brasilien (11,5 Mio.), Kanada (6,1 Mio.), Indien (3,8 Mio.), China (3,5 Mio.), Paraguay (2 Mio.) und Südafrika (1,4 Mio.). Abgesehen von Spanien und Rumänien, hat dieser »GVO-Flächenbrand«4 inzwischen auch Europa erfasst. Demnach waren 70 Prozent der weltweit angebauten GVOs gegen Roundup resistent. Roundup ist das Herbizid-Flaggschiff von Monsanto, von dem die Firma stets behauptet hat, dass es »biologisch abbaubar und gut für die Umwelt« sei (was ihr, wie wir sehen werden, zwei Verurteilungen wegen irreführender Werbung eingebracht hat). Und 30 Prozent der GVOs waren so manipuliert, dass sie ein Insektengift namens »Bt« produzierten.
Natürlich hatte ich mich, kaum dass ich mit dieser Langzeituntersuchung begonnen hatte, an die Verantwortlichen des Konzerns gewandt und sie um eine Reihe von Interviews gebeten. Die Zentrale in St. Louis verwies mich an Yann Fichet, Agronom und Leiter für Behörden- und Industrieangelegenheiten der französischen Filiale mit Sitz in Lyon. Ich bekam einen Gesprächstermin für den 20. Juni 2006 in Paris, in einem Hotel nahe dem Palais du Luxembourg (dem Sitz des französischen Senats), wo er, wie er zugab, »viel Zeit« verbrachte. Fichet hörte mich ausführlich an und versprach, meine Anfrage an den Hauptsitz in St. Louis weiterzuleiten. Ich wartete drei Monate lang auf Antwort, in denen ich mehrmals bei meinem Lyoner Gesprächspartner nachfragte, bis er mir schließlich mitteilte, meine Anfrage sei abgelehnt worden. Anlässlich der Dreharbeiten in St. Louis wandte ich mich daher an Christopher Horner, den Sprecher von Monsanto, der mir in einem Telefongespräch am 9. Oktober 2006 die Absage bestätigte: »Wir wissen Ihre Bemühungen um einen Interviewtermin zu schätzen, aber wir haben die Angelegenheit intern besprochen und bleiben bei unserer Haltung. Wir haben nicht den geringsten Anlass, an Ihrer Dokumentation mitzuwirken...«
»Haben Sie vielleicht Angst vor den Fragen, die ich Ihnen stellen könnte?«
»Nein, nein... Es geht nicht darum, ob wir Antworten auf Ihre Fragen haben oder nicht, sondern um die Legitimität, die wir damit dem Endprodukt verleihen würden, von dem wir fürchten, dass es uns nicht im besten Licht darstellen wird...«
Angesichts dieser Weigerung habe ich dennoch nicht darauf verzichtet, die Firma selbst zu Wort kommen zu lassen, indem ich mir nicht nur alle verfügbaren schriftlichen und audiovisuellen Quellen besorgt habe, in denen sich ihre Repräsentanten geäußert haben, sondern auch und ganz besonders die von Monsanto ins Internet gestellten Dokumente, in denen sie die Wohltaten beschreibt, die die GVOs angeblich der Welt gebracht haben: »Diejenigen Bauern, die biotechnologische Kulturen angepflanzt haben, haben insgesamt weniger Pestizide eingesetzt und signifikant höhere Gewinne erzielt als die konventionelle Landwirtschaft«, konnte man etwa 2005 in The Pledge (Versprechen bzw. Verpflichtung) lesen, einer Art ethischen Charta des Konzerns, die seit 2000 regelmäßig erscheint und seine Vorhaben und Ergebnisse vorstellt.5
Da ich selbst aus einer Bauernfamilie komme - ich wurde 1960 auf einem Hof im Poitou-Charentes geboren - bin ich sehr sensibel für die Probleme, von denen die Landwirtschaft geplagt wird und kann mir gut vorstellen, was eine solche Aussage bei den Bauern bewirkt, die Tag für Tag in Europa und anderswo um ihr Überleben kämpfen. Ich habe dieses Buch hauptsächlich für sie geschrieben, für die Menschen, die unseren Boden bearbeiten und die angesichts der Globalisierung, durch die im Süden wie im Norden die Dörfer verarmen, nicht mehr wissen, auf welche Fahne sie schwören sollen. Kann dieses Genie aus St. Louis ihr Leben retten? Ich wollte die Wahrheit wissen, denn sie betrifft uns alle - schließlich geht es darum, wer morgen für die Ernährung der Menschheit sorgen wird.
»Der Monsanto-Konzern hilft den Kleinbauern weltweit, ihre Produktivität zu steigern und sich selbst zu erhalten«, heißt es ebenfalls in The Pledge.6 Und weiter: »Die gute Nachricht ist, die praktische Erfahrung zeigt deutlich, dass die Koexistenz von transgenen, konventionellen und biologischen Kulturen nicht nur möglich ist, sondern bereits in der ganzen Welt friedlich praktiziert wird.«7 Und dann dieser Satz, der mich besonders hellhörig gemacht hat, weil er eines der Hauptprobleme, nämlich mögliche gesundheitsschädliche Auswirkungen der GVOs auf die Menschen anspricht: »Überall in der Welt sind die Verbraucher der lebende Beweis für die Unschädlichkeit biotechnologisch veränderter Kulturen. In der Saison 2003/2004 haben sie das Äquivalent von 28 Milliarden Dollar an transgenen Lebensmitteln gekauft, die von der US-amerikanischen Landwirtschaft erzeugt wurden.«8 Als ich diese schöne Behauptung zu überprüfen versuchte, dachte ich an all die Verbraucher, die sich von den Produkten der Bauern ernähren und die durch ihre aufgeklärte Wahl auf die landwirtschaftlichen Arbeitsmethoden Einfluss nehmen könnten und damit auf die Welt - vorausgesetzt, dass sie informiert sind! Auch für sie habe ich dieses Buch geschrieben.
All diese Zitate aus Monsantos Pledge stehen im Mittelpunkt der Polemik, in der die Befürworter und Gegner der Biotechnologie einander gegenüberstehen. Für Erstere hat der Konzern aus St. Louis tatsächlich einen Schlussstrich unter seine Vergangenheit als verantwortungsloser Chemieproduzent gezogen. Die Produkte, die er jetzt anbietet, versuchen sowohl dem Problem des Hungers in der Welt als auch dem der Umweltverseuchung Herr zu werden; dabei folgen sie »Werten«, die nicht zuletzt für seine Unternehmensaktivitäten maßgeblich sind: »Integrität, Transparenz, Dialog, Teilnahme und Respekt«, wie es Monsantos Pledge von 2005 proklamiert.9 Für Letztere dagegen sind alle diese Versprechen nur Sand, den das Unternehmen uns in die Augen streut, um ein riesiges hegemoniales Projekt zu verschleiern, das eine Bedrohung für die Ernährungssicherheit der Welt ist ebenso wie für das ökologische Gleichgewicht des Planeten und die düstere Geschichte Monsantos fortsetzt, wenn nicht sogar ihr Höhepunkt ist.
Ich wollte in dieser Hinsicht unvoreingenommen sein und bin deshalb auf zwei verschiedene Weisen vorgegangen. Einmal war ich tage- und nächtelang im Internet unterwegs. Die allermeisten Dokumente, die ich in diesem Buch zitiere, sind tatsächlich im Netz verfügbar. Man braucht sie nur zu suchen und zueinander in Beziehung zu setzen - wozu ich den Leser animieren möchte, denn es ist wirklich faszinierend: Alles ist da, und niemand kann behaupten, er habe nichts davon wissen können, vor allem nicht diejenigen, die unsere Gesetze machen. Aber natürlich genügt das nicht. Und deshalb habe ich wieder meinen Pilgerstab hervorgeholt. Ich bin in die USA, nach Kanada, Mexiko, Paraguay, Indien, Vietnam, Frankreich, Norwegen, Italien und Großbritannien gereist. Überall habe ich die Aussagen von Monsanto mit der Realität vor Ort verglichen und mit Dutzenden von Zeugen gesprochen, auf die ich vorher im Netz gestoßen war.
In der Tat gibt es jede Menge Leute, die in allen Ecken der Welt die Alarmglocke geläutet haben, indem sie hier eine Manipulation, dort eine Lüge und wiederholt auch menschliche Dramen aufgedeckt haben, und das oft mit großen persönlichen und beruflichen Schwierigkeiten haben büßen müssen. Denn - der Leser wird es im Laufe dieses Buches merken - es ist nicht einfach, die Tatsachen der Wahrheit Monsantos gegenüberzustellen, die darin besteht, dass das Unternehmen es sich zur Aufgabe gemacht habe, »das Saatgut und damit die Welternährung« in den Griff zu bekommen, wie mir Yudhvir Singh 2004 sagte. Ein Ziel, das der Konzern 2008 scheinbar dabei ist zu erreichen - zumindest, wenn die Bauern und Verbraucher Europas nicht anders entscheiden und den Rest der Welt auf ihrer Seite haben...
I
Einer der größten Umweltverschmutzer der Industriegeschichte
1 PCB: Verbrecher mit weißem Kragen
»Wir können es uns nicht leisten, auch nur einen Dollar Umsatz zu verlieren.« Pollution Letter,von Monsanto freigegebenes Dokument,16. Februar 1970
Anniston, Alabama, am 12. Oktober 2006. Mit zitternder Hand legt David Baker die Kassette in den Videorecorder ein: »Ein unvergesslicher Tag«, murmelt der 1,90 Meter große Mann und wischt sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel, »der größte Tag meines Lebens, der Tag, an dem die Leute in unserer Gemeinde entschieden haben, ihre Würde zurückzuerobern und einen der größten Konzerne der Welt zu bezwingen, der immer nur Verachtung für sie übrig hatte...« Auf dem Fernsehschirm ziehen die Bilder vorbei, die am 14. August 2001 in Anniston im Staate Alabama entstanden. Goldenes Abendlicht. Der sichtlich überforderte Amateurkameramann weiß nicht mehr, wohin er das Objektiv richten soll: Von überall her strömen Gruppen von Afroamerikanern zusammen und streben entschlossen und schweigsam auf das Kulturzentrum an der 22. Straße zu. »Der Anniston Star schrieb am nächsten Tag, dass es 5000 Menschen waren. Es war der größte Menschenauflauf in der Geschichte der Stadt.«

David gegen Goliath

»Warum sind Sie gekommen?«, erkundigt sich der angehende Journalist.
»Weil mein Mann und mein Sohn an Krebs gestorben sind«, erklärt eine Frau um die fünfzig.
»Und Sie?«
»Wegen meiner Tochter«, antwortet ein Mann und zeigt auf ein Mädchen, das auf seinen Schultern sitzt, »sie hat einen Hirntumor... Wir hatten die Hoffnung verloren, dass wir Monsanto je dafür bezahlen lassen könnten, was es uns alles angetan hat, aber wenn sich Johnnie Cochran für uns einsetzt, dann sieht die Sache schon anders aus...«
Johnnie Cochran: Der Name ist in aller Munde. 1995 hatte der Anwalt mit der Tenorstimme die USA in Atem gehalten, als er den ehemaligen Footballstar und späteren Schauspieler Orenthal James Simpson verteidigte, der beschuldigt worden war, an einem Abend des Jahres 1994 seine Exfrau und ihren Liebhaber ermordet zu haben. Nach einem Mammutprozess, der von großem Medienrummel begleitet worden war, wurde O. J. Simpson dank seines geschickten Anwalts freigesprochen. Dieser, Urenkel eines schwarzen Sklaven, hatte alles dafür getan, seinen Mandanten als Opfer rassistischer Manipulationen durch die Polizei darzustellen. Seitdem war Johnnie Cochran bis zu seinem Tod im März 2005 der Held der Afroamerikaner: »Ein Gott«, wie David Baker mir sagt, »deswegen wusste ich, dass ich in dem Moment, wo ich ihn überreden konnte, nach Anniston zu kommen, von dem er noch nie gehört hatte, die Partie quasi schon gewonnen hatte...«
»Johnniiiiiie!«, schrie die Menge, als der Anwalt, der in seinem makellosen Anzug eine elegante Erscheinung war, auf die Tribüne kletterte. Und Johnnie sprach in die andächtige Stille hinein. Er fand die richtigen Worte für diese Südstaaten-Kleinstadt, die lange Zeit vom Kampf um die Bürgerrechte zerrissen gewesen war. Er beschwor die historische Rolle herauf, die die aus Alabama stammende Rosa Parks im Kampf gegen die Rassentrennung in den Vereinigten Staaten2 gespielt hatte. Er zitierte aus dem Matthäusevangelium: »Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.«
Dann erinnerte er an die Geschichte von David und Goliath und damit an David Baker, den Mann, dem wir diese Zusammenkunft verdanken, die lange nicht für möglich gehalten worden war. »Ich schätze diese Hilfe sehr, und ich erkenne viele Davids unter euch«, begeisterte er sich. »Ich weiß nicht, ob ihr euch der Macht bewusst seid, die ihr habt... Jeder Bürger hat das Recht, frei von Umweltverschmutzung zu leben, frei von PCB, von Quecksilber oder Blei, das ist ein Grundsatz der Verfassung! Ihr erhebt euch gegen die Ungerechtigkeit, die Monsanto an euch begangen hat, denn diese Ungerechtigkeit bedroht die Gerechtigkeit an jedem anderen Ort der Welt! Ihr erweist dem Land einen Dienst, das nicht länger von den Privatinteressen der Industrieriesen regiert werden darf!«
»Amen! Hallelujah!«, jubelte die Menge und spendete tosenden Beifall. In den folgenden Tagen marschierten 18 233 Einwohner Annistons, darunter 450 Kinder mit spastischen Störungen des Nerven- und Muskelsystems, in das kleine Büro des Komitees »Community against Pollution«, das David Baker 1997 gegründet hatte, um ihre Klage gegen das Chemieunternehmen registrieren zu lassen. Sie gesellten sich zu 3516 weiteren Klägern, darunter David Baker, die bereits vier Jahre früher eine Sammelklage eingereicht hatten. Nach einem halben Jahrhundert stillen Leidens erhob sich fast die gesamte schwarze Bevölkerung der Stadt gegen einen der größten Umweltverschmutzer des Planeten und zwang ihn bald darauf, die höchsten Entschädigungssummen zu zahlen, die jemals einem Industrieunternehmen in den Vereinigten Staaten auferlegt worden waren: 700 Millionen Dollar!
»Es war eine schwierige Schlacht«, kommentiert David Baker, immer noch tief bewegt. »Aber kann man sich vorstellen, dass sich ein Unternehmen derart kriminell verhält? Verstehen Sie das? Mein kleiner Bruder Terry ist mit 17 Jahren gestorben, an einem Hirntumor und an Lungenkrebs.1 Er ist gestorben, weil er das Gemüse aus unserem Garten gegessen hat und die Fische, die er in einem stark kontaminierten Bach gefangen hat! Monsanto hat aus Anniston eine Geisterstadt gemacht.«

Monsanto - so fing alles an

Dennoch hat Anniston schon bessere Tage erlebt. Lange wegen der Qualität seiner städtischen Infrastruktur als »Modellstadt« oder »Welthauptstadt der Kanalisation« bekannt, galt das bürgerliche Südstaatenstädtchen mit seinen Eisenerzvorkommen als Vorreiter der industriellen Revolution. Offiziell 1879 gegründet und nach der Gattin eines reichen Gießereibesitzers benannt, wird »Annie’s Town« 1882 in der Atlanta Constitution als »schönste Stadt Alabamas« gelobt. Von einer Minderheit geschäftstüchtiger Weißer regiert, die ihr Geld klugerweise wieder vor Ort investieren und so den sozialen Frieden fördern, zieht sie Unternehmer an - zum großen Verdruss von Birmingham, einer Industriestadt, die nur unweit entfernt liegt. Deshalb beschließt die Southern Manganese Corporation 1917, dort ein Werk zu eröffnen, in dem Artilleriegranaten hergestellt werden. 1925 wird das Unternehmen in Swann Chemical Company umbenannt und verlegt sich vier Jahre später auf die Produktion von PCB, einhellig als »Wunder der Chemie« gefeiert, das bald das Glück Monsantos und das Unglück Annistons werden sollte.
PCBs oder polychlorierte Biphenyle sind chlorierte chemische Verbindungen, die das große industrielle Abenteuer des ausgehenden 19. Jahrhunderts verkörpern. Während man die Verfahren zum Raffinieren von Rohöl weiterentwickelte, um daraus den Treibstoff für die entstehende Automobilindustrie gewinnen zu können, stießen die Chemiker auf die besonderen Eigenschaften des Benzols, eines Kohlenwasserstoffs, der breite Verwendung als Lösungsmittel für die chemische Synthese von Medikamenten, Kunststoffen und Färbemitteln finden sollte. In den Laboratorien der siegreichen Chemieindustrie mischten die Zauberlehrlinge es mit Chlor und erhielten ein neues Produkt, das eine bemerkenswerte thermische Stabilität und Feuerfestigkeit aufwies. So wurden die PCBs geboren, die innerhalb von 50 Jahren den ganzen Planeten erobern sollten: Sie dienten als Kühlflüssigkeit in Transformatoren und der industriellen Hydraulik, aber auch als Zusätze in so unterschiedlichen Materialien wie Kunststoff, Malfarben, Tinte oder Papier.
1935 wurde die Swann Chemical Company von einem aufstrebenden Unternehmen aus St. Louis im Staat Missouri aufgekauft: der Monsanto Chemicals Company. Die 1901 von John Francis Queen, ebenfalls einem Autodidakten auf dem Gebiet der Chemie, mit einem persönlichen Kredit von 5000 Dollar gegründete kleine Firma - die zu Ehren seiner Frau Olga Mendez Monsanto benannt worden war -, produziert zunächst Saccharin, den ersten synthetischen Süßstoff, den sie dann exklusiv an ein anderes aufstrebendes Unternehmen aus Georgia losschlägt: Coca-Cola. Bald darauf versorgt sie Coca-Cola auch mit Vanille und Koffein, bevor sie sich auf die Produktion von Aspirin verlegt, dessen wichtigster Hersteller in den Vereinigten Staaten sie bis in die 1980er Jahre bleibt. 1918 erwirbt Monsanto erstmals ein anderes Unternehmen, eine Firma aus Illinois, die Schwefelsäure produziert.
Im Zuge der Hinwendung zu industriellen Grunderzeugnissen und dem Gang des Unternehmens an die New Yorker Börse 1929 - nur einen Monat vor dem großen Krach an der Wall Street, den die Firma, die jetzt »Monsanto Chemical Company« heißt, überlebt - übernimmt es mehrere Chemieunternehmen in den USA und Australien. In den 1940er Jahren ist Monsanto einer der weltgrößten Produzenten von Kautschuk, Kunststoffen und Kunstfasern wie Polystyrol, aber auch von Phosphaten. Gleichzeitig baut das Unternehmen sein Monopol auf PCBs auf dem internationalen Markt ständig weiter aus, indem es von einem Patent Gebrauch macht, das ihm den Verkauf von Lizenzen weltweit erlaubt: So werden PCBs in den USA und in Großbritannien, wo die Firma in Wales ein Werk betreibt, unter dem Namen »Aroclor« vertrieben, während man sie in Frankreich als »Pyralène«, in Deutschland als »Clophen« und in Japan als »Kanechlor« kennt.
»Und so wurde Anniston zur am stärksten verseuchten Stadt der Vereinigten Staaten«, erklärt mir David Baker, als er mich in seinem Auto zu einer kleinen Ortsbesichtigung mitnimmt. Zuerst fahren wir in das Zentrum, in die Nobles Avenue, die mit ihren zahlreichen Geschäften und zwei Kinos, die heute geschlossen sind, in den 1960er Jahren der ganze Stolz der Einwohner war. Dahinter liegt die Eastern Side, ein Stadtteil im Osten von Anniston, mit seinen netten Einfamilienhäusern, wo traditionell die weiße Minderheit wohnt. Auf der anderen Seite der Eisenbahnlinie ist die Western Side gelegen, der Stadtteil im Westen, wo mitten im Industriegebiet die armen Leute, meist Schwarze, auf engstem Raum leben. Hier kam auch David Baker vor 55 Jahren zur Welt.
Wir dringen in das Gebiet vor, das er zu Recht eine »Geisterstadt« nennt. »All diese Häuser sind verlassen«, erklärt er und weist auf verfallende oder bereits völlig zerstörte Holzhäuser. »Die Leute sind weggezogen, weil die Gemüsegärten und das Wasser hochgradig verseucht sind.« Plötzlich, nach einem Umweg über ein holpriges Nebensträßchen, kommen wir an eine große Straße: »Monsanto Road«, verkündet ein Schild. Sie grenzt an die Fabrik, in der das Unternehmen bis 1971 PCBs produziert hat. Ein Gitterzaun umgibt das Gelände, das heute der Firma Solutia (Applied Chemistry Creative Solutions) gehört, einem »unabhängigen« Unternehmen, ebenfalls mit Sitz in St. Louis, dem Monsanto 1997 seine Chemieproduktion übertragen hat, und zwar mit einem Taschenspielertrick, der typisch für die Firma ist und sie wahrscheinlich gerade vor der Unbill bewahren sollte, die bald darauf ihr verantwortungsloses Verhalten in Anniston auslösen wird.
»Wir sind keine Dummköpfe«, brummelt David Baker, »Solutia oder Monsanto, für uns ist das ein und dasselbe... Schauen Sie! Das ist der Snow Creek Canal, in den die Firma vierzig Jahre lang ihre Abwässer geleitet hat. Er hatte seinen Ursprung in der Fabrik und verlief durch die Stadt, bevor er sich in die örtlichen Wasserläufe ergoss. Es war vergiftetes Wasser, und Monsanto wusste das, hat aber nie etwas gesagt...«
Nach einem inzwischen freigegebenen Bericht, den die EPA (Environmental Protection Agency, die amerikanische Umweltbehörde, auf die ich in diesem Buch noch oft zurückkommen werde) 2005 im Geheimen erstellen ließ, wurden zwischen 1929 und 1971 insgesamt 308 000 Tonnen PCBs in Anniston hergestellt.2 Davon wurden 27 Tonnen in die Atmosphäre freigesetzt, besonders während der Abfüllung von brennenden PCBs in verschiedene Behälter, 810 Tonnen in Kanäle wie den Snow Creek Canal geleitet (nach Reinigungsarbeiten an den Rohrleitungen) und 32 000 Tonnen kontaminierter Abfälle auf einer offenen Deponie auf dem Firmengelände selbst gelagert, also mitten im Herzen der schwarzen Gemeinde der Stadt.

500 000 Seiten geheimer Dokumente

Als wir zu Fuß weiter auf dem Gelände umherstreifen, begegnet uns ein Leichenwagen, der hupt und neben uns hält. »Das ist Reverend William«, erklärt David Baker. »Ihm gehört das Bestattungsinstitut in Anniston. Er ist der Nachfolger seines Onkels, der kürzlich an einer sehr seltenen Krebsart gestorben ist, die für die Kontamination mit PCBs typisch ist.«
»Er ist leider nicht der Einzige«, wirft Reverend William ein: »Dieses Jahr habe ich mindestens hundert Menschen begraben, die an Krebs gestorben sind, viele noch sehr jung, zwischen zwanzig und vierzig Jahren alt...«
»Mit Hilfe seines Onkels habe ich das Drama aufgedeckt, das uns alle hier angeht«, fährt David Baker fort. »Jahrzehntelang haben wir den Tod unserer Lieben als ein unerklärliches Schicksal hingenommen...«
Als Terry, sein jüngerer Bruder, mit 17 Jahren tot vor der Haustür der Familie zusammenbricht, lebt David Baker in New York, wo er als Funktionär beim Gewerkschaftsbund der städtischen und staatlichen Angestellten arbeitet. Nachdem er 25 Jahre lang treu und zuverlässig seine Arbeit verrichtet hat, entscheidet er sich 1995, »aufs Land« zurückzukehren, wo ihm seine Erfahrung als Gewerkschaftsführer bald wertvolle Dienste leisten wird. Der Zufall will es, dass er von Monsanto angeworben wird, die damals »Umwelttechniker« einstellen, denen die Dekontamination des Firmengeländes obliegt. »Das war Mitte der 90er Jahre«, erzählt er, »damals wusste man noch nichts über die Gefahren der Umweltverschmutzung, aber das Unternehmen fing schon diskret damit an aufzuräumen. Dort habe ich zum ersten Mal von PCBs gehört und zum ersten Mal Verdacht geschöpft, dass hier etwas nicht stimmt...«
Zur selben Zeit wird Donald Stewart, ein ehemaliger Senator, der sich als Anwalt in Anniston niedergelassen hat, von einem schwarzen Einwohner der Western Side aufgesucht. Er bittet ihn, zur Baptistenkirche von Mars Hill zu kommen, die genau gegenüber der PCB-Fabrik liegt. Umgeben von seinen Schäfchen erzählt ihm der Pfarrer, dass Monsanto der Gemeinde ein Kaufangebot für das Gotteshaus sowie für zahlreiche andere Häuser im Viertel gemacht habe. Auch dem Anwalt wird klar, dass es hier nicht mit rechten Dingen zugeht; er übernimmt es, die Interessen der kleinen Kirchengemeinde zu vertreten. »Die Firma war dabei«, kommentiert David Baker, »um sich herum freies Feld zu schaffen, um späteren Entschädigungszahlungen an die Eigentümer aus dem Weg zu gehen, weil sie spürte, dass früher oder später die Verseuchung ans Tageslicht kommen würde.«
Auf jeden Fall beginnen sich in Anniston die Zungen zu lösen. Der alte Gewerkschafter aus New York organisiert im Beerdigungsunternehmen von Tombstone William, dem Onkel des Reverends, dem wir begegnet sind, ein erstes Treffen, zu dem etwa 50 Menschen erscheinen. Bis spät in die Nacht bringt man endlich all die Todesfälle und Krankheiten zur Sprache, von denen die Familien, selbst Kleinkinder, heimgesucht werden, die wiederholten Fehlgeburten und die Schulprobleme der Jüngsten, die man noch nicht medizinisch benennen kann. Dabei wird die Idee geboren, eine Gruppe namens »Community against Pollution« zu gründen, deren Vorsitz David Baker übernimmt.
Inzwischen entwickelt sich die Angelegenheit um die Kirche von Mars Hill weiter: Monsanto schlägt eine einvernehmliche Einigung vor und legt eine Million Dollar auf den Tisch. In einem Gespräch mit der kleinen Baptistengemeinde findet der Anwalt Donald Stewart heraus, dass das Unternehmen mehreren Gemeindemitgliedern angeboten hat, ihre Häuser aufzukaufen, wenn sie versprachen, auf eine Klage gegen das Unternehmen zu verzichten. Für den Anwalt steht fest, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmt. Und er schlägt vor, eine Sammelklage einzureichen. David Bakers Komitee soll die Kläger registrieren, deren Anzahl Donald Stewart mit maximal 3500 beziffert.
Donald Stewart wittert den Prozess seines Lebens, er weiß aber auch, dass der Rechtsstreit lang und teuer werden kann. Angesichts des Kostenrisikos bittet er die New Yorker Kanzlei Kasowitz und Benson um Unterstützung, die sich mit ihrer Klage gegen die Tabakindustrie einen Namen gemacht hat. Das gemeinsame Abenteuer wird mehr als sieben Jahre dauern und 15 Millionen Dollar verschlingen; allein die Anwaltshonorare belaufen sich in manchen Monaten auf 500 000 Dollar. Als Erstes muss anhand von Blut- und Fettgewebeanalysen die PCB-Belastung der 3500 Kläger ermittelt werden. Jeder dieser Tests, die nur von Speziallabors durchgeführt werden können, kostet allein etwa 1000 Dollar.
Während die Klage unter der Bezeichnung »Abernathy vs. Monsanto« vorbereitet wird, setzt Donald Stewart Himmel und Erde in Bewegung, um Dokumente des Unternehmens aus St. Louis in die Hände zu bekommen, die beweisen, dass es über die Toxizität von PCB unterrichtet war. Er weiß, dass ohne diese Beweisstücke die Schlacht schwer zu gewinnen sein wird, denn die Firma wird sich immer damit verteidigen, von nichts gewusst zu haben. Intuitiv ist er überzeugt, dass ein multinationaler Großkonzern, der von Wissenschaftlern mit ordnungsliebendem und diszipliniertem Geist bevölkert wird, sehr bürokratisch und hierarchisch funktioniert und dank einer ausgefeilten Dokumentation alles unter Kontrolle hat: Das geringste Ereignis, so denkt er sich, die kleinste Entscheidung hinterlässt unweigerlich eine schriftliche Spur. Er stürzt sich auf die Aussagen der Vertreter Monsantos, die er sorgfältig auseinandernimmt. Und er findet eine Perle: Laut einem Juristen des Konzerns müsste ein »Berg von Dokumenten« in der Bibliothek einer von Monsanto angeheuerten Anwaltskanzlei in New York deponiert worden sein. Etwa 500 000 Seiten, die wie durch Zufall aus den Büros in St. Louis verschwunden sind.
Donald Stewart verlangt Einsicht in diese Akten, erhält aber die Antwort, dass sie nicht zugänglich seien, weil sie durch die sogenannte Work Product Doctrine geschützt sind: Diese 1947 eingeführte Besonderheit des amerikanischen Zivilrechts erlaubt es einem Anwalt, Dokumente bis zur Prozesseröffnung unter Verschluss zu halten, um der Gegenseite keine Munition zu liefern. Stewart wendet sich daraufhin an Richter Joel Laird vom Gericht des County Calhoun, der die Voruntersuchung in der Sache Abernathy vs. Monsanto durchführt. In einer Grundsatzentscheidung verfügt er, dass Monsanto seine internen Archive öffnen muss.

Obwohl Monsanto Bescheid wusste, hat es geschwiegen

Seitdem ist der »Berg von Dokumenten« auf der Internetseite der Environmental Working Group zugänglich3, einer auf Umweltschutz spezialisierten Nichtregierungsorganisation, die von Ken Cook geleitet wird. Cook empfängt mich im Juli 2006 in seinem Büro in Washington. Vor dem Treffen bin ich nächtelang buchstäblich in die Masse von Aktenvermerken, Briefen und Berichten abgetaucht, die über Jahrzehnte hinweg von den Repräsentanten der Firma aus St. Louis mit geradezu kafkaesker Sorgfalt und Kälte verfasst worden sind.
Offen gestanden gibt es eine Sache, die ich nach wie vor nicht verstehe und die mich während der gesamte Recherche nicht losgelassen hat: Wie können menschliche Wesen wie ich selbst bewusst das Risiko eingehen, ihre Kunden und die Umwelt zu vergiften, ohne auch nur einen Augenblick daran zu denken, dass sie selbst oder ihre Kinder der eigenen Fahrlässigkeit (um einen gemäßigten Begriff zu gebrauchen) zum Opfer fallen könnten? Ich meine hier nicht einmal Ethik oder Moral, abstrakte Konzepte, die der kapitalistischen Logik fremd sind. Ich denke ganz einfach an den Selbsterhaltungstrieb: Fehlte er den Verantwortlichen bei Monsanto vielleicht?
»Ein Unternehmen wie Monsanto ist ein eigener Planet«, erklärt mir Ken Cook, der zugibt, sich dieselben Fragen gestellt zu haben. »Das Profitstreben um jeden Preis betäubt den Geist, der nur auf ein Ziel hinarbeitet: Geld zu machen.« Woraufhin er ein Dokument vorzeigt, das diese Geisteshaltung zusammenfasst. Es trägt den Titel Pollution Letter und datiert vom 16. Februar 1970. Verfasst von einem gewissen N. Y. Johnson, der am Firmensitz in St. Louis arbeitet, ist dieses interne Memo an die Handelsvertreter der Firma gerichtet und dient ihnen als Anweisung, wie sie auf Fragen der von den ersten öffentlichen Informationen über die Gefährlichkeit von PCB aufgestörten Kunden reagieren sollen: »Anbei finden Sie eine Liste von Fragen und Antworten, die von unseren Kunden gestellt werden könnten, wenn sie unseren Brief zu Aroclor und den PCBs erhalten haben. Sie können mündlich darauf antworten, aber niemals schriftlich. Wir können es uns nicht leisten, auch nur einen Dollar Umsatz zu verlieren.«
Es ist absolut schwindelerregend, dass Monsanto bereits seit 1937 wusste, dass PCBs ein schweres Gesundheitsrisiko darstellen. Die Firma aber tat, als sei alles in Ordnung, bis zum endgültigen Verbot dieser Produkte 1977, als sie das Krummrich-Werk in Sauget, Illinois, schloss, den zweiten PCB-Produktionsstandort von Monsanto in den Vororten im Osten von St. Louis.
Tatsächlich wird Dr. Emett Kelly, der den betrieblichen Gesundheitsdienst von Monsanto leitet, schon 1937 zu einer Konferenz an die Harvard-Universität eingeladen, an der auch PCB-Anwender wie Halowax und General Electric sowie Vertreter des Gesundheitsministeriums teilnehmen. Während dieser Konferenz stellt Cecil K. Drinker, der als Wissenschaftler an dieser ehrwürdigen Institution tätig ist, die Ergebnisse einer Studie vor, die er im Auftrag von Halowax durchgeführt hat: Ein Jahr zuvor waren drei Arbeiter des Unternehmens gestorben, nachdem sie PCB-Dämpfen ausgesetzt waren, und mehrere andere hatten eine stark entstellende und bis dahin unbekannte Hautkrankheit bekommen, der man später den Namen »Chlorakne« geben sollte. Ich komme im folgenden Kapitel noch auf diese schwere Krankheit zurück, die typisches Symptom einer Dioxinvergiftung ist und sich in Eiterbläschen am ganzen Körper äußert; sie kann jahrelang anhalten und kann in manchen Fällen gar nicht mehr geheilt werden.
In der Aufregung hatten die Verantwortlichen bei Halowax daraufhin Cecil Drinker beauftragt, PCB an Versuchstieren zu testen. Die im Journal of Industrial Hygiene and Toxicology veröffentlichten Ergebnisse waren unmissverständlich: Die Meerschweinchen hatten schwere Leberschäden entwickelt. Am 11. Oktober 1937 konstatiert ein interner Bericht von Monsanto lakonisch: »Experimentelle Studien an Tieren zeigen, dass längerer Kontakt mit den Dämpfen von Aroclor toxische Effekte im ganzen Organismus auslöst. Wiederholter physischer Kontakt mit flüssigem Aroclor kann zu Hautausschlägen vom Typ Akne führen.«
Siebzehn Jahre später ist die Chlorakne Thema eines internen Berichts, dessen Sachlichkeit es einem kalt den Rücken herunterlaufen lässt: »Sieben Arbeiter einer Fabrik, die Aroclor einsetzt, haben Chlorakne bekommen«, schreibt ein Monsanto-Angestellter und fährt sachlich-präzise fort: »Überprüfungen der Luftqualität haben geringfügige Mengen an PCB ergeben: Offensichtlich ist bereits eine geringe, aber kontinuierliche Exposition schädlich.«
Am 14. Februar 1963 richtet der Produktionsleiter von Hexagon Laboratories, einem anderen Kunden Monsantos, ein Schreiben an Dr. Kelly in St. Louis: »Bezugnehmend auf unser Telefongespräch bestätige ich Ihnen, dass die beiden Arbeiter unseres Werks, die durch einen Rohrbruch den Dämpfen von Aroclor 1248 ausgesetzt wurden, wie von Ihnen vorausgesagt die Symptome einer Hepatitis zeigen und ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. […] Ich bin der Ansicht, dass die Gebrauchsanleitung Ihres Produkts eine strengere und genauere Beschreibung der möglichen Gefahren beinhalten sollte.«
Der Konzern aus St. Louis ignoriert nicht nur die Empfehlung seines Kunden, sondern leistet sogar Widerstand, als 1958 ein Gesetz verabschiedet wird, das die Vorsichtsmaßnahmen beim Einsatz toxischer Produkte verstärken soll: »Unser Ziel ist es, die gesetzliche Regelung zu respektieren, aber so, dass wir nur die Minimalanforderung erfüllen und nur so viel Information preisgeben, dass unsere kommerzielle Position auf dem Gebiet der synthetischen Hydraulikflüssigkeiten keinen Schaden nimmt.« Deutlichere Worte kann man kaum finden.
Manchmal verloren sich die Verantwortlichen von Monsanto bei Antworten auf die drängenden Anfragen der Kunden in Umschreibungen, über die man lächeln könnte, wenn die Sache nicht so ernst wäre. So machte sich im August 1960 ein gewisser M. Facini aus Chicago, Hersteller von Kompressoren, Sorgen über die Folgen für die Umwelt, wenn PCB in Flusswasser gelangt: »Ich würde sagen, dass es wahrscheinlich keine gravierenden Auswirkungen hätte, wenn eine kleine Menge dieser Materialien in ein Gewässer geleitet wird«, antwortet ihm ein Mitarbeiter der medizinischen Abteilung. »Wenn allerdings eine größere Menge freigesetzt würde, wäre der Schaden wahrscheinlich größer...« Unmissverständlicher kann man es kaum sagen.
Im Laufe der Jahre ändert sich der Ton, zweifellos, weil eine von den eigenen Kunden angestrengten Klage gegen die Firma aus Missouri droht: 1965 berichtet ein Aktenvermerk von einem Telefongespräch mit einem Verantwortlichen eines Elektrogeräteherstellers, der Aroclor 1242 als Kühlmittel in seinen Motoren einsetzt. Anscheinend erzählte der Industrielle, wie er dazukam, als Strahlen brennender PCBs sich auf den Boden der Fabrik ergossen. Kommentar: »Ich sagte ihm mit brutaler Offenheit, dass das aufhören müsse, bevor jemand infolge von Leber- oder Nierenschäden umkomme...«

»Kriminelles Verhalten«

Angesichts der alarmierenden Informationen, die von dem Werksgelände nach draußen dringen, durchbricht gelegentlich eine (seltene) Stimme die allgemeine Untätigkeit, wie etwa die von Dr. J. W. Barrett, einem in London arbeitenden Monsanto-Wissenschaftler, der 1955 vorschlägt, eine genaue Analyse der toxischen Effekte von Aroclor durchzuführen: »Ich sehe nicht, welchen besonderen Nutzen du aus diesen Untersuchungen noch ziehen könntest«, antwortet ihm Dr. Kelly trocken. Zwei Jahre später kommentiert der Leiter des Gesundheitsdienstes die Resultate eines Experiments, das von der Marine mit Pydraul 150 durchgeführt wurde, einem PCB, das als Hydraulikflüssigkeit in U-Booten verwendet wurde, nicht weniger selbstsicher: »Die Aufbringung auf die Haut hat den Tod aller getesteten Kaninchen zur Folge gehabt. Die Marine hat entschieden, unser Produkt wegen seiner toxischen Wirkungen nicht mehr zu verwenden. Es ist uns nicht gelungen, sie vom Gegenteil zu überzeugen.«
Angesichts dieser Dokumente ist man überrascht, wie weit das Unternehmen seine einmal vorgegebene Linie unerschütterlich weiterverfolgt hat. Es sammelt die alarmierenden Daten gewissenhaft und beeilt sich, sie in einer Schublade zu verschließen, die Augen fest auf die Verkaufszahlen gerichtet: »2,5 Millionen Pfund pro Jahr« (also etwas mehr als 1000 Tonnen), freut sich der Autor eines Dokuments von 1952. Manchmal ertappt man sich dabei, von einem möglichen Kurswechsel zu träumen.
So trifft am 2. November 1966 das Protokoll eines Experiments in St. Louis ein, das im Auftrag von Monsanto von Prof. Denzel Ferguson, Biologe an der University of Mississippi, durchgeführt worden ist. Sein Team hat 25 Fische in Käfigen ins Wasser des Snow-Creek-Kanals gesetzt, in den die Produktionsabwässer geleitet werden und der, wie wir gesehen haben, durch Anniston fließt. »Alle verloren das Gleichgewicht und starben innerhalb von dreieinhalb Minuten unter Auswurf von Blut«, konstatiert der Wissenschaftler und präzisiert, dass an bestimmten Stellen der Kanalisation das Wasser so verschmutzt ist, dass es »selbst in dreihundertfacher Verdünnung noch Fische tötet«. Es folgen zwei Empfehlungen: »Leiten Sie keine unbehandelten Abwasser mehr ein! Reinigen Sie den Snow Creek!« Und zum Schluss, dick unterstrichen: »Der Snow Creek ist eine potenzielle Quelle für zukünftige rechtliche Probleme... Monsanto muss die biologischen Effekte seiner Einleitungen im Auge haben, wenn es sich vor etwaigen zukünftigen Anschuldigungen schützen will...«
Ende desselben Monats, erhält der Brüsseler Zweigsitz von Monsanto Europe einen Brief von einem Stockholmer Korrespondenten mit einem Bericht über einen wissenschaftlichen Kongress, in dessen Mittelpunkt die Untersuchungen des schwedischen Wissenschaftlers Sören Jensen standen. Die im New Scientist4 veröffentlichten Ergebnisse haben in Schweden für Wirbel gesorgt: Bei der Analyse von DDT in menschlichen Blutproben hat Dr. Jensen zufällig eine neue toxische Substanz entdeckt, die sich als PCB herausgestellt hat. Die Ironie dieser Geschichte ist, dass auch DDT, ein starkes Insektizid, das 1939 in der Schweiz entwickelt wurde, ein chlorbasiertes chemisches Erzeugnis ist, das Monsanto im großen Maßstab verkauft, bis es Anfang der 1970er Jahre vor allem wegen seiner gesundheitsschädigenden Wirkungen beim Menschen schließlich definitiv verboten wird. Jedenfalls entdeckt Dr. Jensen, dass PCBs die Umwelt bereits weitgehend verseucht haben, obwohl sie in Schweden gar nicht produziert werden: Er stellt nicht unerhebliche Mengen in küstennah gefangenen Lachsen und sogar in den Haaren seiner eigenen Familienmitglieder fest (bei seinen beiden drei und sechs Jahre alten Kindern, aber vor allem bei seiner Frau und dem fünf Monate alten Baby, das über die Muttermilch kontaminiert worden sein muss). Er schließt daraus, dass »PCBs sich über die gesamte Nahrungskette hinweg ansammeln, besonders in den Organen und im Fettgewebe der Tiere und Säugetiere, und dass sie mindestens ebenso giftig wie DDT sind«.
Für die Führungsspitze von Monsanto jedoch kein Grund, ihre Einstellung zu ändern: Ein Jahr später stellt sie einen Ergänzungskredit von 2,9 Millionen Dollar für die Weiterentwicklung der Aroclor-Produktpalette in Anniston und Sauget zur Verfügung. »Die Verantwortungslosigkeit der Firma ist absolut wirklichkeitsfremd«, kommentiert Ken Cook. »Sie hat alle Daten in Händen, unternimmt aber nichts. Deswegen bezeichne ich ihr Verhalten als kriminell.« In der Tat wird im Werk in Anniston keine einzige Maßnahme getroffen, um die Arbeiter zu schützen: »An unsere Arbeiter wird keinerlei Schutzkleidung ausgegeben«, hält ein Dokument von 1955 fest. »Vor dem Krieg war das zwar der Fall, aber diese Maßnahme ist eingestellt worden.« Die einzige klar ausgegebene Vorschrift ist, dass man »in der Aroclor-Produktionshalle nicht essen darf«…
Dennoch sammelt die Firma weiterhin in aller Stille die Daten, die sich zwanzig Jahre später gegen sie wenden werden: »Welche Folgen der Kontakt mit PCBs für unsere Arbeiter hat, ist von unserer medizinischen Abteilung und einem unabhängigen Experten am Eppley-Institut der University of Nebraska analysiert worden«, erklärt William Papageorge, den man auch den »PCB-Zar« nennt, weil er es ist, der die Produktion jahrzehntelang überwacht hat. »Das Endergebnis lautet, dass unsere Arbeiter erwiesenermaßen durch PCB geschädigt worden sind.« Außerdem bestätigen die Techniker aus St. Louis anhand unmittelbarer Beobachtungen, dass die Giftstoffe in der Umwelt mindestens dreißig Jahre lang wirksam bleiben. 1939 wurden nämlich PCBs in Bodenparzellen vergraben, weil man ihre Wirksamkeit als Termitengift testen wollte. »Die Präsenz des Aroclor ist noch immer augenscheinlich«, berichtet ein »Angestellter« - im Jahre 1969.
»Das Schlimmste bei all dem«, seufzt Ken Cook, »ist, dass Monsanto die Einwohner von Anniston nie darauf hingewiesen hat, dass das Wasser, der Boden und die Luft im Westen der Stadt stark kontaminiert waren. Was die Regierungs- und örtlichen Behörden angeht, so haben sie nicht nur die Augen verschlossen, sondern das Verhalten der Firma sogar noch gedeckt. Das ist geradezu skandalös! Ich glaube, dass eine der Erklärungen für dieses Drama im Rassismus der Verantwortlichen jener Zeit liegt: Schließlich ging es ja nur um Schwarze...«

Komplexität und Manipulation

Im Frühling 1970, als die Regierung in Washington gerade mit großem Aufwand für Juli die Gründung der Umweltschutzbehörde angekündigt hatte, um auf die »steigende öffentliche Nachfrage nach sauberem Wasser, sauberer Luft und sauberen Böden« zu reagieren, wie die Website der EPA heute erklärt, kommt Monsanto ihr zuvor: Eine als »vertraulich« eingestufte Aktennotiz vom 7. Mai berichtet vom Besuch mehrerer Manager der Firma beim technischen Direktor der Alabama Water Improvement Commission (AWIC), der Wasserversorgungsbehörde des Staates, einem gewissen Joe Crockett. Ziel des Gesprächs war, »den Repräsentanten der AWIC über die Situation zu informieren« und »sein Vertrauen darin zu stärken,3 dass Monsanto bemüht ist, mit den Behörden zusammenzuarbeiten, um die Auswirkungen von PCBs auf die Umwelt genau zu bestimmen«. Es handelte sich also um eine Public-Relations-Aktion, die auch Erfolg hatte, denn Joe Crockett empfahl, »diese Informationen nicht publik zu machen«. »Wir können in vollem Umfang mit der Zusammenarbeit der AWIC auf Vertrauensbasis rechnen«, schließt die Aktennotiz.
Zur selben Zeit führte die Food and Drug Administration (FDA), die mit der Überwachung von Lebensmitteln und Medikamenten befasste Bundesbehörde, auf die ich noch oft zurückkommen werde, einen Test an Fischen durch, die am Zusammenfluss des Snow Creek mit einem anderen Wasserlauf (dem Choccolocco Creek) gefangen worden waren: Er ergab, dass ihre PCB-Belastung bei durchschnittlich 277 ppm4 lag, während der für den menschlichen Verzehr unbedenkliche Wert 5 ppm betrug. Merkwürdigerweise unternahm die FDA weder etwas, um das Fischen in den betreffenden Gewässern zu untersagen, noch etwas gegen die Firma Monsanto, die so Gelegenheit bekam, die »Zusammenarbeit« mit der AWIC auszuprobieren: »Wir leiten zur Zeit etwa 16 Pfund PCB täglich in den Snow Creek ein (gegenüber 250 Pfund im Jahr 1969)«, enthüllt ein Dokument vom August 1970, das mit »Vertraulich, nach Lektüre vernichten« gekennzeichnet ist. »Joe Crockett wird versuchen, dieses Problem diskret und ohne die Öffentlichkeit zu informieren aus der Welt zu schaffen.« So kam es, dass die Einwohner von Anniston weiterhin die Fische aus den verseuchten Gewässern aßen, bis 1993 vonseiten der FDA das erste Fischfangverbot erging …
Aber mit Monsantos Laxheit - nicht wenige werden von Zynismus sprechen - ist es auch da noch nicht vorbei. Wie wir gesehen haben, lagerte die Firma einen Teil ihrer Abfälle auf einer Deponie in der Nähe des Werks, von wo sie bei Regen in die Gärten der umwohnenden Arbeiter sickerten. Im Dezember 1970 gewährte ein Anwohner einem seiner Schweine auf einem Stück Ödland nahe der Deponie Auslauf. Er wurde daraufhin von einem Repräsentanten der Firma Monsanto angesprochen, der ihm das Tier abkaufte. Wie ein internes Dokument belegt, wurde das Tier getötet und anschließend untersucht: Sein Fettgewebe enthielt 19 000 ppm PCB.5 Aber auch in diesem Fall wurden die Anwohner nie informiert, die weiterhin jahrelang ihre Schweine auf dem betreffenden Brachland grasen ließen.
Tatsächlich deutet alles darauf hin, dass das einzige und besessen verfolgte Ziel des Konzerns aus St. Louis darin bestand, Geschäfte zu machen, komme, was wolle. Im August 1969, als PCBs immer mehr das Interesse der Medien auf sich ziehen, beschließt die Direktion die Gründung eines Ad-hoc-Komitees, das Bilanz ziehen soll. Es erstellt einen als »vertraulich« gekennzeichneten Bericht, der zunächst die Zielsetzungen des Komitees aufzählt: »Den Vertrieb von und die Einkünfte durch Aroclor sicherzustellen ohne das Image der Firma zu beschädigen...« Es folgt eine lange Auflistung aller landesweit bekannt gewordenen Kontaminationsfälle. Dabei kommt ans Licht, dass ein Forscher der University of California bei Fischen, Vögeln und Eiern im Küstenbereich PCB-Belastungen entdeckt hat6; einer Studie der FDA zufolge wurden PCBs in der Milch von Viehherden aus Maryland und Georgia ausgemacht; eine andere, durchgeführt vom Fischereiamt des Staates Florida, ergab, dass junge Garnelen in Wasser mit einem PCB-Gehalt von 5 ppm nicht überlebten, und so weiter. Wer den Bericht liest, versteht, dass PCBs wirklich allgegenwärtig sind: Sie dienen als Schmiermittel in Turbinen, Pumpen und Lebensmittelverteilern für Kühe, sie finden sich in Wandanstrichen von Wasserreservoirs, Getreidesilos, Schwimmbädern (besonders in Europa) und Fahrbahnmarkierungen auf Autobahnen sowie als Bestandteile von Schleifölen für die Metallbehandlung, von Lötmitteln, Klebstoffen und kohlefreiem Durchschlagpapier.
»In dem Maße, wie die Verseuchung der Umwelt weiter bekannt wird, ist es so gut wie sicher, dass einige unserer Kunden oder deren Produkte dafür verantwortlich gemacht werden. Die Firma könnte dafür strafbar gemacht werden, moralisch, wenn nicht rechtens, wenn sie nicht ALLE ihre Kunden über die möglichen Folgen in Kenntnis setzt«, schreibt das Komitee und schließt: »Angesichts dieser Notsituation, in der eine sehr rentable Produktpalette in Gefahr ist, müssen finanzielle und personelle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um das zu verhindern...«
Im Klartext: Monsanto schlägt hier nicht etwa vor, sich nicht schuldig zu machen, indem es die Aroclor-Produkte ganz einfach vom Markt nimmt, sondern im Gegenteil, alles zu tun, um sie weiterhin verkaufen zu können. Und zwar mit Hilfe eines Schlachtplans, dessen erster Schritt darin besteht, eine toxikologische Untersuchung zu finanzieren, die PCBs an Ratten testen sollte. Zu diesem Zweck beauftragt die Firma die Industrial Bio-Test Labs (IBT) in Northbrook, Illinois, zu deren Managern (seit Kurzem) Dr. Paul Wright gehört, ein Toxikologe von... Monsanto, der aus diesem Anlass eingestellt wurde. Einige Monate später erreichen die ersten Ergebnisse der Studie die Firmenzentrale: »Die PCBs zeigen einen Grad an Toxizität, der alle Voraussagen übertrifft. […] Wir haben weitere vorläufige Ergebnisse, die möglicherweise noch entmutigender sind«, erläutert ein Vertreter der medizinischen Abteilung von Monsanto. Was folgt, ist ein Schreiben an Joseph Calandra, den Chef von IBT: »Wir sind von dem hohen Toxizitätsniveau, das festgestellt wurde, enttäuscht und hoffen, dass die nächste Proben niedrigere Werte aufweisen werden.« Im Juli 1975 geht ein vorläufiger Bericht an die medizinische Abteilung, die sich daranmacht, ihn zu korrigieren, indem sie dringend dazu rät, die Bewertung »kann zu gutartigen Tumoren führen« durch die Formulierung »scheint nicht krebserregend zu sein« zu ersetzen.
Um die während der 1970er Jahre stetig zunehmende Polemik zu entschärfen, wird der »Bericht« veröffentlicht, den man drei Jahre später dann in einer Schublade von Monsanto verschwinden lässt. Nach einer gemeinsamen Untersuchung von FDA und EPA wird das Management von IBT (darunter auch Paul Wright, der inzwischen auf seinen Posten in St. Louis zurückgekehrt ist) nach einem Mammutprozess, über den in der Presse viel Tinte verspritzt wird, zu schweren Strafen wegen »Betrugs« verurteilt. Bewiesenermaßen haben sie die Ergebnisse Hunderter Tests manipuliert, um ihre Kunden zufriedenzustellen. Merkwürdigerweise erörtert dieser Prozess die Untersuchung zu PCBs nicht genauer. Aber später stellt sich heraus, dass 82 Prozent der Ratten, die Futter bekamen, das 10 ppm Aroclor enthielt, Krebs entwickelten (bei einer Konzentration von 100 ppm lag dieser Wert bei 100 Prozent)…
Trotz all dieser Anstrengungen gelingt es den Monsanto-Managern nicht, das »Schlimmstmögliche« zu verhindern: Am 31. Oktober 1977 wird die PCB-Produktion in den USA endgültig verboten. Nicht aber in Großbritannien, wo der multinationale Konzern eine Filiale im walisischen Newport besitzt, und genauso wenig in Frankreich, wo das Unternehmen Prodelec die Herstellung erst 1987 beendet, Deutschland (Bayer) und Spanien. Am 29. September 1976 schickt die Zentrale in St. Louis ein Schreiben an Monsanto Europe mit einem Modellfragebogen, der zur Irreführung bei Interviewanfragen dienen soll. Man kann hier insbesondere lesen: »Wenn Sie mit Fragen zur krebserregenden Wirkung von PCBs konfrontiert werden, bedienen Sie sich folgender Antwort und schreiben Sie sie George Roush zu, dem Direktor der Gesundheitsund Umweltabteilung von Monsanto: »Die ersten Gesundheitsuntersuchungen, die wir bei unseren Mitarbeitern in der PCB-Produktion durchgeführt haben, wie auch Langzeitstudien an Tieren geben uns keinen Anlass, von einer krebserregenden Wirkung von PCBs auszugehen.«

Ein ebenso starkes Gift wie Dioxin

»Wir alle haben PCBs im Körper«, sagt Prof. David Carpenter, Leiter des Instituts für Gesundheit und Umwelt an der Universität von Albany im Staat New York. »Sie gehören zu einer Kategorie von zwölf sehr gefährlichen chemischen Gefahrenstoffen, die als Persistent Organic Pollutants (POP, beständige organische Schadstoffe) bezeichnet werden, denn unglücklicherweise widerstehen sie den natürlichen biologischen Abbauprozessen und akkumulieren sich in den lebenden Geweben entlang der gesamten Nahrungskette.
PCBs haben den gesamten Planeten kontaminiert, von der Arktis bis zur Antarktis, und wenn man ihnen regelmäßig ausgesetzt ist, kann das zu Krebs, besonders der Leber, der Bauchspeicheldrüse, des Darms, der Brust, der Lunge und des Gehirns führen, außerdem zu Herzkranzgefäßschäden, Bluthochdruck, Diabetes, Immunschwäche, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Sexualhormondefiziten und Fortpflanzungsschwierigkeiten sowie zu schweren neurologischen Symptomen, denn bestimmte PCBs gehören zur Gruppe der Dioxine...«
Er erklärt mir weiter, dass es sich bei PCBs um Biphenyl-Moleküle handelt, bei denen eines oder mehrere der zehn Wasserstoffatome durch Chloratome ersetzt sind. Man kennt 209 mögliche Kombinationen, also 209 verschiedene PCBs - man spricht dann von »Kongenere« -, deren Giftigkeit je nach dem Grad der Chloration variiert, also nach Ort und Zahl der im Molekül vorhandenen Chloratome.
Während ich diese Zeilen schreibe, kann ich es mir nicht verkneifen, im Nouvel Observateur vom 23. August 2007 zu blättern, der nach Le Monde, Libération und Le Figaro darüber berichtete, was die Dauphiné libéré ein »französisches Tschernobyl«7 nannte: »Die Rhône ist bis zur Mündung verseucht«, so das Wochenblatt. »Sie weist PCB-Belastungen auf, die die europäischen Gesundheitsnormen um das Fünf- bis Zwölffache übersteigen!5 Eine Analyse nach der anderen, und nach jeder fielen die Anordnungen der Präfekturen wie Fallbeile: Ein Verzehrverbot für Fische aus dem Fluss wurde zunächst nördlich von Lyon erlassen, dann bis an die Grenzen der Départements Drôme und Ardèche und schließlich am 7. August auch auf die Départements Vaucluse, Gard und Bouchesdu-Rhône ausgedehnt. Es könnte auch noch die Teiche der Camargue treffen, die vom Wasser des Flusses gespeist werden, also auch den Fisch-, Muschel- und Krustentierfang an der Mittelmeerküste...«
Der Alarm wurde rein zufällig von einem Berufsfischer ausgelöst, der im guten Glauben in die Falle ging: »Ende 2004 wurden stromaufwärts von Lyon tote Vögel gefunden«, erklärt er meinem Kollegen. »Noch während die Untersuchung der Todesursache lief, untersagte die Veterinärbehörde vorsichtshalber den Fischverzehr. Es ging nur um Botulismus bei ein paar Vögeln, aber niemand wollte mehr meine Fische kaufen. Also habe ich eine komplette Analyse verlangt, um nachzuweisen, dass sie in Ordnung waren. Und auf einmal, bingo! Sie waren voll von PCB!«
Seit damals versuchen die Behörden eifrig, den Ursprung der Verseuchung zu bestimmen, von der Hunderttausende Tonnen des Flusssediments der Rhône betroffen sind. Wie wir gesehen haben, sind in Frankreich Verkauf und Erwerb von PCB oder PCB-haltigen Geräten seit 1987 verboten. Eine Verordnung vom 18. Januar 2001 setzte eine europäische Direktive vom... 16. September 19968 (also mit fünf Jahren Verzögerung!) über die Entsorgung von PCBs in französisches Recht um, derzufolge PCBs spätestens bis zum 31. Dezember 2010 endgültig verschwunden sein müssen. Ein nationaler Dekontaminierungs- und Entsorgungsplan für PCB-haltige Geräte trat... 2003 in Kraft. Laut der französischen Organisation für Umwelt- und Energiewirtschaft ADEME waren in Frankreich am 30. Juni 2002 insgesamt 545 610 Geräte registriert, die mehr als fünf Liter PCB-haltige Flüssigkeit enthalten (davon 450 000 im Besitz der Elektrizitätsgesellschaft EDF), was 33 462 zu entsorgende Tonnen PCB bedeutet. Aber für den Verband France Nature Environnement ist das noch längst nicht alles, weil die Anmeldung der Geräte freiwillig erfolgt. »Was wir befürchten, ist eine unkontrollierte Freisetzung von PCB in die Umwelt durch unbefugte Entsorgung dieser Geräte, indem sie möglicherweise auf Industriebrachen oder wilden Deponien abgeladen oder einfach über den Schrotthandel entsorgt werden«, schreibt die Organisation in ihrem Newsletter vom Februar 2007.9
»Das Problem liegt darin«, hatte mir Prof. David Carpenter erklärt, »dass PCBs sehr schwer zu vernichten sind. Der einzige Weg ist, sie bei sehr hohen Temperaturen zu verbrennen in speziellen Anlagen, die auch mit dem Dioxin fertig werden, das bei der Verbrennung entsteht.« In Frankreich sind zu diesem Zweck zwei Verbrennungsanlagen zugelassen: Eine liegt in Saint-Auban im Département Alpes-de-Haute-Provence, die andere in Saint-Vulbas im Département Ain, am Ufer der Rhône. Letztere war den Informationen des Nouvel Observateur zufolge bis 1988 berechtigt, täglich drei Kilogramm PCB-Überreste in den Fluss zu leiten (inzwischen beträgt die Höchstmenge drei Gramm pro Tag)... Zu dieser potenziellen Quelle der Kontamination kommen zweifelsohne noch die zahlreichen Pyralène verwendenden Unternehmen im »Chemiekorridor«, von deren Gelände aus PCB-haltige Öle in den Boden und von dort aus in die Grundwasserschicht gesickert sind und dann in die umgebenden Gewässer gelangten. »Jahrzehntelang haben die staatlichen Behörden in den USA wie im Rest der Welt das von Monsanto über die Giftigkeit von PCB gelegte Schweigen mitgetragen«, kommentiert Prof. Carpenter, »alle haben die Augen vor den Auswirkungen dieses Gifts verschlossen, das genauso schlimm ist wie Dioxin.«
Es genügt, ein dem amerikanischen Kongress 1996 übermitteltes und vom Gesundheitsministerium und der EPA zusammengestelltes Dokument zu lesen, um zu verstehen, wie schwerwiegend die »gesundheitlichen Folgen bei Kontakt mit PCB« sind.10 Das etwa dreißigseitige Schriftstück beruht auf nicht weniger als 159 wissenschaftlichen Studien, die in den USA, in Europa und in Japan durchgeführt wurden und alle zur selben Schlussfolgerung kamen: Die drei häufigsten Ursachen für die PCB-Kontamination von Menschen sind direkter Kontakt am Arbeitsplatz, ein Wohnsitz in der Nähe verseuchten Geländes und insbesondere die Nahrungskette, wobei der Verzehr von Fisch bei Weitem das größte Risiko birgt... Außerdem stellten die Forscher einmütig fest, dass kontaminierte Mütter PCBs mit der Muttermilch weitergaben, was unter Umständen bei den Neugeborenen irreparable neurologische
1
Alle Anmerkungen stehen kapitelweise am Ende des Buches, siehe S. 438
2
Am 1. Dezember 1955 weigerte sich Rosa Parks, eine schwarze Näherin von 28 Jahren, ihren Sitzplatz in einem Stadtbus von Montgomery, Alabama, für einen Weißen frei zu machen. Sie wurde zur »Mutter der Bürgerrechtsbewegung« an der Seite von Martin Luther King, der eine Boykottaktion gegen die Stadtbusgesellschaft startete.
3
Hervorhebung von mir
4
Parts per million (Teile pro Million), also 0,0001 Prozent des Gewichts. Diese Einheit wird in der Toxikologie oft zur Angabe von Belastungen bei Lebensmitteln oder in der Umwelt durch Giftrückstände benutzt.
5
Laut Le Monde vom 26. Juni 2007 »wies der am stärksten kontaminierte Fisch eine gegenüber der gegenwärtig zulässigen Dosis vierzig Mal höhere Belastung auf«.
Die Originalausgabe erschien 2008 unter dem Titel Le monde selon Monsanto. De la dioxine aux OGM, une multinationalequi vous veut du bien bei Editions La Découverte, Paris.
 
Verlagsgruppe Random House
 
1. Auflage
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