Mitte 2 - Albrecht Behmel - E-Book

Mitte 2 E-Book

Albrecht Behmel

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Beschreibung

Der unfreiwillige Künstler Albrecht lebt in Berlin Mitte, einen Bezirk, den er nur ungern verlässt. Und er ist der zweite, der zugeben würde, dass er sich hin und wieder ziemlich schusselig anstellt. Die erste ist seine Freundin Wibke und die dritte seine heimliche Liebe und Mitbewohnerin Jenny Epstein. Als ein Stalker im Leben der drei auftaucht, verschwören sie sich mit dem Ex-Anwalt Mikki, einem selbsternannten Casanova... Miesepetrige Tanten, pedantische Therapeuten, Marathonläufer, schwäbische Türken, russische Countrysängerinnen und ein reicher Verleger, der sich vorgenommen zu haben scheint, in Albrecht auf Teufel komm raus ein Genie zu sehen, bevölkern die Romanserie "Mitte", deren zweiter Band in einer haarsträubend witzigen Aufführung eines Musicals über Zombies und einer überstürzten Flucht nach Indien gipfelt.

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MITTE 2

von

Albrecht Behmel

Impressum:

Cover: Karsten Sturm-Chichili Agency

Foto: Tilman Hampl

© 110th / Chichili Agency 2014

EPUB ISBN 978-3-95865-243-9

MOBI ISBN 978-3-95865-244-6

Urheberrechtshinweis:

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Ein Mann wie ein Fußpilz

"He, Jenny, liegt das nur am Frühling, oder ist das tatsächlich ein Stalker?", hab ich zu meiner Mitbewohnerin und heimlichen Liebe gesagt, als wir in der Küche saßen und versucht haben, die Türklingel zu ignorieren, weil: Es klingelte echt andauernd! Die Jenny sagte:

"Kann'schonsein ..."

Das ist eine typische Jenny-Antwort. Ich sagte:

"Oder ist das nicht der Frühling, sondern die Klimakatastrophe?"

"Quatsch!"

Ich sagte:

"Wenn es nämlich nur der Frühling ist, Jenny, dann gibt es in paar Wochen wieder Hoffnung, aber wenn das die Klimakatastrophe ist, dann seh ich echt schwarz für dich."

Und da hat es schon wieder geklingelt. Die Jenny sagte:

"Hm, daswär'scheiße"

Dabei haben wir die ganze Zeit auf die Zigaretten geschaut, die wir auf dem Tisch hatten, weil: Wir hatten uns vorgenommen, mit dem Rauchen aufzuhören.

Dann hat sie gesagt:

"Ichglaub'halt, dass der einfachnur'totalspinnt!"

"Mhm... psychologisch gesehen?"

"Ja, irgendwieschon."

"Hat einen an der Bürste?"

"Hm"

"Gehirn juckt?"

Die Jenny sagte:

"Hehe."

Ich sagte:

"Bekloppt?"

"Jajajaa!"

"Es rasselt beim Nicken?"

Sie sagte:

"Ist jagutjetzt'hörauf!"

Ich sagte:

"Okay"

Ich bin da nämlich eine große Autorität auf dem Gebiet, wenn Leute was am Netzstecker haben, dann merk ich das sofort - liegt an meiner Familie, weil: Die spinnen auch alle, vor allem meine Schwester Felizitas und natürlich die anderen. Aber ich hab ein Zertifikat, dass ich verrückt bin. Das hat mir dieser Professor Thibaut persönlich ausgestellt, allerdings ist das leider schon wieder abgelaufen, das Zertifikat.

"Hach, Mann", sagten wir beide gleichzeitig. Das machen wir oft, das wir das gleiche sagen, aber wir meinen nicht immer auch das Gleiche, weil: Die Jenny ist eine Frau und ich nicht, und darauf will ich ja eigentlich die ganze Zeit hinaus:

Der Hintergrund ist nämlich, dass die Jenny diesen Stalker hat, den sie aber nicht haben will, weil er ihr das Leben schwer macht, und nur weil sie bisexuell ist, das heißt das aber noch nicht, dass man mit jedem Mann was anfängt, der sich zickig anstellt. Die Jenny hat ihm ganz genau erklärt, wie sie sich das vorstellt. Sie hat ihm nämlich gesagt:

"Tutmirleid, Kleiner, schwirr'ab!"

Und das muss ihn verrückt gemacht haben, und jetzt spinnt er schlimmer als ein Dackel im Kochwaschgang: Ruft siebzehnmal hintereinander an, klingelt ständig an der Tür und schickt SMS ohne Ende und lässt dauernd irgendwelche Sachen zu uns liefern, aber wir schenken das Zeug immer gleich an die Herta weiter: Blumen, Pralinen, Eintrittskarten, Sekt? Weg damit!

Herta - das ist unsere Putzfrau, aber sie ist für mich viel mehr als eine Putzfrau, schon allein vom Gewicht her, genug für zwei komplett ausgewachsene Putzfrauen in voller Pracht, allerdings gar nicht so groß.

Man muss es eigentlich so sagen: Wenn man die anschaut, die Herta, dann kriegt man zwar keine Höhenangst, sondern dafür Breitenangst. Aber ich mag sie vor allem deshalb total gern, weil sie immer so mürrisch und pleite ist - sehr berlinerisch, die Arme.

Deswegen kriegt sie die Blumen und die Pralinen und so weitergereicht, weil sie sagt, also die Jenny, dass sie den Scheiß nicht haben will, und sie ist genervt, weil sie eh keine Pralinen mag und Blumen schmecken ihr auch nicht. Den Sekt trinken wir aber selber. Jedenfalls, die Herta, die freut sich riesig über die Blumen, und damit sind alle zufrieden, außer dem Stalker von der Jenny.

Wir hatten uns ja erst gedacht, dass dann die Gefahr besteht, dass die Blumen die Herta vielleicht weniger mürrisch machen würden, aber jetzt ist es so, dass die Herta zwar Pralinen mag, und gleichzeitig weiß sie auch, dass das Zeug sie noch breiter macht, aber sie isst sie trotzdem und das macht sie wieder mürrisch, und somit gleicht das den Blumeneffekt vollständig wieder aus. Unterm Strich sozusagen.

Was ich eigentlich nur sagen will: Die Herta ist streng dagegen, dass wir versuchen, den Stalker von der Jenny wieder loszuwerden. Herta meint nämlich, dass jemand der weiß, wo es so teure Pralinen gibt, kein vollkommen schlechter Mensch sein kann, und man sollte den Kontakt auf keinen Fall abbrechen.

Die Jenny sagte:

"Eigentlich'istdasalles schonfastein Grund, wiedermitdem Rauchenanzufangen, oder? Einehabenwirunsverdient."

Das hat sie so ganz beiläufig gesagt, aber ich hab genau aufgepasst, ihr den Zeigefinger gegeben und zu ihrer Nase gesagt:

"Na los, mach doch, du Schwächling!"

Weil: Wir haben jetzt wirklich schon fast drei Tage lang nicht mehr geraucht, und langsam werden wir aggressiv: Lecken nachts heimlich am Aschenbecher und lernen Steuermarken auswendig und solche Sachen - aus lauter Verzweiflung. Aber ich habe mir total vorgenommen, dass ich es schaffe. Am liebsten wäre es mir, wenn nur ich es als erster schaffe, denn erstens hätte die Jenny dann verloren und zweitens mag ich das, wenn sie nach Rauch riecht. Vor allem in den Haaren.

Der Punkt ist: Wir sind beide Sportler. Ich, weil ich fast jeden Tag zum Training gehe, und die Jenny ist ja auch so drauf, also geistig zumindest. Wir brauchen immer irgendwie einen Wettkampf und Gegner und Siege, und da haben wir uns halt gedacht:

"Das ist es! Genau! So können wir das schaffen mit dem Rauchenaufhören."

Also, das habe ich uns gedacht, meine ich, und dann hat die Jenny gesagt:

"Wiejetzt?"

"Mit 'nem Wettkampf, Jenny! Ich mach dich platt."

"Mich? Du'träumstdoch."

Weil: Auf die Weise kriegst du die Jenny nämlich zu fast allem. Und dazu passt ja auch, dass ziemlich viele Sportler rauchen; vor allem jetzt bei anaeroben Sportarten wie Schach und Bodybuilding; aber dann ist mir noch eine andere Idee gekommen: Wir machen einen doppelten Zweier-Wettkampf. Ich gegen die Jenny und wir beide zusammen gegen die Zigaretten.

Ich sagte:

"He, Jenny!"

"Hm?"

"Kannst du mal versuchen, etwas interessierter zu schauen ... oder tu wenigstens so, okay?"

Sie versuchte es, indem sie ihre Ohren nach vorn stellte und mit dem Schwanz wedelte.

"So?"

Ich sagte:

"Also, okay, ganz gut für den Anfang, aber pass auf: Ich hab 'ne Idee, wie wir das machen."

Dann haben wir die Zigaretten auf den Küchentisch gelegt, die Schachtel aufgemacht und zu den Filtern gesagt:

"Okay, jetzt wollen wir mal sehen, wer gewinnt, ihr da - oder wir!"

Bis jetzt klappt es ganz gut. Drei Tage! Nicht schlecht! Aber die Fluppen halten auch durch. Nur eine muss irgendwie aufgegeben haben und ist abgehauen. Jedenfalls fehlt eine: Ich war's nicht. Und die Jenny sagt, das liegt daran, dass in den neuen Packungen automatisch eine fehlt, damit der Preis stimmt, aber das ist natürlich Unsinn; ich glaube ja vielmehr, sie hat sich eine gemopst.

Worauf ich aber im Prinzip die ganze Zeit rauswill: Das mit dem Stalker ist echt zum Problem geworden. Da hab ich zur Jenny gesagt:

"Wo hast du den eigentlich her, den Typ?"

"Ausm Schwimmbad ..."

"Oh Gott! Wie ein Fußpilz?"

"Genau!"

"Wird man nicht so leicht wieder los, was?"

"Bein'abhacken!"

"Mindestens …"

"Oder?"

"Man lernt doch im Schwimmbad keine Leute kennen, Jenny! Denk mal nach, das ist total unhygienisch!"

"Seh'ich 'zwischenauchso."

Und dann hat sie ganz nachdenklich vor sich hingeschaut wie ein Elch, der sich fragt, warum er eigentlich seit Jahren Moos frisst und nie was Anständiges. Das mag ich, wenn die Jenny dieses Gesicht macht, aber ich sags ihr nie, weil: Dann macht sie es vielleicht nicht mehr.

Das hab ich in der letzten Zeit gelernt, dass man das den Leuten nicht sagen darf, wenn man was mag, was sie machen, weil: Entweder hören sie dann sofort damit auf oder sie machen es mit Absicht, um dir einen Gefallen zu tun, und das wirkt dann total künstlich, und der Spaß ist weg. Also: Maul halten, und dem Elch beim Kauen zuschauen.

Aber auf der anderen Seite muss ich sagen: Wenn man die Jenny mal im Schwimmbad gesehen hat, dann ist schon klar, warum man die unbedingt kennen lernen will, selbst, wenn man nur ein Fußpilz ist, weil: Die hat wirklich eine extrem heiße Figur, die Jenny, und das sag ich jetzt nicht nur, weil ich die toll finde, also eigentlich beide, die Figur und die Jenny, sondern, weil das einfach stimmt, und das sieht man ja auch auf den ersten Blick.

Zum Beispiel neulich, als sie vollkommen besoffen heimgekommen ist und sich an der Tür festgehalten hat und dann zusammen mit der Tür ins Zimmer rein geschwungen kam, weil sie offen war, die Tür, da hab ich mir auch wieder gedacht, dass die echt einen krassen Body hat, die Jenny, aber zur Seite gesprungen bin ich trotzdem, als sie dann härter zur Landung angesetzt hat als die Hindenburg in Lakehurst.

Wir sind dann beide Mitglieder geworden auf KörperLego.net. Das ist eine Seite, wo man Fotos von sich reinstellen kann, erstens den Oberkörper und zweitens den Kopf oder die Beine, immer getrennt voneinander, Waden, Füße und alles, und die Besucher von der Seite verlinken die Köpfe mit den Oberkörpern und so weiter und stimmen ab, welches Gesicht zu welchem Oberkörper passt. Und dann kommt totaler Quatsch raus dabei, und deswegen ist die Seite so beliebt. Weil: Man kann nicht sagen, dass das irgendwie total wichtig ist für das Universum oder die Volkswirtschaft, aber man sieht sich selbst nach einer Weile etwas realistischer.

Man kann auch Punkte verteilen, zwischen eins und zehn. Mein Profil auf Körperlego sieht so aus, als hätte Professor Frankenstein im Vollsuff noch eine innovative Zugabe hingelegt.

Ich hab zurzeit die Note 6,4 und bin deswegen einer von den schwächlichen auf der Seite. Nur die Jenny, die räumt voll ab. 8,3: Ich persönlich hab ihr ja eine Null gegeben, damit sie nicht größenwahnsinnig wird. Das hab ich aus Liebe und aus Neid gemacht. Weil: Ich hätte ihr eine 7 geben sollen, also keine runde Zahl.

Für mich ist nämlich nur die Null eine runde Zahl, die anderen eher weniger, wobei ich mir gar nicht so sicher bin, ob die Null tatsächlich auch eine echte Zahl ist. 5 zum Beispiel ist nur halbrund, unten, während die 4 ist absolut unrund. Überall nur Ecken.

Und jetzt muss man das aber mal so sehen mit den Nullen: Wenn man die Null an eine andere Zahl vorne dran schreibt, ändert sich die Zahl nicht und das kann man mit keiner anderen Zahl machen, deswegen ist die Null keine richtige Zahl für mich, dazu kommt noch, dass die Null aber gleichzeitig die einzige echt runde Zahl ist, außer der Acht natürlich, aber das sind im Prinzip ja auch nur zwei Nullen übereinander, und deswegen bin ich für eine Reform in der Mathematik und dass zweimal Null Acht ergeben sollte.

Tut es aber nicht, weil wir die Zahlen, also wenn wir die zusammenzählen, dann immer irgendwie hintereinander und nicht übereinander. Nach der vertikalen Logik ergibt zweimal Null Acht und nach der horizontalen Logik Teil zwei kommt im Prinzip unendlich dabei raus. Aber solange die Reform nicht durch ist, kann man darüber in der Öffentlichkeit eigentlich nicht reden, ohne dass man einem Medikamente verschreibt.

Ich weiß noch, wie ich mal versucht habe, das dem blöden Professor Thibaut zu erklären, damals in der Sprechstunde, als ich diese ganzen Tests gemacht habe, mit denen er rausfinden wollte, welche Pillen ich nehmen sollte, und das ist dann aber anders gelaufen, als er sich das vorgestellt hat, und am Ende von unserem Gespräch hat er selber heimlich irgendwelche Pillen geschluckt. Das hab ich genau gesehen.

Oder stell dir vor, du bist eine Null. Dann musst du dir immer genau überlegen, wo du dich hinstellst, rechts oder links von einer Eins zum Beispiel. Und das bringt mich wieder auf den Stalker von der Jenny zurück.

Jedenfalls, von meiner Theorie über Zahlen hat der Thibaut kein einziges Wort kapiert und meine Mutter auch nicht. Der einzige der den Zusammenhang instinktiv verstanden hat, ist ja der Rudi Redneck gewesen; das ein Freund von mir und der Jenny aus dem Bädsys.

Aber was ich erzählen wollte, das war die Landung von Lakehurst bei mir im Schlafzimmer: Nachdem der Staub sich wieder gelegt hatte, da hab ich zur Jenny gesagt:

"Sei froh, dass die Tür nach innen aufgeht, du Riesenross!"

So geht sie ja fast immer ins Bett, und das ist nicht so leicht für mich dann, weil ich immer mitten aus der REM-Phase heraus einen Hechtsprung machen muss, um mich zu retten, und so bleibe ich auch beim Schlafen immer hellwach. Daher meine Augenringe.

Wir wohnen jetzt schon eine ganze Weile zusammen, die Jenny und ich, und wir schlafen im gleichen Bett, das ist ein Riesenbett von eBay, weil: Als sie bei mir eingezogen ist, hat sie erst im anderen Zimmer geschlafen, bis wir uns gesagt haben:

"Das ist doch albern! Komm, wir schlafen beide im großen Bett, Jenny, oder?"

Und die Jenny sagte:

"Okay, aber'Pfotenweg!"

Das ist aber noch nicht alles, weil: Außer mir und der Jenny wohnt noch der Chris bei mir, aber der ist zurzeit in Indien mit seinem Bruder Timo und wird erleuchtet.

Der Chris, das ist cool, der macht Seminare für Leute, die sich gerne aufregen, und der Chris zeigt ihnen, wie das geht, dass man immer ausgeglichen bleibt und erleuchtet lächelt, egal, wie viel Mist dir grade ans Kinn schwappt. Deswegen ist er nach Indien gefahren, aber das wollte ich überhaupt nicht erzählen. Denn, es geht mir ja um folgendes:

"Und dann, wie ist es dann weitergegangen?"

"Wir sind halt paar Mal Kaffee trinken gegangen."

"Ein Fehler anscheinend, oder?"

"Ja."

"Aber, ähm, ist da jetzt was gelaufen oder nicht?"

"Geht dich gar nix an."

"Also war doch was!"

"Nee, Quatsch."

Ich sagte:

"Und wirklich nur Kaffee? Oder war auch Latte im Spiel?"

Das sollte ein Wortspiel sein, aber die Jenny hat es nicht kapiert. Sie sagte:

"Nee, nur Kaffee'ganzkurz."

"Milch und Zucker?"

"Schwarz!"

"Und, was hast du getrunken?"

"GinTonk'natürlich."

Das trinkt sie momentan immer, die Jenny, GinTonic oder White Russian. Ich sagte:

"Ja, aber, deswegen klingelt man doch hier nicht ständig an der Tür und so ... Weil, schau mal: Das nervt langsam! Jenny, das muss aufhören! Da! Der klingelt schon wieder. Wir müssen ihn umbringen."

Und ich hab mich in der Küche umgeschaut, ob es was gab, was man aus dem Fenster werfen könnte. Ich dachte ja zuerst an Wasser, aber das hab ich dann nicht gemacht, weil das Wasser in Berlin ja angeblich ziemlich hart ist, aber eben nicht hart genug und deswegen dachte ich zunächst eher an so etwas wie einen Backstein oder eine alte Melone mit Nägeln drin. Früher hab ich ja immer gedacht, dass hartes Wasser ein Codename für Eis oder Schnee oder so was ist, aber das hat sich als Irrtum herausgestellt.

Jedenfalls: Die Jenny sagte:

"Genau!"

"Aber du Depp hast ihm unsere Adresse gegeben; gib's zu, blödes Maultier, oder woher hat er die sonst?"

"Ja, stimmt."

"Ja, warum hast du das denn gemacht?"

"Weißau'nich."

"Du kannst doch nicht fremden Stalkern einfach deine Adresse geben; vor allem, wenn deine Adresse eigentlich meine Adresse ist."

Denn, sie wohnt ja immer noch bei mir, aber als ich das gesagt habe, da hab ich selber lachen müssen, weil: Das ist ja völlig blöd so was zu sagen. Im Grunde hat sie eben einfach Pech gehabt mit diesem Stalker, kann jedem passieren, und wir haben uns überlegt, wie man den Frie… Friedholm, oder so, wieder loswerden kann.

Ich sagte:

"Hä?"

"Fridjof!"

Ich sagte:

"Genau, Fridjof…Hehehe, heißt der wirklich so?"

Ich musste wieder an einen Fußpilz denken: guter Name für einen Fußpilz. Die Jenny sagte:

"Ja."

"Ach, komm, so heißt man doch nicht heutzutage! Vor hundert Jahren vielleicht. Das ist sicher ein Pseudonym und in Wirklichkeit heißt er ..."

Da klingelte es schon wieder an der Tür, aber wir haben das komplett ignoriert. Die Jenny sagte:

"Kannschonsein, dasserdasauchnochist, sowiedersich'anstellt, totalpseudo!"

"Quatsch!"

Ich glaube ja nicht, dass sie weiß, was ein Pseudonym ist, die Jenny.

"Jenny, du hast keine Ahnung, was ein Pseudonym ist, oder?"

Sie sagte:

"Doch, klar, weißichdas; schau! Da'ister!"

Und da hat sie mir ihr Handy gezeigt, wo ganz eindeutig 'Fridjof' draufstand, also ich meine jetzt in der Kontaktliste auf dem Handy, aber das muss an sich noch gar nichts heißen, da kann man alles eintragen; weil: Bei mir zum Beispiel, da ist es so, dass ich den schlimmsten Nervensägen, die mich immer anrufen, eigene Namen gegeben habe.

Meine Schwester Feli zum Beispiel, das ist die, die sich von Stacheldraht ernährt und im Kriegswaffenkontrollgesetz namentlich erwähnt wird, die heißt in meiner Liste: "Hör doch auf, weil sie das in letzter Zeit immer zu mir sag!"t und mein bester Freund Mikki steht unter: "Blödsinn!", aber nicht, weil er mich immer anpumpt, sondern, weil er das immer zu mir sagt, "Blödsinn!" Und wenn meine Eltern anrufen, dann erscheint auf meinem Display die Botschaft: "Volle Deckung!"

Ich finde das diskret. Was ich damit sagen will: So ein Eintrag im Handy, der beweist nämlich absolut überhaupt nichts. Ich sagte:

"Hast auch ein Foto von dem?"

"Längstgelöscht."

"Hm ... okay."

"Ja"

"Und warum hast du seine Nummer nicht auch gelöscht?"

" ...'mit ich weiß, wenneranruft. Istdochlogisch."

"Das ist eigentlich schade, dass man seine eigene Nummer nicht aus fremden Handys löschen kann, oder?"

Sie sagte:

"Hä?"

Die Jenny denkt manchmal bisschen langsam, vor allem, wenn es um Logik geht, und das kann man ihr immer ganz gut ansehen von außen, weil: Sie schaut dann immer in ihr privates schwarzes Loch direkt auf der Tischplatte. Dann hat ihr Handy gewackelt, und da war eine SMS vom Fridjof. Er schrieb:

"Ich weiß, dass du da bist!"

Ich sagte:

"Also, ich meine, dass man seine Nummer nicht wieder zurückrufen kann, wenn man sie aus Versehen einem Fußpilz gegeben hat und das dann bereut, und dann, in so einem Fall, sollte man auf so einen Knopf drücken können, und deine Nummer verschwindet aus dem anderen Handy, Zack weg! Und die Fotos, die er von dir gemacht hat, auch! Das sollte man einmal im Jahr mit dem gesamten Freundeskreis machen, was meinst du, Jenny? Ich denk da zum Beispiel an deine Freundinnen, die Kampflesben."

Sie sagte:

"Hm?"

Ich sagte:

"Was denn?"

"Ich'denknach."

"Und worüber?"

Die Jenny sah wirklich so aus, als würde sie konzentriert nachdenken, und dann sagte sie:

"Dassichvoll Hungerhab; komm, kochdochmalwas!"

Aber ich war grade im Daniel-Düsentrieb-Modus. Ich sagte:

"Jaja, gleich, und am allerbesten wäre es ja, wenn man so was auch mit der Erinnerung machen könnte, weißt du, abends im Bett kriegst du so ein Auswahlmenü auf den Schirm:

'Wollen Sie die Erfahrungen des Tages vor dem Schließen speichern? Das wärs doch, was? Ich würde immer auf Abbrechen klicken."

Die Jenny sagte:

"Aberwasessen'wirdennjetzt?"

Dabei hab ich die ganze Zeit immer wieder auf das Handy geschaut, weil: Ich fühle mich von den Handys immer belauscht, wenn die da so harmlos auf dem Tisch liegen und so tun, als wären sie im Ruhemodus. Irgendwie glaube ich immer, dass die nur so halb in Ruhe sind, und die andere Hälfte hört zu und kichert leise vor sich hin - das macht mich nervös.

Da hab ich einen Topf genommen und den Schrank aufgemacht. Die Jenny hat gestöhnt und sagte:

"Aber nichtschonwieder Nudeln!"

"Was willstn dann?"

"Na, nichtimmer'dasgleiche!"

"Rührei?"

"Bäh!"

"Was? Na gut, dann ruf eben bei Pizza Puzzo an, wenn du immer meckerst. Du bist wie ein Kind manchmal, ehrlich jetzt."

"Hab'Hunger."

"Hast du nicht, du glaubst nur, dass du Hunger hast, du Schwächling, weil wir nämlich mit dem Rauchen aufhören, und das ist bekannt, da werden die Leute reihenweise fett, weil sie glauben, dass sie Hunger haben. Das ist kein Wunder, dass so viele Kinder Übergewicht haben, seit an den Schulen Rauchverbot herrscht. Die Herta sollte zum Beispiel mehr rauchen, das würde ihr gut tun ... oder denk mal an die ganzen fetten Amerikaner, das ist doch kein Wunder! Alles Nichtraucher."

Sie nahm das Telefon in die Hand:

"Willstduwieder 'Pizza Zombie'?"

Ich sagte:

"Klar!"

Weil: Ich beschäftige mich grade mit dem Thema "Untote Monster". Die Jenny sagte:

"Undichdie'Calzone ..."

Ich sagte:

"Das liegt nämlich am Gehirn, Jenny, das Gehirn gibt deinem Magen ein Signal und sagt sinngemäß: He, was ist denn heute los, kommt endlich mal was? Und wenn nichts kommt, dann kriegt das Gehirn Lust auf 'ne Fluppe. Aber das ist noch nicht alles! Da gibt es nämlich noch den Hypothalamus, und der ist echt krass ... Und am Ende bist du wieder total verfettet, so wie ein Walross! Hehehe, weißt du noch, früher, als du so fett warst?"

Die Jenny sagte:

"Albrecht?"

Ich sagte:

"Ja?"

"Abjetzt'kochüberhauptnurnoch'ich!"

Ich sagte:

"Scheiße!"

Weil: Meine Pläne gehen manchmal nach hinten los.

Also, das mit dem Fridjof, das ist hart, wenn man so heißt. Ich hab mir kurz überlegt, ob ich ein gutes Wortspiel mit "Fridjof und Friedhof" hinkriege, aber das hab ich gelassen, weil: Da sind nur dumme Kalauer rausgekommen dabei.

Jedenfalls, die Jenny! Das ist meine Traumfrau, sieht von außen so aus wie Pocahontas, aber innerlich ist sie eher wie Bud Spencer drauf, also ich meine jetzt nicht den Bart, sondern, wie sie sich einer Schüssel Ravioli gegenüber benimmt. Ich würde sagen: ruppig und zu allem entschlossen.

Stellt euch einfach, ein gut gebautes Schneewittchen vor, das gerade versucht, mit dem Rauchen aufzuhören, und du hast im Prinzip ein ganz gutes Bild von der Jenny. Das war nämlich so mit dem Schneewittchen: rot wie Blut, schwarz wie Ebenholz und weiß wie Seide. Und das sieht schon richtig super aus, finde ich, genau mein Typ, nur halt klappt es irgendwie nicht mit uns.

Denn wenn wir im Bett liegen, die Jenny und ich, und ich nicht einschlafen kann, dann sagt sie:

"He, Fingerweg!"

Und ich antworte dann immer:

"Dann zieh dir wenigstens was an."

"Holst dumirwas?"

"Nein, das wär gegen mein Interesse ... Da, schau mal!"

"Finger weg! Oder ja, wartmal kurz, kratzmichmal, bitte."

"Hier?"

"Ah, nee, ja, tiefer!"

Schneewittchen-Mitbewohner sind einfach nie zufrieden. Auf der anderen Seite: Jenny kann supernett und lieb in fast allem sein, und wir sind beide ungefähr gleich schweigsam. Das ist cool. Aber ich hab mir vorgenommen, noch schweigsamer zu werden. Und der Chris hat dann versucht, mir das zu erklären, wie das geht, dass man einfach weniger spricht und dafür mehr aus dem Herzen handelt, weil: Dafür zahlt ihm Volkswagen ja schließlich eine Menge Geld, dass er das da den Managern beibringt. Ich hab's auch versucht.

Das mit dem Herzen handeln war eine Weile lang schon okay, also theoretisch jetzt, aber, dann ist es halt wieder alles ganz anders gekommen, weil: Dann hab ich mir ganz unglaublich fest vorgenommen, mehr aus dem Herzen heraus zu handeln, und am Ende ist so ein Verehrer von der Wibke Schmidt in die Spree gefallen, weil er mich genervt hat. Das war damals meine Ex-Freundin, die Wibke. Eigentlich ist die Wibke Schmidt aber keine richtige Ex-Freundin, sondern eher so etwas wie ein menschlicher Bumerang oder Jo-Jo.

Es war schon auch teilweise meine Schuld, das mit der Spree, das bestreite ich ja gar nicht. Aber wenn ich weniger nach dem Herzen gehandelt hätte, dann wäre der Typ wahrscheinlich trocken geblieben, und wir hätten nichts zum Lachen gehabt. Jedenfalls hab ich aber im Lauf der Zeit gemerkt, dass der Stil von der Jenny, also dass man nicht so viel redet, das bringt auch nicht immer die Lösung, wie man jetzt ganz klar an dem Fall Fridjof sehen kann.

Ich sagte ganz aus dem Herzen heraus:

"Und warum verprügeln wir ihn nicht ganz einfach?"

"Geht nicht!"

"Warum? Ist es ein besonders großer und gefährlicher Fridjof?"

"Nee, im Gegenteil ..."

"Verstehe ... Klein, was?"

"Mhja, eigentlichtotal winzig, daswärunfair."

Ich schaute aus dem Fenster, aber man konnte unten nichts sehen. Und ich dachte mir: Die kleinen Männer sind ja oft viel schlimmer als die großen; das ist bei den Frauen übrigens auch ganz genauso. Je kleiner, desto mehr Reißzähne haben sie in der Handtasche. Und keiner sagt was, weil: Zu den kleinen Menschen muss man immer besonders freundlich sein, daran erinnere ich mich noch aus der Schulzeit, aber ich hab vergessen, warum das eigentlich eine Regel ist. Wahrscheinlich haben die kleinen Leute selber diese Regel gemacht.

Und dann saßen wir weiter in der Küche und haben uns überlegt, wie man den Fridjof wieder loswerden kann. Da hab ich gesagt:

"Ich sehe jetzt eigentlich nur noch einen einzigen Ausweg aus der Fridjof-Zwangslage."

"Hm?"

"Wir fragen die Wibke Schmidt! Die weiß immer genau, was zu tun ist. Was meinst du?"

"Hallo? Ja, also bitte die Calzone und eine Zombie extra Käse", sagte die Jenny zu ihrem Telefon, "wie lange dauert das?"

Ich sagte:

"Nur ganz kurz, das reicht, die Wibke ist schneller im Kopf als ein Buchmacher voller Espresso. Du kennst sie ja. Bestell doch noch Tiramisu, ja?"

Die Jenny sagte:

"Zwanzig Minuten, okay! Danke! Was?"

Ich sagte:

"Zu spät, ich dachte, du sprichst mit mir."

"Tu ich doch!"

Überhaupt die Handys! Das war eine Weile lang mal sehr interessant, aber inzwischen finde ich: Das ist alles in eine ganz falsche Richtung gegangen, seit man mit den Handys überall erreicht werden kann, außer, wenn man Glück hat, in der U-Bahn, unten im Nollendorfplatz, aber man sollte nur deswegen auch nicht dauernd da hinfahren, weil: Ich hab ja Angst vor der U-Bahn, weil: Die U-Bahn transportiert mich raus aus Berlin-Mitte, und das mag ich nicht, wenn mir das passiert.

Jedenfalls: Die Wibke Schmidt ist nicht nur allwissend und telepathisch und meine Ex-Freundin, sondern sie ist auch die Ex-Freundin von der Jenny.

Erst war ich selber mit der Wibke Schmidt zusammen, aber dann hat es nicht mehr geklappt, und dann hat sie sich die Jenny geschnappt, erst aus Rache, dann aus Neigung, die Wibke, weil: Für die Jenny ist es nicht so wichtig, ob das ein Mann ist oder eine Frau, Hauptsache, du futterst ihr nicht das Frühstück weg, und dein Hintern hat klassisch griechische Idealformen. Dann gibt sie Milch.

Deswegen hab ich mir kurz überlegt, ob man dem Fridjof auf diese Weise irgendwie an die Halswirbel kann, ihn zum Essen einladen und irgendwie dafür sorgen, dass er der Jenny was wegfrisst, und dann schicken wir ihm verwelkte Blumen in die Charité.

Aber das hab ich dann auch wieder aufgegeben, weil: Man hätte ihn ja erst zum Essen einladen müssen, und das hätte er bestimmt falsch aufgefasst. Jedenfalls hatte es schon eine ganze Weile lang nicht mehr geklingelt, und deswegen haben wir uns gedacht, die Jenny und ich, dass der Fridjof wahrscheinlich zu Staub zerfallen war, jedenfalls war das unsere Hoffnung.

Was ich vorhin noch sagen wollte: Zombies sind im Moment mein Thema und Vampire auch, deswegen bestelle ich mir immer die "Nummer 13: Zombie" bei Pizza Puzzo. Da sind Knoblauchzehen drauf, die wie ausgeschlagene Zähne geschnitzt sind, und auf der Pizza "Frankenstein spezial" zum Beispiel, da sieht das so aus, als hätte man sie zusammengenäht. Total witzig: Narben auf der Pizza. Aber die sind aus Käse, die Narben.

Aber einen schlimmen Fehler hab ich in der Speisekarte von Pizza Puzzo doch entdeckt, und zwar: das Modell "Vampirella" kommt mit Knoblauch - und dass das unlogisch ist, hab ich dem Kevin auch schon gesagt, aber er meinte, die einzige Erklärung wäre eben, dass die Pizza Vampirella einen gegen Vampire schützen soll, aber wer hängt sich denn schon eine Pizza um den Hals? Also, das stimmt hinten und vorne nicht, und ich glaube nicht, dass der Kevin die Firma, für die er arbeitet, wirklich durchschaut hat.

Dann hat es an der Tür geklingelt, aber das war erst mal gar nicht die Pizza mit dem Kevin dahinter, sondern die Wibke Schmidt mit einer Schüssel Tiramisu in der Hand weil: Die Wibke Schmidt kann absolut Gedanken lesen, und dann kommt sie vorbei oder ruft an oder was auch immer.

Jedenfalls ist das manchmal ganz schön gruselig. Ich sagte:

"Ja, wieso klingelst du denn seit neustem?

"War abgeschlossen ..."

"Ach, und was gibt's?"

"Ich dacht mir, ihr braucht mich wahrscheinlich ..."

Weil: Wenn die Tür nicht abgeschlossen ist, dann kommt die Wibke immer mit ihrer Kreditkarte rein, so ein Trick von ihr: Schiebt die Karte einfach zwischen Tür und Rahmen, und Klack, schon ist das Ding auf. Also die Tür jetzt, natürlich.

Aber seit es den Fridjof gibt, da schließe ich die Tür immer ab und jetzt ist die Wohnung halbwegs wibkesicher - auch gut. Ich sagte:

"Gut, dass du kommst, ich denke nämlich gerade über Vampire nach."

Die Wibke Schmidt schaute mich von oben bis unten an, und ich fühlte mich etwas schrumplig dabei. Sie sagte:

"Erstens: Darf ich nicht reinkommen? Und zweitens: Du entschuldigst dich auf der Stelle! Das ist ja unglaublich!"

Ich sagte:

"Was hast du denn jetzt schon wieder, Wibke?", und ich machte ihr genug Platz, damit sie sich grade so reindrängeln konnte.

Sie drängelte und sagte:

"Also? Was ist mit der Entschuldigung?"

"Entschuldigung, Frau Schmidt!"

"Doktor Schmidt, bitte!"

"Doktor, Schmidt …"

Ich hatte keine Ahnung, was sie eigentlich wollte.

Sie sagte:

"Also! Was hast du jetzt schon wieder angestellt?"

"Äh, nichts! Warum?"

Es wurde immer geheimnisvoller, aber damit kann man mich nicht ködern, weil ich ungefähr so neugierig bin wie ein nasser Waschlappen, der auch immer früher als es ihm Recht ist, dorthin kommt, wo er nicht hinwill. Sie sagte:

"Da ist halt wieder dieser ... komische Blick in deinen Augen, Albrecht. Du siehst irgendwie wahnsinnig aus."

"Danke! Sehr nett von dir."

Sie stieg sofort ein paar Stufen auf meiner Hitparade nach oben. Ich lächelte sie an, bis sie sagte:

"Ich mein nicht, wahnsinnig gut, ich mein, einfach nur wahnsinnig."

"Ach?"

"Ja, wenn du so aussiehst, dann hast du was ausgefressen und stellst völlig abwegige Fragen, um vom Problem abzulenken; ich kenn dich doch! Und was soll überhaupt der Scheiß mit den Vampiren?"

"Ich hab überhaupt nichts 'ausgefressen'!"

Dabei habe ich jedes Anführungszeichen einzeln mit Betonung ausgesprochen, "wie kommst du da drauf? Ausgefressen? Was ist das überhaupt für ein Wort! Bist du jetzt nur hergekommen, weil du irgendwie Streit anfangen willst, oder was?"

Ich zeigte ihr meinen linken oberen Eckzahn.

"Nein, ich kenn dich halt einfach nur ganz gut."

"Hm!"

Aber das stimmt, weil: Die Wibke Schmidt kennt mich besser als ihren eigenen BH. Sie sagte:

"Gibt's was Neues von diesem Fridjof?"

Die Wibke Schmidt weiß immer schon alles.

Ich sagte:

"Ach, der spinnt total!"

"Warum?"

"Gib's zu, Wibke, du weißt schon wieder alles und willst mir nur zeigen, dass ich schlechter informiert bin als du. Deswegen fragst du doch eigentlich, oder?"

Keine Ahnung, warum ich eigentlich immer so grob bin zur Wibke. Sie sagte:

"Komm, erzähl doch mal!"

"Nein, danke!"

"Jetzt, raus mit der Sprache", sagte die Wibke Schmidt, ist in die Küche gegangen und hat eine Schüssel Tiramisu auf den Tisch gestellt. Dann hat sie der Jenny auf den Mund geküsst. Das finde ich klasse, wenn zwei Frauen sich so begrüßen.

Der Normalfall ist ja, dass sie sich von oben bis unten anschauen und im Kopf eine Checkliste durchgehen, Punkte verteilen und am Ende kommen Gemeinheiten raus. Aber ein Kuss auf den Mund? Das ist sehr inspirierend.

Weil: Ich selber krieg meistens nur einen linken Haken auf die Wimper oder einen Stiefel auf die Zehen. Die Jenny sagt ja, das macht sie, damit ich mich wie ein richtiger Mann fühle, und das ist eigentlich nett von ihr.

Dann hat die Wibke Schmidt Löffel für das Tiramisu geholt und hingelegt. Das macht sie immer, wenn sie versucht, mich zum Reden zu bringen: Das klappt einfach jedes Mal. Ich bin nämlich käuflicher als ein Liter Vollmilch. Bei der Jenny funktioniert das auch: Sie steckte ihren Löffel bis zum Ellenbogen in die Schüssel rein und suchte nach versteckten Ölvorkommen. Ich sagte zur Jenny:

"Das Geheimnis von Tiramisu ist, glaub ich, dass man sich vorher die Hände nicht wäscht."

"Nein, ich mach's mit Liebe", hat die Wibke Schmidt gesagt und das Kinn vorgeschoben, bis es mich an die Wand drückte.

"Achso!"

"Und die Finger wasch ich mir eh öfter als du!"

"Kunststück, du hast ja auch immer so dreckige."

"Du", und sie haute mir den Löffel auf die Fontanelle oder was das ist. Ich sagte zur Jenny:

"He, das ist aber erst zum Nachtisch!"

"Egal!"

Da hat mich die Wibke Schmidt angeschaut und die Lippen zusammengebissen und sich totgelacht, als sie die Tischsitten von der Jenny gesehen hat, muss sie irgendwie an die Urzeit erinnert haben, als die Frauen noch Stoßzähne hatten.

Ich sagte:

"Hörst du zu oder willst du noch weiter husten, Wibke?"

"Ich hör zu!"

Sie hustete weiter.

Ich sagte:

"Okay."

"Also?"

Und dann hab ich ihr erzählt, dass dieser Fridjof zu unserem persönlich verantwortlichen Terroristen geworden ist, der ständig hier anruft, auf der Matte steht und der Klingel aufs Auge drückt.

Die Jenny sagte:

"Genau"

Ich sagte:

"Und du hast Kakaopulver an der Nase, du Tapir!"

"Was macht eigentlich dein Theaterstück?"

"Film, Wibke!"

"Also, was macht der Film?"

"Frag nicht!"

"Was, so schlimm!"

"Oh, ich sags dir, die spinnen doch alle!"

"Also, die mögen deine Geschichte nicht?"

"Doch total, aber das ist halt alles wahnsinnig kompliziert und so weiter. Finanzierung und die ganzen Lizenzen und so."

Gott sei Dank ist genau in dem Moment die Pizza gekommen, und ich konnte das Thema wechseln, weil: Im Moment arbeite ich an einem Film, und das ist für mich was ganz Neues, weil ich das noch nie gemacht habe, aber der Rami meint, das geht schon, und ich glaube ja, er sagt das, weil er eben halt nichts bezahlen kann. Also, das ist der Regisseur von dem Film, der Rami.

Und wenn man einen guten Namen dafür hat, also, dafür dass man nichts bezahlen kann, dann wirkt das irgendwie alles nicht mehr so schlimm. Und das Projekt heißt jetzt nicht mehr: "Scheiße, wir haben kein Geld", sondern das heißt "No-Budget-Productions®", und das klingt wieder absolut professionell. Dabei ist es das gar nicht. Auch nicht das kleine R im Kreis rechts oben.

Und was ich mich dann gefragt habe, das ist: Bist du eigentlich Produzent, wenn du nicht mal Geld hast für deinen Film, oder bist du grade dann einer? Aber ich wusste, dass ich der einzige in meiner Küche bin, der für diese Frage einen Sinn hat, also hab ich nichts gesagt, sondern die Pizza bezahlt.

Die Wibke hat ihre Hände auf die Hüften gelegt und gesagt:

"Da hast du aber grade bisschen viel Trinkgeld gegeben, mein Lieber, oder?"

"Quatsch! Wieso? Hm ... ja, meinst du?"

"Ja klar, maximal achteinhalb Prozent! Du haust vielleicht das Geld raus!"

"Und wie soll ich so schnell zweiundneunzigeinhalb Prozent von der Rechnung abziehen, ohne Stift dazu auch noch?"

"Was?"

Aber ich hab das abgefangen und sagte:

"Was?"

"Ich mach mir langsam echt Sorgen um dich, Albrecht."

"Danke, aber hör auf damit. Ähm: Ist ja auch egal ... jedenfalls der Film; das geht so", hab ich zur Wibke Schmidt gesagt, weil: Es bringt absolut nichts, mit der Jenny zu sprechen, wenn sie gerade was unter dem Oberkiefer hat. Die Wibke sagte:

"Du kannst überhaupt nicht kopfrechnen!"

Ich sagte:

"Der Rami ist cool! Als ich den das erste Mal gesehen habe, da hab ich mir gedacht, dass der absolut indisch aussieht, der Rami, und das hat sich dann ganz schnell geklärt, warum das so ist, weil: Der kommt nämlich aus Indien, aber er lebt hier in Berlin und ist ein Filmemacher, jedenfalls sagt er das immer. Ich glaube, er sagt das so lange, bis es stimmt.

Als wir uns kennen gelernt haben, da haben wir uns gedacht, wir sollten unbedingt mal was zusammen aufbauen, einen Film drehen oder so, und dann hat er mir von seiner Idee erzählt, dass er eine Geschichte im Kopf hat, über eine Frau, die aus Indien nach Deutschland kommt, sich in einen Deutschen verliebt, und alles läuft zunächst richtig gut: Aber das Wort "zunächst" ist unterstrichen und hat blutende Eiszapfen dran.

Die Familie von ihrem deutschen Freund nimmt sie supernett auf, und es gibt überhaupt keine Probleme hier, aber ihre eigene Familie, also die in Indien, stellt sich quer und macht mehr Schwierigkeiten als ein Praktikant von Greenpeace in einem Atomkraftwerk, und am Ende muss das arme Mädchen halt wieder nach Indien zurück, und beide sind für immer unglücklich. Ende! Will jemand ein Stück Schokolade?"

Die Wibke sagte:

"Das ist ja bitter."

"Herrenschokolade ..."

"Nein, ich mein die Geschichte."

Ich sagte zur Wibke:

"Genau! Ich hab mir auch sofort gedacht, he, das ist doch kein Stoff für einen Film!"

Aber zum Rami hab ich gesagt:

"Was soll denn das bitte für ein idiotischer Stoff sein, Rami, mal ganz im Ernst? Ich meine, da wird doch nie ein Film draus."

Er sagte zu mir, also der Rami jetzt:

"Magst du das Plot nicht?"

Da hat die Nadja gesagt, die macht auch mit bei der Produktion; sie sagte:

"Es heißt 'der Plot', Rami."

Da haben wir beide gesagt, der Rami und ich:

"Jajaja!"

Ich sagte:

"Also, Rami schau mal: Ich mag der Plot da überhaupt nicht".

"DEN Plot, bring dem Rami doch nichts Falsches bei, Mann!"

Ich sagte:

"Danke Nadja, aber: Rami: Das wird so alles nichts; ich glaube, du musst noch mal ganz von vorne mit den Plot anfangen und alles richtig gut aufbauen. Nadja, bist du auch dabei?"

Und dann sie hat gesagt, die Nadja, ok, sie ist auch dabei, aber es heißt der Plot und sie versteht da keinen Spaß, wenn man dem Rami falsche Sachen beibringt, weil: Ich glaube ja, dass sie in den Rami bisschen verliebt ist: Schau mal: Sie massiert ihm immer den Nacken, wenn er behauptet, dass er zu viel gearbeitet hat, und dann schnurrt sie ihn so lange an, bis er wieder den Laptop aufmacht.

Das würde mir grundsätzlich zwar auch gefallen, aber wenn der Preis dafür ist, dass ich zu viel arbeiten muss, dann verzichte ich auf eine Nackenmassage von der Nadja und frage lieber die Jenny, ob sie mir den Hals einrenkt, weil: Das kann sie super, die Jenny. Hat magische Hände.

Aber der Punkt ist: In einem richtig guten Film, da müssen schon mindestens zwei oder drei Zombies drin vorkommen, die aber dann immer mehr werden, wie so ein exponentielles Wachstum aus dem Discovery Channel, und am Ende bedrohen sie entweder die ganze Welt oder zumindest das Einkaufszentrum, aber ihr Plan klappt nicht! Zombies sind nicht bekannt für ihre guten Pläne, das ist ihre Schwachstelle.

Am Schluss kommt ein Held, der sie am Ende alle zur Hölle schickt. Der Held will eigentlich gar kein Held sein, aber er muss, weil er sonst am Ende das Mädchen nicht kriegen würde. Er darf keine Wahl haben, der Held; er muss Held sein und fertig.

Gut, dass er gerade seinen Job im Einkaufszentrum verloren hat und sich deswegen voll den Zombies widmen kann, weil er ja jetzt viel Freizeit hat und sich außerdem im Einkaufszentrum richtig gut auskennt. Da sieht er zufällig, wie die Zombies das Mädchen entführen, und der Rest entwickelt sich auch ganz logisch, bis am Ende alle Zombies vernichtet sind, also nicht nur tot, weil: Das sind sie ja eh schon die ganze Zeit.

Die Wibke sagte:

"Was soll denn daran jetzt logisch sein, bitte?"

Ich sagte zur Wibke:

"Ganz einfach: Der Held hat irgendwie zufällig rausbekommen, wie man die Zombies fertigmachen kann. Jeder Zombie hat nämlich seine Schwachstelle, und die muss man erst mal rauskriegen; der Haken an der Sache ist nur: In jedem Film ist das ein anderer Haken, ich meine jetzt im Sinn von Schwachpunkt, und deswegen bringt es gar nichts, wenn man eine Menge Zombiefilme gesehen hat, weil es immer irgendwie anders geht, wenn die auf einmal in echt vor dir stehen. Und am Ende kriegt der Held sein Mädchen; aber vorher kriegt er sie auf keinen Fall, oder?"

Der Punkt ist natürlich meistens der: Man muss ihnen das Hirn wegsprengen, den Zombies, damit erledigt man sie mehr oder weniger. Aber die Wibke hat mich nur angeschaut, ohne sich zu bewegen. Ich sagte:

"Vielleicht bereut er das auch später, weil er merkt, dass die Braut nichts taugt, aber dann ist der Film schon vorbei, und er kann es nicht mehr ändern und man hört schon beim Abspann die erste Ehekrise im Hintergrund. Genau wie im richtigen Leben, halt, weil: Man muss ja nicht alle Fehler aus dem Wilhelm Tell wiederholen."

Die Wibke Schmidt verrenkte ihren Hals in drei Richtungen gleichzeitig und fing wieder an zu husten. Das macht sie manchmal, wenn sie eine moralische Aussage machen will. Sie sagte:

"Hä?"

Ich sagte:

"Oder wie siehst du das, Wibke?"

"Mir wird grad schwindlig."

Ich sagte:

"Jedenfalls: Ich hab dem Rami gesagt, er soll sich keine Sorgen machen, und ich schreib ihm ein Stück, das wirklich toll ist, auch wenn er absolut dagegen war, dass auch nur ein einziger Zombie drin vorkommt; er sagte, das passt nicht zu den Plot, ist das nicht witzig?"

Da musste ich kurz laut loslachen. Die Wibke Schmidt sagte:

"Oh, Mann!"

"Ja, die Nadja wurde da auch total bissig. Gut was? Der Plot, den Plot … Das kann man ewig so weiterspielen, bis die Nadja freiwillig aufgibt: dem Plot und des Plo… heißt es eigentlich des Plots oder des Plottes?"

Die Wibke sagte:

"Frag einfach den Rami!"

Der Witz von der Wibke war so schlecht, dass ich sofort wieder ganz professionell geworden bin. Ich sagte:

"Wibke, stell dir vor, ein Film heutzutage, ganz ohne Zombies - das geht doch nicht."

"Was hast du eigentlich die ganze Zeit mit diesen blöden Zombies immer?"

"Magst du keine Zombies oder was?"

"Nein, stell dir das mal vor, ich find Zombies tatsächlich doof."

Ich stellte mich eindrucksvoll ans Fenster und sagte zu dem Dreck an der Glasscheibe:

"Den Eindruck habe ich auch. Dabei ist es ganz einfach: Du musst ihnen nur das Gehirn wegsprengen, also den Zombies, und dann sind sie in den allermeisten Fällen besiegt, es sei denn, du hast einen Zombie vor dir, der aus dem Bauch heraus handelt, in diesem Fall musst du ihm nicht das Hirn wegsprengen, sondern natürlich den Bauch. Oder, hahaha, stell dir vor", hab ich gesagt, "Ein Zombie, der mit dem Schwanz denkt! Das hast du mir ja mal vorgeworfen … Weißt du noch?"

"Klar", sagte sie zu mir. Ich sagte wieder zu ihr zurück:

"Der Rami hat auch gesagt, dass er noch nicht so richtig überzeugt ist von der Zombie-Idee. Und da hab ich mir gedacht: 'Okay, ich kann das Stück trotzdem noch retten', und dann hab ich angefangen, mir was Neues auszudenken."

"Und das wäre?"

Ich sagte:

"Willst du's denn hören?"

"Nicht unbedingt, aber sprich, du erzählst es ja eh."

"Stimmt. Also. Die Geschichte geht jetzt so: Also, da ist dieser Deutsche, jung, hochbegabt und überhaupt der absolute Sympathieträger; der lebt hier in Berlin, und ist Künstler, hat sich gerade von seiner Exfreundin zum zweiten Mal getrennt, genau wie ich, und er weiß nicht so recht, was er mit dem Rest des Tages anfangen soll, da lernt er auf einmal diese superscharfe Inderin kennen und verliebt sich so doll in sie, dass er nicht mehr weiß, wie man Djinga Masala buchstabiert.

Er übertreibt total und nimmt sie sofort mit zu seiner Familie, und alle sind echt begeistert von ihr und sagen ihm, also zu dem Helden:

"He, Albrecht, bau keinen Scheiß! So eine wie die findest du nicht so schnell wieder, also gib dir gefälligst Mühe, und bitte versägs nicht. Kapiert? Das halten wir nicht noch mal aus, wir meinen jetzt: so eine Sache wie beim letzten Mal, als du so fies versagt hast."

Da hat die Wibke Schmidt mich so besorgt angeschaut, als sei mein Haltbarkeitsdatum auf dem Deckel abgelaufen.

Sie sagte:

"Moment mal: Die Hauptfigur heißt doch nicht etwa Albrecht!"

Ich sagte:

"Ja, doch, klar!"

"Ohje!"

"Wie jetzt?"

"Warum heißt die Hauptfigur denn genauso wie du?"

"Na, ich hab mir halt gedacht, das ist der perfekte Name für eine Hauptfigur ..."

"Sag mal ..."

"Ja, bitte?"

"Also ..."

"Ja?"

"Immer, wenn du sagst, dass du dir 'was gedacht' hast, dann bin ich mir inzwischen absolut sicher, dass du dir überhaupt nichts gedacht hast."

"Kann sein, Wibke. Also, wo waren wir?"

Die Wibke Schmidt sagte:

"Die sind alle begeistert von der Inderin, äh, und wie hast du dir gedacht, heißt die?"

"Kathleen"

"Warst du überhaupt schon mal in Indien?"

Ich sagte:

"Nö."

"Mhm."

Sie schrieb sich was in ihr geistiges Notizbuch. Das konnte ich ganz klar sehen.

"Also Kathleen ist nicht gut?"

Ich hab das gefragt, weil: In den Augen der Wibke Schmidt war sozusagen nicht gerade ein Feuer der Begeisterung zu bemerken, sondern eher ein Feuerlöscher der Nicht-Begeisterung. Sie sagte:

"Doch doch! Das ist sicher ein alter indischer Name. Weiß jeder."

"Mensch, das ist doch nicht endgültig, Wibke, Mann, das ist nur der Arbeitstitel für das Mädchen. Hatte halt noch keine Zeit einen indischen Namen zu erfinden."

"Das vermutet man allerdings auch ein klein wenig."

Ich sagte:

"Nenn sie halt ... also nennen wir sie 'Batura', okay?"

Sie sagte:

"Ich weiß jedenfalls jetzt schon, wie die Geschichte weitergeht."

"Echt? Sag mal!"

Und während die Jenny die Pappschachteln von den Pizzas innen drin abgeleckt hat, da hat die Wibke Schmidt mal ganz locker ein Superplot erfunden. Ein Konzept von eines Superplottes, sozusagen. Jedenfalls bring ich das so dem Rami bei.

Sie sagte:

"Und die Leute sagen zu der Hauptfigur, ähm, zu diesem Albrecht, dass er sich gefälligst mehr um seine Freundin kümmern soll, und dass er sie nicht wieder betrügen soll, oder sie vernachlässigen oder ignorieren und solche Sachen, wenn er es ernst meint mit ihr, weil eine Freundin nämlich verdammtnochmal kein Spielzeug ist, das man einmal benützt und dann wegwirft. Er soll sich einfach ein bisschen mehr Mühe geben, und dann würd er schon verstehen, wer es gut mit ihm meint und wer nicht."

Dabei schaute sie auf die Jenny, die immer noch dabei war, sich vollzustopfen ohne jede Hemmung. Inzwischen war sie schon bei den Briefmarken angekommen. Die Wibke sagte:

"Da fällt mir ein: Du könntest die letzte Freundin auch gleich mit einbauen, und nenn sie ruhig, sagen wir, Wibke, ein sehr guter Name für eine völlig unbedeutende Nebenfigur im Leben von diesem Albrecht. Ach, ich könnt dir so viele Tipps geben, was dieser Albrecht da alles falsch gemacht hat!"

"Wibke, das ist einfach voll genial, warte, ich muss mir das kurz aufschreiben. 'Tip' schreibt man mit zwei 'p' oder mit einem? Sonst kann ich mir das nicht merken."

"Das mit der Freundin hättest du dir auch schon viel früher merken können. Zum Beispiel als wir noch zusammen waren."

Und das stimmt: Da hat sie recht, die Wibke. Kaum ist es was Wichtiges, kann ich es mir nicht merken.

Ich dachte mir, auf der anderen Seite: Was ich total faszinierend finde, ist, dass ich mir die ganz unwichtigen Sachen, also die kann ich mir merken wie 'ne Eins. Ich sagte:

"Zum Beispiel die Zahl Pi, ganz einfach, die kann ich auswendig: 3,1415927 und so weiter, ist klar, weil: Die steht auf dem Taschenrechner drauf, wenn man weiß, wo man drücken muss, und Pi kann ich mir deswegen superleicht merken. Ich hab nämlich meine Schulzeit damit verbracht, auf den Knopf mit Pi drauf zu drücken: fünfzehn Jahre lang! Die Zahl Pi ist eigentlich das Einzige, was ich aus der Schulzeit noch sicher weiß. Das war eine sehr gute Schule. Für die Elite."