Moderne Langlebigkeitsmedizin in den 20er Jahren [Update Stand 2024] - Dr. med. Christian Gersch - E-Book

Moderne Langlebigkeitsmedizin in den 20er Jahren [Update Stand 2024] E-Book

Dr. med. Christian Gersch

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Beschreibung

Methusalem, der biblische Urvater, lebte laut der Bibel angeblich über 900 Jahre und gilt als Inbegriff von Langlebigkeit. Doch was ist dran an der Vorstellung, dass wir Menschen länger leben können, als es uns bislang bekannt ist? Das Altern ist ja so eine Sache. Manche von uns sind wie guter Wein - sie werden mit dem Alter nur besser. Andere wiederum altern wie Milch und landen schließlich im Kühlschrank des Lebens. Doch wenn wir uns mit der Frage auseinanderzusetzen, wie wir unser Leben verlängern und dabei auch in hohem Alter noch vital und gesund bleiben können, spielen beide Bilder eine Rolle. In diesem Buch teilt Dr. Gersch seine eigenen Erfahrungen als Arzt, der sich auf Langlebigkeit spezialisiert hat, und kombiniert diese mit den neuesten Erkenntnissen der weltweit führenden Langlebigkeitsexperten wie - Dr. David A. Sinclair - Dr. Peter Attia - Dr. Valter Longo - Dr. Richard S. Isaacson - Dr. Steven R. Gundry - Dr. Matthew Walker - Dr. Rhonda Patrick oder auch - Bryan Johnson. Das Ziel ist es zu zeigen, wie die modernsten internationalen Ansätze für eine längere Lebensdauer sich heute schon in die deutsche ärztliche Praxis integrieren lassen. Darüber hinaus beleuchtet Dr. Gersch die Gründe, warum wir alle nach einem längeren Leben streben und wie wir oft unbewusst das Falsche tun, um dieses Ziel zu erreichen (und wie wir diese Fehler, die uns viele Jahre unseres Lebens kosten, vermeiden können). Abschließend bietet das Buch eine moderne philosophische Perspektive darauf, wie wir ein langes und glückliches Leben führen können, und erklärt, warum dies so vielen Menschen nicht gelingt. Und stattdessen Burnout, Depressionen und Energielosigkeit um sich greifen. In diesem ganzheitlichen Buch geht es sowohl um die physische als auch um die psychologische Gesundheit. Dr. Gersch will Ihnen die nötigen Impulse geben, um Ihr Leben nachhaltig zu verändern und Ihr Wohlbefinden und Ihre Lebensqualität zu steigern. Um so idealerweise eines Tages mit Ihrem Urenkel ausgelassen spielen zu können. Update 2024: Bereits innerhalb eines Jahres kann sich ganz schön viel tun in der Langlebigkeitsmedizin. Dieses Buch nennt sich zwar »Moderne Langlebigkeitsmedizin in den 20er Jahren«, aber es war von Anfang an klar, dass die Empfehlungen der ersten Auflage aus 2023 nicht mehr die gleichen wie 2029 sein werden. Deshalb hat Dr. Gersch genau ein Jahr nach Erscheinen der ersten Auflage das Buch auf den aktuellen Stand von 2024 gebracht. Und einige Inhalte hinzugefügt, die den Leserinnen und Lesern der ersten Auflage gefehlt hatten. Zusätzlich haben wir dem Buch eine Community-Plattform angefügt, damit wir alle gemeinsam noch tiefer in das Thema einsteigen können. »Altern wie Methusalem?« ist kein Ratgeber im klassischen Sinne, sondern ein Buch, das dazu anregt, über das eigene Leben und das eigene Altern nachzudenken, und gleichzeitig die modernsten Erkenntnisse zum Erreichen von Langlebigkeit praktisch aufbereitet. Denn wie Methusalem es uns vorlebt: Das Leben kann auch im hohen Alter noch erfüllt und spannend sein. P.S.: Es wird Sie überraschen, dass Sie in diesem Buch trotzdem nicht die klassische Lösung von einer »ausgewogenen« Ernährung aufgezeigt bekommen werden - denn genau solche Ratschläge führen oft nicht zu der Langlebigkeit, die wir Menschen uns erhoffen zu erlangen. Der beste Weg dahin ist ein anderer.

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Seitenzahl: 199

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Moderne Langlebigkeitsmedizin in den 20er Jahren [2. Auflage Stand 2024] – altern wie Methusalem?

Dr. med. Christian Gersch

Altern wie Methusalem?

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

warum ist Langlebigkeit eigentlich die wichtigste Sache überhaupt?

Unsere Zeit auf diesem Planeten ist endlich. Selbst für Methusalem war sie das. Sie werden in Kapitel 2 erfahren, aus welchem Grund wir den Gedanken an unsere Sterblichkeit konstant versuchen zu verdrängen. Sie werden lesen, wie faktisch unsere ganze Kultur nur darauf aus ist, uns die Angst vor unserer Vergänglichkeit vergessen zu machen, und wie unser Innerstes glaubt, mindestens so alt wie Methusalem zu werden, und deshalb viele gute Ratschläge in den Wind schlägt.

Deshalb: Widerstehen Sie jetzt bitte dem möglichen Reiz, das Buch gleich wieder zur Seite zu legen, weil sich das Thema Tod und Sterben wenig einladend anfühlt.

Wir sind nämlich effektiv darin, unsere Endlichkeit nicht wahrhaben zu wollen. Deshalb kümmern wir uns auch zu wenig um ihre Implikationen. Dabei steckt hier ganz viel Lebensqualität für uns drin.

Natürlich, logisch ist uns allen bewusst

dass Gesundheit »alles« istdass wir eines Tages werden sterben müssen

und wir wünschen uns, dass dieses

erst in hohem Lebensalteraus voller Gesundheit und geistiger Leistungsfähigkeit heraussowie »kurz und schmerzlos« undim Kreis unserer Liebsten

passieren sollte. Doch Hand auf’s Herz: Wie viel tun Sie, um tatsächlich diese Faktoren positiv zu beeinflussen?

»Wollt ihr denn ewig leben?«

Ein krasses Gegenbeispiel ist dieses Zitat des preußischen Generals Friedrich Wilhelm Bülow von Dennewitz, der es angeblich während der Schlacht von Waterloo im Jahr 1815 ausgerufen hat.

»Wollt ihr denn ewig leben?« erlangte jedoch später erst in der deutschen Geschichte größere Bekanntheit durch den Ersten Weltkrieg, als der Satz von deutschen Offizieren in der Schlacht von Langemarck 1914 verwendet wurde, die innerhalb von vier Tagen mehr als 20.000 Tote forderte.

Natürlich ist der Ausspruch Zeichen des militaristischen Geistes der Zeit, der Brutalität und der Menschenverachtung des Krieges. Doch jeder von uns fühlt Mitleid mit den jungen Soldaten, die diese letzten Worte vor dem Angriff aus dem Schützengraben heraus hören mussten. Wir alle hätten ihnen ein langes und glückliches Leben gegönnt, anstatt dass sie schweres Artilleriefeuer binnen Sekunden dahinraffte.

Heute stehen uns so viel mehr Möglichkeiten offen als diesen bemitleidenswerten Seelen – doch nutzen wir Sie? Tatsächlich geschieht dies viel weniger, als wir es wahrhaben wollen, wie Ihnen meine persönliche Geschichte gleich zeigen wird!

Meine Zeit in der Intensiv- und Notfallmedizin

Ich habe als Facharzt für Anästhesie über viele Jahre als Notarzt im Rettungsdienst und als Stationsarzt auf der Intensivstation gearbeitet. Der »Kampf gegen den Tod« war mein Alltag. Ein Kampf, den meine Kollegen und ich leider auch viel zu häufig verloren.

Bilder aus meiner erste Karriere als Narkosearzt: Oben rechts zeige ich meinem ältesten Sohn einen Rettungswagen von innen. Unten eine Reportage der Regionalzeitung, als ich als Facharzt regelmäßig die Nachtschicht auf der Intensivstation arbeitete.

Intensivmedizin gesundet zu Wenige

Vielleicht erinnern Sie sich an die Nachrichten während der Corona-Zeit, in denen es um die Anzahl freier Intensivbetten ging. Dabei erweckten die Medien den Eindruck, als ob ein freies Intensivbett die Rettung sei. Selten kann das tatsächlich der Fall sein, doch egal ob vor Covid-19 oder mitten drinnen: Bei jemandem, der auf eine Intensivstation aufgenommen wird, sind bereits viele Dinge im Vorfeld gesundheitlich schlecht gelaufen. Faktisch ist es so, dass rund 50 % aller kritisch kranken Menschen trotz maximaler Intensivtherapie nicht gerettet werden können[1]. Vom Rest überlebt ein guter Teil mit bleibenden Schäden bis hin zu schwersten Behinderungen. Und selbst diejenigen, die es schaffen, weisen eine hohe Suizidquote auf, weil Traumatisierungen während Notfall- und Intensivmedizin gar nicht selten sind[2]. Dass jemand in unser Arztzimmer kam, und sagte: »Guten Tag, ich bin der Herr Müller aus Zimmer 3 von vor einem halben Jahr - Danke, dass Sie mich gerettet haben.« war ein äußerst seltenes Ereignis, das vielleicht zwei oder drei Mal im Jahr vorkam. Es war der Grund, wieso wir alle den Job machten.

Wie Sie sich vorstellen können, musste ich entsprechend viele Gespräche, die eher negative Prognosen vermittelten, mit Angehörigen bzw. den Patienten, die bei Bewusstsein waren, führen. Und in diesen Gesprächen hörte ich eine Frage besonders häufig:

»Warum gerade ich?«

Diese eine zentrale Frage, die ich immer wieder gestellt bekam, sollte der Auslöser großer Veränderung für mich werden: »Warum gerade ich?«, im Sinne von »Warum hat mein Mann Darmkrebs bekommen, wir haben doch immer gesund gelebt?«. Oder auch im Notarztdienst, wenn der 49-jährige mit akutem Herzinfarkt mich fragte: »Warum gerade ich? Ich habe doch immer Sport gemacht!«

Darauf entgegnete ich meist das Gleiche, was meine Professoren an der Universität schon gesagten hatten und was meine Oberärzte und meine Kollegen üblicherweise antworteten. Dinge wie »das ist Ihr Schicksal«, »das sind die Gene«, »hätten Sie besser nicht geraucht oder getrunken!«. Dies sind Sätze, die Angehörige oder Patienten durchaus gerne hören, denn sie helfen, besser mit ihrem Schicksalsschlag umzugehen. Doch in meinem Inneren wusste ich, dass es einfach nur hilflose Floskeln waren.

Ehrliche Antworten zu finden war nicht leicht

Ich wollte lieber ehrliche Antworten geben können. Nur waren diese nicht einfach herauszufinden. Faktisch wussten selbst die leitenden Ärzte der Intensivstation oft nicht, woran jemand wirklich gestorben war. Und die Professoren wussten es ebenfalls nicht: »Schreibt septischer Schock in den Totenschein, das ist immer gut«, so klingt es mir noch von meiner Ausbildung an der Uniklinik nach.

Ich zermarterte mir mitunter das Gehirn, was meinen Patienten auf biochemischer Ebene fehlte, und wälzte dicke Intensivmedizinbücher, weil ich wissen wollte, wie meine Patienten so krank geworden waren. Doch weder die Fachliteratur, noch meine Oberärzte, noch die Professoren auf den Fachkongressen hatten wirklich gute Antworten für mich. Alles erschien so schicksalhaft und hilflos wie die Floskeln auf die »Warum gerade ich?«-Frage es ausdrückten.

Ich zog in Erwägung, dass ich möglicherweise an der falschen Stelle »suchte«, und so begann ich zunehmend, präventivmedizinische, ernährungsmedizinische und funktionsmedizinische Literatur zu lesen. Hier fand ich endlich meine Antworten, auch wenn die Autoren wenig Bezug zu meinem intensiv- und notfallmedizinischen Arbeitsplatz hatten – doch der erschloss sich mir schnell. Die tatsächlichen Ursachen der Krankheiten zu verstehen, dass begeisterte mich.

Warum ich die Intensiv- und Notfallmedizin zugunsten der Langlebigkeitsmedizin aufgab

Irgendwann begannen die Krankenschwestern und Notfallsanitäter, mich um persönlichen Rat zu fragen, und dann sogar meine ärztlichen Kollegen für ihre Angehörigen. Etwa zur gleichen Zeit realisierte ich:

Würde ich die Menschen nur 20 Jahre früher, bevor sie die 112 wählten oder bevor sie auf die Intensivstation aufgenommen würden, umfassend behandeln dürfen, so hätte ich ihre schweren Erkrankungen wahrscheinlich zu einem guten Teil vermeiden können.

Dieser Gedanke faszinierte mich so sehr, dass ich meine gesetzte und aussichtsreiche Krankenhauskarriere allen Unkenrufen zum Trotz an den Nagel hängte und meine Praxis gründete, in der wir funktionelle Medizin betreiben. Funktionelle Medizin, das bedeutet, nach den Ursachen von Erkrankungen zu suchen, und diese anzugehen, anstatt nur symptomatisch zu behandeln.

Meine harte Desillusion, dass die moderne Medizin trotz aller Fortschritte oft relativ hilflos ist, wich der Überzeugung, dass das Gegenteil der Fall ist. Wir gingen die Sache im Krankenhaus nur leider grundfalsch an. Endlich ergab auch eines der tiefgründigsten Zitate eines meiner Lieblingsautoren wirklichen »Sinn« für mich:

Das Leben ist sinnlos, aber es ist nicht ohne Wert. Das Leben selbst ist der Wert. Die Revolte des Menschen besteht darin, diesen Wert gegen die Sinnlosigkeit zu behaupten. –Albert Camus

Was haben die Ursachen von Krankheiten und Langlebigkeit miteinander zu tun?

Ich werde Ihnen später in Kapitel 3 darlegen, dass, wenn man den Alterungsprozess versteht, man die Ursache eines Großteils aller Erkrankungen versteht. Im Umkehrschluss heißt das: Wollte ich Erkrankungen vermeiden oder ursächlich heilen, musste ich tief in die Wissenschaft der Langlebigkeitsmedizin eintauchen. Den Alterungsprozess zu verstehen, das ist die logische Konsequenz von funktioneller Medizin.

Langlebigkeitsmedizin ist ein zunehmender Megatrend. Zwar waren die Menschen schon vor mehr als zwei Jahrtausenden auf der Suche nach dem Jungbrunnen, doch erst in den letzten Jahren wurde das Thema auch für Kreise außerhalb der Reichen und mächtigsten Herrscher der Welt relevant und zugänglich.

Was dieses Buch besonders macht

Warum ist es mir wichtig, mein Praxiswissen mit Ihnen zu teilen? Es gibt beeindruckende Konferenzen zu dem Thema, grandiose Wissenschaftler, die über Podcasts Reichweite erhalten, und einige sehr gut geschriebene Bücher – doch die meisten Ratschläge »da draußen« kommen nicht von Praktikern, sondern Forschern, die an Tiermodellen arbeiten oder von Journalisten, die gut schreiben können. Ich schreibe aber nicht nur über dieses Wissen, ich wende es bereits heute direkt an. Das ist der Unterschied. Woche für Woche behandeln meine Kolleginnen und ich Patienten in unserer Praxis. Wir wissen, welche Labortests in Deutschland auch real verfügbar sind, wie man sie interpretiert, und wir verfügen über jahrelange Erfahrungen, wie unsere Patienten von unserer Arbeit profitieren können. Wir haben viel gelernt, was wirklich funktioniert und was nicht.

Die Wahrheit ist: Es gibt keine »magic bullet«, keinen »quick fix«. In unserer Arbeit fordern wir viel von unseren Patienten, und wir können auch nichts versprechen. Aber lassen Sie mich eine der Geschichten erzählen, die mich berechtigt, dieses Buch zu schreiben:

Langlebigkeitsmedizin in der Praxis

Willkommen in meiner Praxis! Später werde ich Sie in Kapitel 4 noch einmal für länger hierher mitnehmen, aber kommen Sie doch schon einmal für einen kurzen Moment herein:

Herr E. hatte die Diagnose einer Herzschwäche. Man hörte ihn schon tief atmen, bevor man ihn sah. Sein Kardiologe gab ihm nur noch wenige Monate. Er war rund 200 km zu uns gefahren. Die Herzschwäche war eine reale Diagnose, und sein Zustand war schlecht. Trotzdem entdeckten wir gleich mehrere Hebel, die diese Herzschwäche schlecht machten. Bereits drei Monate nach Behandlungsbeginn war seine Luftnot verschwunden. Heute macht Herr E. stundenlange Wandertouren, und sein Kardiologe sagt, das Ergebnis sei besser als nach einer Herztransplantation. Weil ich solche Fälle erleben durfte gibt es dieses Buch.

Die Hälfte allen medizinischen Wissens ist falsch

Die Aussage »Die Hälfte allen medizinischen Wissens ist falsch. Man weiß nur nicht, welche Hälfte« stammt von William Osler, einem kanadischen Arzt und Professor der Medizin, der von 1849 bis 1919 lebte. Zum Glück ist seitdem schon einiges aus der falschen Hälfte entdeckt und korrigiert worden. Zu häufig höre ich trotzdem die Behauptung, die Medizin würde alle paar Jahre ihre Meinung ändern. Nur, weil irgendeine neue Studie herauskäme, und deshalb könne man alle Ratschläge ruhig links liegen lassen, sie änderten sich in Zukunft ja doch. Doch damit machen es sich viele Menschen zu leicht (warum sie das sagen, das erfahren Sie im nächsten Kapitel).

Paradigmenwechsel

Wir hatten in letzter Zeit einige riesige Paradigmenwechsel in der Medizin. Auch wenn das im Bewusstsein vieler meiner Kollegen noch nicht richtig angekommen ist. Doch die Wissenschaft kommt der Wahrheit immer besser auf die Spur.

Klar, Medizin bedeutet trotzdem mitunter, Entscheidungen in Situationen der Unsicherheit zu treffen. Wenn ein heute 50-jähriger 100 Jahre alt werden will und die passenden Mittel dazu sucht, dann hat er zunächst einmal die Statistik als Gegener. Denn seine Lebenserwartung liegt mehr als 20 Jahre unter seinem Ziel. In dem Fall können er und wir nicht abwarten, bis eine Langzeitstudie kommt, die eine neue Maßnahme zur Steigerung der Langlebigkeit ausprobiert, aber erst nach 20 oder 30 Jahren ihre Ergebnisse veröffentlicht, die dann in den Folgejahren noch von anderen Forschungsgruppen mehrfach wiederholt und bestätigt werden. Solche Studiendaten kommen für die derzeit Lebenden zu spät – erst meine Urenkel haben Chancen, davon zu profitieren[3].

Man muss als Grundlage des heutigen Handelns durchaus Ergebnisse der Grundlagenforschung, Daten aus Tierversuchen, logische Überlegungen und Wissen aus der Biochemie miteinander kombinieren und daraus jetzt schon konkrete Empfehlungen ableiten. Wobei ich frei zugebe: Dinge ohne ein gutes Nutzen-Risiko-Verhältnis sollten gerade zum Zwecke der Langlebigkeit nicht eingesetzt werden – dafür liegt das Therapieziel zu weit in der Zukunft, als dass man heute etwas Gravierendes riskieren sollte. Doch zum großen Glück haben wir in Deutschland ärztliche Therapiefreiheit – ich muss nicht warten, bis etwas in einer Leitlinie auftaucht, bevor ich es Patienten anbieten darf. Das ist auch ein Grund, wieso wir in der Praxis sehr viele Labortests machen – denn kann ich mit einem Biomarker arbeiten, den ich als verlässlichen Faktor für einen Therapieerfolg – im Sinne von Langlebigkeit – einsetzen kann, wächst das Maß an Sicherheit enorm.

Wenn Sie sich auf diese gewisse Unsicherheiten und meine mitunter unkonventionellen Empfehlungen einlassen, dann vermag dieses Buch Ihnen womöglich einige zusätzlich Lebensjahre zu schenken. Mein Buch ist natürlich nicht ganz der Jungbrunnen oder der Stein der Weisen, doch es kommt deren moderner Version recht nah, auch wenn das Wissen über Langlebigkeit noch einige Lücken aufweist. Und der Anfang zum realistischen Erreichen von Langlebigkeit ist mehr als gemacht!

Bevor wir in die praktische Wissenschaft von einem guten und langen Leben eintauchen, muss ich zunächst ein Thema anschneiden, das eine schmerzhafte Wahrheit ist. Es ist eine wirklich unbequeme Wahrheit, die wir alle gerne verdrängen, doch ohne die mein Buch nicht ehrlich wäre.

Die Angst vor unserer Sterblichkeit

Bevor wir über Langlebigkeit sprechen, müssen wir zuerst das Warum beleuchten: Warum ist es dem Menschen wichtig, lange zu leben?

Für die auf den ersten Blick naheliegendste Antwort auf diese Frage müssen wir weit in die Tiefenpsychologie eintauchen. Philosophen beschäftigt dieses Problem schon seit der Antike, doch erst mit Siegmund Freuds Schülern klärten sich langsam die tatsächlichen Beweggründe des Menschen auf, möglichst lange leben zu wollen.

Dieses Warum zu verstehen, das macht die sogenannte Terror Management Theorie am besten verständlich:

Was ist Terror Management?

Terror Management (dt. »Umgang mit dem Schrecken«) ist ein Konzept in der Sozialpsychologie, das sich mit dem Einfluss des Todesbedrohungserlebnisses auf das menschliche Verhalten und Denken beschäftigt. Die sogenannte Terror Management Theorie argumentiert, dass das Bewusstsein über die Endlichkeit des eigenen Lebens bei den Menschen starke Angst und massives Unbehagen auslöst. Diese sogenannte Todesangst (auf englisch als terror bezeichnet) löst einen unbewusst ablaufenden Abwehrmechanismus aus, durch den Menschen ihre Überlegenheit und ihr Selbstwertgefühl versuchen zu stärken, um die Todesangst kurzfristig weniger zu spüren.

Um dies zu erreichen, greifen Menschen auf verschiedene psychologische Mechanismen zurück, wie beispielsweise auf die Überbetonung von Gruppenzugehörigkeit, die Abwertung anderer Gruppen, den Schutz ihrer Weltanschauungen und Überzeugungen sowie die Verteidigung ihrer Kultur und Traditionen.

Gleichzeitig schafft sich jeder Mensch auch ein persönliches »Unsterblichkeitsprojekt«, das ihn zumindest metaphysisch überleben wird. Dies kann von dem Engagement als Angestellter für eine Firma, über das Aufziehen von Kindern bis hin zur Gründung eines Unternehmens führen. Oder man ist ein enthusiastischer Anhänger einer Religion oder eines Künstlers. Die Möglichkeiten eines Unsterblichkeitsprojekts sind vielfältig. Der Gedanke daran, dass es das eigene Unternehmen, Kunstwerk oder seinen Sportverein auch noch geben wird, wenn man nicht mehr ist, und dass das eigene Leben einen Unterschied bei dessen Entwicklung gemacht hat, spendet unserer Seele Trost.

Die Terror Management Theorie erklärt sogar die Entwicklung psychischer Erkrankungen damit. Beispielsweise kann man eine Depression entwickeln, wenn man das eigene Unsterblichkeitsprojekt scheitern sieht[4].

Die Seele unserer Todesangst

Die Terror Management Theorie geht auf die Ideen von Siegmund Freud zurück, der darauf hinwies, dass das Bewusstsein des Todes bei den Menschen Ängstlichkeit und Sorge auslöst. Freud argumentierte, dass Menschen ihre Angst vor dem Tod überwinden, indem sie ihr Leben und ihre Identität auf symbolische Weise verlängern, wie z. B. durch Kinder, Kunstwerke oder spirituelle Überzeugungen1.

Freuds Schüler Otto Rank fügte diesem Konzept der Todesangst hinzu, dass Menschen ihre Angst vor dem Tod überwinden, indem sie ihre Überlegenheit und ihr Selbstwertgefühl stärken. Ein Mittel dazu ist, sich selbst als Teil einer größeren, überlebensfähigen Gruppe zu sehen.

Der Sozialanthropologe Ernest Becker entwickelte auf Basis dieser Arbeiten seine für die Terror Management Theorie richtungsweisenden Ideen in seinem 1973 erschienenen Buch »The Denial of Death« (dt. »Die Überwindung der Todesangst). In diesem argumentiert er, dass das menschliche Bewusstsein des Todes eine Quelle von permanentem Stress und Angst darstellt, die sich auf verschiedene Bereiche des menschlichen Lebens gravierendst auswirken. Becker beschreibt insbesondere vier zentrale Säulen der Angst[5], die aus dem Bewusstsein des Todes resultieren:

Angst vor der Vergänglichkeit: Menschen sind sich bewusst, dass alles, was lebt, irgendwann stirbt, und dass ihr eigenes Leben endlich ist. Diese Erkenntnis kann Angst und Unbehagen auslösen, weil sie die Vergänglichkeit und die Verletzlichkeit des eigenen Lebens betont.Angst vor dem Verlust von Kontrolle: Sich des Todes bewusst zu sein kann auch Angst vor dem Verlust der Kontrolle über das eigene Leben auslösen. Menschen möchten glauben, dass sie ihr Leben und ihre Umstände kontrollieren können. Doch das Wissen um die Existenz des Todes zeigt ihnen, dass das nicht der Fall ist.Angst vor dem Verlust von Bedeutung: Ein weiteres Ergebnis des Bewusstseins über den unabwendbaren Tod ist die Angst, dass das eigene Leben bedeutungslos ist. Menschen möchten glauben, dass ihr Leben einen Sinn hat und dass sie einen Beitrag zur Welt leisten, aber das Todes-Bewusstsein kann diese Überzeugungen in Frage stellen.Angst vor dem Unbekannten: Schließlich kann der Tod als Fakt Angst vor dem Unbekannten auslösen. Menschen haben Angst vor dem Unbekannten und möchten wissen, was nach dem Tod geschieht. Aber das Bewusstsein über den Tod zeigt ihnen, dass mehr als Glaube nicht möglich ist.

Laut Becker sind diese vier Säulen der Angst die Grundlage für viele menschliche Ängste, Unsicherheiten und auch psychische Beeinträchtigungen, die alle aus der Realisierung der Endlichkeit des eigenen Lebens resultieren.

»Der Gedanke an den Tod, die Furcht vor ihm, verfolgt das Tier Mensch wie nichts sonst.« –Ernest Becker

Die Terror Management Theorie

1984 postulierten dann die Sozialpsychologen Sheldon Solomon, Jeff Greenberg und Tom Pyszczynski die heutige Terror Management Theorie. Sie argumentierten, dass die menschliche Bewusstheit des Todes eine bedeutende Kraft bei der Formung von Überzeugungen, Weltanschauungen und Verhaltensweisen ist. Seitdem hat die Terror Management Theorie eine breite Palette von Forschungsergebnissen hervorgebracht, die den Einfluss des Todesbedrohungserlebnisses auf unterschiedliche Bereiche des menschlichen Verhaltens und Denkens zeigten.

Kurzfazit: Die Terror Management Theroie veranschaulicht, wie der menschliche Gedanke an die Endlichkeit des Lebens unser Verhalten und Denken beeinflussen kann. Sie zu verstehen ist zentral, um zu begreifen, warum Menschen Langlebigkeit anstreben.

Die Menschheit ist verflucht

Was aus den Hintergründen der Terror Management Theorie folgt, das beschreibt das folgende Zitat aus dem Roman Jeder stirbt für sich allein sehr gut:

»Die Menschheit ist verflucht – vom Wissen um die eigene Sterblichkeit!« –Hans Fallada

Damit wir unser Leben leben können, müssen ständig starke Mechanismen in Gang sein, um die beschriebenen Ängste unter Kontrolle zu halten. Doch dies sind keine von uns bewusst gesteuerten Mechanismen, sondern sie gehen tief von unseren Unbewussten aus, in das sie einmal den Weg aus dem kollektiven Unbewussten gefunden haben. Das können Erklärungen sein, die wir als Kind bekommen haben, oder auch eher kindlich-logische Schlüsse. Häufig übernehmen wir aber einfach »funktionierende« Normen unserer Kultur, ohne genau zu hinterfragen, wieso wir diese Werte haben oder diese Ziele verfolgen. Schauen wir uns genauer an, was das in der Praxis bedeutet:

Was bedeutet Terror Management für unseren Alltag?

Die Terror Management Theorie beschreibt sehr gut und tiefgreifend, wie der Mensch mit dem Wissen um seine eigene Vergänglichkeit umgeht[6]. Und dieses Umgehen hat bedeutendste Auswirkungen auf unser Leben, denn wir wollen nicht akzeptieren, dass wir aus biologischer Sicht genauso bedeutungslos sind wie jedes andere Lebewesen, wie beispielsweise eine Maus oder ein Apfel.

Unser Verlangen nach Unsterblichkeit inspiriert uns zu Kunstwerken wie Romanen und Symphonien und treibt uns an, mehr Geld zu verdienen. Wir schaffen Hierarchien, indem wir uns teure Kleidung, einen bestimmten Stil und Macht aneignen, um zu beweisen, dass wir »immortal« sind im Vergleich zu anderen, die nicht so hoch in der Hierarchie stehen.

Wenn wir uns unsicher fühlen, werden wir immer mehr wollen. Alles, was Leben und Vergnügen verspricht, zieht uns an, und alles, was diesem Zustand entgegensteht, stößt uns ab. Unser Verlangen nach mehr gibt uns psychologisch das Gefühl, ewig zu leben.

Diese Angst vor dem Tod führt zu einem Verlangen nach Konsum und Besitz. Wir kaufen beispielsweise immer mehr Kleidung, obwohl wir eigentlich schon mehr als genug besitzen. Dieser Überfluss an Kleidung soll uns das Gefühl geben, ewig Zeit zu haben, sie zu tragen. Aber in Wirklichkeit verstecken wir uns hinter diesen materiellen Dingen und suchen Schutz vor der unbequemen Wahrheit unserer Sterblichkeit.

Die »Logik« unseres Unbewussten

Unser Unbewusstes gaukelt uns durch Verfolgen unseres Unsterblichkeitsprojekts eine Immortalität vor. Es gibt sogar Stimmen, die behaupten, dass das Unbewusste selbst glaubt, wir seien wirklich unsterblich[5]. Dies zeigt sich schön im Traum: Träume sind Gedanken, die durch unser Unbewusstes gelenkt werden. Dabei verhält es sich so, dass man in einem Traum nicht wirklich sterben kann[7]. Oder man erkennt es daran, dass ein Kleinkind logisch »lernen« muss, dass Menschen sterben können: Babies und Kleinkinder verhalten sich geradezu wie »Lemminge«, wenn man nicht strikt auf sie aufpasst. Gleichzeitig sind kleine Kinder keine logisch denkenden, sondern tief emotional aus dem Unbewussten gesteuerte Wesen. Erst mit etwa 3 Jahren realisieren Kinder, dass es den Tod überhaupt gibt. Trotzdem glauben sie bis circa zum 10. Lebensjahr, dass man den Tod »austricksen« könne, wenn man nur clever genug sei[4].

Diese »Übersprungshandlung«, das Verfolgen von metaphysischer Unsterblichkeit, ist sogar der Grund für Krieg und Leid auf der Welt. Wir wollen unsterblich sein und alles tun, um uns vor unserer Angst vor dem Tod zu schützen. Das schließt grotesker Weise ein, einen Krieg für das Überleben einer »unsterblichen« Nation zu führen, selbst, wenn dies das vorzeitige Ableben vieler Menschen bedeutet.

Kurzfazit: Die Angst vor dem Tod führt dazu, dass wir uns unbewusst Unsterblichkeit versuchen vorzugaukeln durch Besitz, Konsum und Macht. Wir suchen nach vermeintlichem Schutz vor dem Tod, was zu Leid und sogar Krieg führen kann, während uns unser Verlangen nach metaphysischer Unsterblichkeit antreibt – und uns oft verleitet, unklug zu handeln.

Die Terror Management Theorie ist bewiesen

Als die Terror Management Theorie vor knapp 40 Jahren veröffentlicht wurde, zweifelte man diese in der Fachwelt stark an. Doch seitdem haben sich insbesondere die heutigen Professoren Solomon, Greenberg und Pyszczynski zur Lebensaufgabe gemacht, ihre Theorie auch tatsächlich zu beweisen. Dies ist ihnen in vielen cleveren Versuchen immer wieder gelungen. Wenn Sie sich noch nicht vorstellen können, dass die Angst vor unserer eigenen Sterblichkeit für so viele Dinge in unserer Kultur und unserem Leben verantwortlich sein soll, dann kann ich Ihnen berichten, dass es zahllose Felder gibt, auf denen Versuche immer wieder zeigten, dass diese Theorie auch in der Praxis real ist:

Kulturelle »Überlegenheit«: In diesen Studien werden die Teilnehmer dazu aufgefordert, die Überlegenheit ihrer eigenen Kultur zu bewerten und zu verteidigen. Es wurde gezeigt, dass die Bewertungen von Kultur-Überlegenheit nach einer kurzen, aber intensiven Erinnerung an die eigene Sterblichkeit signifikant ansteigen.Werbung: In diesen Studien wird den Teilnehmern Werbung für Produkte präsentiert, die mit dem Tod assoziiert werden (z.B. Grabsteine). Es wurde gezeigt, dass die Teilnehmer nach einer Aktivierung des Gedankens an die eigene Sterblichkeit eher bereit sind, für Produkte zu bezahlen, die ihnen das Gefühl von Sicherheit und Überleben vermitteln.Kreativität: In diesen Studien werden den Teilnehmern kreative Aufgaben gestellt, nach denen sie sich an ihre eigene Sterblichkeit erinnert wurden. Diese Erinnerung führte zu einer klaren Verminderung der Kreativität der Teilnehmer.Hierarchien: Studien haben gezeigt, dass, nachdem Forscher den Teilnehmern die Begrenztheit des eigenen Lebens bewusst machten, die Befürwortung von Autorität und Hierarchie zunahm (im Detail erklärt die Terror Management Theorie damit übrigens auch, wieso ein Volk wider besseres Wissen eine autokratische Regierung wählen kann).Nationalismus: Studien ergaben, dass das Aufrufen von Gedanken an den Tod das Bedürfnis nach nationaler Zugehörigkeit erhöhen und nationalistische Einstellungen stärken.Rassismus: Studien haben gezeigt, dass die Angst vor dem Tod die Tendenz zu Diskriminierung gegenüber anderen Ethnien erhöht (schauen Sie nur einmal in die Medien, wie seit Aufkommen von COVID-19 – einer Erinnerung an unsere Sterblichkeit durch eine Seuche – die Fremdenfeindlichkeit in der Welt zugenommen hat).Religiosität: Untersuchungen deckten ebenfalls auf, dass die gleiche Angst das Bedürfnis nach religiöser Zugehörigkeit erhöht und die Religiosität stärkt.