MOBBING-TAGEBUCH mit Fakten und Tipps für Betroffene - Johanna Sand - E-Book
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Johanna Sand

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Beschreibung

An ihrem Arbeitsplatz herrscht Krieg. Johanna Sand erzählt rückhaltlos offen ihre persönliche, mehr als zwei Jahre dauernde Mobbing-Erfahrung. Die im Beruf gut etablierte und selbstbewusste Frau Anfang vierzig arbeitet im Management eines Automobilkonzerns und ist auf dem Weg, einen Lebenstraum zu verwirklichen, als sich mit einem Personalwechsel in ihrem Umfeld das Grauen in ihren beruflichen Alltag schleicht. Herr X, ein Mann, erst Kollege, später ihr Vorgesetzter, will sie mit aller Macht vernichten. Das Tagebuch ist mit Hintergrundfakten zum Thema Mobbing und praktischen Tipps für Betroffene angereichert. So können Mobbing-Betroffene ihre eigene Situation hinterfragen und Lösungsansätze für sich entwickeln. Wegen der Verschwiegenheitsklausel in ihrem Aufhebungsvertrag muss die Autorin ihre Mobbing-Erfahrung unter dem Pseudonym Johanna Sand veröffentlichen sowie inhaltlich und zeitlich neutralisieren. Die Aufzeichungen verlieren dadurch jedoch in keinster Weise an Aussagekraft und Aktualität.

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Johanna Sand

MOBBING-TAGEBUCH mit Fakten und Tipps für Betroffene

"Frauen gehören in die Küche, die Küche in den Keller, der Keller unter Wasser."

An ihrem Arbeitsplatz herrscht Krieg. Die selbstbewusste Frau Anfang vierzig arbeitet im Management eines Automobilkonzerns, als sich mit einem Personalwechsel in ihrem Umfeld das Grauen in den Berufsalltag schleicht. Herr X, erst Kollege, später Vorgesetzter, will sie mit aller Macht vernichten.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Prolog

Freitag 8.30 Uhr – mein schwarzer Freitag

Fakten – der Mobbingreport 2002

Noch 974 Tage oder 32 Monate

Rückblick – der Knacks

Fakten – am Anfang steht ein Konflikt

Arbeitsalltag

Rückblick – funktionieren

Noch 517 Tage oder 17 Monate – Körpersignale

Rückblick – ist es Mobbing?

Noch 446 Tage – Termin bei der Mobbing-Beratung

Rückblick – agieren statt reagieren

Eine imaginäre Glasscheibe

Suche nach Verbündeten

Fakten – der Mantel des Schweigens

Auf in den Kampf!

Noch 439 Tage - Herr X wird Generalsekretär

Noch 421 Tage - Termin mit dem Vorstandsvorsitzenden

Rückblick – im Rausch der Macht

Noch 400 Tage – das jährliche Personalgespräch

Noch 396 Tage – Anruf des Vorstandsvorsitzenden

Noch 390 Tage – Herr X wird mein Vorgesetzter

Rückblick – die Schlinge zieht sich zu

Noch 382 Tage – Aufbruch

Warten, das Ziel im Blick

Noch 354 Tage – eine neue Perspektive

Noch 351 Tage – Licht am Ende des Tunnels

Rückblick – Stolz und Rückgrat

Noch 337 Tage - funktionieren und agieren

Noch 289 Tage - Schreiben an Herrn X mit Kopie an Vorstände

Noch 281 Tage – lautes Schweigen

Rückblick – Überlebensinstinkt

Noch 261 Tage – die Bombe ist geplatzt

Noch 260 Tage – im Spinnennetz der Personaler

Mitarbeitergespräche und Mehrarbeit

Noch 257 Tage - Konfrontation mit Herrn X

Noch 242 Tage – spurlos verschwinden

Noch 232 Tage – das System und seine Helfer

Noch 229 Tage – Termin mit dem Personalleiter Management

Noch 225 Tage – mein schwarzer Freitag

Noch 222 Tage – Bürogefängnis

Noch 221 Tage – Zeit totschlagen

Noch 219 Tage – Freistellung

Leben im Zwischenraum

Noch 197 Tage – die Eröffnung des Museums

Rückblick - von langer Hand geplant

Noch 193 Tage – der Aufhebungsvertrag

Noch 45 Tage – Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags

0 Tage – es ist vorbei

Epilog

Meine TIPPS für Betroffene

Impressum

Vorwort

„Macht ohne Missbrauch verliert ihren Reiz.“

Paul Valéry, französischer Philosoph

Bei Gesprächen im Freundeskreis kamen wir auf das Thema Mobbing und ich erzählte von meinem Mobbing-Tagebuch, wo ich seinerzeit meine persönlichen Erfahrungen niedergeschrieben habe. Nachdem eine Freundin diese Aufzeichnungen gelesen hatte, schrieb sie mir folgende Worte: „... ich finde es erschütternd ... irgendwie gehört es veröffentlicht ... es würde aber kaum was ändern.“

Ihre Worte gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich wollte wissen, wie die Lage heute, im Jahr 2022, ist. Auf der Webseite des „Bundesministeriums für Arbeit und Soziales“ gab ich erst „Mobbing“ und dann „Mobbing am Arbeitsplatz“ ein. Das Ergebnis: null Treffer und kein Verweis an eine andere Organisation oder kompetente Stelle. Das fand und finde ich immer noch empörend!

OK, dachte ich, dann schaust Du mal, ob es seit dem ersten Mobbing-Bericht 2002, der von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (www.baua.de), herausgegeben worden war, einen aktuellen Mobbingreport gibt. Gibt es nicht. Ein kleiner Ratgeber aus dem Jahr 2010 ist das Aktuellste. Und der Mobbing-Report von 2002 ist weder in der Suche noch im Archiv zu finden. Die Suche im Netz nach „Mobbing-Report 2002“ ist da erfolgreicher.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten existiert Mobbing am Arbeitsplatz und ist offensichtlich auch heute noch ein Tabuthema. Kompetente Hilfsangebote für Betroffene sind schwer zu finden, Termine beim Psychologen mit langen Wartezeiten verbunden.

Jedes Mobbing-Opfer kostet das betroffene Unternehmen und die Volkswirtschaft einen hohen sechsstelligen Betrag. Ein qualifizierter Mitarbeiter oder eine qualifizierte Mitarbeiterin geht verloren, ärztliche Behandlungen müssen von der Allgemeinheit gezahlt werden, in den Betrieben leiden Motivation und Betriebsklima.

Die Mobbenden kennen keine Grenzen. Sie zerstören Menschen und Existenzen. Mobbing ist Krieg am Arbeitsplatz. Jeden und jede kann es treffen. Egal welche Hierarchie oder Position. Es gibt keine Regeln.

Mich hat es vor einigen Jahren erwischt. Ich bin mit dem sprichwörtlichen Knick in der Karriere davongekommen, musste mich von meinem Arbeitsplatz und Arbeitgeber trennen. Das Mobbing hat mehr als zwei Jahre gedauert, doch dank aus heutiger Sicht viel zu spät wahrgenommener Hilfe konnte ich aus der Opferrolle heraustreten, habe agiert statt reagiert und meinen Mobber unter Druck gesetzt. So bin ich nicht zerbrochen und habe meinen Weg gefunden.

Mit diesem Buch möchte ich Betroffenen sagen: Ihr seid nicht allein. Die Fakten sollen Euch helfen, zu verstehen, was gerade mit Euch passiert. Und last but not least sollen die Tipps Euch helfen, Euren Weg zu finden. Wehrt Euch!

Mai 2022

Prolog

Ich hätte nie gedacht, dass mir so etwas passieren könnte. Ich war von meinem Vater von klein auf zu Selbstständigkeit, Selbstbewusstsein und Eigenverantwortung erzogen worden. Ich hatte eine gute Schulbildung mit Auslandsaufenthalt und ein Hochschulstudium erfolgreich abgeschlossen. Anfang vierzig, fast zwanzig Jahre Berufserfahrung in unterschiedlichen Branchen und Strukturen, Einsatzbereitschaft und professionelles Arbeiten hatten mich ins mittlere Management eines Automobilkonzerns gebracht. Und ich war dabei, einen Lebenstraum zu verwirklichen. Doch dann stürzte mein Leben von einem Moment auf den anderen ein.

Freitag 8.30 Uhr – mein schwarzer Freitag

In der wöchentlichen Projektbesprechung hat mich mein Vorgesetzter - ich nenne ihn Herr X - gerade von meinen Aufgaben entbunden: „Sie können gehen.“ Am Besprechungstisch sitzen rund ein Dutzend Kollegen. Mein Inneres zittert. Ich brauche meine ganze Kraft, damit dieses Zittern nicht nach außen dringt. Der Grat zwischen Stolz und Verzweiflung ist in diesem Moment sehr, sehr schmal. Was ich dann tue, tue ich automatisch und ohne zu überlegen. Ich stehe auf, bedanke mich bei den anwesenden Kollegen für die Zusammenarbeit und wünsche ein schönes Wochenende. Es ist, als würde ich eine Rolle spielen, mich selbst von außen beobachten. Als ich die Tür schließe, weiß ich, dass es keinen Weg mehr zurückgibt. Ich gehe aufs nächste Klo, betätige die Wasserspülung und heule los.

Dann rufe ich meinen Anwalt an, der mich seit einigen Wochen beratend begleitet. Er hat mich entsprechend sensibilisiert. Jetzt bloß keinen Fehler machen! Darauf wartet Herr X doch nur. Um 9.18 Uhr schicke ich ein Fax an den für mich zuständigen Mitarbeiter der Personalabteilung.

***

Sehr geehrter Herr ...,

wie Sie beiliegendem Schreiben entnehmen können, hat mich Herr X heute schriftlich von meinen Aufgaben am Projekt entbunden. Ich bitte Sie hiermit, mir eine andere Aufgabe zuzuweisen.

Da Sie heute nicht erreichbar sind, informiere ich Sie hiermit auch darüber, dass ich heute einen Tag Urlaub nehmen werde.

Aufgrund der aktuellen Ereignisse bitte ich kurzfristig um einen Gesprächstermin. Montag stehe ich an meinem Arbeitsplatz zur Verfügung.

Johanna Sand

***

Dann informiere ich mein Team über die neue Sachlage und flüchte ins Wochenende. Das war das Ende meiner Arbeit an dem Projekt. Aber es war noch nicht das Ende.

Fakten – der Mobbingreport 2002

Im Juni 2002 stellt das Bundesministerium für Arbeit die erste repräsentative Studie für Deutschland vor: „Der Mobbing-Report“.

Statistisch gesehen wird danach jeder neunte Mitarbeiter im Lauf seines Berufslebens einmal gemobbt. Mit 2,7 % Mobbingquote liegt Deutschland im europäischen Mittelfeld. Täglich 800.000 Menschen sind durch Mobbing beruflich und gesundheitlich bedroht. „Ein besonders hohes Mobbingrisiko tragen Beschäftigte in sozialen Berufen, wie Sozialar­beiter, Erzieher und Altenpfleger gefolgt von Verkaufspersonal. In etwas mehr als der Hälfte der Fälle mobben ausschließlich Vorgesetzte oder sind daran beteiligt. Frauen haben im Vergleich zu Männern ein um 75 Prozent höheres Mobbingrisiko. Die am stärksten betroffene Altersgruppe sind die unter 25-Jährigen mit 3,7 Prozent, gefolgt von den 55-jährigen und älteren Mitarbeitern mit 2,9 Prozent.“

Noch 974 Tage oder 32 Monate

Die Gesamtkoordination des Projektes, das aus fünf Teilprojekten besteht, wird überraschend in die Hände von Herrn X gelegt. Er hat eine übergeordnete Koordinationsfunktion, ist jedoch nicht mein Vorgesetzter. Herr X war früher schon einmal im Unternehmen im Personalbereich tätig gewesen, war zwischenzeitlich an einem anderen Standort eingesetzt und kehrt nun zurück. Man erzählt, dass er ein Zögling des Personalvorstands sei.

Ich bin mit meinem Team für ein Teilprojekt - das Museum - verantwortlich. Wir sind ein kleines, aber schlagkräftiges Team und arbeiten mit viel Spaß und Engagement kollegial zusammen. Wir haben klare Strukturen im Team. Verantwortungen, Kompetenzen und Schnittstellen sind sauber definiert. Nicht Hierarchie und Status bestimmen die Zusammenarbeit und Entscheidungen, sondern Erfahrung, Interesse und kritische Diskussion.

Schon immer habe ich davon geträumt, ein Museum zu machen. Doch ich habe nicht Kunstgeschichte studiert und nicht promoviert. Und so schien es für immer ein Traum zu bleiben. Bis ich eines Tages eine Idee habe. Ich mache ein Konzept, frage um einen persönlichen Termin beim damaligen Vorstandsvorsitzenden an und präsentiere ihm mein Konzept für ein Museum des traditionsreichen Automobilherstellers, für den ich arbeite. Natürlich will ich es realisieren. Zu dem Vorstandsvorsitzenden habe ich seit der ersten Begegnung einen sehr guten Draht. Er ist ein Metamensch wie auch ich. Das macht uns die Kommunikation leicht. Wir spielen uns die Bälle oft gegenseitig zu und manchmal genügt ein Blick oder eine Geste, um uns abzustimmen.

Wir sind uns schnell einig. Es ist einer jener unvergesslichen Momente im Leben, wo man sprichwörtlich und theatralisch die ganze Welt umarmen möchte. Es ist ein unglaubliches Gefühl, eine Mischung aus Stolz und Freude. Ich habe meinen Lebenstraum selbst in die Hand genommen und vor mir liegt die Chance, diesen zu realisieren. Den ganzen Tag über habe ich das Gefühl, dieses glückselig dümmliche Grinsen in meinem Gesicht zu tragen und denke, jeder muss es sehen. Wie damals, bei meinem ersten Kuss. In der Mittagspause fahre ich in den Wald und schreie meine Freude in die Baumwipfel hinauf. Wer will in so einem Moment daran denken, dass mit der Realisierung eines Lebenstraums die bitterste Erfahrung meines Berufslebens, und eine der schwersten meines Lebens überhaupt einhergehen sollte?

Einige Monate nach dem Gespräch mit dem Vorstandsvorsitzenden, nach Abschluss eines wichtigen Projektes, wie ich es mit dem Vorstandsvorsitzenden vereinbart hatte, gebe ich meine leitende Aufgabe im Marketing mit nicht unerheblicher Personal- und Budgetverantwortung auf. Menschlich fällt mir das nicht leicht, denn dieses vogelwilde Team mit so vielen unterschiedlichen, nicht immer einfachen Charakteren ist mir in den Jahren der gemeinsamen Arbeit sehr ans Herz gewachsen.

Viele Kollegen können meine Entscheidung nicht verstehen. Wie kann ich meine jetzige Aufgabe für eine unsichere Zukunft ohne Mitarbeiter und Budget aufgeben? Das passt nicht in das Bild einer klassischen Schornsteinkarriere. Doch ich glaube an meine Idee, ich glaube an meinen Traum. Über ein Jahr bin ich Einzelkämpferin. Viele belächeln mich und distanzieren sich von mir. Ich bin nicht mehr im Geschehen.

Ich kämpfe für die strategische Grundsatzentscheidung, das erforderliche Budget und die Planstellen. Dann genehmigt der Aufsichtsrat die Mittel für die Umsetzung. Nun glauben plötzlich auch andere an meine Idee und ich bin im Unternehmen wieder gesellschaftsfähig.

Erste Planstellen werden genehmigt und das erste Mal in meinem beruflichen Leben übernehme ich nicht die Verantwortung für ein bestehendes Team, sondern ich kann alle Mitarbeiter selbst auswählen. Auch das ein Traum! Meine Zielsetzung ist klar: Die menschliche Komponente und die Begeisterung für das Projekt ist wichtiger als die fachliche Komponente. Fachliche Lücken kann man füllen, doch meine Jahre im Job haben mich gelehrt, wenn es menschlich im Team nicht klappt, so nützt die beste Fachkompetenz nichts. Und so versammele ich um mich herum eine hochmotivierte Mischung aus unterschiedlichsten Professionen.

Eine Kandidatin steht mitten im Diplom, hat ihre Urkunde noch nicht in der Hand, ist mir jedoch aus mehreren Praktika und Aushilfstätigkeiten in meiner vorherigen Abteilung bestens bekannt. Sie ist die Richtige. Für die Personalabteilung entspricht sie jedoch ohne vorliegende Diplomurkunde nicht den Formalkriterien. Der Personalverantwortliche nimmt sie ohne Rücksprache mit mir aus der erforderlichen Personalkommission raus und ersetzt sie durch eine mir Unbekannte, die diesen Formalkriterien entspricht. Das erfahre ich zufällig. Warum dieses Vorgehen? Wird die Unbekannte von irgendjemandem protegiert? Oder senkt meine Wunschkandidaten wegen der fehlenden Diplomurkunde die Quote der eingestellten Akademiker?

Das Personalressort ist der Bereich mit dem dienstältesten Vorstand im Unternehmen, einem selbstgefälligen Mann Ende fünfzig. Man erzählt sich, dass er seine Sekretärin abserviert habe, weil sie ihm zu alt wurde und er sie, wie er es selbst formuliert hatte, durch „einen Rohdiamanten“ ersetzen wollte, sprich eine junge, attraktive Frau. Da er sich mit gewissen Dingen im Personalbereich, die Finger nicht schmutzig machen will, hat er einen Mann fürs Grobe, den nennen wir nur den „Ausputzer“, der erledigt die Drecksarbeit für den Personalvorstand. Dessen Lieblingsspruch, den er immer wieder loslässt, wenn ich zu den Wartenden einer Vorstandssitzung stoße, lautet: „Frauen gehören in die Küche, die Küche in den Keller und der Keller unter Wasser.“ Diese beiden Herren bestimmen den Kurs des Personalwesens – und, wie ich später noch leidvoll erfahren werde, auch mein Schicksal. Die meisten Personalverantwortlichen wollen keinen Fehler machen und halten sich an Formalkriterien sowie eingeübte und bewährte Muster. Personalarbeit heißt verwalten und nicht, Potenziale in Menschen zu entdecken, diese in der richtigen Position einzusetzen und zu fördern.

Dass die Diplomurkunde meiner Wunschkandidatin kurzfristig nachgereicht werden wird, zählt nicht. Ich weigere mich, die unbekannte Bewerberin zu übernehmen. Ich habe weder ihre Bewerbungsunterlagen eingesehen noch ein einziges Wort mit ihr gesprochen. Erst als ich jede Verantwortung für mögliche Folgen ablehne, kann ich meine Wunschkandidatin durchsetzen.

Vieles ist Neuland für unser Team, keiner von uns hat je ein Museum gemacht, doch wir sehen darin die Chance, die Dinge neu zu denken und anders zu machen. Um von vorhandenem Wissen und Erfahrungen zu profitieren, vernetzen wir uns mit externen Kompetenzträgern aus den unterschiedlichsten Bereichen, aus Museen und Unternehmen.

Das Museumsprojekt ist letztendlich der Auslöser für die anderen Teilprojekte, die später zu einem Gesamtprojekt zusammengefasst werden. Es ist sozusagen der Nukleus, aus dem alles entsteht, das neue Gesicht des Unternehmens, das architektonische Entree.

Die Zusammenarbeit mit den Kollegen der anderen Teilprojekte läuft bis zum Eintritt von Herrn X konstruktiv unterstützend, manchmal auch streitbar kritisch. Aber immer ist das Ziel, für das Unternehmen die beste Lösung zu realisieren.

Nachdem Herr X die Gesamtkoordination übernimmt, gibt es in den nächsten Monaten immer wieder Spannungen und Auseinandersetzungen. Zum ersten Mal eskaliert die Situation in einer größeren Gesprächsrunde, wo Herr X die Verantwortung für das Teilprojekt Gastronomie in meine Hände legen will und ich schließlich mit den Worten ablehne:

„Ich habe keinerlei Erfahrung in diesem Bereich und die Zeit für eine Einarbeitung in dieses Thema reicht nicht. Da können Sie sich auf den Kopf stellen und mit den Ohren wackeln, Herr X. Ich werde das nicht machen. Auch wenn mich der Vorstandsvorsitzende fragt, ich werde diese Aufgabe nicht übernehmen.“

Er fragt: „Macht man das einfach so?“

Ich antworte: „Ich weiß nicht, ob man das so macht. Aber ich mache das so!"

Bei dieser Auseinandersetzung sitzen rund zehn Kollegen um den Tisch und Herr X steht am Ende mit geballten Fäusten auf den Tisch gestützt und lauter Stimme über mir.

Ich frage ganz leise: „Warum sind sie so aggressiv?"

Er merkt, was er gerade getan hat, nimmt sich zurück und entschuldigt sich. Das erste und letzte Mal.

Rückblick – der Knacks

Meine Reaktionen auf das Anliegen, die zusätzliche Aufgabe zu übernehmen, war wohl der Initialfunke für alles, was folgte. Für mich war meine Reaktion das Normalste von der Welt. Es war meine Überzeugung und das Ergebnis meiner Erziehung und Sozialisation. Und bis dahin war ich damit immer gut gefahren.

Doch ich hatte die persönliche Situation von Herrn X nicht berücksichtigt. Für ihn war meine Reaktion die Demonstration einer Unabhängigkeit, die er nicht besaß, sich aber vielleicht wünschte. Er war gefangen in den Erwartungen seiner traditionellen Herkunft und den Zwängen der konzernpolitischen Hierarchien. Nach oben wird gebuckelt, nach unten wird getreten. Arbeit hatte für ihn nichts mit Spaß zu tun. Und was ihm offensichtlich nicht gegönnt war, das sollte auch kein anderer haben, das sollte ich nicht haben. Mit meiner Weigerung, die zusätzliche Aufgabe zu übernehmen, habe ich für ihn nicht nur dieses singuläre Anliegen, sondern die Person Herr X mit all ihren Werten in Frage gestellt. Und das im Kreis der gesamten Kollegenschaft. Das konnte er nicht hinnehmen, weil ihm dazu die differenzierte Sichtweise und die Souveränität fehlten.

Zugegebenermaßen hätte ich meine Absage diplomatischer formulieren können. Doch Diplomatie war und ist noch nie meine Stärke gewesen. Hinzu kommt, dass – wer es versteht – mir relativ einfach am Gesicht ablesen kann, was ich von meinem Gegenüber halte. Heute ist mir klar, warum seine Reaktion die Vernichtung meiner Person zur Folge haben musste. Nur so konnte er seine Dissonanzen auflösen und sein Wertesystem im Gleichgewicht halten.

Fakten – am Anfang steht ein Konflikt

Ein ungelöster Konflikt ist in der Regel der Ausgangspunkt für Mobbing.

Gelingt es nicht, diesen Konflikt zu lösen, folgen meist persönliche Angriffe in Form von Abwertung oder Fehlerzuweisungen. Der ursprüngliche Konflikt tritt in den Hintergrund, der Psychokrieg beginnt. Schikanen, falsche Behauptungen, Isolation oder Ausgrenzung sind jetzt die Instrumente im Werkzeugkasten der Mobbenden. Das Ziel ist, zu verunsichern, die gemobbten Personen sollen Fehler machen, die dann zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen können: Abmahnung, Versetzung, Kündigung.

Wenn die Gemobbten dann kündigen, gekündigt werden oder einen Aufhebungsvertrag unterzeichnen, haben die Mobber ihr Ziel erreicht. Ihre Welt ist wieder im Gleichgewicht, denn die Zufriedenheit, das Selbstbewusstsein der anderen ist oder scheint zerstört und die eigene Unzufriedenheit, die eigenen Mängel somit weniger offenbar.

---ENDE DER LESEPROBE---