Mord nach W.E.G. - Peter Jokiel - E-Book

Mord nach W.E.G. E-Book

Peter Jokiel

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Beschreibung

Bei einem Verkehrsunfall mit Fahrerflucht kommt eine Hausverwalterin ums Leben. Alles deutet auf einen tragischen Unfall hin, bis sich erste Verdachtsmomente ergeben, bei der die Verwalterin plötzlich in einem anderen Licht erscheint. Spannender Nürnberger Kriminalroman mit den bekannten Schauplätzen und guter Unterhaltung. Realistische Story bei der die Spannung auf keinen Fall zu kurz kommt. Ein Krimi mit Herz, Hirn und Härte.

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Mord nach W.E.G.

von Peter Jokiel

Boschs erster Fall

© 2017 Peter Jokiel

Umschlag, Illustration: Peter Jokiel

2. Auflage 2023

Website: peterjokiel.net

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Germany

ISBN

Paperback

978-3-347-93963-9

Hardcover

978-3-347-93964-6

e-Book

978-3-347-93965-3

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg Deutschland.

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

1. Gostenhof

2. St.Lorenz

3. Stadtpark

4. Heroldsberg

5. St. Johannis

6. Langwasser

7. Erlenstegen

8. Schoppershof

Mord nach W.E.G.

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

1. Gostenhof

8. Schoppershof

Mord nach W.E.G.

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Lesen Sie den ersten Fall von Polizeipressesprecher Peter Bosch.

Ein Nürnberger Krimi mit Herz, Hirn und Härte.

Alle eventuellen Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind reiner Zufall und nicht beabsichtigt.

Ebenso ist natürlich die Handlung frei erfunden.

1. Gostenhof

Ein typischer Tag bei der Polizeiarbeit, dachte ich mir. Ich saß im Auto mit meinem Kollegen Kriminaloberkommissar Bachmeier. Wir observierten die Tür eines Wohnhauses. Meine Laune war im Keller, ich hatte Hunger und musste schon seit einer gefühlten Ewigkeit pinkeln. Außerdem war ich unterzuckert und das ist nun wirklich keine gute Kombination.

Mein Kollege und ich warteten nun schon seit Stunden darauf, dass unser Verdächtiger irgendwann auftauchte. Wir waren nicht gerade in einem Vorzeigeviertel von Nürnberg, wir waren in Gostenhof. Zwar wurde das Viertel langsam besser und nach und nach auch modernisiert, so dass es mittlerweile sogar als chic galt, hier zu wohnen. Zumindest an ein oder zwei Ecken. Aber dennoch war es nicht ratsam, sich hier nachts blicken zu lassen. Nirgends gab es mehr internationale Mitbürger und eben auch die eine oder andere Straßenbande. Besonders rund um den Jamnitzer Platz, benannt nach der berühmten Goldschmiedefamilie aus dem sechzehnten Jahrhundert, kam es am Abend immer wieder zu Zwischenfällen.

Wir waren aber tagsüber hier und es war alles ruhig. Also eigentlich keine große Sache. Mein Kollege und ich warteten auf einen stadtbekannten Hehler, der alles aufkaufte, was man ihm anbot und dem wir wegen einer Einbruchserie auf den Zahn fühlen wollten.

Leider war in den letzten zwei Monaten in sechs Einfamilienhäusern eingebrochen worden und unter anderem waren auch Schmuck, sowie kleinere Antiquitäten und wertvolle Dekoartikel gestohlen worden. Aber immer nur Sachen die handlich und leicht zu transportieren waren. Eben alles, was in einen Rucksack passte. Dementsprechend blieben Fernseher, Stereoanlagen oder größere Bilder, an Ort und Stelle. Die Vorgehensweise war bei allen Einbrüchen immer die Gleiche gewesen. Mit einem Stemmeisen war die Terrassentür aufgehebelt, und ruck zuck das Haus nach Wertsachen durchsucht worden. Die Bewohner waren zu dem jeweiligen Zeitpunkt nie zu Hause gewesen und leider hatten sie dies durch heruntergelassene Rollos und überfüllte Briefkästen jedem Beobachter auch sehr deutlich gemacht. Laut Zeugenaussagen waren bei drei Häusern immer drei Personen beobachtet worden, die sich dort irgendwie rumdrückten. So war jedenfalls die Formulierung einiger Nachbarn gewesen. Die Art und Weise, wie in die Häuser eingebrochen worden war, ließ den Schluss zu, dass es sich hier wahrscheinlich jeweils immer um dieselben Täter handeln musste. Da wir ebenfalls davon ausgingen, dass die Täter eventuell die Beute gleich wieder vertickten, überprüften wir die üblichen Verdächtigen. Und da gehörte unser gesuchter Hehler auf jeden Fall mit zu diesem erlesenen Kreis. Natürlich rechneten wir nicht damit, einen der gestohlenen Gegenstände auf Anhieb bei unserem Hehler zu finden. Aber man weiß ja nie, und irgendwo mussten wir ja schließlich anfangen. Das Haus, auf das wir seit Stunden starrten, war ein ziemlich heruntergekommener Altbau in der Austraße, der weiß Gott schon bessere Zeiten gesehen hatte. Die alten Holzfenster hatten seit langer Zeit schon keine Farbe mehr und der Putz bröckelte an allen Ecken und Enden. Große Teile davon waren von Graffitis überdeckt. Alles an dem Haus sagte jedem Beobachter geradezu, dass es ein Rattenloch war. In Gostenhof hatten sehr viele Häuserzeilen die Bombardierung im Zweiten Weltkrieg überstanden. Aber leider wurde in die Altbauten nur sehr wenig zur Instandhaltung investiert. Die ganze Zeit über fragte ich mich, ob die Geschäfte bei dem Hehler so schlecht liefen, dass er tatsächlich hier wohnte, oder ob er dachte, hier würde ihn niemand finden.

Ich bin Kriminalkommissar Peter Bosch und war noch ziemlich neu beim Kriminalfachdezerant 2, Eigentums- und Vermögensdelikte. Eigentlich wollte ich mir keine Blöße geben, aber irgendwann konnte ich einfach nicht mehr sitzen.

„Also, da sich unser Verdächtiger nicht zeigt und ich unser Dienstfahrzeug nicht ruinieren möchte, gehe ich mal schnell rüber in das Café. Soll ich Ihnen was mitbringen?“, fragte ich meinen Partner.

„Na ja, wenn Sie schon fragen, ein Kaffee und ein Croissant wären schon nicht schlecht“, kriegte ich als Antwort.

„Kein Problem, ich beeile mich.“

Und schon riss ich die Beifahrertür auf. Ziemlich stocksteif stieg ich aus unserem Opel und musste mich erst mal dehnen, damit die eingeschlafenen Füße mich überhaupt rüber zur Bäckerei tragen konnten, die eine Straße weiter an der Ecke lag. Nach einem kurzen Stopp auf der Toilette bestellte ich zwei Kaffee zum Mitnehmen, zwei Croissants und noch zwei Donuts. Ja, ein bisschen Klischee nach amerikanischem Vorbild, musste schon sein. Als ich mich wieder auf den Weg zu unserem Wagen machte, sah ich schon von Weitem, dass unser Auto leer war. Na klasse, wo in drei Teufels Namen war mein Kollege nur hin? Im Stechschritt eilte ich zu unserem Auto, knallte den Kaffee und das Gebäck auf das Dach und machte mich sofort auf die Suche nach ihm. Also nichts wie rüber zu dem Haus, in dem unser Hehler wohnte. Irgendwo hier musste mein Partner ja sein. Als ich die Haustür verschlossen vorfand, wurde ich schon etwas nervös. Da hörte ich laute Stimmen aus dem Hof. Also nichts wie rum um die Ecke und zum Hinterhof gerannt. Zum Glück war es ein Eckhaus und der Hinterhof zugänglich. Ehrlich gesagt, war da nur eine mannshohe Mauer und das Tor war eine verrottete Holztür, die nur noch halb in den Angeln hing. Da sah ich meinen Kollegen schon, wie er gerade unserem Verdächtigen Handschellen anlegen wollte, was aber nicht so recht klappte. Beide standen an einer Kellertreppe und Herr Bachmeier versuchte dem renitenten Hehler Einhalt zu gebieten. Was dieser allerdings nicht so richtig einzusehen schien. Der schrie nämlich das ganze Haus zusammen und war alles andere als kooperativ.

„Ihr Scheißbullen, ihr glaubt wohl auch, ihr seid die Größten? Kommt nur her ich hau euch in die Fresse.“

So nett begrüßt wird man doch immer wieder gern, dachte ich mir noch. Obwohl der Kerl mich noch nicht bemerkt hatte, sprach er trotzdem im Plural. Aber diesen Sprachgebrauch hörten wir ja öfter von solchen Intelligenzbestien. Meinem Kollegen wurde es langsam zu bunt. Er packte unseren Hehler etwas härter an und schubste ihn gegen die Hauswand. Zwar hatte unser Verdächtiger die Figur eines Sumo Ringers, aber mit Sport hatte er mal so gar nichts am Hut. Er brachte mit Sicherheit 150 kg auf die Waage, aber nicht ein Gramm davon waren Muskeln. Außerdem war er ebenso kurzatmig wie unfreundlich und japste nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Obwohl wir Mitte Oktober hatten und die Temperaturen alles andere als warm waren, schwitzte der Kerl wie in der Sauna. Um seinen Hals, wenn man davon überhaupt sprechen konnte, hing eine Goldkette mit einem Kreuz, um das ihn sogar Mister T, der Typ vom A-Team, beneidet hätte. Ebenso hatte er an fast jedem seiner Finger einen fetten Goldring. Wenn die ganzen Sachen wirklich echt waren, trug der Kerl ein kleines Vermögen mit sich herum. Eine Überprüfung der Schmuckstücke war auf jeden Fall zwingend notwendig.

„So, Freundchen. Jetzt habe ich aber mal die Schnauze voll. Hände an die Wand, Beine auseinander und mach jetzt keinen Scheiß, sonst reißt mir echt der Geduldsfaden.“

Mein Kollege hatte den Hehler zwar am Kragen gepackt, jedoch immer noch seine liebe Mühe, den Verdächtigen zu bändigen. Spätestens jetzt hätte man mit Schaulustigen rechnen können, die aus ihren Fenstern sahen. Aber hier blieb alles ruhig. Niemand ließ sich blicken, was mir zwar ganz recht war aber dennoch ungewöhnlich erschien. Entweder war in dem ganzen Haus wirklich niemand daheim, oder hier war man solche Szenen gewohnt, und keiner steckte seine Nase in Sachen, die ihn nichts angingen. Durch die klare Ansage meines Kollegen, und wahrscheinlich, weil er mich jetzt auch endlich wahrgenommen hatte, fuhr unser Hehler nun einen Gang runter und drehte sich bereits langsam zur Wand hin. O.K. ich sah schon, mein Herr Bachmeier hatte die Lage im Griff. In diesem Moment kam ein regelrechter Zombie aus einem Keller heraus auf den Hof. Er stakste die gegenüberliegende Kellertreppe hoch und murmelte irgendwas vor sich hin, was ich allerdings nicht verstehen konnte, da er noch zu weit weg war. Also der musste sich nicht mehr schminken, der Typ hätte, so wie er war, in jedem Horrorfilm mitspielen können. Dieses vernarbte Gesicht hätte kein Maskenbildner so hingekriegt. Es war ein junger Kerl, vielleicht so um die zwanzig Jahre alt. Er trug eine zerrissene Jeans, speckiges Shirt, Turnschuhe, die vor Jahren irgendwann mal weiß waren, und eine grüne Armee Jacke. Haare hatte er nur noch an einzelnen Stellen, genauso wie nur noch sehr wenige Zähne. Der Gesichtsfarbe nach, schien er kein großer Sonnenanbeter zu sein. Anscheinend vermied er jegliches Tageslicht. Alles an diesem Kerl schrie schon von weitem nach Junkie. Wahrscheinlich nahm er Crystal Meth. Das alles war schon erschreckend genug, jedenfalls für so einen jungen Kerl. Was mich aber nervös machte, war das Messer in seiner Hand. Ich zog meine Dienstwaffe aus dem Holster und schrie ihn an:

„Polizei, halt stehenbleiben. Werfen Sie das Messer weg und verschränken die Hände hinter dem Kopf.“

Aber entweder hatte sich sein Hörvermögen schon von ihm verabschiedet, oder es war ihm schlichtweg egal. Jedenfalls murmelte er irgendwas von All Cops are Bastards und kam direkt auf mich zu. Wie er das Messer hielt, verriet mir, dass er alles andere als ein Profi war. Was ihn deswegen aber nicht weniger gefährlich machte. In dem Moment bekam unser Hehler so was wie Oberwasser und feuerte seinen Kumpel noch an: „Ja Ritchie, gib‘s den Drecksbullen!“

Sofort hatte mein Kollege die Situation zwar erkannt, war aber immer noch mit unserem renitenten Verdächtigen beschäftigt. Erst als er auch seine Dienstwaffe aus dem Schulterhalfter holte, wurde unser Mann auf einmal blass und viel ruhiger. Aber Handschellen hatte er immer noch nicht dran. Deswegen blieb Herr Bachmeier hinter seinem Rücken stehen und schüchterte ihn mit seiner Waffe ein. Der Junkie kam weiter seelenruhig auf mich zugewankt. So hatte es jedenfalls den Anschein. In Wirklichkeit war er mit Sicherheit zugedröhnt bis unter seine restlichen Haarspitzen. Also schoss ich erstmal einen Warnschuss in die Luft, streng nach Vorschrift.

„Bleiben Sie sofort stehen und lassen Sie das Messer fallen. Und halten Sie Ihre Hände über dem Kopf. Letzte Warnung, sonst trifft die nächste Kugel Sie.“

Ein Blick in seine glasigen Augen verriet mir, dass er in diesem Zustand absolut nicht aufnahmefähig war. Jedenfalls reagierte er kein Stück auf meine Warnung. Ich glaubte, ich hätte meinen Vortrag auch den Ratten, die sich hinter den überfüllten Mülltonnen hier im Hinterhof tummelten, erzählen können. Hätte wahrscheinlich die gleiche Wirkung gehabt. Jedenfalls kam der Typ immer weiter auf mich zu und aus dem Augenwinkel sah ich noch, dass mein Kollege irgendwie genauso geschockt war wie unser Hehler. So ein Schuss aus einer Heckler & Koch ist eben schon sehr eindrucksvoll und auch sehr laut. Da klingen einem schon mal die Ohren. Also ein Eingreifen von dieser Seite brauchte ich wohl nicht zu befürchten. Als mein Messerheld weiter auf mich zulief, richtete ich meine Waffe auf ihn und schrie ihn nochmal an: „Mach keinen Scheiß, zwing mich nicht, auf dich zu schießen.“

Interessierte ihn leider nicht die Bohne und als er noch drei Meter von mir entfernt war, konnte ich nicht anders, ich musste handeln. Entschlossen zielte ich auf sein linkes Bein und schoss. Kurz und knapp. So cool wie er gerade eben noch getan hatte, so jämmerlich schrie er jetzt rum. Er knickte sofort ein und hielt sich sein blutendes Bein. Auf dem Boden kniend, schrie er laut und sah mich dabei hasserfüllt an. Sein Messer lag noch neben ihm. Ich kickte es mit dem Fuß ein Stück weiter weg, nur zur Sicherheit. Ein kurzer Blick zu meinem Kollegen und unserem Verdächtigen sagte mir, dass beide irgendwie paralysiert waren und kreidebleich noch dazu. Jedenfalls bewegte sich von den beiden keiner auch nur ein Stück. Irgendwie glaubte ich, dass die beiden gleich kotzen würden. Jedenfalls hätte ich von Kriminaloberkommissar Bachmeier schon etwas mehr erwartet. Da augenscheinlich keine weitere Gefahr drohte und ich die Lage unter Kontrolle wähnte, steckte ich meine Waffe wieder weg. Weder von dem Hehler noch von meinem Junkie ging noch eine Gefahr aus. Ich stand jetzt direkt vor dem Verletzten und wollte ihm gerade Handschellen anlegen und natürlich auch nach seinem Bein sehen, als plötzlich wieder Leben in ihn kam. Aus dem sprichwörtlichen Nichts, hatte er plötzlich ein zweites Messer in der Hand. Mit einer Heftigkeit, die ich ihm, noch dazu in seiner Lage, niemals zugetraut hätte, rammte er mir die Klinge mit voller Wucht in meinen rechten Oberschenkel. Der Schmerz schoss mir bis ins Hirn. Ich war übel verletzt, konnte aber trotzdem noch handeln. Reflexartig riss ich meine Schusswaffe wieder aus dem Holster. Jetzt ließ ich meinen Junkie direkt in die Mündung blicken.

„Du Drecksau, bei der kleinsten Bewegung schieß ich dich über den Haufen. Hast du Arschloch noch ein drittes Messer?“, schrie ich ihn an.

Er schüttelte nur den Kopf, kippte zur Seite und war bewusstlos. Ich vermutete, dass er einen Schock hatte und mit seinen Kräften einfach am Ende war. Er lag, wie das Sprichwörtliche Häufchen Elend, regungslos mitten im Hinterhof. Ich glaubte jedoch nicht, dass er ernsthaft verletzt war. Die Kugel in seinem Oberschenkel war jedenfalls nicht lebensgefährlich. Da ich genug Zeit hatte, um zu zielen, hatte ich die Außenseite seines Oberschenkels getroffen und somit keine Arterie.

Ich war zwar selber natürlich auch sehr wacklig auf den Beinen und drohte gleich einzuknicken, aber ich stand immer noch aufrecht. Als ich zu meinem Bein herabsah, bemerkte ich erst jetzt, dass das Messer noch in meinem Oberschenkel steckte. Um keinen größeren Blutverlust zu riskieren, ließ ich es lieber im Bein stecken. Aus Sicht des Junkies waren wir wohl jetzt quitt, dachte ich so bei mir. Jetzt hörte ich auch schon, wie jemand wirklich das Kotzen anfing. Mein Blick folgte dem Geräusch. Zum Glück, es war der Hehler, der sich gerade übergab. Aber ich glaubte, mein Kollege war auch nicht mehr weit davon entfernt, sich ihm anzuschließen. Allerdings nutzte mein Partner jetzt endlich die Gelegenheit, um unserem Verdächtigen Handschellen anzulegen. Hatte auch lange genug gedauert. Er holte sein Funkgerät aus seiner Jacke und setzte einen Funkspruch ab.

Obwohl nach drei Minuten mehrere Streifenwagen, Zivilfahrzeuge und auch zwei Ambulanzwagen eintrafen, fühlte es sich wie eine Ewigkeit an. Nachdem die Sanitäter sowohl mich als auch den Junkie behandelt hatten, wurden wir auch schon in das Nordklinikum gefahren. Lag einfach am nächsten.

Jetzt begann bei unserem Tatort natürlich ein Zirkus vom Allerfeinsten, allerdings eben ohne mich. Alles wurde durchsucht und alle Bewohner des Hauses wurden vernommen. Die Spurensicherung lief zur Hochform auf und bei der Durchsuchung der Kellerräume fanden Kollegen ein Meth Labor mit einem halben Kilo Stoff und unter einer Bodendiele noch 50.000 Euro. Sehr schnell geriet unser eigentlicher Einsatz ins Hintertreffen, nämlich die Einbruchserie, wegen der wir eigentlich hier aufgekreuzt waren.

Da ich aber schon im Krankenhaus war und verarztet wurde, bekam ich das im Moment noch gar nicht mit. Erst als mein Kollege, Herr Bachmeier, ins Krankenhaus kam, um nach mir zu sehen, erfuhr ich die Neuigkeiten und den aktuellen Stand der Dinge. Ich lag mittlerweile schon in einem Zweibettzimmer auf der normalen Station. Meinen Oberschenkel zierte nun eine vier cm lange Naht aus acht Stichen. Mein Bettnachbar war ein älterer Herr, der sofort ein Gespräch mit mir anfangen wollte. Zu seinem Leidwesen war ich aber gerade nicht in der Lage, und schon gar nicht in der Stimmung, irgendwelche Gespräche zu führen. Nicht einmal mit meiner Frau Gaby, die gerade total aufgelöst zu mir ins Zimmer stürmte. Ich konnte sie zwar beruhigen, aber leider auch mit ihr keine lange Unterhaltung führen. Nicht, dass ich nicht wollte, aber bei mir war jetzt einfach die Luft raus. Abgesehen davon hatte ich eine Elefantendosis Schmerzmittel eingeflößt bekommen und war dementsprechend müde. Nachdem meine Frau sowie mein Kollege vom zuständigen Arzt informiert wurden, dass mein Zustand nicht ernst sei und ich sehr bald wieder auf den Beinen sein würde, waren alle zutiefst erleichtert. Der Arzt konnte es sich aber nicht verkneifen zu erwähnen, dass er zwar schon einige Messerstiche behandelt hatte, ich aber der Erste war, bei dem das Messer noch im Bein steckte. Er meinte aber, dass es sogar besser so war, da ich sonst zu stark geblutet hätte und es dann eventuell zu einem Kreislaufschock hätte kommen können. Aber soweit war alles gut, der Arzt war zufrieden und gab allgemeine Entwarnung. Ich hatte aber jetzt erst mal genug und schlief den Schlaf des Gerechten. Sogar das Abendessen verschlief ich.

Der nächste Tag hatte es dann aber wirklich in sich. Direkt nach dem Frühstück kamen alle möglichen Kollegen, auch Herr Bachmeier. Natürlich auch unser Chef, Erster Kriminalhauptkommissar Hohendorf, unser Staatsanwalt Herr Kirchner und natürlich Kollegen von der Inneren Abteilung. Bei Schusswaffengebrauch ist das alles kein Spaß mehr und es mussten alle möglichen Fragen beantwortet werden. Zwar ist der Einsatz von Schusswaffen durch die Polizei im „Gesetz über die Anwendung von unmittelbarem Zwang bei der Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte“ geregelt, aber in so einem Fall will man trotzdem immer auf Nummer sicher gehen. Da dies in einem Mehrbettzimmer zu ziemlichen Störungen für andere Patienten führen würde, bekam ich ein Einzelzimmer, vermutlich sehr zum Bedauern meines neugierigen Zimmernachbarn.

Mein Kollege, Herr Bachmeier, war gestern schon etwas kleinlaut und nicht sehr redselig gewesen. Heute wollte er sich bei mir entschuldigen für seine fehlende Unterstützung und dass er die Vorschriften nicht eingehalten habe, wegen anfänglichem Alleingang und so. Er stammelte so vor sich hin und ich merkte, dass ihm die ganze Geschichte mehr als peinlich war. Natürlich hatte ich mir schon vorher ein Bild von meinem Kollegen gemacht und war zu dem Schluss gekommen, dass er bestimmt kein schlechter Kriminalbeamter war, wenngleich er bestimmt nicht oft in solche Situationen kam, wie wir sie gestern erlebt hatten. Außerdem war ich nicht der Typ, der andere Menschen nur aufgrund eines Fehlers sofort abstempelte. Ich schaute ihn nur an und erzählte ihm meine Version, die ich dann auch dem Chef, dem Staatsanwalt und den Kollegen erzählen würde.

„Also Herr Kollege, hier gibt es gar nichts zu entschuldigen. Wir observierten unseren mutmaßlichen Hehler und sind ihm in den Hinterhof seines Hauses gefolgt. Bei der Befragung wurde unser Verdächtiger renitent und leistete Widerstand. Daraufhin haben Sie ihm Handschellen angelegt. Als unser Messerheld auf der Bildfläche erschien, haben Sie mir sofort Rückendeckung gegeben und haben mit mir zusammen den Junkie gewarnt und aufgefordert, das Messer fallen zu lassen. Da er dieser Aufforderung nicht nachkam, habe ich einen Warnschuss abgegeben. Erst als er unvermittelt auf mich zuging und mich weiterhin bedrohte, habe ich ihm ins Bein geschossen. Sie haben das Messer gesichert und ich habe fälschlicherweise meine Waffe wieder weggesteckt. Danach haben Sie sofort den Funkspruch abgesetzt und ich wollte unserem Junkie die Handschellen anlegen sowie mich um seine Verletzung kümmern, als er mich mit einem zweiten Messer angriff und mir dies in den Oberschenkel rammte. Genauso wird es in meinem Bericht stehen und es gibt keinen Grund, etwas anderes zu schreiben. Alles geschah streng nach Vorschrift.“

Ich merkte natürlich, wie erleichtert mein Kollege auf einmal war. Jetzt wurde er endlich redseliger und erzählte mir, was die Durchsuchung der Kellerräume und die Vernehmung unserer Verdächtigen so ergeben hatte.

„Da haben wir wirklich einen Volltreffer gelandet. In dem Keller, aus dem unser Messerheld kam, war das Meth Labor mit ziemlich genau 580 Gramm Crystal Meth sowie 50.000 Euro Bargeld unter einer Fußbodendiele versteckt. Ebenso diverse Waffen. Das Übliche eben. Zwei Schnappmesser, eine Stahlrute, zwei Schreckschusspistolen und ein Revolver Kaliber 38. Die Waffe wird gerade von der Ballistik untersucht. Unser kleiner Junkie ist plötzlich viel gesprächiger als gestern und verrät uns die Namen seiner Komplizen. Wir werden heute noch alle Dealer verhaften und der Drogenszene in Nürnberg einen empfindlichen Dämpfer verpassen. Auch unser Hehler ist gestern Nacht noch im Verhör zusammengebrochen und hat alles zugegeben, was die Einbruchserie betrifft. Er hat uns die Schmuckstücke übergeben, die er von drei Typen gekauft hatte. Natürlich hat er nicht gewusst, dass der Schmuck gestohlen ist. War ja klar. Aber er hat uns einen Tipp gegeben, wo wir die drei finden können. Nachdem wir ihm mit einer Anklage wegen ‚Anstiftung eines Angriffes auf einen Polizeibeamten mit einer tödlichen Waffe‘ gedroht haben, war er plötzlich lammfromm. Da er ja noch auf Bewährung draußen ist, weiß er ganz genau, dass ihn jeder Richter ganz locker für die nächsten fünf Jahre wegsperren wird. Das hat ihm unser Staatsanwalt auch sehr deutlich gesagt und plötzlich war er unglaublich Auskunftsfreudig. Wir konnten unser Einbrechertrio auch schon verhaften und haben, bei der Durchsuchung der Wohnung eines der Verdächtigen, einige ebenfalls als gestohlen gemeldete Schmuckstücke sichergestellt. Somit haben wir auch diese Typen alle im Sack.

Alle sind regelrecht euphorisch, der Chef, der Staatsanwalt und die Kollegen von der Internen werden Sie wohl auch nicht länger nerven. Die Spurensicherung hat den Tathergang bestätigen können und ich habe auch schon meine Aussage gemacht. So weit, so gut. Alle sind begeistert und freuen sich, dass die Presse uns mal richtig lobt und nicht wie sonst, schlecht aussehen lässt.“

Nun wurde mein Kollege aber auf einmal wieder etwas ernster. „Herr Bosch, also ich weiß natürlich sehr zu schätzen, was Sie geleistet haben und dass Sie nicht nur ein toller Partner, sondern auch ein klasse Kriminalbeamter sind. Dass mein Blackout unter uns bleibt, ist wirklich sehr nobel von Ihnen. Gerne würde ich mich bei Ihnen revanchieren und wie es der Zufall will, habe ich von einer Planstelle gehört, die zu besetzen ist. Also es ist ja so, Sie sind noch nicht so lange bei uns im Dezernat. Das bedeutet, eine Beförderung würde noch etwas dauern, bis bei uns wieder geeignete Stellen frei werden. Jetzt ist es aber so, dass ich unsere Pressesprecherin, Kriminalrätin Frau Wachter, sehr gut kenne und in der Abteilung der Pressestelle wäre eine Stelle zu vergeben, als Kriminaloberkommissar. Das würde bedeuten, es handelt sich um eine Stabsstelle mit sofortiger Beförderung. Ich dachte mir, vielleicht ist das interessant für Sie. Denken Sie einfach mal darüber nach, ich komme morgen wieder vorbei.“

Das musste ich jetzt erst mal sacken lassen. Eigentlich war ich ja nicht zur Polizei gegangen, um jeden Tag der Presse zu sagen, wie toll wir arbeiten und dem Polizeipräsidenten in den Arsch zu kriechen. Aber eine Beförderung hatte schon auch was für sich. Darüber musste ich auf jeden Fall noch eine Nacht lang schlafen.

Jetzt freute ich mich aber erst mal, dass meine Frau in der Tür stand und mir ganz aufgeregt etwas zu erzählen hatte. Was soll ich sagen? Für diese Neuigkeit hätte es keinen besseren Zeitpunkt geben können: Ich wurde Vater! So gefreut hatte ich mich noch nie in meinem Leben, außer vielleicht bei meiner Hochzeit. Es war unbeschreiblich. Als ich Gaby dann auch noch von der Möglichkeit erzählte, zur Pressestelle wechseln zu können und dort befördert zu werden, war sie sofort Feuer und Flamme für diesen Job. Unser Glück schien für diesen einen Moment perfekt zu sein.

Na ja, was soll ich sagen, Beförderung, mehr Gehalt und regelmäßige Arbeitszeiten punkteten natürlich. Zwar war ich nicht zur Polizei gegangen, weil man da so wahnsinnig viel verdient, dann wäre ich wohl besser in meinem früheren Beruf als Psychotherapeut geblieben. Aber mit der Besoldungsgruppe eines Oberkommissars kam man ebenfalls gut über die Runden. Auch die Tatsache, dass sich das Risiko, im Dienst erschossen oder erstochen zu werden, bei der Pressestelle dann doch deutlich reduzierte, spielte bei meiner Entscheidung eine gewichtige Rolle. Da Gaby und ich uns ja schon seit dem Studium kannten, wusste ich auch wie sie tickte. Zwar hatten wir damals sehr unterschiedliche Richtungen eingeschlagen, hatten aber sehr bald gemerkt, wie sehr wir uns beide ergänzten. Während ich Psychologie studiert hatte und mich mehr mit den Menschen und dem Wieso und Warum beschäftigte, hatte Gaby BWL und Informatik studiert. Also Zahlen und Bilanzen. Obwohl ich mit dem Thema nie so viel anfangen konnte, war ich schon immer beeindruckt, wie zielstrebig und sicher Gaby die Semester meisterte. So war es auch kein Wunder, dass ihr noch vor ihrer Masterarbeit ein Job nach dem anderen angeboten wurde. Schon während des Studiums hatte sie einen exzellenten Ruf in der Finanzbranche. Während sie sich wirklich aussuchen konnte, für welche Firma sie arbeiten wollte, hatte ich immer mehr die Idee, mich nach meinem Abschluss bei der Polizei zu bewerben. Obwohl ich mit meinem Studium als Psychotherapeut ebenfalls in ganz vielen Bereichen tätig werden konnte, reizte mich die Vorstellung schon immer, Polizist zu werden. Als ich Gaby damals davon erzählte, war sie begeistert, obwohl sie sich für mich eine Beamtenlaufbahn nur schwer vorstellen konnte. Das alles war jetzt schon fünf Jahre her. Gaby arbeitete mittlerweile bei einer Bank und ging in ihrem Job vollkommen auf und ich stand jetzt vor der Entscheidung zwischen der Jagd auf Verbrecher und der Position um darüber zu berichten. Also entweder Action oder Schreibtisch.

Aber ganz ehrlich, ein Kind veränderte doch schlagartig die Situation und den Blickwinkel auf die wirklich wichtigen Sachen im Leben. Außerdem konnte ich es mir ja erst mal ansehen und noch in Ruhe überlegen, ob ich das wirklich wollte. Dachte ich zumindest.

Aber wie heißt es so treffend: Der Mann denkt und seine Frau lenkt. Am nächsten Tag kam Herr Bachmeier, wie versprochen, wieder. Als ich ihm erzählte, dass ich sein Angebot gerne annehmen würde, zückte er auch schon sein Handy und redete mit Kriminalrätin Wachter. An der Art, wie dieses Gespräch verlief, glaubte ich rauszuhören, dass die beiden mehr waren als nur gute Kollegen. Ging mich aber natürlich nichts an und so hielt ich lieber die Klappe.

Zwei Wochen später – ich erschien wieder zum Dienst – war eigentlich schon alles in trockenen Tüchern. Der Versetzungsantrag inklusive Beförderung war schon bewilligt worden und man erwartete mich in der Pressestelle im Polizeipräsidium am Jakobsplatz. Als ich da ankam, waren alle Zweifel, ob die Entscheidung nun richtig war oder nicht, wie weggeblasen. Ich war nur noch beeindruckt. Sehr schickes und großes Büro, das ich mir zwar mit einem Kollegen teilen musste, jedoch kein Vergleich zu der Rumpelkammer, die ich sonst gewohnt war. Hier war alles vom Feinsten. Nach der sehr herzlichen Begrüßung durch Frau Wachter, stellte sie mich dem Team vor, das aus insgesamt sechs weiteren Kollegen bestand.

Sie erklärte mir im Groben, wer für was zuständig war und raunte mir leise zu, wie gut mein Bericht vom Einsatz in Gostenhof bei allen angekommen war, sogar bis hinauf in die Chefetage. Diese ganze Aktion stand ja auch tagelang in der Zeitung und da hatte Frau Wachter natürlich persönlich mit der Presse gesprochen. Sogar im Fernsehen hatte sie einen kleinen Auftritt gehabt. Also alles in allem, schien ich es gar nicht so schlecht getroffen zu haben.

2. St.Lorenz