Mondzauber - Nicole Seidel - E-Book

Mondzauber E-Book

Nicole Seidel

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Beschreibung

In einem Land in dem Elfen, Menschen und anderes Getier recht friedlich zusammen leben, kehrt eine Schwarzmeisterin zurück und mit ihr erwacht das Böse aus vergangener Zeit. Der Krieg mit der dunklen Seite ist nicht mehr aufzuhalten, als klar wird, dass der Dunkellord neue Diener gefunden hat. Ihm stellen sich Valveriel und Thorynn entgegen. Werden die Elfen ihnen diesmal helfen?

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Seitenzahl: 259

Veröffentlichungsjahr: 2014

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Nicole Seidel

Mondzauber

Band 1 und 2

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

MONDZAUBER 1 und 2

Buch 1 DER UNTERGANG DER ZWERGE

Buch 2 DAS ERBE DES DUNKELLORDS

Impressum neobooks

MONDZAUBER 1 und 2

Unheilvolles Wirken im Hintergrund

Buch 1 DER UNTERGANG DER ZWERGE

1 Erwacht

Erst ging ein sanftes Zittern durch den Berg, wie ein Schaudern, das einem den Rücken hinab lief. Das unerwartet anhob zu einem Schütteln, als würde sich ein Hund das nasse Fell trocknen.

Das Erdbeben bemerkte niemand, außer einigem Getier zwischen den Felsspalten, die drohten zerquetscht zu werden. Doch sie flohen rechtzeitig, hatten sie das Nahen des Bebens, das hier im nördlichsten Schicksalsgebirge fast schon alltäglich war, zuvor gespürt.

Im Zentrum des Grollens lag die uralte Festung Lossoth, die in den Berg gehauen einst die Zuflucht für ein untergegangenes Hexenvolk barg. Im angrenzenden, fruchtbaren Tal zeugten nur einige wenige gestürzte Statuen und verwitterte Mauern aus Stein, die zwischen dicken Lianen hervorlugten von ihrer einst sicher glorreichen Existenz. Felslawinen und dichter Wald hatten sich ihren Platz zurück erobert und alles von Hexenhand erschaffene überwuchert.

Seit fast einem halben Jahrtausend hatte kein denkendes Wesen mehr einen Fuß in diese vergessene Landschaft gesetzt. Niemanden gierte es nach den unbekannten Reichtümern Lossoths, die unter den schneebedeckten Gipfel ruhen mochten. Hier wo die Winter noch eisig-lang und die Sommer heiß und viel zu kurz waren.

Doch dieses erneute Beben öffnete ein natürliches Grab und ließ eine Gestalt frei, die ebenso ins Vergessen gerückt war, wie die letzte große Schlacht, in der Tûron der Dunkellord getötet worden war - und das Gute wieder einmal über das Böse siegte.

Mein Erwachen geschah unerwartet und plötzlich, als die Steinlawine, die mich einst begrub, vom erneuten Beben hinfort gerissen wurde. Ein Teil der inneren Ebene brach ein und riss einen gewaltigen Geröllberg mit sich. Mehr als zwei Drittel der inneren Festungsräume waren verschüttet und bereits von einem lodernden Abgrund verschluckt worden. Die Felsbrocken, die von der Decke rieselten und sich mit den Trümmern am abschüssigen Boden vereinten strebten dem rotglühenden Schlund einer tiefen Hölle entgegen.

Inmitten dieses staubigen Steinhagels öffnete ich die Augen und war Spielball der Naturgewalt. Meine rechte Hand umklammerte einen Zauberstab von dem ein weißes Licht ausging und mich gegen die dicksten Brocken abschirmte. Während ich mir zu Bewusstsein brachte, wo ich eigentlich war, rutschte mein ausgehungerter Leib mit all dem Felsgestein weiter die Schräge hinab. Verzweifelt suchte meine freie Hand nach Halt und doch kam ich dem Abgrund immer näher.

Ein letztes Mal erzitterte der Berg unter heftigen Qualen und ein Teil der Decke brach unter gewaltigem Grollen. Ich schrubbte mit dem Schotter über den Boden, lenkte mit meiner Magie einen Felsbrocken ab, der mir sonst den Kopf zerquetscht hätte und kam endlich zum Halt. Mit der linken Hand umklammerte ich eine aufgesprungene Bodenplatte und meine Beine baumelten bedrohlich über dem Abgrund.

Einige Steine rollten noch an neue Stelle, dann trat Stille ein. Der Staub in der Luft sank vehement nach unten. Das fahle Licht meines Stabes beleuchtete die grau-schwarze Umgebung. Viele Atemzüge wartete ich unbeweglich, doch es folgten keine Nachbeben und so wagte ich es endlich, mich aus meiner misslichen Lage zu befreien.

Ich verkantete den Stab zwischen Geröll, so dass er nicht den Abgrund hinab rollen konnte. Nun zog ich mich mit beiden Händen, die in schwarzen Handschuhen steckten, in sicheren Bereich und stellte mich mit zitternden Beinen auf.

Mit Hilfe meines Zauberstabes - einem vielfach in sich gedrehtem Kunstwerk aus schwarzem Hartholz, an deren Spitze eine fünfblättrige Blüte einen milchweißen Ithildim (einen Mondstein) umschloss - kletterte ich über die Trümmer. Ich fand einen Weg, musste mich aber durch enge Spalten zwängen und über Geröllberge steigen, und es schienen Stunden zu vergehen, bis einige verirrte Sonnenstrahlen mir den Weg hinaus zeigten.

Der Vorhof Lossoths war zerstört und die einstige Pracht zerschlagen. Niemand wusste, ob ein Krieg dies verursacht oder ob die Menschen, die hier einst lebten, alles verlassen hatten. Ich durchwanderte den hohen Eingangsbereich. Das Holz der gewaltigen Torflügel war längst verwittert und ließ nur ein zahnloses steinernes Maul zurück, durch das ich auf einen flachen Platz hinaustrat. Überall wucherte lianendicker Efeu und verschmolzen mit den Mauern der Festung und dem Berggestein. Auf dem Plateau, an dem zwei steile Wege hinab ins Tal führten, blickte ich nach Westen einem Sonnenuntergang entgegen.

Unter mir breitete sich ein kleiner Wald mit kargen Bäumen aus. Gesäumt im Westen und Osten von hohen Bergen - den nördlichsten Ausläufern des Amarth-Aeglir - deren Gipfel noch weiß vom Winter waren. Hier hatte der Frühling noch keinen Einzug gehalten, doch die Strahlen der untergehenden Sonne zeugten schon von seiner Wärme.

Tief sog ich die frische Luft in die Lungen und fand endlich die Zeit an mir hinabzusehen. Den schwarzen Umhang mit der weiten Kapuze legte ich ab, um den Staub einfach auszuschütteln. Auch auf meinem fast knielangen Mantel, der Hose und den hohen Stiefeln wischte ich mir den Staub fort. Am Gürtel steckte ein Elbenmesser, etwa unterarmlang und ein Säckel mit Edelsteinen. Meine gesamte, verstaubte Kleidung war vom dunkelsten Schwarz.

Mit den Fingern durchkämmte ich mein grau-schwarzes langes Haar und tastete mein ausgemergeltes Gesicht ab. Ich schien alt geworden zu sein. Und mein ganzer Körper schmerzte mir. Mit einem einfachen Zauber heilte ich die körperlichen Blessuren: die unzähligen Prellungen, Schürfwunden und Schnitte der unzähligen scharfkantigen Felsbrocken, der Bruch zweier Rippen und ich reinigte sogar die staubigen Lungen. Ein Wunder, dass ich mir nicht mehr Knochen im ausgezerrten Leib gebrochen hatte.

"Verdammt sei meine Neugier, die mir nichts als Ärger eingebracht hat. Aber kein neues Wissen", sprach ich zu der Sonne, die hinter der Bergsilhouette zu versinken begann. "Wie viele Jahre habe ich nur verschlafen und ich binschwarz!" Meine kühle klare Stimme verfluchte fast das letzte Wort. "So vieles nimmt einen völlig anderen Verlauf, als es vorherbestimmt ist und nur, weil ich eine Frau bin! Oder mag es daran liegen, dass ich zum Geschlecht der Elben gehöre. Weißt du mir die Antwort, Sonne?" Ich breitete meinen Umhang aus und setzte mich darauf, ein kleiner Mauerrest diente mir als Rückenlehne. "Natürlich nicht", endete mein einsamer Monolog.

Ich war nach Lossoth gekommen, um nach den verschollenen Geheimnissen eines untergegangenen Volkes zu suchen. Stattdessen hatte ich hier nur mein Grab gefunden, war unerwartet in den Ruinen verschüttet worden. Felsbrocken waren auf mich niedergeprasselt, so dass ich mich nicht mal mehr hatte mit Magie befreien können. So wartete ich auf meinen Tod und meine Erneuerung - und verlor nie die Hoffnung, doch noch mal gerettet zu werden. Nun hatte mich der Zufall wieder frei gegeben.

Ich betrachtete den Sonnenuntergang und genoss jeden frischen Atemzug, der durch meine Lungen strömte. Mein schwarzer Stab leuchtete fahl und erzählte mir von der Welt. Ennor schien sich gewandelt zu haben. Am anderen Morgen, wenn die Sonne mich wieder begrüßen würde, wollte ich mich auf den Weg machen, um dies herauszufinden.

Ich hüllte mich in meinem Umhang. Die Nacht brach herein. Ich hatte meine Handschuhe ausgezogen und meine Handflächen berührten die trockene Erde auf der ich saß. Ich lauschte dem Klang der Welt, hörte den Herzschlag des Lebens um mich und folgte unsichtbaren Energiebahnen, die mir eine unbekannte Geschichte erzählten. Nicht alles hatte sich gewandelt, es gab noch viel des Altvertrauten.

Die ganze Nacht lag ich wach und lauschte und hing meinen Gedanken nach. Schlafen konnte ich nicht, nachdem ich wohl fünf Jahrhunderte untätig in der Ruine begraben gewesen war. Bevor dies geschah, war ich als AduialGaer-Ithryn, die Rotmeisterin bekannt gewesen. Nun nach meinem unfreiwilligen Tod war aus rot schwarz geworden. Dies wunderte mich schon ein wenig, denn jeder Ithron wurde nach seiner Erneuerung eigentlich zu einem Weißmeister. Aber bisher waren alle Zauberer ja auch männlichen Geschlechts gewesen - ich war in der gesamten Geschichte der Meister die einzige Frau, die je die Insignien der Magie erhalten und das Ithron-Ritual überlebt hatte.

Aduial Gaer-Ithryn würde ich zurücklassen, hatte ich doch keine positive Erinnerung an dieses Leben. Nach kurzer Überlegung wollte ich mich Valveriel nennen, was mein Mädchenname in der Elbengemeinschaft gewesen war.

Als schmale Sichel thronte der Mond über mir am Nachthimmel und er spendete mir nur unzureichend etwas von seiner magischen Lichtenergie, die der Ithildim in meinem Zauberstab gierig aufsaugte und an mich weiter gab. Denn ich war nicht nur eine Zauberin, sondern trug das Erbe des Mondes in mir und war seine demütige Herrin.

Den Umhang zog ich mir dichter um den dünnen Leib, die Nacht hier oben im Gebirge war kühl und ich fühlte mich noch entkräftet und schwach. Magie zu wirken kostete mich Kraft. Das Licht des Monds schien zu schwach, um meine aufgebrauchten Energien im Übermaße aufzuladen.

Einmal flatterten zwei Nachtfalter über meinem Kopf hinweg. Ich ergriff mir einen davon mit der Hand und hielt ihn mir dicht an den Mund, um dem kleinen Tier Zauberworte zu zuflüstern. Aufgeregt zitterten seine zerbrechlichen Flügel während er mir lauschte, dann ließ ich den Falter frei und er flog mit seiner Aufgabe davon.

Da ich nicht wusste, welche Welt mich erwartete, konnte ich auch noch keine Pläne schmieden, was ich tun wollte. Wer lebte von den Personen, die ich vor fünfhundert Jahren zurück ließ? Welche Orte gab es noch, in denen man mich willkommen geheißen würde? Sehnsüchtig erwartete ich den Morgen.

Ich sammelte einige essbare Blätter von einem immergrünen Strauch und kaute hungrig darauf herum. Sehr nahrhaft war die karge Kost jedoch nicht. Wie gut, das Elben ein asketisches Leben führen konnten.

Mit der aufgehenden Sonne bewegte sich ein länglicher Schatten vom Himmel auf mich zu. Ich hüllte mich in meinen Umhang, barg mein auffälliges Gesicht unter der weiten Kapuze und wartete auf die Gestalt, die sich mir näherte. Meinen Zauberstab streckte ich dem großen Vogel entgegen und grüßte ihn mit den Worten: "Freund Craban ich brauche deine Dienste."

Der riesige Rabe krächzte laut eine einsilbige Antwort und flog dicht unterhalb des Plateaus vorbei. Ich nahm kurz Anlauf und stieß mich dann ab, um zwei Herzschläge später auf dem schwarzen Gefieder des Vogels zu landen. "Es ist wundervoll, dass es dich noch gibt, Craban und du meinem Ruf gefolgt bist. Kannst du etwas Zeit erübrigen, um mir Ennor zu zeigen? Ich war lange, sehr lange fort gewesen, musst du wissen."

Als Antwort kam ein erneutes "Krah!" und der mächtige Vogel, mit mir im Nacken, erhob sich weit in den Himmel. Er schwenkte gen westlichen Süden und wir überflogen die weite braunfarbene Ebene zwischen den Ländern Forodrim im Norden und Lanndun im Osten. Das sanfte Hügelland unter mir wirkte verlassen und ohne Leben. Ich entdeckte keine Tierherde, nur einige kleinere Singvögel kreuzten unseren Weg. Knorrige alte Baumskelette unterbrachen den Wellenfluss der spätwinterlichen Landschaft, in dem der Schnee geschmolzen, aber nur wenige erste Blumen ihre Köpfe aus der harten Erde lugten.

Bald zeigten sich kleinere Bergformationen und dichte Waldstücke, zwischen denen abgeerntete Felder und kleine Gehöfte die Zivilisation ankündigten. Als ich die gepflasterte Oststraße erblickte, sollte Craban ihr folgen. Wir flogen so hoch, dass die Bewohner unter uns wie winzige Ameisen wirkten, als wir über die größere Menschensiedlung Fargo flogen.

Fargo war eine kleine Stadt in der hauptsächlich Menschen lebten. Eine begehbare Palisade umschloss den Komplex von meist dreistöckigen Fachwerkhäusern und die schmalen Straßen bildeten ein chaotisches Gewirr, in dem sich nur die Einheimischen auf Anhieb zu Recht fanden. Gewachsen war der Ort nicht fiel, stellte ich mit Bedauern fest, und wirkte noch immer so schlicht und grobschlächtig wie eh und je. Von Fargo aus führte eine zweite Straße - die Nord-Süd-Straße - bis nach Lhagos ganz weit im Süden.

Tief hatte ich mich vorgebeugt und ließ den Raben die Straße folgen, die schnurgerade nach Osten führte. Sein Gefieder war weich und ich genoss den Flug. Bald trat das dunkle Massiv eines kleinen Gebirgszuges in unseren Sichtkreis, dessen Spitzen meist von Nebel umwallt waren. "Die verschwundenen Höhen", murmelte ich, "lass uns am Severn eine Rast machen, aber komme nicht zu dicht an der großen Brücke vorbei. Wer weiß, wer dort heute wacht."

Der Rabe antwortete mit seinem "Krah!" und glitt ein wenig höher. Der Fluss Severn mündete in das große Meer und kreuzte bei der großen Stadt Dover die Nord-Süd-Straße. Er trennte Dunadan von Lanndun, durch die die Oststraße verlief. Der linke Arm des großen Stroms verlor sich im Norden in den Schicksalsbergen, während der rechte Arm, der Bruinen genannt wurde, sich in Wasserfällen in die Schluchten des Amrun ergoss.

An einer einsamen Stelle, am Rande eines lichten Wäldchens landete der riesige Vogel und ich stieg ab. Als gleich erhob sich Craban und verschwand.

Das Ufer des Severn war flach, sanft die Strömung und er war so breit wie mindestens drei Spannweiten eines Drachen. Ich blickte zum gegenüberliegenden Ufer, an dem sich die fruchtbare Vegetation fortsetzte und in der Ferne konnte ich den Trollhöhenwald sehen. Dahinter lag Amrun, dachte ich schwermütig, wenn Erondil noch lebte, dann sollte ich diesen Ort meiden. Am Horizont erkannte ich die mächtige Silhouette des Amarth-Aeglirs. "Das Schicksalsgebirge", murmelte ich. "Doch wohin soll ich mich wenden?"

Einige Zeit wanderte ich am Severn entlang. Die Wiesen trugen schon das erste saftige Grün und etliche Blumen regten ihre bunten Köpfe der Frühlingssonne entgegen. Insekten bestäubten sie und die Welt begann mit ihrer Erneuerung.

Ich sammelte einige Blüten, und aß sie, aber meinen Hunger konnten sie nicht stillen. Jahrhunderte in der dunklen Einsamkeit zubringen zu müssen, gefangen im Fels und ohne sich bewegen zu können, war auch für einen Zauberer eine harte Prüfung, die Spuren am Körper und der Seele hinterließen. Ich begann mich nach Gesellschaft, wohlige Bequemlichkeit und vor allem nach einem warmen Mahl zu sehnen. Ausgezerrt und mein Antlitz mager musste ich zudem meine magische Kraft erneuern. Hier einsam in der Wildnis war mir dies nicht möglich.

Anderseits wusste ich nicht, wie die Bewohner Ennors auf eine Schwarzmeisterin reagieren würden. Menschen und Zwerge waren sehr misstrauisch und voreingenommen und reagierten manchmal unüberlegt. Halblinge waren mir zu wenige begegnet, um mir eine Meinung über die Kleinen mit den haarigen Füssen bilden zu können. Und die Elben? Ihnen galt immer mit Vorsicht zu begegnen, auch wenn sie einem Gast ein freundliches Lächeln schenkten.

2 Herberge

Zu viel Zeit hatte ich mit meinen Grübeleien und dem Spaziergang vertan, dass ich mich entschloss dem Severn nach Süden zu folgen und es bis zur letzten Brücke zu wagen. Sicher gab es dort eine Herberge, in der fahrende Händler und Reisende Unterkunft fanden. Ich zog mir die Kapuze weit ins Gesicht und zog mein Halstuch bis über die Nase, um mein auffälliges Gesicht dahinter zu verstecken. Meine schwarzen Gewänder und der lange Zauberstab mit dem Ithildim an der Spitze waren schon auffällig genug, so musste nicht jeder gleich erkennen, dass ich zudem eine Elbenfrau war.

Die Sonne strebte dem Horizont entgegen, als die Steinbrücke, die über den Severn führte vor mir auftauchte. Zu beiden Seiten erhoben sich einige Gebäude aus Stein und Holz: Wirtshäuser, Stallungen, Wohn- und Lagerbereiche.

Da die Abende noch recht frisch, die Nächte kühl und die Bäume noch nicht in voller Blüte standen, waren auch nicht sehr viele Reisende unterwegs, nur eine Handvoll Händler ersuchten eine Unterkunft für die Nacht.

Ich betrat das Gasthaus "Zum alten Krug". Der Innenraum wurde von Öllampen erhellt und über den wärmenden Feuern hingen Kessel mit duftenden Eintöpfen. Der bullige Wirt, ein bärtiger Mensch, füllte gerade etliche Krüge mit Bier. Rechts vom Eingang saß eine Horde Zwerge am größten Tisch im Raum und gaben lauthals kund, was sie alles an diesem Abend verspeisen wollten, einschließlich dem pummeligen braunhaarigen Mädchen, das ihnen die Bierkrüge brachte. Ich umrundete die Zwergentruppe so gut es mir gelang, ohne dabei aufzufallen. Zwängte mich an einem Tisch vorbei, an dem ein Händler mit einem Kerl in abgerissener Waldläuferkleidung flüsternd etwas beredete. Ich strebte den abgelegensten und unauffälligsten Platz im Raum an.

Kaum saß ich auf der klobigen Holzbank und hatte meinen Stab hinter mich an die Wand gelehnt, als der bullige Wirt vor mir stand. "Was kann ich bringen? Braucht ihr auch ein Zimmer?"

"Ein Zimmer für die Nacht, ja." Ich verstellte meine Stimme und ließ nicht erkennen, ob sein Sprecher alt oder jung, männlich oder weiblich sein mochte, so neutral und nichtssagend kam sie unter der Kapuze hervor. "Und bringt mir etwas nahrhaftes mit viel Gemüse und einen Becher von eurem besten Bier."

"Woher kommt ihr?" fragte der Wirt und machte keine Anstalten zu gehen. "Seit ihr ein Zauberer?"

Ich griff zum Beutel an meinem Gürtel und fingerte einen kleinen Edelstein hervor. "Zügele deine Neugier, Wirt. Gibt es hier die Möglichkeit ein warmes Bad zu nehmen?"

Der bullige Kerl nahm den Edelstein entgegen, prüfte ihn kurz und steckte ihn dann in ein Säcklein an seiner nicht besonders sauberen Schürze. "Nebenan", nickte er und begab sich an seine Theke zurück.

Kurze Zeit später brachte das pummelige Mädchen mir eine Schüssel voll Eintopf und einen Tonkrug mit schäumenden Bier.

Unerwartet packte ich die Dienerin am Arm. "Richte für mich ein heißes Bad." Und mit einem verachtenden Blick zu den grölenden Zwergen gerichtet: "belästigen dich die Kerle?"

"Ein wenig, Herr. Doch morgen werden sie weiterziehen", gestand sie mir mit Fistelstimme und vermied es einen scheuen Blick zu den grölenden Zwergenmännern zu werfen.

Ich murmelte ungehört einige Zauberworte und ein sanfter Blitz drang von meinen Fingern in den Arm des Mädchens, die sich daraufhin erschrocken losriss.

"Ich richte euch ein Bad", sagte sie verstört und lief davon. Vorbei am Tisch mit den rülpsenden, haarigen Zwergen, fünf an der Zahl. Einer hielt sie auf, in dem er ihren Arm packte, ein anderer tatschte zur gleichen Zeit an ihren prallen Hintern. Das Mädchen gluckste auf und die beiden Zwergenmänner fluchten überrascht, als sie einen Energieschlag abbekamen, als hätten sie heiße Kohlen umfasst. Ich lächelte in mich hinein.

Bei den fünf Zwergen saß ein junger Mann, der kein Zwerg war, aber Kleidung und Aussehen mit ihnen teilte. Er war normalgroß und wohl bei ihnen aufgewachsen. Dieser, der sein schwarzes Haar in dicken Zöpfen geflochten hatte, blickte neugierig in die Ecke, in der die schwarzgewandete Gestalt saß. Doch er hob nur seinen Bierkrug und sagte zu einem der beiden zurechtgewiesenen: "Sind der Kleinen Zähne auf der Haut gewachsen, die dich gebissen haben Ogron! Hol deine Würfel heraus, ich will dir einige Edelsteine abknöpfen."

Da ich nicht weiter belästigt wurde konnte ich mich meiner Mahlzeit widmen. für meinen Geschmack war der Eintopf zu scharf gewürzt und das Bier zu bitter, aber nach meiner langen Abstinenz eine willkommener Genuss. Ich sah immer mal wieder zu den lärmenden Zwergen hinüber - vermutlich handeltreibende Gesellen, da sie nicht bis zu den Haarspitzen in Eisen gepackt und schwer bewaffnet waren, wie ich das von den kriegerischen Zwergen aus Riga kannte. Aber auch diese trugen nietenbesetzte Wämser, Schwerter und Äxte am Waffengurt. Ihrem großen Begleiter warf ich einige Blicke mehr entgegen. Das Zwergenvolk war eher dafür bekannt, unter sich zu bleiben und gewehrten nur wenigen anderen Personen einen tieferen Einblick in ihre Kultur.

Um nach dem Essen ungestört das heiße Bad genießen zu können, legte ich einen Abschirmzauber um mich und den Badezuber. Außerdem hatte ich das Mädchen gebeten, vor der Tür zu wachen um neugierige Badegäste auf eine spätere Zeit zu vertrösten, bis ich fertig war. Ich war ein wenig zu Kräften gekommen und fühlte mich nun auch wieder sauber.

Das schwarze, ergraute Haar ging mir bis über den Rücken, damit es nicht störte band ich es im Nacken mit einem Lederband zusammen. In einem Spiegel konnte ich mein kantiges Gesicht bewundern, meine Augen hatten die Farbe von dunkler Nacht. Na ja, eigentlich war ich über mein ausgezerrtes Aussehen eher entsetzt, die Wangenknochen traten hart hervor, die Augenhöhlen war zu tief und der Mund verkniffen, die vollen Lippen blass.

Die Nachtruhe trügte, denn mich hielt es nicht im Zimmer. Ich hatte lange genug geschlafen, um nun keine Muße zum Schlafen zu finden. Hinter geschlossenen Türen drangen Schnarchgeräusche an meine Ohren, als ich das Gebäude verließ und im nächtlichen Hof verweilte. Doch ich war nicht allein hier draußen. Eine große, gerüstete Gestalt stand auf Höhe des Pferdestalles und blickte die Straße hinunter.

Er schien auf etwas zu warten. Oder zu lauschen. Und da durchbrach ein heller Schrei die dunkle Nacht. "Orküberfall!" brüllte der Mann, es war der junge Begleiter der Zwerge. "Auf die Beine, Zwerge! Los, Ithron, leuchte mir!" Schon rannte er die Straße hinunter, in die Nacht hinein und dem Schrei entgegen.

Ich zog mir die Kapuze tiefer ins Gesicht und eilte dem Mann nach. Ein fahles Licht, ausgehend von meiner Stabspitze, erhellte uns den Weg. Mir folgten fünf Zwerge, die fluchend aus dem Stall gestolpert kamen, sich die genieteten Lederwamse festzogen und ihre Äxte und Schwerter schwangen.

Es dauerte nicht lange, da kam Kampflärm und schauerliche Orkgrunzen immer näher. Und schon erfasste das fahle Licht des Zauberstabes eine blutige Szenerie. Panisch wieherten zwei Zugpferde vor einem Händlerwagen, den drei verunstaltete Orks in die Mangel nahmen. Eine blonde Frau - sie musste geschrien haben - wehrte notdürftig eine der grässlichen Gestalten mit einem Langmesser ab. Neben ihr versuchte ein Junge mit einem Spaten den Ork vom Rücken eines der Zugpferde zu vertreiben, während ein dritter narbiger Unhold sich den beiden vom hölzernen Wagendach näherte.

Zwei Reiter wurden von weiteren fünf Orks bedrängt. Drei gelang es, den älteren Mann vom Pferd zu zerren, als der junge Mann in Zwergentracht ihm zur Hilfe eilte. Mit einem Schlachtruf und seinem breiten Kurzschwert spaltete er einem Ork die Schulter.

Ich schleuderte einen Energieblitz aus meiner Hand gegen den Ork, der auf dem Wagendach herum kletterte. Noch im Flug verbrannte der hässliche Kerl.

Dann waren auch die fünf Zwerge herbei und widmeten sich mit ihren hungrig-scharfen Klingen den verunstalteten Angreifern. So währte der Kampf nicht lange und nach kurzer Zeit lagen acht hässliche Orks im eigenen Blut tot am staubigen Boden.

Zitternd kletterte die blonde Frau vom Wagen und kniete neben ihrem schwer verletzten Mann. Ein alter Zwerg mit roten Zöpfen im langen Bart kümmerte sich um den zitternden Jungen, ein anderer im auffällig-bunten Flickenmantel erlöste eines der Zugpferde von seinen Qualen.

"Hab Dank, meine tapferen Herren", bedankte sich der jüngere Mann, der vom Pferd gestiegen und zu seinen Eltern und dem jungen Mann in Zwergentracht getreten war.

"So spät solltet ihr nicht unterwegs sein", murrte dieser.

"Wir hofften, die Herberge an der letzten Brücke noch rechtzeitig erreichen zu können, doch dann war es schneller dunkel, als uns lieb war. Wir sind Händler." Der Jüngling stellte sich und seine Familie vor. "Doch welch ein Glück, das Schicksal schickte uns euch Zwerge und einen Zauberer."

Der junge Mann mit den schwarzgeflochtenen Haaren wandte sich, wie der Händlersohn, zu mir schwarzen Gestalt um, die mit dem Zauberstab die Szenerie weiterhin mit fahlem Licht beleuchtete. "Ich bin Thorynn, Sohn von Odrin. Ohne Zögern hast du dich uns im Kampfe angeschlossen, Meister. Hierfür gebührt dir Dank."

"Wie auch du nicht gezögert hast, jemand Fremden zu Hilfe zu eilen, Thorynn." Meine Stimme blieb geschlechtslos und mein Elbengesicht im Schatten der Kapuze.

Die Zwerge halfen der verletzten Händlerfamilie bis zur Herberge zurück zu kommen. Für den Rückweg waren Fackeln entzündet worden, so konnte ich mich in die nächtlichen Schatten zurück fallen lassen.

Neugierig gesellte sich der großgeratene Thorynn an meine Seite. "Wer bist du? Willst du mir nicht deinen Namen verraten?"

"Ich binMorn-Ithron- mehr musst du nicht wissen. Dein Vater Odrin, ist er verwandt mit König Thorn?" Mir war sein adliger Zwergenname und die goldverzierte, nachtblaue Gewandung aufgefallen. Als Elbin maß ich ein Meter neunzig und der junge Mann mit den schwarzen Zöpfen in der Mähne war kein bisschen kleiner als ich. "Du bist recht groß für einen Zwerg?"

Thorynn nickte. "Ich bin ein Findelkind und bei den Zwergen aufgewachsen. Nun, ich hörte nie von einem Morn-Ithron."

"Von welchen Meistern hörtest du dann?" Unsere dunklen Gestalten, die mit leisen Schritten dem Händlerwagen folgten, wurden gerade noch vom wandernden Schein der Fackeln ergriffen. Doch die nächtlichen Schatten waren tief und bargen mein Geheimnis. Und doch war mir nicht entgangen mit welcher Anmut der junge Mann daher schritt. Er hatte so gar nichts von seinen zwergenhaften Kumpanen.

"Im Großwald, nahe meiner Heimat Taeneir gibt es einenLaeg-Ithron. Doch der Grünmeister kommt selten aus seinem Wald heraus und man sagt, er soll etwas irr im Kopf sein. Dann soll es einen Grauen und einen Weißen Meister geben. Und angeblich existieren irgendwo unbekannt noch zwei Blaumeister. DerFaen-IthronMagnus, lebt in Caladtir, dort soll er auch bleiben, wenn du mich fragst. Sieh mich nicht als zu dreist an, aber warst du vor schwarz noch eine andere Farbe?"

Ich blieb unverwandt stehen und sah dem hübschen, jungen Mann in die strahlendblauen Augen, die das spärliche Licht wild reflektierten. Sein Vollbart war noch kurz, die edle Lederrüstung von bester Qualität und der nachtblaue Mantel mit Goldfäden gesäumt. Unverkennbar war Thorynn von hoher Geburt erzogen worden, doch welches alte Wissen hatte man ihm gelehrt? "Ich war rot", verriet ich ihm.

Ein Schatten schien sich auf sein Antlitz zu legen und er schwieg einige Atemzüge. "Ah, die Herberge ist in Sicht. Morgen reise ich mit meinen Kameraden weiter heimwärts. Komm mich mal in Taeneir besuchen, dort herrscht Reichtum und reges Treiben. Die Stadt Lyon oberhalb des Valetta-Sees könnte dir gefallen und im nahen Großwald lebt sogar ein Elbenkönig."

"Vielleicht komme ich dich tatsächlich mal besuchen, ich bräuchte ein gutes Schwert."

"Solltest du dann nicht eher die Elben besuchen?"

"Sind nicht die Zwerge bekannt für ihre außergewöhnliche Schmiedekunst? Leb wohl, Prinz Thorynn." Ich ließ den jungen Mann im Hof vor dem Gasthaus stehen und betrat das Wohngebäude, für diesen ersten Tag und zweite Nacht hatte ich wahrlich schon genug erlebt.

3 Magnus

Weil ich der Zwergentruppe am anderen Morgen nicht mehr begegnen wollte, hatte ich mich spät auf den Weg gemacht. Von meinem Zimmer aus konnte ich die fünf Zwerge und Thorynn mit ihren beladenen Ponys losziehen sehen. Sie gingen nach Osten, so wie auch ich es vor hatte.

Ich überquerte die Letzte Brücke - sie hieß wohl so, weil danach die Reisenden die große weite Wildnis erwartete. Ging am Gasthaus "Zum neuen Krug" vorbei und folgte weiter der Straße.

Nach einer Stunde fand ich, war ich genug zu Fuß marschiert und ich rief Craban. Unter den erschrockenen Blicken eines einsamen Wanderers, der sein braunes Reittier beruhigen musste, landete der riesige schwarze Vogel und ich stieg auf. Und schon flogen wir über den dichten, nicht sonderlich großen Trollhöhenwald hinweg.

Die Sonne stand im Zenit, als unter uns Amrun auftauchte. Rechterseits führte die Furt der Bruinen die Oststraße in das Amarth-Aeglir hinein, folgte einem kleinen Flusstal und stieg dann unerwartet zu einem langen, gefährlichen Pass durch das mächtige Schicksalsgebirge an. Dies war der offizielle Weg, um die gewaltigen Berge, die Ennor teilte, zu überwinden.

Amrun selbst war ein verschlungenes fruchtbares Tal inmitten zerklüfteter Felswänden und Schluchtenabschnitte, in denen man sich leicht verirren konnte, kannte man nicht die verborgenen Wege hinein und hindurch. Amrun selbst blieb mir und meinem Reitvogel verborgen - Schutzzauber verbargen das Reich der schwarzhaarigen Elben.

So lenkte ich Craban nördlich und flog zu dem Pass, der sich dort öffnete. Wie schwarz-weiße Giganten erhoben sich die Schicksalsberge vor mir in mächtige Höhen. Ihre schneeumtosten Spitzen verloren sich in den dichten Wolken und hüllten den Tag in Dämmerlicht. Überfliegen war mir unmöglich, ich musste durch diese zerklüftete Steinwildnis. Deren schwer passierbare Wege noch vom Schnee verweht waren. Scharfkantige Felsvorsprünge griffen wie Finger nach uns und finstere Höhleneingänge starrten uns bedrohlich nach. Viele dieser Löcher waren die Eingänge zu unterirdischen Orksiedlungen. Manchmal hallte ein grausig-dumpfes Echo an den Steinwänden entlang und stellte mir die Nackenhaare auf. Das Amarth-Aeglir trugen seinen verheißungsvollen Namen nicht umsonst, denn so manchem Wanderer hatten die gewaltigen Berge ein schauerliches Schicksal beschert. Doch in seiner Größe barg das Gebirge außer Schrecken auch Schönheit.

Würde ich der langen Bergformation bis weit in den Süden folgen, fände sich dort der Caladtir, der nördlich vom Fluss Yller lag, der das Amarth-Aeglir mit einem prächtigen Tal teilte. Und wo sich Rohirs Pforte befand, die in die südöstlichen Länder Rohirrim und Haradrim führte.

Doch wieso musste ich plötzlich an den Weißmeister Magnus denken? In meinem Geiste manifestierte sich eine alte Gestalt mit weißem Haar und langem weißem Gewand. Ich ahnte, dass der Zauberer meine Anwesenheit spürte und sein geistiger Blick bereits nach mir suchte.

Ich verscheuchte das Bild und konzentrierte mich auf den gefährlichen Flug durch die Schluchten des Amarth-Aeglir. Der Rabe flog so hoch er konnte, doch seine Kraft reichte nicht aus, um über den Bergspitzen zu fliegen. Er musste hindurch. Manchmal drohten die weiten Schwingen die Wände der engeren Schluchten zu berühren, dann legte sich der Vogel schräg. In den schneebedeckten Gipfeln des Amarth-Aeglirs war der Wind eisig, ich ließ Magie wirken, um nicht zu erfrieren. Der Flug durch die Felsenklüfte dauerte Stunden und schien nie mehr enden zu wollen. Bis wir unerwartet doch hindurch waren und sich eine weite Ebene unter uns ausbreitete. Dort führte auch die Straße weiter nach Osten.

Kleine Felsformationen, sanfte Hügel und fruchtbare Steppenabschnitte wechselten sich in der Wildnis unter mir ab. In naher Ferne schlängelte sich das breite silberblaue Band des großen Stroms Shannon von Norden bis ganz in den Süden. Doch noch weiter dahinter verdunkelte ein schwarzgrüner Streifen den gesamten östlichen Horizont. "Der Großwald", murmelte ich und hatte ganz vergessen, wie riesig dieses Waldgebiet war.

Ich lenkte Craban etwas weiter nach Süden und wir folgten dem Shannon - neben dem der Severn wie ein Bächlein wirken mochte. Ich genoss meine neugewonnene Freiheit in vollen Zügen. Ließ mich vom Flug und dem sonnigen Tag berauschen und vergaß alles um mich herum.

Spät bemerkte ich den kleinen Schwarm Vögel, der zielsicher auf uns zu flog. Erst als Craban unruhig mit den Flügel schlug, krächzte und sich mir zu widersetzen begann, sah ich die zwei Dutzend schwarzen Punkte sich mir vom Süden her nähern. Schnell erkannte ich einen Schwarm Krähenvögel. "Späher!" murrte ich.

Da vernahm ich in dem Gekrächzt der Krähen eine Männerstimme, die ein magisches Lied sang. Diese Stimme kontrollierte die kleinen schwarzen Vögel, die immer näher kamen. Bis sie uns schließlich umzingelten und mich und Craban angriffen. Die spitzen Schnäbel und Krallen pickten ins Gefieder des Reitvogels und verhedderten sich in meinem Gewand. Mit dem Stab wehrte ich einige Krähen ab, doch der Rabe torkelte irritiert in Richtung Erde. Fast verlor er die Kontrolle und wäre wie ein Stein gefallen, wäre es mir nicht gelungen für einige Augenblicke den Krähenscharm abzulenken. Der Rabe fing seinen Sturz rechtzeitig ab und glitt nun kontrolliert in weiten Bögen abwärts.

Eine Handvoll Spähervögel setzte uns noch nach, doch ließen sie ab, als Craban mit mir am Ufer des Shannon gelandet war. Die Männerstimme verstummte und der Schwarm Krähen flog unerwartet von dannen.

"Was sollte das!" fluchte ich. "Das war keine nette Begrüßung." Ich konnte mir denken, dass dies die Aktion eines Zauberers war. Ich dachte da an Magnus Faen-Ithron.