Mit Humor und Eleganz - Annegret Böhmer - E-Book

Mit Humor und Eleganz E-Book

Annegret Böhmer

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Beschreibung

Gegliedert in die verschiedenartigen Beratungsanlässe System, Lebensgeschichte, Konflikt und Ziel gibt das Buch einen aktuellen und anschaulichen Überblick über die wichtigsten Handwerkszeuge sowie den theoretischen Hintergrund von Supervision und Coaching. Es analysiert den aktuellen Markt der Beratungsformate und wendet sich dann deren beruflichen Anwendungsfeldern zu. Elemente aus der Beratung und den verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven auf Organisation und Institution werden anschaulich miteinander verknüpft. So exemplarisch wie eindrücklich werden schließlich am Beispiel der für unsere Kultur in großem Maße prägenden Evangelischen Kirche typische Situationen in einer Einrichtung nachvollzogen und beleuchtet, die einerseits durch einen ausdrücklichen Institutionscharakter, andererseits aber auch durch die Anforderungen ihrer Organisation gekennzeichnet ist. Mit seinen vielen Praxisbeispielen ist das Buch nicht nur lesenswert für Beratende, sondern auch für Mitarbeitende dieser und anderer Institutionen. Es ist geeignet für Studierende und Ausbildungskandidaten in Supervision und Coaching, ebenso als Überblick für Fachleute dieser Profession. Für die innere Haltung im Umgang mit den sich auftuenden Widersprüchen zwischen Organisation und Institution ist der Buchtitel "Mit Humor und Eleganz" Programm. Ziel ist es, eine gewisse Leichtigkeit im Umgang mit zum Teil unlösbaren Gegensätzen zu vermitteln, die es dann ermöglicht, die Situation zufrieden mit sich selbst und anderen zu bewältigen.

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Annegret Böhmer & Doris Klappenbach

Mit Humor und Eleganz

Supervision und Coaching als Beratungsangebote in Organisationen und Institutionen

Über dieses Buch

Gegliedert in die verschiedenartigen Beratungsanlässe System, Lebensgeschichte, Konflikt und Ziel gibt das Buch einen Überblick über die wichtigsten Handwerkszeuge sowie den theoretischen Hintergrund von Supervision und Coaching. Elemente aus der Beratung und den verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven auf Organisation und Institution werden anschaulich miteinander verknüpft. So exemplarisch wie eindrücklich werden schließlich am Beispiel der für unsere Kultur in großem Maße prägenden evangelischen Kirche typische Situationen in einer Einrichtung nachvollzogen und beleuchtet. Mit seinen vielen Praxisbeispielen ist das Buch nicht nur lesenswert für Beratende, sondern auch für Mitarbeitende dieser und anderer Institutionen. Es ist geeignet für Studierende und Ausbildungskandidaten in Supervision und Coaching, ebenso als Überblick für Fachleute dieser Profession. Für die innere Haltung im Umgang mit den sich auftuenden Widersprüchen zwischen Organisation und Institution ist der Buchtitel »Mit Humor & Eleganz« Programm. Ziel ist es, eine gewisse Leichtigkeit im Umgang mit zum Teil unlösbaren Gegensätzen zu vermitteln, die es dann ermöglicht, die Situation zufrieden mit sich selbst und anderen zu bewältigen.

Prof. Dr. Annegret Böhmer, Diplom-Psychologin und Erziehungswissenschaftlerin, ist Supervisorin (BDP), Trainerin und Coach (DVNLP und DVCT) und Psychologische Psychotherapeutin. Sie ist Professorin für Religionspädagogik an der Evangelischen Fachhochschule Berlin.

Doris Klappenbach, Mediatorin/Ausbilderin BM, Dipl.-Religionspädagogin mit Zweitstudium in Psychologie. Mit den Schwerpunkten Mediative Kommunikation und Lehr-Lern-Optimierung (S.A.I.L.) leitet sie an der FU Berlin die Ausbildung »Mediation in pädagogischen Handlungsfeldern«.

Copyright: © Junfermann Verlag, Paderborn 2007

Covergestaltung/Reihenentwurf: Christian Tschepp

Coverfoto: © Martin Zwick, www.zwick-naturfoto.de

Mit Illustrationen von Meike Teichmann, http://www.meike-teichmann.de

Foto von Annegret Böhmer auf Backcover: Rosa Reibke

Satz & Digitalisierung: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn

Alle Rechte vorbehalten.

Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2015

ISBN der Printausgabe: 978-3-87387-659-0

ISBN dieses E-Books: 978-3-87387-993-5 (EPUB), 978-3-95571-322-5 (PDF), 978-3-95571-321-8 (MOBI).

Danksagung

Wir danken Gundl Kutschera. Von ihr stammt das Motto „Mit Humor und Eleganz“. Für viele Inspirationen auf unseren beruflichen Wegen danken wir auch Horst Harbig und den vielen anderen Autorinnen und Autoren, die die in diesem Buch angewendeten Theorien und Modelle entwickelt haben.

Für hilfreiche, konstruktive und kritische Unterstützung sei Christiane Danlowski, Sabine Dille, Hildegard Driesch-Haupt, Petra Goldkuhle, Sophia Kumpmann, Friedrich-Wilhelm Lindemann, Maria Rückert und Meike Teichmann herzlich gedankt!

Einleitung

Dieses Buch ist geschrieben für Leserinnen und Leser, die einen Überblick über moderne Formen beruflicher Beratung suchen. Es richtet sich vor allem an Studierende und an Ausbildungskandidaten in Ausbildungen für Supervision und Coaching. Für Fachkolleginnen wird es vielleicht interessant sein, unsere Art der Systematisierung des ganzen Stoffes zur Kenntnis zu nehmen. Für sie kann vor allem der 4. Teil mit den Praxisbeispielen aus dem Bereich der evangelischen Kirche eine Anregung für die eigene Arbeit sein.

Darüber hinaus ist dieses Buch für die etwa 26 Millionen Menschen in Deutschland geschrieben, die der evangelischen Kirche angehören und oft gar nicht wissen, wie spannend ihre Institution eigentlich aufgebaut ist. Etwa 650.000 von ihnen haben einen Arbeitsplatz in der evangelischen Kirche oder in der Diakonie. Wir haben den Wunsch und das Ziel, dass dieses Buch ihnen helfen wird, ihre Arbeit mit guten Ergebnissen und mit Freude zu tun. Der Text ist voll von Anregungen für Leitungskräfte und ebenso eine Hilfe für alle Beteiligten, ihre Arbeitssituation besser zu verstehen und zu gestalten. Wenn unsere Erläuterungen helfen, einige typische Probleme besser lösen zu können, dann besteht die Aussicht, dass man sich einmal mit neuen, anderen Aufgaben beschäftigen kann. Der Lebensprozess besteht ja nicht darin, irgendwann keine Probleme mehr zu haben, sondern vor immer neuen Herausforderungen in der Entwicklung von Individuen und Organisationen zu stehen.

Um für Sie aus den vielen möglichen Aspekten des Themas eine übersichtliche kognitive Landkarte zu erstellen, haben wir das Buch in vier grundlegende Teile gegliedert. Zunächst informieren wir über unsere anthropologische Grundhaltung und die Geschichte von professioneller Kommunikation. Im zweiten Buchteil wird ein Überblick über die Beratungsformen Supervision und Coaching gegeben. Hier geht es um theoretische Zugänge ebenso wie um Trends und Märkte. Wesentliche aus der Psychologie und den Sozialwissenschaften stammende Handwerkszeuge für die berufliche Beratung werden systematisiert. Für didaktisch besonders gelungen halten wir selbst die theorienintegrierende Aufteilung in die vier Beratungsanlässe Lebensgeschichte, System, Konflikt und Ziel.

Der dritte Teil gibt einen Überblick über die betriebswirtschaftliche, kulturanthropologische und soziologische Sicht auf Organisationen und Institutionen. Vor allem der Unterschied zwischen beiden ist zu erkennen! Dieser Teil soll das nötige Handwerkszeug vermitteln, um den Aufbau eines Systems zu verstehen und in der beruflichen Beratung angemessen berücksichtigen zu können. Schließlich werden im vierten Teil die dargestellten Handwerkzeuge für berufliche Beratung auf die Institution evangelische Kirche angewendet. Sie ist es wert, sie besser zu verstehen, und sie ist im Zusammenhang unseres speziellen Themas ein sehr gutes Beispiel für eine wertebezogene Institution. Es gibt hier neben einzigartigen Seiten auch viele Gemeinsamkeiten mit Arbeitsplätzen im öffentlichen Dienst und in anderen an Werten orientierten Institutionen, wie Gewerkschaften, Parteien und politischen Gruppen, wie Umwelt- oder Frauenprojekten. Auch hier gliedern wir die Praxisbeispiele nach den Themen Lebensgeschichte, System, Konflikt und Ziel, um die Anwendung der Theorien und Methoden im konkreten Fall anschaulich zu machen.

Eine Fülle von weiterführender Literatur finden Sie in den Fußnoten am Ende des Buches. Um die Lesbarkeit zu vereinfachen, werden die männlichen und weiblichen Formen im Verlauf des Textes abwechselnd benutzt.

Für die innere Haltung im Umgang mit den sich auftuenden Widersprüchen zwischen Organisation und Institution ist unser Buchtitel „Mit Humor und Eleganz“ Programm. Wir möchten eine gewisse Leichtigkeit im Umgang mit zum Teil unlösbaren Gegensätzen vermitteln, die es dann ermöglicht, die Situation zufrieden mit sich selbst und anderen zu bewältigen.

1. „Reden oder auch nicht reden kann doch jeder“ – vom Sinn professioneller Beratung im Beruf

Ein Büro in einer großen Einrichtung. Zwei Mitarbeiterinnen teilen sich den Raum. Ihre Schreibtische stehen so zueinander, dass sie sich eigentlich anschauen müssten, aber schon seit Wochen haben sie kein Wort miteinander gewechselt. In ihrem Alltagsleben sind die beiden Kolleginnen eigentlich recht sympathisch und kommunikativ. Beide haben Familie. Aber irgendetwas ist vorgefallen, was zu einer eisigen Verbitterung führte. Wenn die Vorgesetzte in den Raum kommt, erfasst auch sie heftigstes Unwohlsein. Ihre Versuche, den Konflikt zu besprechen und beizulegen, stießen auf kategorischen Widerstand. Normale Arbeitsabläufe werden so zu einem echten Problem. Eigentlich sind alle drei Frauen wirklich klug und in der Lage, sich auszudrücken, aber in diesem Fall ist keine fähig, in adäquater Zeit die Situation zu verändern. Hier wäre Supervision für die beiden Mitarbeiterinnen oder Coaching für die Leitungskraft eine echte Hilfe.

Diese kleine Geschichte zeigt exemplarisch, wie wichtig es ist, sich miteinander über Gedanken, Gefühle, Geschehenes auszutauschen. Menschen sind soziale Wesen. Sie sind so unterschiedlich, dass sie leicht aneinander vorbeihandeln, wenn sie nicht ausreichend kommunizieren. Und gerade dann, wenn ein gemeinschaftliches Handeln für gemeinsame Projekte von großer Wichtigkeit ist, bietet professionelle Kommunikation hilfreiche und zunehmend nachgefragte Unterstützung dabei.

Der wesentliche Faktor ist, dass in bestehenden Problemsituationen der neutrale Blick von außen zunächst zu einer Versachlichung der Lage führt und dass alle Beteiligten von der neutralen Beratung mit einem gewissen Ausmaß an Einfühlung und Verständnis rechnen dürfen, was ihnen in aller Regel genau in solchen Situationen am meisten fehlt. Wir haben die professionellen Handwerkszeuge der beruflichen Beratung unter die vier Überschriften Lebensgeschichte, System, Konflikt und Ziel geordnet. Erforscht man die Hintergründe des eisigen Schweigens in dem eingangs geschilderten Büro nach diesen Aspekten, so wird man eine Fülle von Informationen finden und faszinierende Einblicke gewinnen können, was manchmal als Hauptursache hinter vordergründig kindischen Problemen steht.

Für den Einstieg in ein Buch, das sich mit Beratungsformaten auseinandersetzt, ist es wichtig, einen Einblick in unsere anthropologischen Positionen zu geben. Immerhin bestimmt das Menschenbild einer Beratenden, wie sie ihr Gegenüber und sich selbst grundsätzlich wahrnimmt. Es wirkt sich auf das entstehende Arbeitsbündnis aus und die sich bildenden Annahmen darüber, welche Entwicklungen und Möglichkeiten sich daraus ergeben können. Wir stellen hier verschiedene Zugänge zu einem Menschenbild dar, das uns in der subjektiven Realitätserfahrung unserer Beratungsarbeit am angemessensten erscheint.

1.1 Anthropologische Positionen – hilfreiche Zugänge zu rätselhaften Verhaltensweisen des Menschen

Alles systematische und rationale Nachdenken über menschliches Verhalten ist mit dem Problem behaftet, dass der Mensch sich selbst – und das ist erkenntnistheoretisch hinreichend diskutiert – nur sehr begrenzt verstehen kann. Die menschliche Abhängigkeit von unverständlichen Einflüssen hat sich historisch in den Religionen abgebildet und ist in den westlichen Zivilisationen im zwanzigsten Jahrhundert durch die Theorie des Unbewussten ausgedrückt worden.

Aktuelle Diskussionen über die Beschaffenheit des menschlichen Gehirns kreisen um die Frage, ob der Mensch überhaupt zu Vernunft und freiem Willen in der Lage sei, so wie das Menschenbild der Aufklärung es formuliert.1 Wir gehen von der generellen Unklärbarkeit dieser Frage aus. Ob Rationalität oder Irrationalität im menschlichen Verhalten den Vorrang haben, ist müßig, klären zu wollen. Wichtig ist es hingegen zu akzeptieren, dass beide Elemente immer da sind. Der Buchtitel Der Tanz zwischen Bewusstsein und Unbewusstsein (Gundl Kutschera) gibt sehr treffend wieder, dass durchaus ein harmonisches Verhältnis zwischen den bewusst herstellbaren und den zu akzeptierenden inneren Bedingungen möglich ist.

Für den Beratungszusammenhang brauchen wir vor allem den Humor, um mit den Menschen, wie sie wirklich sind, immer wieder respektvoll und liebevoll umgehen zu können. Darüber hinaus ermöglichen auch einige wissenschaftliche Konstrukte ein pragmatisches Umgehen mit der nicht-rationalen Seite des Menschen. Sie liefern uns Hilfskonstruktionen, um mit rational unverständlichen, nicht selten auch ärgerlich machenden Phänomenen umzugehen.

1.1.1 Die Evolutionsbiologie oder: „Der Affe in uns“

Die Evolutionsbiologie hilft uns zu verstehen, dass wir eine Art Primaten sind, die nur in sozialen Gruppen überleben können und die ihre sozialen Gruppen durch ein ausgeklügeltes System von Kooperation und Konkurrenz organisieren. Diese evolutionsmäßig alten Überlebensmechanismen prägen viele Situationen, die von der offiziellen Definition her aber anderen zivilisatorischen Errungenschaften zuzurechnen sind. Besonders deutlich wird dies in Kontexten, in denen offiziell und proklamatorisch alle Menschen gleich sein sollen, de facto aber Dominanzkonflikte und Rangordnungen das soziale Miteinander bestimmen. Der „Affe in uns“ ist unserem Erachten nach nicht zu bekämpfen.2 Doch der Humor und die Freundlichkeit, mit denen wir unserem eigenen Affen und dem in unseren Mitmenschen begegnen, können dazu führen, dass wir dann doch so manch rationales Ziel erreichen.3

Abb. 1: Uralte Motive

In der Geschichte der Sozialwissenschaften gab es immer die Diskussionen, ob die Analogisierung von menschlichem und tierischem Verhalten nicht „biologistisch“ und letztlich immer missbräuchlich sei. Und es wurden tatsächlich menschliche äußerste Grausamkeiten mit biologistischem Denken, oft mit falsch interpretiertem Darwinismus, begründet.

Aber der Blick in das Reich der Tiere kann auch sehr viele gute Verhaltensvorbilder für die Menschen liefern. Die moderne Primatenforschung zeigt, dass z.B. Bonobos eine Fülle von friedfertigen, kooperativen und lustvollen Lebensvarianten zeigen, auf die sich Menschen durchaus mit Gewinn beziehen könnten.4 Auch moderne Managementliteratur, die sich auf Verhaltensforschung bezieht, geht nicht von einem veralteten sozialdarwinistischen „Friss oder stirb“ aus, sondern beschreibt differenziert, dass Leitungskräfte, die nur mit Angst operieren, solchen unterlegen sind, die das Kooperationsprinzip verstanden haben.5

1.1.2 Homo ludens – der spielende Mensch

Ein weiterer sehr produktiver Zugang zu den rätselvollen menschlichen Verhaltensweisen ist die Theorie des Anthropologen Johann Huizinga, der die Geschichte der menschlichen Kultur als eine Geschichte des Spielens untersucht hat. Wenn man sich anschaut, zu welch eigentümlichen Hervorbringungen der Mensch willig und in der Lage ist, dann kann man auch die ganze Erwerbswelt immer wieder als ein Spiel interpretieren, nicht aus zynischem Blickwinkel, sondern unter freundlicher Akzeptanz der Tatsache, dass Menschen ihre Spiele ernst nehmen, ihre Spielfelder behalten wollen, große Teile ihrer Spieltätigkeiten einfach um ihrer selbst willen vollbringen und am glücklichsten sind, wenn sie inmitten ihrer Spiele nicht gestört werden.6 Die Theorie des Psychologen Mihaly Csikszentmihalyi über den Flow-Zustand greift diese Tatsache in aktueller Form auf.7 Das Flow-Erlebnis beschreibt einen Zustand, in dem eine Person den optimalen Anforderungsgrad während einer Tätigkeit erlebt. Das heißt: Man ist nicht unterfordert und deshalb abgelenkt und gelangweilt. Man ist auch nicht überfordert und deshalb gestresst und unruhig. Im Flow-Zustand tut man genau etwas, was den eigenen Fähigkeiten, Kräften und Vermögen optimal entspricht. In diesen Momenten fühlt man sich eins mit dem, was man tut. Man geht in der Situation auf, vergisst alles andere. Dies beschreibt die optimale Situation beim Spiel. Erwachsene Menschen, die dieses Flow-Erlebnis häufig in ihrem Berufsleben haben, sind ausgesprochen glücklich und arbeitsfähig. Gute Beratung kann also nie das Ziel haben, Spiele zu beenden, sondern möglichst viele pro-soziale Spiele zu etablieren.

Der hier von uns verwendete Begriff des Spiels ist deutlich unterschieden von einer anderen, auch häufig gebräuchlichen Variante. Der Transaktionsanalytiker Eric Berne beschrieb unter dem Begriff „Spiele der Erwachsenen“8 Verhaltensmuster, die Menschen vom „echten Leben“ abhalten, welches gekennzeichnet ist von Bewusstheit, Spontanität und Intimität. In seiner Terminologie sind Spiele etwas Defizitäres.

Aus unserer Sicht ist es heute unter ressourcenorientierter Perspektive eher sinnvoll, Aspekte des menschlichen Spielens zu bejahen. Der Entwicklungspsychologe Jean Piaget sah im Spiel die ursprünglichste Art des Lernens.9 Der Sozialpsychologe George Herbert Mead verband mit dem Spiel das Rollenhandeln und die Sozialität des Menschen überhaupt.10

Differenziertere Betrachtungen des Homo ludens finden Sie im Abschnitt 3.3 (Kulturanthropologie).

1.1.3 Grenzen der Machbarkeit

Neben den benannten grundsätzlichen Einschränkungen an der menschlichen Vernunft gibt es noch weitere Bereiche, die Supervision und Coaching eine Grenze setzen. Alle Fragen der psychischen Erkrankungen sind in diesem Buch ausgespart, wenngleich es in der Arbeitspraxis sehr hilfreich ist, sich zumindest so weit auszukennen, dass man möglicherweise vorhandene Krankheiten beim Gegenüber als solche erkennen und hilfreich darauf reagieren kann.11 Jedem Supervisor und Coach ist zu empfehlen, sich in einem kollegialen Netzwerk mit Psychotherapeuten und Psychiatern zusammenzutun, um gegebenenfalls Fachleute empfehlen zu können. Insbesondere die Folgen von Suchterkrankungen stellen im Arbeitsleben eine häufige Problematik und ein Konfliktpotenzial dar. Auch hier gibt es spezialisierte Hilfen.12

1.1.4 Biopsychosozial-spirituelles Menschenbild

In der psychosomatischen Medizin hat sich ein biopsychosoziales Menschenbild schon seit vielen Jahren etabliert.13 Das bedeutet, dass bei menschlichem Erleben und Verhalten immer körperliche, seelische und soziale Faktoren zusammenwirken.

Wenn wir unsere kleine Anthropologie beim Affen begonnen haben, so kann man feststellen, dass auch Affen biopsychosozial zu verstehende Wesen sind. Nun gibt es aber doch diesen einen wesentlichen Unterschied zum Menschen, der nicht so sehr in der Art der Emotionen liegt, sondern in der Qualität der Kognitionen, des reflexiven Bewusstseins. Der Mensch denkt über das Große und Ganze seines eigenen Lebens nach und über Fragen des Universums. „Der Mensch ist ein Hund, der weiß, dass er stirbt.“ Treffender als der Dichter Erich Fried kann man es nicht ausdrücken.

Je mehr in den letzten Jahrzehnten die Grenzen rein materialistischen Denkens offenbar geworden sind, desto mehr taucht auch in der Beratungsarbeit diese Seite des Menschen wieder auf. Ein biopsychosozial-spirituelles Menschenbild wird formuliert, um in Erklärungen für die Verhaltensweisen von Menschen auch sinnsuchende oder sinnstiftende spirituelle Beweggründe einbeziehen zu können. Die moderne Medizin entdeckt den Faktor spiritueller Ressourcen gerade wieder, insbesondere in der Palliativmedizin, Hospizarbeit und Psychoonkologie.14 Es entsteht derzeit in der Medizin, neben der klassischen kirchlichen Krankenhausseelsorge, ein Bewusstsein für „Spiritual Care“.15

Der Begriff der Spiritualität wird heute vielgestaltig und bisweilen inflationär verwendet. Wir benutzen ihn hier mit der Absicht, Glaubensüberzeugungen bezüglich transzendenter Konstrukte, die reale psychische Folgen haben, zu charakterisieren und in Abgrenzung zu dem Begriff der Religiosität, der zumeist in Bezug auf institutionalisierte Religion verwendet wird. Der Religionspsychologe Michael Utsch definiert Spiritualität als die gefühlsmäßige Seite der Religiosität.16 Spirituelle Glaubensüberzeugungen (Belief-Systeme) unterscheiden sich von anderen in der kognitiven Psychologie als Belief-Systeme bezeichneten Einstellungen und Vorannahmen durch den Bezug auf transzendente Konstrukte.17 Dieser Aspekt ist auch bei Menschen vorhanden, die sich keiner offiziellen Religion zugehörig fühlen.18

In dem in der Beratung gängigen Modell der fünf Säulen der Identität von Hilarion Petzold ist eine der fünf Säulen die der Werte (2.4). In unserer Auffassung und Sprache heißt diese Säule Werte/Spiritualität, denn zur Identität gehören nicht nur die Werte einer menschlich verhandelbaren und festlegbaren Ethik, sondern auch alle Konstruktionen über den Sinn des Lebens allgemein.

Wir müssen davon ausgehen, dass der Faktor der Spiritualität sowohl irrational negative als auch irrational positive Auswirkungen auf die Person haben kann.19 Es können aus diesem Bereich irrationale Ängste und Schuldgefühle kommen, die den Lebensfluss blockieren. Ebenso können aus diesem Bereich logisch nicht nachvollziehbare Ressourcen erwachsen. Nicht selten kommen Kräfte zum Überleben oder zum Widerstand gegen Diktaturen oder andere menschliche Missstände aus diesem Bereich spiritueller Ressourcen.20 Aber mit dem Glauben hat leider auch jene Art von destruktivem Fanatismus zu tun, der uns im 21. Jahrhundert noch viel beschäftigen wird.21

Die Entwicklungen, die sich in der westlichen Kultur in den letzten Jahrhunderten hinsichtlich der maßgeblichen Glaubenssysteme ergeben haben, beeinflussten auch die Entfaltung professioneller Kommunikation. Waren zunächst in der Menschheitsgeschichte Wissen und Glauben immer auf eine Art verbunden, so hat sich durch die Aufklärung der Bereich von Rationalität und Glauben getrennt. Nun, im dritten Jahrtausend, bewegen sich diese Pole wieder aufeinander zu. Immer mehr Manager sehen, dass sie ohne die Sinnstiftung und Energie von Werten und Glauben nicht gut auskommen. Die Kirchen begreifen zunehmend, dass sie ohne die Rationalität und Professionalität ihres Managements nicht mehr auskommen. Spiritualität und Professionalität werden zunehmend wieder als zusammengehörig wahrgenommen. Aus unserer Sicht sind sie in ihrer Kombination grundlegend für eine bestimmte Lebensqualität und auch für gute Ergebnisse.

In Beratungssituationen wird tatsächlich oft deutlich, dass bestimmte Menschen zwar sehr viel Geld verdienen, aber sich irgendwann nach dem Sinn ihres Tuns fragen. Andere sind auf der Werteebene von ihren Taten überzeugt, verdienen aber viel zu wenig Geld damit, um halbwegs sorglos leben zu können. Im ersten Falle die Sinnhaftigkeit des gesamten Lebens zu bedenken und im zweiten Falle professioneller an die eigene gute Sache heranzugehen wäre jeweils eine äußerst wirksame Intervention. Beratungsangebote haben hier die Möglichkeit, ziel- und ergebnisorientiertes Handeln und gleichzeitig persönliche Zufriedenheit und Gesundheit zu unterstützen. Hinweise darauf, wie und mit welchen Zielstellungen sich die heute gängigen Angebote professioneller Kommunikation herausgebildet haben, gibt der folgende Überblick.

1.2 Kleine Geschichte der professionellen Kommunikation

Professionelle Kommunikation setzt im Vergleich zur Alltagskommunikation immer ein bewusst gewähltes Welt- und Menschenbild und bewusst eingesetzte Methoden voraus. Bei professioneller Kommunikation sind die Rollen von Helferin und Hilfesuchendem klar verteilt.

Das Welt- und Menschenbild, das einem Gespräch zugrunde liegt, wird in der Sprache der kognitiven Psychologie als Glaubenssystem beschrieben. Wie im Zusammenhang mit dem Thema Konstruktivismus (siehe Abschnitt 2.2.5) noch verdeutlicht wird, sind diese sogenannten „Belief-Systeme“ zahlreich und vielseitig vertreten. Sie unterscheiden sich wesentlich auf Grundlage ihres kulturellen Ursprungs und der Art, wie Werte und Normen begründet werden (siehe Abschnitt 3.4). Einige werden von Generation zu Generation nahezu identisch weitergegeben. Andere basieren grundlegend auf den Maßstäben und Annahmen ihrer Zeit. Viele bleiben als freies Geistesgut in verschiedenen mehr oder minder formierten Gesellschaften existent. Andere institutionalisierten sich, beispielsweise im Rahmen der nun schon lange bestehenden großen Kirchen, und passen sich den Gegebenheiten der geschichtlichen Entwicklungen je nach Flexibilität der Grundfesten ihres Belief-Systems entsprechend an. Die gesamten Beratungsmethoden in der westlichen Kultur basieren auf dem Menschenbild der jüdisch-christlichen Tradition, der besonderen Betonung des Individuums, welche aus der Glaubensannahme der Gottesebenbildlichkeit eines jeden Menschen resultiert.22 Dieses Menschenbild verknüpfte sich mit den Idealen des philosophischen Humanismus.23 Die differenzierte Fürsorge für die seelischen Leiden, das Streben nach Glück und Selbstverwirklichung des Individuums, das kann man als eindeutig westliche Errungenschaften oder bisweilen auch Dekadenzen auffassen.

1.2.1 Magie

Als früheste Form von professioneller Kommunikation wollen wir hier auf die Magie verweisen. In den archaischen Glaubensformen haben Menschen ihre Probleme auf magische Weise gelöst. Heil- und Jagdzauber, die naturbezogene schamanische Kommunikation mit „Geistern“ oder „Göttern“, die Hilfe bringen sollten, hatten viele Formen.24 Von den Christen wurde diese Praxis magischer Handlungen bekämpft. Im extremsten Fall, den Hexentötungen, die auch Luther und Calvin befürworteten, wurde angebliche oder tatsächliche „Zauberei“ mit dem Tod bestraft. Der Grundansatz der Magie, der Versuch, das Leben durch Rituale, magische Formeln oder andere Elemente professioneller Kommunikation zu bestimmen oder zu beeinflussen, ist noch immer aktuell. Er findet sich weit über die auch heute noch unter dem Begriff Magie gefassten Bereiche hinaus.

1.2.2 Seelsorge

In der christlichen Religion wird nicht auf magische Handlungen von Menschen, sondern auf einen Gott und dessen alleinige Wirkmacht vertraut. Die Geschichte der allein theologisch orientierten Seelsorgeformen ist vielfältig und reicht vom frühen Christentum bis zu den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Diese Art der Seelsorge hatte und hat den Charakter, bei menschlichen Problemen nach dem Willen und der Hilfe Gottes und nach dem, was nach kirchlicher Norm gut ist, zu fragen.

Seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts hat die kirchliche Seelsorge einen epochalen Wandel erfahren. Die Geschichte der Seelsorge seither stellt eine Annäherung kirchlicher professioneller Kommunikation an die Erkenntnisse der Humanwissenschaften dar. Seelsorge nimmt heute die Trends auf, die im Bereich von Beratung und Psychotherapie vorab zu beobachten sind. Man kann sagen, die Seelsorge ist interdisziplinär geworden.25

Am Ende der sechziger Jahre haben vor allem die Psychoanalyse und die Gesprächstherapie nach Carl Rogers (siehe Abschnitte 2.2.3 & 2.2.4), aber auch die Gestalttherapie und die Themenzentrierte Interaktion nach Ruth Cohn26 Einzug in das Menschenbild und die Praxis von Seelsorge gehalten. Diese „Seelsorgebewegung“ hat maßgeblich zur Demokratisierung und Liberalisierung innerhalb der evangelischen Kirchen beigetragen. Der Schwerpunkt des Seelsorgegesprächs wurde von der Vermittlung und Anwendung theologischer Sichtweisen auf die individuellen Bedürfnisse und Entwicklungen des Klienten verlegt.

In den letzten Jahren werden zunehmend kritische Haltungen gegenüber dieser auf das Individuum bezogenen Seelsorgeform geäußert.27 Heute spielen in der Seelsorgediskussion ebenso wie in der allgemeinen psychosozialen Arbeit mehr systemische Perspektiven eine Rolle28 (siehe Abschnitt 2.5). Darüber hinaus wird wieder mehr Theologie und weniger Psychologie in der Seelsorge gefordert.29

1.2.3 Medizin

Ein weiterer ursprünglicher Kontext der professionellen Kommunikation ist die Medizin. Die Medizin war in ihrer Geschichte eine Mischung aus Magie und rationaler Kenntnis bzw. Naturwissenschaft. „Wunderheilungen“, Einstellungen und Vertrauen von Ärzten und Patienten (sogenannte Placebo-Effekte) bestimmten die verschiedenen Formen vormoderner Medizin. Ärzte waren „Heiler“.30 Erst durch die Aufklärung wurden die Bereiche Seele und körperliche Materie programmatisch getrennt. Der Arzt war nur noch für den Körper da.

Der „Schulmediziner“ ist ein Wissenschaftler, für den die Seele nicht zu seinem Aufgabenbereich gehört. Ausnahme ist der Bereich der Psychosomatik, der zusammen mit der Popularität der Psychotherapie zunehmend Interesse erfuhr und erfährt.

1.2.4 Psychotherapie

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts etablierte sich neben Medizin und Seelsorge ein neuer Ansatz professioneller Kommunikation: die Psychotherapie.31 Die Psychoanalyse Freuds entstand als neue Behandlungsform für seelische und seelisch bedingte körperliche Leiden. Allein das Sprechen über Gefühle und Erinnerungen, das Ernstnehmen von Träumen und inneren Prozessen fördern die Heilung sowie vor allem die Beziehung zwischen Analytiker und Patient.32

Die Psychoanalyse als Menschenbild war eines der maßgeblichen Belief-Systeme des 20. Jahrhunderts (siehe Abschnitt 2.2.1). Die Seele wurde von Freud (siehe Abschnitt 2.4) neu entdeckt, im Gegensatz zu den Religionen aber nicht transzendent, sondern rein phylogenetisch und ontogenetisch bestimmt. Die Hauptwirkmacht im menschlichen Leben wurde den libidinösen Trieben und den unbewussten frühkindlichen Erfahrungen zugeschrieben.

Im Lauf des 20. Jahrhunderts etablierten sich auch andere psychologische Theorien. Lerntheoretische, kognitive, humanistische und systemische psychologische Schulen entstanden und entwickelten je eigene Formen der Psychotherapie und weitere Formen professioneller Kommunikation und Beratung.33

1.2.5 Supervision

Supervision ist eine Beratungsform, die sich zuerst in der Sozialarbeit entwickelt hat und heute zur Qualitätssicherung in allen sozialen, pädagogischen und Gesundheitsberufen gehört. Auch in der Ausbildung von Theologinnen ist sie zunehmend etabliert. Supervision kann sowohl selbsterfahrungsbezogene Elemente enthalten als auch die strukturbezogenen Elemente der Organisationsberatung.

Die Entwicklung von Supervision ging vor allem in den angelsächsischen Ländern voran und wurde dort auch maßgeblich von vielen unter den Nationalsozialisten emigrierten Psychoanalytikern mitbestimmt. Besonders die auf diese Tradition begründeten Ansätze von Supervision sind von Coaching zu unterscheiden. Die kritische Distanz zur Institution war und ist hier zumeist ein konstitutives Element. Supervision soll ein emanzipatorisches Potenzial für die Arbeitnehmerinnen in einer Organisation darstellen. Sie soll Freiräume zum Atmen für das Individuum im Arbeitsprozess einer Institution ermöglichen.34

Nach dem Zweiten Weltkrieg war also die Supervision vor allem psychoanalytisch ausgerichtet. Seit den siebziger Jahren wurden systemische Perspektiven ergänzt. Viele Supervidierende arbeiten heute tiefenpsychologisch-systemisch. Daneben haben sich vor allem aus dem Neurolinguistischen Programmieren, dem NLP (siehe Abschnitt 2.7), und der lösungsorientierten Beratung (siehe Abschnitte 2.2 & 2.7) kommende, schulenübergreifende Methoden der Beratung etabliert. Das vorliegende Buch ist hier einzuordnen.

Supervision ist dafür da, die berufliche Arbeit mit anderen Menschen zu reflektieren. Deshalb gibt es Supervision für Sozialarbeiterinnen und für Psychotherapeuten. Es gibt Supervision für Supervisorinnen (Kontrollsupervision) und es gibt Supervision für Coaches. Oft wird Supervision als Ausbildungselement in professionelle Kommunikationsausbildungen aller Formate integriert. Vielleicht hat sie deshalb die Chance, als Mutter aller beruflichen Beratungsformen in eine gute Zukunft zu schauen. – Ausführliche Informationen zur Supervision und Literaturhinweise finden Sie in Kapitel 2 dieses Buches.

1.2.6 Mediation

Die Grundgedanken der Mediation haben eine jahrhundertelange Tradition. Die vier wichtigsten Elemente sind das Hinzuziehen eines vermittelnden unparteiischen Dritten, der Einbezug aller Konfliktparteien, die außergerichtliche Ebene und die Freiwilligkeit sowohl des Verfahrens als auch der Annahme des Ergebnisses. Diese Grundelemente kann man in zahlreichen Vorläufern und Varianten der Konfliktvermittlung in vielen Ländern, Kulturen und Zeiten finden.

Das Konzept des heutigen Mediationsverfahrens entstand seit den sechziger Jahren in den USA. Die gesellschaftspolitische Situation (Vietnam-Proteste, Bürgerrechtsbewegung, Studentenunruhen, Neubestimmung der Geschlechterrolle) bot damals hinreichenden Anlass, um eine Alternative zu dem als unzulänglich empfundenen herkömmlichen Rechtssystem zu entwickeln. In Deutschland wurde das Verfahren 1977 auf einer Arbeitstagung der Rechtssoziologen unter dem Titel „Alternative Rechtsformen und Alternativen zum Recht“ erstmals diskutiert, danach vor allem im Bereich Trennung und Scheidung herangezogen.35

Aus dem großen Interesse an der Methode entwickelte sich nach und nach ein eigenes Format professioneller Kommunikation mit umfassenden Anwendungsmöglichkeiten. Man unterscheidet dabei gerichtliche bzw. gerichtsnahe und nichtgerichtliche Formen von Mediation. Die gerichtsnahe Mediation wird vor allem von Juristen ausgeführt und zum Beispiel durch die Aufstellung von europaweiten Qualitätsstandards (European Code of Conduct) zunehmend gesetzlich verankert.

Das Angebot der nichtgerichtlichen Mediation, welches sich neben Supervision, Coaching und Organisationsentwicklung auf dem Markt professioneller Kommunikation etabliert hat, wird häufig von Geistes- und Sozialwissenschaftlerinnen, Pädagogen oder Sozialarbeiterinnen angeboten. Es umfasst die Arbeit mit und an Konflikten in allen Bereichen des Lebens – beruflich wie privat. Anlass ist in der Regel ein bestehender Konflikt, der auf Grundlage der benannten Prinzipien mit Mediation sinnvoll bearbeitet werden kann.36

1.2.7 Coaching

Das Wort Coaching ist für berufliche Beratung recht neu. Zunächst verstand man unter Coaching die mentale Begleitung und das sportliche Training von Spitzensportlern. Dann etablierte sich der Begriff für die Beratung von Managern.

Die Abgrenzung zur Supervision ist unscharf. Sie besteht vor allem darin, dass der Begriff Coaching als Beratung für Leitungshandeln üblich ist und dass Coaching grundsätzlich ziel- und leistungsorientiert arbeitet, während es Formen von Supervision gibt, die sehr viel Selbsterfahrung und Selbstreflexion beinhalten. Coaching ist vom Beratungsanlass identisch mit Leitungssupervision. Da Supervision und Coaching schwerpunktmäßig Inhalt dieses Buches sind, werden beide Ansätze professioneller Kommunikation an dieser Stelle nur kurz dargestellt.

Der große Erfolg der Beratungsform Coaching ist ohne die politischen Veränderungen unserer Gesellschaft nicht denkbar. Erklärend ist hier das Schlagwort von der Zwei-Drittel-Gesellschaft. Die Personalpolitik der großen Konzerne, aber zunehmend auch der öffentlichen Verwaltungen, basiert darauf, dass es offensichtlich kostensparender ist, immer mehr Arbeit von immer weniger Personal durchführen zu lassen. Das führt dazu, dass heute zwei Drittel der arbeitsfähigen Bevölkerung in Lohn und Brot stehen, während das andere Drittel eine Gruppe von Langzeitarbeitslosen oder Arbeitsuchenden darstellt.

Beide Gruppen stehen unter einem immensen Druck. Die Menschen aus der Gruppe, die Arbeit hat, werden in aller Regel über Gebühr belastet. Insbesondere die mittlere Leitungsebene muss heute z.B. die Büroaufgaben der gekündigten Bürokräfte mit übernehmen. Tatsächlich taucht in Coachinggesprächen mit diesen Klienten zumeist die Frage auf, wie überhaupt diese interessante und wichtige Arbeit auszuhalten ist, ohne dass man Gesundheit und private Beziehungen dafür opfert. Es scheint immer normaler zu werden, dass die beruflich Engagierten auch eine gewisse Kamikaze-Einstellung mitzubringen haben. Dazu gehört die Bereitschaft zu unbegrenzter Mobilität ebenso wie die Selbstverständlichkeit von 12- bis 14-Stunden-Tagen in Bestform. Für viele dieser heutigen Leistungsträgerinnen der Gesellschaft ist der in unserer Kultur seit Langem selbstverständlich arbeitsfreie Sonntag ein Luxus, der für sie in keiner Weise mehr beanspruchbar ist. Schließlich haben sie ja auch die Konkurrenz aus dem anderen Drittel zu befürchten, dem wir uns jetzt zuwenden wollen. In dieser Gruppe sind nicht nur die Unqualifizierten und Unmotivierten, die sich auf ein Leben durch soziale Sicherung eingestellt haben, sondern auch all die immer höher qualifizierten Studienabsolventinnen, die mehrere Sprachen sprechen, kommunikationstechnisch in jeder Hinsicht weit vorn sind und deren gesamte Energie in die Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz fließt. Diese Gruppe leistet sich Coachings für Bewerbungsgespräche und Fragen der beruflichen Zielfindung.

In diesem Sinne unterscheiden sich Supervision und Coaching dadurch, dass Coaching oft mehr in dem Feld der Karriereberatung angesiedelt ist, während Supervision die reflektierende Begleitung bestehender stabiler Arbeitsverhältnisse bedeutet. Ausführliche Informationen zum Coaching und Literaturhinweise finden Sie in Kapitel 2 dieses Buches.

1.2.8 Organisationsberatung

Während früher Organisationsberatung eine rein betriebswirtschaftliche Aufgabe war, hat sich in den letzten Jahren zunehmend auch sozialwissenschaftlich orientierte professionelle Beratung für ganze Organisationen entwickelt. Das Paradigma des systemischen Denkens wurde zunächst in der Beratung kleiner Systeme angewendet. Die Familientherapie ist die Beratungsform, die zuerst nicht nur Individuen, sondern das ganze Lebensumfeld in einen Veränderungsprozess einbezog. Diese Sichtweise hat sich nun auch in der professionellen Beratung von Firmen, Verwaltungen und Organisationen etabliert.37

Es gibt die Begriffe Organisationsberatung und Organisationsentwicklung. Hier werden das System, die Organisation als Ganzes in den Blick genommen und Wege der Veränderung gesucht. Wollte man hier eine Unterscheidung treffen, so entspräche die Rolle einer Organisationsentwicklerin wohl eher der eines Coaches, wobei die einer Organisationsberaterin mehr Ähnlichkeiten mit der einer Supervisorin hätte. Da wir von einer strikten Abgrenzung von Supervision und Coaching absehen (siehe Abschnitt 2.1) und die Organisationsentwicklung durchaus auch eine Aufgabe der Organisationsberatung sein kann, fassen wir beide Begriffe unter einer Überschrift.

Die Organisationsberatung arbeitet im Allgemeinen unter der Zielstellung, im Unternehmen etwas nach Vorstellungen des Auftraggebers zu verändern. Dies kann die bessere Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen (Corporate Identity, siehe Abschnitt 3.3) oder auch eine Erhöhung der Arbeitseffektivität sein. Anders als in der Supervision beispielsweise ist die Organisationsberaterin an die Auftraggeber gebunden. Die Beratung hat dann Auswirkungen auf die verschiedenen Ebenen der Organisation. Damit sie konstruktiv zu einem akzeptablen Ergebnis führen kann, bildet die Organisationsanalyse einen wesentlichen Schwerpunkt zu Beginn der Beratung. Das System wird strukturell und kulturell, psycho- und soziologisch und auch aus der interaktionstheoretischen Perspektive beleuchtet. Wenn dann die verschiedenen inhaltlichen Facetten der Beratung klar geworden sind, zieht die Organisationsberatung wie die anderen Formate auch die Methoden und Bearbeitungsansätze heran, die am sinnvollsten erscheinen und in der individuellen Situation umsetzbar sind.

Die Theorien- und Methodenvielfalt, die sich in Supervison und Coaching zeigen, bilden sich ebenso in der Literatur zur Organisationsberatung ab (siehe Kapitel 3).

1.2.9 Angebote professioneller Kommunikation im Überblick

Abb. 2: Professionelle Kommunikationsangebote im Überblick

Dieser kleine Überblick sollte deutlich gemacht haben, dass Beratungsformen keine absoluten Realitäten sind, sondern durch historische und marktbezogene Einflüsse veränderbare Größen. Dies wird an vielen Stellen im weiteren Verlauf des Buches noch deutlich werden. Menschen, die heute Hilfe suchen, können durch bewusste Auswahl oder durch Zufall in den verschiedensten Beratungsformen landen. Ob sie jeweils Hilfe finden, hängt maßgeblich von der Beziehung zwischen Ratsuchendem und Helfendem ab. So wie in der Medizin gilt: „Recht hat, wer heilt“, so gilt in der psychosozialen Beratung: „Wenn’s hilft, war’s richtig.“

Jedes der hier beschriebenen Hilfeformate hat auch seine eigenen Grenzen. So kann es sein, dass eine Praxisgemeinschaft von Psychotherapeuten bestimmte Konflikte nicht klären kann und dafür eine Mediation in Anspruch nimmt. Ebenso kann es passieren, dass ein Team von Mediatorinnen einen Konflikt nicht erfolgreich bearbeiten kann, weil ein Kollege ein Problem einbringt, welches nur durch eine Psychotherapie zu lösen ist. Keine Beratungsform ist ein Allheilmittel. Optimal ist es, die verschiedenen Formate zu den je passenden Anlässen zur Verfügung zu haben. Wir haben sogar von Fällen aus Australien gehört, wo Mediatorinnen ihre Konflikte niemals lösen konnten und wo es auch Psychotherapeuten geben soll, die selber psychische Defizite haben.

2. Supervision und Coaching

Im Folgenden beschäftigen wir uns schwerpunktmäßig mit grundlegenden Fragestellungen zu den Beratungsangeboten Supervision und Coaching. In der Einführung dieser Begriffe zeigte sich bereits, dass es nicht so einfach ist, klare Grenzen zwischen beiden Ansätzen zu ziehen. Wir haben in unserer Arbeit und folglich auch in diesem Buch schließlich darauf verzichtet, grundsätzlich auf Abgrenzung zu bestehen, da wir den Eindruck haben, dass dies in der aktuellen Marktsituation vor allem aufgrund der häufig bestehenden Konkurrenz geschieht.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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