Mörderische Hinterlassenschaft - P.R. Mosler - E-Book

Mörderische Hinterlassenschaft E-Book

P R Mosler

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Beschreibung

Gerd Bach, Projektleiter der Staller Industrie Werke, kämpft gegen den Ruin der Firma. Die Gruppe CATS hat scheinbar keine Probleme, bei ihren Diebstählen die Staller-Alarmanlagen zu überlisten. Indessen bergen Andreas Staller und seine Studierenden bei einer Exkursion in der Oberpfalz unter Gefahren einen Teil des verschollenen Nazi-Schatzes. Neonazis entführen den Großindustriellen Peter Staller, um ihn gegen den Schatz auszutauschen. Andreas bittet seinen Freund Gerd Bach um Hilfe. Können die Freunde Andreas' Vater befreien? Wie sollen sie den eingeschleusten Agenten der Regierung unter den Nazis ausfindig machen? Und was hat es mit der geheimnisvollen rothaarigen Frau auf sich? Wieder einmal gilt es, die Gefahren früh genug zu erkennen …

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Seitenzahl: 576

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Impressum 2

Danksagung 3

1 Prolog 4

2 10

3 18

4 29

5 39

6 80

7 89

8 100

9 107

10 120

11 137

12 154

13 163

14 176

15 191

16 221

17 237

18 250

19 274

20 287

21 323

22 333

23 349

24 364

25 384

26 Epilog 400

Vorschau auf den nächsten Band … 402

Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2020 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99107-141-9

ISBN e-book: 978-3-99107-142-6

Lektorat: Mag. Eva Reisinger

Umschlagfotos: Nataliia Maksymenko, Venemama, Boris V, Serezniy, Oleg Zabielin | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

Innenabbildungen: Bildquellennachweis:

Bild 1: © Ninell | Dreamstime.com

Bild 2: © Juan Moyano | Dreamstime.com

Bild 3, 8: © P. R. Mosler

Bild 4: © Boris Medvedev | Dreamstime.com, © Pattarapong Kumlert | Dreamstime.com

Bild5: © Jay Beiler | Dreamstime.com

Bild 6: © Konstantinos Moraitis | Dreamstime.com

Bild 7: © Christianm | Dreamstime.com, © Dibrova | Dreamstime.com

Bild 9: © Bundit Wajaratana | Dreamstime.com

Bild 10: © Nataliya Kostenyukova | Dreamstime.com

Bild 11: © Prillfoto | Dreamstime.com

Bild 12: © Oleg Zabielin | Dreamstime.com

Bild 13: © Rodho | Dreamstime.com

Bild 14: www.pixabay.com

www.novumverlag.com

Danksagung

Mein besonderer Dank

gilt meinen beiden Kindern Markus und Dagmar,

die an mich glauben, mich unterstützen und motivieren.

Familie und Freunde sind der stabile Nährboden,

aus dem Helden wachsen können.

1 Prolog

Mai 1945.

Herbert Frei, einSS-Offizier, der sich seit ein paar Tagen in dem sibirischen Gefangenenlager befindet, überlegt fieberhaft, wie er den Auftrag, den er hatte, noch ausführen kann. Er weiß, dass er aus diesem Lager nicht lebend herauskommen wird.

Willi Raschke sitzt im gleichen Gefangenenlager ein. Er ist kein Angehöriger der SS-Einheiten und hat zumindest eine kleine Chance auf Überleben.

Die Bedingungen, unter denen die Gefangenen gehalten werden, sind grausam. Schmerz, Qualen und Hunger sind ihre ständigen Begleiter. Hoffnungslosigkeit macht sich unter ihnen breit. Mit der Zeit geben die Menschen in den Lagern den Offizieren der SS-Macht1 die Schuld an ihrer Misere. Immer größer wird die Wut der Gefangenen auf die Wehrmachtsoffiziere, sodass es eines Tages zum Aufstand unter den Gefangenen kommt.

1 Schutzstaffel (SS) – nationalsozialistische Organisation zur Zeit des Nationalsozialismus und diente der NSDAP und Adolf Hitler als Herrschafts- und Unterdrückungsinstrument

Einer der Redeführer baut sich vor Herbert auf. „Du gehörst auch zu denen. Ihr habt euch einen Scheißdreck darum gekümmert, wie es euren eigenen Leuten ergeht. Dass wir wegen euch hier einsitzen, Schmerzen und Leid ertragen müssen, daran verschwendet ihr keinen Gedanken.“ Er packt Herbert am Kragen und zieht ihn auf die Beine.

„Hören Sie, ich will keinen Streit. Ich weiß, Sie sind aufgebracht. Aber genau das wollen die da draußen doch erreichen. Die sehen dann mit Genugtuung zu, wie wir uns hier drinnen gegenseitig zerfleischen. Lassen Sie es nicht dazu kommen. Lassen Sie sie nicht gewinnen“, bittet Herbert ihn flehend.

„Es ist mir egal, was die da draußen denken oder tun. Sie sprechen von Genugtuung? Ich sage Ihnen was Genugtuung für mich ist. Das ist, wenn ich Ihnen jetzt den Hals umdrehe und zusehe, wie Sie verrecken. Es hilft mir zwar nicht hier heraus, aber ich werde mich besser fühlen. Ganz bestimmt.“

Der Mann holt aus um ihm die Faust ins Gesicht zu schlagen.

Herbert überlegt kurz, ob er sich wehren soll. Sicher, er ist durch die Gefangenschaft in einem geschwächten Zustand, aber das ist sein Gegenüber auch. Außerdem ist er für solche Situationen ausgebildet. Er glaubt nicht, dass der andere eine Chance gegen ihn hätte. Aber dann denkt er, es wäre vielleicht gar nicht so schlecht, wenn er sich vorzeitig verabschieden kann. ‚So umgehe ich auf jeden Fall die bevorstehende Folter durch die Wärter!‘

Doch so weit kommt es nicht. Plötzlich steht Willi Raschke neben dem aufgebrachten Mann. Er legt diesem begütigend die Hand auf den Arm.

„Lass gut sein, Herrmann“, spricht er den Mann an. „Hier bist du an der falschen Adresse.“

„Wieso?“ Wütend brüllt der Angesprochene zurück. „Du siehst doch, wer er ist. Was er ist!“

„Ja, aber ich habe auch gesehen, dass dieser Mann, seit er hier ist, sein Essen regelmäßig an unsere Kinder verteilt hat. Er hat der Frau mit dem gebrochenen Arm dahinten medizinische Hilfe geleistet, soweit er konnte. Und er hat dem Jungen dort drüben seinen Pullover geschenkt. Glaubst du, er würde sich um uns kümmern, wenn er so wäre wie du sagst?“

Herrmann blickt sein Gegenüber noch einmal hasserfüllt an, dann trollt er sich.

„Vielen Dank.“ Herbert atmet auf.

Willi schaut ihn traurig an. „Sie haben Recht. Wir sollten uns hier drinnen nicht auch noch gegenseitig zerfleischen. Aber ich glaube nicht, dass ich Ihnen mit meiner Aktion groß geholfen habe.“

„Ja, wahrscheinlich haben Sie Recht.“ Herbert setzt sich hin. Willi nimmt neben ihm Platz.

Der SS-Offizier mustert Willi eine Weile lang prüfend. Plötzlich kommt ihm die entscheidende Idee. „Verraten Sie mir Ihren Namen?“

„Willi Raschke. Warum wollen Sie das wissen?“

„Sehen Sie, ich hatte einen Auftrag, den ich nur zum Teil erledigen konnte. Bevor ich hier gelandet bin war ich unterwegs zu unserem Hauptquartier. Meine Aufgabe war es, meinem Vorgesetzten ein Schriftstück zu überbringen. Ich trage dieses immer noch bei mir.“

„Wie das? Wir wurden doch alle bis auf das Kleinste durchsucht?“

„Ja, aber ich habe ein gutes Versteck dafür. Hören Sie, ich würde gern vermeiden, dass das, was ich bei mir führe, in die Hände unserer Gegner fällt. Es ist eine Karte, um genauer zu sein eine Flurkarte. Ich möchte, dass Sie die Karte an sich nehmen. Bewahren Sie sie gut auf. Eines Tages könnten Sie dadurch sehr reich werden.“

„Reich? Glauben Sie wirklich, das interessiert mich, wo wir hier drinnen sitzen?“

„Nein, und genau deshalb werde ich Ihnen die Karte geben.“ Er betrachtet Willis Schuhe. „Was haben Sie für eine Schuhgröße?“

„Vierundvierzig. Warum?“

„Das passt. Lassen Sie uns bitte die Schuhe tauschen. An meinem rechten Absatz gibt es einen Mechanismus, der die Sohle des Schuhs zurückklappt. Darin finden Sie die Karte.“

„Wissen die da draußen, dass Sie die Karte besitzen? Wurde Ihre Jacke deshalb so zerschnitten?“ Willi betrachtet das Kleidungsstück interessiert. Schon als Herbert Frei eingeliefert wurde, haben alle darüber nachgedacht, warum er eine Jacke trug, die anscheinend in Streifen geschnitten wurde.

„Wahrscheinlich haben die eine Vermutung. Mehr aber auch nicht. Bei Ihnen wird keiner danach suchen. Sie würden mir einen großen Gefallen tun.“

Die beiden Männer tauschen in aller Stille ihre Schuhe. Willis ausgelatschte Treter waren Herbert etwas zu schmal, aber er trug sie nur kurz.

Nach vier Tagen wurde ein Erschießungskommando zusammengestellt, das die Aufgabe hatte, alle Gefangenen, die als SS-Offiziere identifiziert wurden, zu erschießen. Auch Herbert Frei zählte zu den Opfern.

Mittlerweile war er froh, dass es endlich zu Ende ging. Die in den letzten drei Tagen alle paar Stunden wiederholten Befragungen und Folter haben aus ihm einen gebrochenen, verkrüppelten Mann gemacht. Doch sein Geheimnis nimmt er mit ins Grab.

Willi Raschke hingegen überlebt die Gefangenschaft in dem sibirischen Lager. Er kehrt in die DDR2 zurück. Froh, wieder zuhause zu sein, um mit seiner Frau und den beiden Kindern in Ruhe sein Leben zu genießen. An die Karte des Offiziers dachte er schon lange nicht mehr.

2 Deutsche Demokratische Republik (DDR) – Staat in Mitteleuropa, der von 1949 bis 1990 existierte

Nach Kriegsende kamen immer wieder Gerüchte auf, die von geheimen Verstecken der SS-Truppen berichteten. Verstecke, in denen vor der Kapitulation geraubtes Gold und Kunstwerke angehäuft worden waren.

Im Alter von sechzig Jahren hört auch Willi von den Gerüchten, wodurch die Erinnerung an seinen Mitgefangenen wiederauflebt. Im Keller sucht er längere Zeit herum. Nach einer Weile findet er den alten Pappkarton, der, in der hintersten Ecke verstaut, vollständig in Vergessenheit geraten war. Willi holt ihn hervor. Die alten Schuhe, die er jetzt zutage fördert, gehören eigentlich nicht ihm, sondern waren Eigentum des SS-Offiziers Herbert Frei.

„Komisch“, wundert sich Willi, der keine Ahnung hat, warum er die Schuhe all die Jahre aufgehoben hat. Er betrachtet sie genauer, woraufhin er den kleinen Hebel findet, der die Sohle zur Seite schiebt. Zu seiner eigenen Verwunderung findet er auch die Flurkarte. Bis zu diesem Zeitpunkt hat er nicht an die Geschichte von Herbert Frei geglaubt.

Er nimmt die Karte mit an seinen Schreibtisch, wo er sie ausbreitet um sie genauer in Augenschein zu nehmen. Gold, Diamanten und wertvolle Briefmarken sollen tief unter der Erde versteckt sein. Die spärlichen Kartenmarkierungen zeigen ihm keine eindeutige Stelle. Klar ist nur, dass er im Bayrischen Wald zu suchen hat.

„Ein weiter Weg, vom Bayrischen Wald in ein sibirisches Gefangenenlager und wieder zurück in die DDR“, flüstert er überrascht.

Fünfzehn Jahre nachdem er die Karte von Herbert Frei erhalten hat, begibt er sich mit seiner Frau Annegret in das auf der Karte erwähnte Dorf Arrach, das in der Nähe des Verstecks liegen soll. Umgeben von den höchsten Bayerwaldbergen, eingebettet in zahllose Wälder und Wiesen, gehört es zum Oberpfälzer Landkreis Cham. Von dort aus unternehmen sie jede Menge Wanderungen. Sie suchen die Gegend systematisch nach dem Schatz ab. Dabei fertigt Willi eine zweite Karte an. Zudem hält er in einem Tagebuch die genauen Details darüber fest, wo sie bereits gesucht haben. Er notiert auch, wie tief sie an den verschiedenen Stellen gruben.

Mit der Zeit werden die Anwohner auf die beiden aufmerksam. Willi fällt es immer häufiger auf, dass sie beobachtet werden. Da er nicht möchte, dass seiner Frau etwas passiert, schickt er sie heim zu ihren Kindern. Sicherheitshalber gibt er ihr die beiden Karten mit. Er selbst behält nur eine Handskizze mit dem restlichen Suchgebiet.

Um die Karten vor Entdeckung zu schützen, nimmt er die alte Hutschachtel, in der seine Frau immer ihr Nähzeug aufbewahrt. Er löst das Futter des Deckels ab. Vorsichtig legt er die Karten hinein, ehe das Futter von ihm wieder sauber angeklebt wird.

Nachdem Annegret Raschke sicher abgereist ist, macht er weiter. Täglich schickt er einen Bericht mit seinen Ergebnissen an seine Frau. Seine liebevollen Briefe sind ihr wichtiger als die Berichte, trotzdem bewahrt sie diese in der Hutschachtel auf. Weil sie nicht viel damit anfangen kann, sammelt sie die Papiere nur. Viel mehr hofft sie auf seine erfolgreiche Rückkehr.

Fünf Tage später findet man Willi im Wald erschossen auf. Die Skizze ist und bleibt verschwunden. Aber auch die Suche nach dem Schatz hört schlagartig auf. Gerüchten zufolge soll Willi den Schatz geborgen haben, bevor ihm dieser dann abgenommen wurde.

Seine Frau beerdigt ihn vier Wochen später. An diesem Tag packt sie die beiden Flurkarten, die drei Briefe von Willi und sein Tagebuch in das Futter der Hutschachtel. Zuerst wollte sie alles verbrennen, doch das ging nicht. Es ist die letzte Erinnerung an ihn. In ihrer Trauer gibt sie dem Schatz die Schuld am Tod ihres Mannes.

Über die Zeit vergisst sie die Karten, die sich in ihrem Besitz befanden.

2

Mai 2006.

Nahe dem Geropark Mönchengladbachs liegt das Leonardo Art Museum. Das Gebäude ist eine wiederaufbereitete ehemalige Schule, mit teilweise erhaltenem Fachwerk. Sie beherbergt zurzeit Gemälde berühmter Expressionisten-Sammlungen. Für die seit Monaten geplante Sonderausstellung mit bedeutenden Werken weltweit bekannter Künstler hat die Stadt Mönchengladbach, die mittlerweile Eigentümer des Museums ist, in die neuesten Alarmanlagen der Firma Staller Industrie Werke GmbH investiert.

Dank sauberer Arbeit der Mitarbeiter dieser Firma konnte nach ausgiebiger Testphase die Anlage erfolgreich in Betrieb genommen werden. Somit stand der pünktlichen Eröffnung der Sonderausstellung nichts im Wege.

Am Vorabend der Eröffnung sitzen drei Wachmänner im Kontrollraum. Ihre Aufgabe ist es, über die Monitore darauf zu achten, dass sich niemand an den Wertgegenständen, die hier ausgestellt werden, zu schaffen macht. Allerdings führen sie ihre Arbeit nur sporadisch aus, da sie sich zu hundert Prozent auf die installierte Alarmanlage verlassen. Viel interessanter ist es, den jungen Reinigungskräften über die Monitore bei ihrer Arbeit zuzusehen.

Einer der Wachmänner ruft seine Kollegen zu sich. „Seht euch das einmal an!“

Die beiden Gerufenen treten hinter ihn. Als sie ihm über die Schulter schauen beginnen sie erfreut zu lachen. Auf dem Bildschirm des ersten Monitors ist eine junge Frau zu erkennen, die schon wegen ihrer üppigen Figur ein Augenmerk für die Männer ist. Doch im Augenblick übermittelt die Kamera lediglich das Bild von ihrem nur knapp verdeckten Busen.

„Hm, lecker.“ Auch der zweite Mann schafft es nicht, seine Augen von dem Bildschirm abzuwenden. „Von mir aus kann die da noch ein paar Stunden weitermachen.“

Seine Kollegen nicken zustimmend. Auch für sie ist der Anblick eine reizvolle Abwechslung. Sie ziehen ihre Stühle heran, um es sich für ihren Beobachtungsposten so bequem wie möglich zu machen. Eine Weile lang achtet niemand mehr auf die anderen Bildschirme.

„Hey, seht einmal da.“ Jetzt hat auch der dritte Wachmann auf einem weiteren Bildschirm eine der Reinigungskräfte entdeckt, wie sie anscheinend eine Lache vom Boden aufwischt. Dabei bückt sich die gutaussehende Blondine tief hinunter, wobei sie ihren Beobachtern eine hervorragende Sicht auf ihre langen schlanken Beine gewährt.

„Leute, das wird noch eine angenehme Nacht heute.“ Alle drei nicken sich erfreut zu. Rasch wenden sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Bildschirme.

„Es ist genau ein Uhr“, äußert sich der erste Wachmann. „Ich war vor einer Stunde unterwegs. Wer von euch ist als Nächster mit dem Rundgang dran?“

„Paul ist dran.“ Mit dem Daumen zeigt der zweite Wachmann auf seinen Kollegen, ohne von dem Bildschirm aufzublicken.

Der mit Paul angesprochene Wachmann reagiert säuerlich. „Na klar, Robert, das freut dich jetzt wirklich, nicht wahr?“

Viel lieber würde auch er weiter die Bilder auf den Monitoren betrachten. Aber die Arbeit geht nun einmal vor. ‚Vielleicht kann ich meinen Rundgang noch ein Stück ausdehnen‘, überlegt er. ‚Es kann bestimmt nicht schaden nachzusehen, ob bei den jungen Frauen alles in Ordnung ist.‘ Dieser Gedanke lässt ihn aufmunternd lächeln.

Seine rechte Hand greift nach dem Schlüsselbund mit den Generalschlüsseln während er sich aus seinem Stuhl hievt. Kurz darauf ist er verschwunden.

Schadenfroh sehen ihm seine beiden Kollegen nach, um sich dann wieder dem hübschen Anblick zu widmen.

Paul tritt vor die Sicherheitstür. So wie es die Vorschriften verlangen, zieht er diese hinter sich zu. Überrascht schaut er auf die junge Frau, die ihm gegenüber steht. Bekleidet ist sie mit dem typischen Kittel für die Reinigungskräfte. Allerdings hat sie den Kittel geöffnet. Darunter trägt sie nur ein tief ausgestelltes Shirt und einen kurzen Rock.

„So ein Mist“, flucht die hübsche Blondine gerade.

Ungeniert betrachtet Paul die gut geformten Beine der Frau, die den kurzen Rock hochgeschoben hat, um eine Laufmasche an ihrer Strumpfhose zu begutachten. Dabei hat sie sich tief vorgebeugt. Anscheinend ohne ihn zu bemerken bietet sie ihm einen hübschen Einblick in ihren Ausschnitt. ‚Wenn die anderen da drinnen wüssten, was ich hier geboten bekomme‘, freut er sich ungehemmt.

„Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein?“ Er achtet nicht im Entferntesten darauf, dass sich diese Frauen absolut untypisch für ihre Arbeit verhalten.

Anscheinend erschrocken schreckt die Frau hoch. „Was? Oh, tut mir leid. Ich wollte sie nicht belästigen“, stottert sie beschämt. „Aber, wenn Sie so nett wären?“ Sie zeigt verlegen nach unten.

Erst jetzt gewahrt der Wachmann, dass ihr der Wagen mit den Putzutensilien umgekippt ist. Freundlich lächelt er die hübsche Blondine an. „Kein Problem. Das mache ich schon.“

Paul bückt sich, um den Wagen aufzurichten. Das lenkt ihn weit genug ab, dass er nicht bemerkt, wie die unbekannte Frau zu einer Sprühflasche greift. Die darin enthaltene Flüssigkeit spritzt sie ihm ins Gesicht. Sich selbst hält sie ein Tuch vor Mund und Nase.

„Hey!“ Erschrocken dreht der Wachmann sich zu ihr um, doch weit kommt er nicht. Vor seinen Augen verschwimmt alles, um ihn herum beginnen die Wände zu wackeln. Im nächsten Moment sinkt er bewusstlos zu Boden. Den Wagen der Reinigungskraft reißt er wieder mit sich.

Die beiden im Sicherheitsraum verbliebenen Wachmänner hören draußen ein kräftiges Poltern. Irritiert betrachten sie die Bilder auf dem Monitor. Die Kamera, die im Korridor der Tür gegenüber hängt, übermittelt die Sicht des Flurs ein Stück weit nach links und rechts neben der Sicherheitstür. Allerdings ist auf den Bildern nichts Außergewöhnliches zu erkennen.

„Du oder ich?“

„Wer weiß, was da los ist, besser wir gehen beide.“ Robert traut dem Ganzen nicht. ‚Wenn vor der Tür niemand zu sehen ist, kann da auch keiner sein. Wieso scheppert es also draußen so heftig?‘

„Das ist garantiert Paul“, mutmaßt der Kollege. „Der will uns nur einen Schrecken einjagen. Wetten?“

„Wieso sehen wir ihn dann nicht?“, hakt Robert nach.

„Keine Ahnung. Aber das finden wir ja gleich heraus.“

Zusammen wenden sie sich der Tür zu. Was sie auf der anderen Seite entdecken lässt sie verdattert innehalten. Ihr Kollege liegt bewusstlos auf dem Boden davor.

„Hey, Paul.“

Durch ihre Verwirrung vergessen sie ganz, dass es ihre Pflicht wäre, zuerst den Kontrollraum durch Schließen der Sicherheitstür zu schützen. Sie schauen den Gang hinauf, anschließend hinunter. Dort ist alles ruhig. Vier Meter weiter steht ein Wagen der Putzkolonne, aber eine dazugehörige Reinigungskraft sehen sie nicht. ‚Die ist sicher in irgendeinem der angrenzenden Räume. Wahrscheinlich hat diese den Krach bei ihrer Arbeit überhört‘, vermuten die beiden Wachmänner. Sie bücken sich, um ihrem Kollegen zu helfen.

Darauf hat Svenja nur gewartet. Sie tritt aus dem angrenzenden Raum, dessen Tür sie nur einen kleinen Spalt weit geöffnet hatte. Mit leisen Bewegungen nähert sie sich den beiden Männern, die sie erst bemerken als sie vor ihnen steht.

Überrascht heben diese den Kopf, als die blonde Frau so plötzlich erscheint. Sie finden keine Gelegenheit der Flüssigkeit auszuweichen, die die Frau ihnen aus der Flasche ins Gesicht sprüht. Dabei schützt sie ihren eigenen Mund und ihre Nase wieder durch ein Tuch. Kaum fünf Sekunden später liegen die beiden Männer besinnungslos neben ihrem Kollegen am Boden.

Die Blondine steigt über die Männer hinweg und schlüpft in den Kontrollraum. Aus ihrer Tasche fördert sie ein Headset zu Tage. Es auf den Kopf setzend begibt sie sich an das Bedienpult. Ihre Hände bearbeiten gleichzeitig beide Tastaturen. Svenja kennt jeden Griff, den sie zu machen hat, dabei behält sie die bewusstlosen Männer vor der Tür im Auge. Sie weiß genau, wie viel Zeit ihr bleibt, bis diese wieder zu sich kommen werden. Nach gerade einmal acht Minuten hat sie die Alarmanlage abgeschaltet. Damit ist ihr Ziel erreicht. Durch ihr Kommunikationsgerät gibt sie den Erfolg an ihre Genossinnen weiter.

„Es kann losgehen.“

Sie entfernt das kleine Bandgerät vor dem Monitor gegenüber der Sicherheitstür. Durch die Aufnahme vom Vortag konnte sie verhindern, dass die Kamera das Geschehen außerhalb des Sicherheitsraumes auf die Monitore der Wachmänner überträgt.

Noch einmal nimmt sie die Flüssigkeit zur Hand. Sie verteilt eine ausreichende Menge davon auf einem Tuch. Die Wachmänner, die langsam anfangen sich zu rühren, bekommen nacheinander das Tuch für einige Sekunden auf Mund und Nase gedrückt. Friedlich schlafen sie daraufhin weiter. Nun zieht sie einen nach dem anderen in den Raum hinein, während ihre drei Begleiterinnen an die ihnen zugeteilten Arbeiten gehen.

Svenja hievt die Wachmänner auf ihre Stühle. Jetzt zahlt es sich aus, dass sie am ersten Abend selbst im Sicherheitsraum vorstellig wurde, um ihre Reinigungsfirma anzukündigen. Aufmerksam hat sie sich jede Kleinigkeit gemerkt. Sie kennt sich in dem Raum bereits aus. Zudem war sie heute Abend als erstes hier um sich anzumelden. Während sie den erfreuten Wachmännern ihre Schreibtische reinigte, konnte sie sich davon überzeugen, welcher der Männer wohin gehört. In bequemer Schlafstellung richtet sie die Arme und Köpfe der drei auf ihren Schreibtischen aus. Dem mitgebrachten Rucksack entnimmt sie ein Etui, das drei Spritzen enthält. Die dazugehörigen, mit einer klaren Flüssigkeit gefüllten Glasflaschen finden sich ebenfalls in dem Futteral. Svenja nimmt die Spritzen zur Hand. Sie sticht die Nadel der Spritzen durch die Deckel der Flaschen, dann zieht sie die Flüssigkeit aus den Gefäßen in die Spritzen. Sie wartet seelenruhig darauf, dass die Wachmänner langsam wieder zu sich kommen.

Ihrem Plan entsprechend eignen sich in der Zwischenzeit ihre drei Kolleginnen die kostenträchtigsten Kunstgemälde an, die hier ausgestellt werden.

Sobald die erste Regung zu sehen ist, greift Svenja zu den aufgezogenen Spritzen. Die jetzt darin enthaltene Flüssigkeit injiziert sie den Männern oberhalb des Haaransatzes im Nacken. Anja ist diejenige, die ihnen gezeigt hat, wie man die Spritzen anwenden muss. Durch die gelernte Arzthelferin konnte auch Svenja sich das Wissen aneignen, wie sie die Nadeln einstechen muss um keine Spuren zu hinterlassen.

„Süße Träume.“ Gelassen beobachtet sie, wie die Männer wieder wegdösen. Das Dissoziativum3, das die drei gespritzt bekamen, sorgt durch den Eingriff auf ihre Psyche für ausreichende Bewusstseinsveränderung. Den Frauen bleiben jetzt zwei Stunden Zeit um alles zu erledigen, bis die Wirkung der Droge nachlässt. Doch Svenjas Aufgabe ist es, hier zu bleiben und aufzupassen.

3 Dissoziativum – eine psychoaktive Substanz, die eine halluzinogene und dissoziative Wirkung entfaltet

Sie spornt ihre Leute an. „Macht voran, Mädels.“

„Reg dich ab, Svenja. Wir sind schon mittendrin. In etwa einer Stunde sind wir hier fertig.“

„Gut so. Was ist mit dem Lieferwagen?“

„Tamara holt ihn gerade. Wir treffen uns gleich im Kontrollraum.“

Siebzig Minuten später erscheinen Anja und Celina.

Tamara hat den vollgeladenen Lastwagen ein Stück weit vom Museum entfernt abgestellt, außerhalb der Reichweite der Kameras. Zehn Minuten nach den anderen betritt sie den Raum.

„Der Wagen steht am Ende vom Park. Wir können weitermachen.“

Sie alle wechseln die Kleidung. In dem Wagen der Putzkolonne fällt der Müllsack mit der Wechselbekleidung nicht weiter auf.

„Dann geht auf eure Plätze.“ Jetzt ist Svenja gefragt.

Ihre drei Partnerinnen begeben sich genau an die Plätze zurück, wo sie vor dem Abschalten der Computeranlage waren. Nur, dass sie jetzt die Bekleidung gewöhnlicher Reinigungskräfte tragen. Also Kopftücher, bis oben geschlossene Kittel und die passenden Hosen. Auch die flachen Arbeitsschuhe gehören zu ihrer Ausstattung.

Svenja schaltet die Anlage wieder ein. Das Aufnahmeband vom Vortag hat sie längst herausgesucht. Nun werden von ihr die Zeiten auf dem Band kontrolliert. Wenn ihr Plan gelingen soll, müssen die Aufzeichnungen vom Vortag mit den heutigen hundertprozentig übereinstimmen.

Zufrieden stellt sie fest, dass sie genau im Zeitplan liegen. Sie löscht die heutigen Aufnahmen in der Datenbank von dem Moment an, als die jungen Frauen ihre Vorstellung begonnen haben. Dann kopiert sie das fehlende Stück mit der passenden Zeitangabe hinein. Dafür sind nur ein paar Minuten nötig. Sie weiß genau worauf es ankommt. Im Anschluss prüft sie die Aufnahme auf dem Band noch einmal. Was man jetzt beim Abspielen des Films erkennen kann sind vier Reinigungskräfte, die ihre Arbeit in der ihnen zugewiesenen Weise verrichten, wobei Svenja den Sicherheitsraum aufsucht, um den Wachmännern ihre Arbeitsplätze zu reinigen und den Müll zu entsorgen. Die Übertragung läuft sauber ab, ohne dass man Übergänge an den kopierten Stellen wahrnimmt. Nur ein sehr gut geschulter Fachmann ist eventuell in der Lage festzustellen, dass das Band manipuliert wurde. Allerdings müsste er dafür wissen, wonach er zu suchen hat. Svenja lächelt. Diese Arbeit beherrscht sie absolut perfekt.

Das wieder anlaufende Sicherheitsprogramm meldet jetzt die fehlenden Gemälde. Für Svenja ist es ein Leichtes, dem System zu bestätigen, dass das seine Richtigkeit hat. Die Eingaben werden akzeptiert und die Anlage nimmt ihre Arbeit anstandslos auf.

Bevor sie den Raum verlässt schaut sie sich noch einmal gründlich um. Nichts weist darauf hin, dass sie jemals hier gewesen waren. Die Droge kombiniert mit den alltäglichen Aufnahmen der Überwachungskameras werden die Wachmänner glauben lassen, dass sie den ganzen Abend nichts anderes gemacht haben, als auf die Monitore zu achten. Sollte sich doch noch einer von ihnen an eine der hübschen jungen Frauen erinnern, werden sie glauben, dass das nur ein schöner Traum war. Mit den vollen Mülltüten und ihrem Reinigungsmaterial in Händen verlässt sie den Sicherheitsraum. Den Wachmännern schenkt sie zum Abschied ein Lächeln ehe sie die Tür hinter sich zuzieht.

Svenja ist sich hundertprozentig sicher, dass niemand herausbekommt, wie der Diebstahl vor sich gegangen ist. Auch die Reinigungskräfte sind von jedem Verdacht ausgeschlossen. Bevor sie in dem Bereich der jetzt aufnehmenden Kameras erscheint, entsorgt sie die leichten Handschuhe, die sie, genau wie ihre Kolleginnen, bei ihrer Tätigkeit getragen hat.

Die Kameras, sowie das gesamte restliche System, arbeiten einwandfrei, als die Putzkolonne das Haus verlässt.

Auch die Wachmänner sitzen auf ihren Beobachtungsposten. Nachdem sie aufgewacht waren haben sie sich peinlich berührt schnell ihrer Arbeit gewidmet. Keiner von ihnen traut sich, seinen Kollegen von den verrückten Träumen zu erzählen, die er hatte, nachdem er am Arbeitsplatz eingeschlafen ist. Erstens könnte er Ärger bekommen, wenn sich das herumspricht, und zweitens würden seine Kollegen ihn obendrein bestimmt eine ganze Weile mit seinen Träumen aufziehen.

Zwei Tage später erreicht ein frankierter Briefumschlag das Museum. Er enthält eine Forderung über viereinhalb Millionen Euro für die Rückgabe der gestohlenen Kunstgegenstände.

3

Andreas Staller, Doktorand im zweiten Jahr am Institut für Applied Geophysics and Geothermal Energy (GGE) der Universität in Aachen, legt sein Handy wieder auf den Schreibtisch zurück.

Gerd scheint mittlerweile wieder ganz der Alte zu sein. Doch wer ihn genau kennt, so wie Andreas, der hört die leichte Melancholie in dessen Stimme. Sein Freund aus Jugendtagen ist zurzeit mit seinem Team im Ausland unterwegs, um eine der besten Alarmanlagen zu installieren, die es für Geld zu kaufen gibt, und zwar bei Andreas’ Vater, dem Großindustriellen Peter Staller. Der Konzernchef selbst begleitet diesmal seinen Projektleiter Gerd Bach zur Unterstützung in Spaniens schöne Hauptstadt, wo im Königspalast die Überwachung durch seinen Mitarbeiterstamm auf den neuesten Stand der Technik gebracht wird. In sechs Wochen wollen sie wieder zurück sein.

Andreas nimmt sich vor, mit seinem Freund einiges zu unternehmen, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. ‚Klar, Gerd ist schon fast so wie früher, aber eben nur fast. Seit vor nunmehr neun Monaten seine Freundin Lucia4 getötet wurde, ist er immer noch viel zu ernst.‘

4 Band 1 – Kampf um die Loreley

Der Siebenundzwanzigjährige sitzt an seinem Schreibtisch in der Aachener Universität. Er bewertet die eingereichten Arbeiten, die er am nächsten Tag mit den Studierenden durchgehen möchte.

Sein Mentor, Professor Klausthal, hat sich nach der letzten Exkursion immer mehr aus dem aktiven Universitätsleben zurückgezogen. Der Professor unterrichtet zwar hier und da noch in einigen Fächern, zieht es aber vor, sich mit seinen dreiundsechzig Jahren langsam an den Ruhestand zu gewöhnen.

Der Doktorand schiebt sich die dichten schwarzen Haare aus dem Gesicht. Er denkt darüber nach, was damals alles geschehen ist. Bei dieser Exkursion gerieten die fünfzehn Studierenden, deren Begleiter, der Professor und Andreas in Lebensgefahr. Er selbst wurde schwer verwundet, genauso wie einige Leute aus Gerds Truppe. Sie gerieten in Gefangenschaft. Obendrein mussten sie sich gegen hinterhältige Attentate behaupten. Gerd und er kamen einem Mann in die Quere, der sich durch kriminelle Machenschaften eine Vorherrschaft in der Rhein-Binnenschifffahrt aneignen wollte. Für Geld ging dieser Mann über Leichen. Sie mussten nicht nur um ihr eigenes Leben kämpfen, sondern hatten alle Hände voll damit zu tun, Freunde und Familie vor den Machenschaften der Verbrecher zu bewahren. Selbst vor seinen Eltern machten diese Terroristen nicht Halt. Ohne seine Mutter säße er heute nicht hier.

Bei dem Gedanken an seine Mutter muss er lächeln. Sie hatten ausreichend Sicherheitspersonal um sich herum, aber letztendlich war es seine Mutter, die ihn rettete. Sie erschoss die Frau, die es auf sein Leben abgesehen hatte.

Eine der Studierenden, die an dieser Exkursion teilnahmen, war Lucia Franke, die Freundin von Gerd Bach. Ingo Weber, ein Handlanger von Gruber, hatte es auf die junge Frau abgesehen. Doch als er in die Enge getrieben wurde, tötete er sie vor den Augen ihres Freundes. Mit der Zeit hat sich der Alltag aller Beteiligten wieder zur Normalität zurückbewegt. Doch vergessen wird das wohl so schnell keiner von ihnen. Vor allem nicht Gerd.

Der Erholungsurlaub, für den er mit seinem Freund nach Spanien geflogen ist, trug nicht gerade dazu bei, das Geschehene zu vergessen. Eine angeblich extremistische Vereinigung5 sorgte mit ihren Drohungen für Angst und Schrecken. Gerd und er landeten mitten darin. Sie kamen einem Drogenkartell auf die Schliche, das seinen Verteilerring bis nach Deutschland ausgedehnt hatte.

5 Band 2 – Die Vergeltung der Nemesis

Das Klopfen an der Tür reißt ihn aus seinen Gedanken. ‚Es ist schon recht spät‘, stellt er mit einem Blick auf seine Uhr verwundert fest. Das dürfte keiner seiner Studierenden sein. Die haben um diese Uhrzeit andere Dinge im Kopf.

„Ja, bitte“, fordert er den Besucher auf einzutreten.

Ein junger Mann steckt seinen Kopf durch die sich öffnende Tür.

„Hallo Herr Staller.“ Humorvoll begrüßt der sommersprossige Kevin Lauder seinen Betreuer. „Störe ich?“

„Kevin.“ Andreas freut sich über die Gesellschaft des schlaksigen Fünfundzwanzigjährigen. Kevin war einer der Studierenden, die mit ihm in die Gefangenschaft von Otto Gruber und seiner Söldnertruppe geraten waren. Gerade zu ihm hat sich ein freundschaftliches Verhältnis aufgebaut, seit Gerd ihn vor dieser Tretmine gerettet hat, auf die der junge Mann getreten war.

„Nein, du darfst mich gern stören. Aber was verschafft mir die Ehre deiner Anwesenheit zu so später Stunde?“

„Also, es ist etwas Privates, hat aber auch irgendwie mit der Uni und dem Studium zu tun.“ Der junge Mann setzt sich auf den Stuhl, den Andreas ihm mit einer Handbewegung anbietet. Eine Weile druckst der Student verlegen herum. „Ich brauche Ihre Hilfe. Bitte!“

Andreas bemerkt die Nervosität seines Besuchers. „Worum handelt es sich denn?“

„Sie dürfen mich aber nicht auslachen. Das müssen Sie mir zuerst versprechen.“

Kevin ist so aufgeregt, dass es ihn nicht auf dem Stuhl hält.

„Du solltest mich mittlerweile besser kennen“, weist ihn sein Betreuer dann auch prompt zurecht.

„Ja. Ja, tut mir leid.“ Der Student setzt sich verlegen auf seinen Platz.

Seine schuldbewusste Miene und der treuherzige Blick, den er dem Doktoranden schenkt, lassen Andreas’ graue Augen amüsiert aufblitzen. „Na, dann schieß einmal los.“

„Also, vor vier Wochen, in den Osterferien, waren meine Eltern und ich bei entfernten Verwandten von meiner Mutter. Eine Urgroßtante von ihr ist verstorben. Wir waren auf der Beerdigung.“

„Das tut mir leid für dich und deine Familie. Hast du sie gut gekannt?“

„Nein, überhaupt nicht. Es ist auch nicht schlimm, finde ich. Immerhin ist sie sechsundneunzig Jahre alt geworden. Nein“, wiederholt Kevin. „Aber ich durfte mich dort überall umsehen. Die hatten da einen Speicher, voll mit altem Gerümpel. Das meiste taugte wirklich nur noch für den Schrott. Aber viele Sachen wurden auch verkauft. Dafür, dass ich beim Ausräumen geholfen habe, durfte ich mir nehmen, was immer ich wollte. Also habe ich mich gründlich umgesehen und mir einige Sachen ausgesucht.“ Mitten in seiner Erklärung springt er wieder auf, um die paar Schritte bis zur Tür regelrecht zu rennen.

Die alte Hutschachtel, die er vorhin dort abgestellt hat, ist Andreas gar nicht aufgefallen.

Kevin spricht weiter, während er die Schachtel auf dem Schreibtisch platziert. „Meine Mutter schwärmt für solchen Kitsch. Sie hat bald Geburtstag. Deshalb dachte ich, für sie diese Hutschachtel aufzubereiten wäre genau das richtige Geschenk.“ Er macht eine Pause, um sich ein wenig zu beruhigen, wobei er aufgewühlt zurück auf den Stuhl plumpst.

„Und dabei soll ich dir helfen?“ Ungläubig beäugt Andreas das Gebilde auf seinem Schreibtisch.

„Was? Nein, natürlich nicht.“ Kevin schüttelt den Kopf, dass seine kupferfarbenen Haare hin und her fliegen, bevor er weiterspricht. „So etwas habe ich schon öfter gemacht, das hat mein Vater mir beigebracht. Man muss nur langsam und vorsichtig an die Sache herangehen. Genau das habe ich auch gemacht. Ich habe ganz vorsichtig mit einem Skalpell das Futter aus der Schachtel gelöst. Dann kann man es herausziehen. Ich zeige es Ihnen.“

Der junge Mann springt ruckartig auf. Aufgeregt löst er den Deckel von der Schachtel und dreht ihn um. Nun zieht er den inneren Teil des Deckels, also das Futter, heraus, legt ihn zur Seite, um Andreas im Anschluss den Deckel so hinzuhalten, dass der hineinsehen kann. „Und das habe ich dabei gefunden.“

„Was ist das?“

‚Langsam wird es interessant‘, urteilt der Doktorand. Aber mit der Antwort von Kevin hat er nicht gerechnet.

„Eine Schatzkarte.“

„Wie bitte?“ Andreas glaubt, sich verhört zu haben.

„Oder vielmehr, zwei Schatzkarten, drei Briefe und ein Tagebuch. Ich habe mir alles angesehen. Es stimmt wirklich. Und es gibt diesen Schatz. Bitte, helfen Sie mir, den Schatz zu suchen.“

Endlich war es heraus. Der Student lässt sich erschöpft auf den Stuhl fallen. Er hebt den Kopf, um seinen Betreuer bettelnd anzusehen.

Andreas mustert ihn perplex. Eine ganze Weile lang ist es still. „Woher willst du wissen, dass das alles echt ist, dass du nicht einem Hirngespinst hinterherjagst?“

„Weil alles stimmt, was hier steht.“ Kevin kramt die Briefe hervor. „Darf ich Ihnen eine Zusammenfassung geben? Bitte. Wenn Sie dann immer noch nicht interessiert sind, verschwinde ich wieder.“

In seiner Aufregung merkt der Student nicht, dass er Andreas bereits an der Angel hat.

„Also schön. Ich mache dir einen Vorschlag. Wir gehen hinüber in meine Wohnung. Ich mache uns eine Flasche Wein auf und du erzählst mir deine Geschichte.“

„Echt?“ Kevin strahlt ihn an.

Andreas steht auf. „Na, komm schon.“

Zusammen verlassen sie das Büro, wobei Kevin, der gute zehn Zentimeter kleiner ist als der ein Meter vierundachtzig große Doktorand, zu diesem mit leuchtenden Augen aufsieht.

Zwei Stunden und eine Flasche Wein später blickt Andreas seinen Studenten fassungslos an. Er hat seinen Rechner hochgefahren, um erste Recherchen durchzuführen. Parallel erstellen sie einen Plan, der alle Fakten beinhaltet, die sie aus den Papieren zusammentragen konnten.

„Also, fassen wir zusammen, was wir hier haben. Da ist zuerst einmal Willi Raschke. Er war der Mann von Annegret Raschke. Sie war deine Ururgroßmutter. Ihre Schwester ist die jetzt verstorbene Verwandte. Du sagst, Willi ist 1960 gestorben?“

„Ja, danach habe ich die Kinder von Mutters Großtante gefragt. Im Jahre 1900 wurde er geboren. Er ist genau sechzig Jahre alt geworden. Man hat ihn ermordet in einem Waldgebiet bei Arrach gefunden. Das liegt im Bayrischen Wald.“

„In Ordnung. Angeblich war er in einem sibirischen Gefangenenlager. Dem Tagebuch nach bis im Mai 1945. Das lässt sich bestimmt noch nachweisen. Seinen eigenen Erzählungen zufolge rettete er einen SS-Offizier vor seinen Mitgefangenen. Zum Dank dafür hat er von diesem die Karte erhalten.“ Andreas blickt Kevin an. „Das ist über sechzig Jahre her.“

„Ja, aber die Karte wurde nie wieder benutzt. Der Schatz kann also noch dort sein.“

„Immer langsam, Sportsfreund. Machen wir erst einmal weiter.“ Andreas lächelt den ungeduldigen Studenten an. „Als nächstes haben wir Annegret Raschke. Sie war Willis Frau und ist 1989 im Alter von sechsundachtzig Jahren gestorben. Ihr gehörte also die Hutschachtel.“

„Ja. Ihr Name ist in der Schachtel eingraviert. Ich habe im Internet ein bisschen Geschichtsrecherche betrieben. Diese Hutschachteln wurden damals gern zur Aufbewahrung von Handarbeiten aller Art genutzt. Das hörte aber fünfzehn Jahre später wieder auf. Nach dem Tod von Annegret wurde die Hutschachtel an ihre Schwester weitervererbt, ohne dass sie wirklich benutzt wurde. Heute kommen diese Dinger wieder in Mode.“

„Ja, so ist das mit dem Lauf der Zeit. Alles kommt irgendwann einmal wieder.“

„Herr Staller, können wir nicht auf die Suche nach dem Schatz gehen? Vielleicht finden wir ja doch etwas.“ Bevor Andreas ihm antworten kann spricht Kevin weiter. „Ich weiß schon, was Sie sagen wollen. Dass es unwahrscheinlich, sogar eher unmöglich, ist, nach so langer Zeit noch etwas zu finden. Aber wenn ich es nicht versuche, werde ich mich immer fragen, was wäre, wenn.“

Mit flehendem Blick schaut der junge Mann Andreas an.

„Also gut. Ich sage dir, was wir machen.“ In Gedanken geht Andreas die Möglichkeiten durch, die sie haben. „Du lässt mir die Unterlagen für eine Woche hier. Ich werde sie noch einmal aufmerksam durchlesen und mir meine Gedanken dazu machen. Wenn ich dann der Meinung bin, dass sich ein Versuch lohnen könnte, gebe ich dir Bescheid.“

„Das wäre super. Vielen Dank.“

„Freu dich nicht zu früh. Selbst wenn ich zusage, ist das für dich erst der Anfang. Dann müssen wir uns um Genehmigungen und um die rechtliche Seite kümmern. Wir müssen uns in alle Richtungen absichern, bevor wir loslegen.“

„Ja, das verstehe ich. Ich bin auch gern bereit, die Laufarbeiten zu übernehmen.“

„Das allein wird wahrscheinlich nicht reichen. Willst du eine Quittung für die Unterlagen?“

„Nein, nicht von Ihnen.“ Damit verabschiedet Kevin sich gutgelaunt von Andreas.

Gerd Bach lässt seine Augen kritisch über das eindrucksvolle Gebäude vor sich gleiten. Der königliche Palast hier im Herzen von Madrid ist eine der schönsten und eindrucksvollsten Sehenswürdigkeiten in der spanischen Hauptstadt.

Das Gebäude ist der Öffentlichkeit teilweise zugänglich. Zu festgelegten Zeiten können Interessierte sich den Thronsaal, den Saal der Hellebarden, die Schlosskapelle, sowie die ehemaligen königlichen Wohnräume ansehen. Der Spiegelsaal allein ist schon ein Highlight. Hinzu kommt die exquisite Gemäldesammlung. Vor circa fünf Monaten konnten Andreas und er sich davon überzeugen, dass hier im Palast die weltweit größte Waffensammlung ausgestellt wird.

Doch im Augenblick ist im und um das Gebäude alles ruhig. Außer seinen eigenen Mitarbeitern befinden sich nur noch die ausgewählten Angestellten vor Ort.

Gerd dreht seine Runde durch das ganze Areal. Die Alarmanlage, die gerade hier installiert und in Betrieb genommen wird, ist auch für die Mitarbeiter der Firma Staller etwas Neues. Die Auflagen, die mit diesem Auftrag einhergehen, waren kaum zu bewältigen. Nicht nur, dass die Anlage zweihundertprozentig funktionieren soll, darf sie dabei auch nicht gesehen werden. Alle Installationen liegen im Verborgenen. Der Kontrollraum wirkt eher wie das Kommandopult in einem Sience-Fiction-Raumschiff. Sowohl die Elektronik als auch die Technik müssen unüberwindbar sein. Alle Kameras und Sensoren sind Bestandteile einer ausgeklügelten Mikroelektronik.

Sein gesamtes Team, bestehend aus zehn Personen und ihm selbst, ist hier zum Einsatz gekommen. Unterstützung haben sie diesmal durch den Firmenchef persönlich, der die Kommunikation mit den Kunden selbst übernahm.

Da der Palast auch noch von der königlichen Familie für Staatsempfänge, Bankette und Hochzeiten genutzt wird, musste hier mit aller Fürsorge und Fingerspitzengefühl gearbeitet werden.

Bei seinem Rundgang begleitet ihn Luis Perez, der persönliche Sicherheitsbeauftragte der königlichen Familie. Er gehört zum Generalstab der Guardia Real, der königlichen Garde.

Luis Perez ist nicht nur der Mittelsmann zwischen Peter Stallers Team und dem Königshaus, er war es auch, der die Firma Staller empfohlen hat. Er sorgte dafür, dass dem Konzernchef die Ausschreibung für die neue Anlage gemeinsam mit seiner persönlichen Bitte zukam. Gerd und Andreas lernten den Regierungsbeamten vor sechs Monaten bei ihrem Urlaub in Spanien kennen.

Auch dem Beamten sind die beiden Männer positiv in Erinnerung geblieben. Er weiß noch, wie Gerd und Andreas ihm bei der Entschärfung dreier gefährlicher Bomben im Madrider Gerichtshof geholfen haben. Dass Gerd für die Staller Industrie Werke arbeitet, die laut seinen Recherchen hervorragende Alarmanlagen herstellt, konnte er rasch überprüfen.

Dem Projektleiter war der Mann von Anfang an sympathisch. Der achtunddreißigjährige, ein Meter fünfundsiebzig große Spanier mit seinem gepflegten Schnurrbart wirkt intelligent, ist ernst und zurückhaltend. Er hat eine militärische Ausbildung und kultivierte Umgangsformen. Sein echtes Interesse an der Anlage war für Gerd eine Überraschung. Er konnte eher die Erfahrung machen, dass Kunden keine Details hören, sondern nur schnellstmöglich das Endprodukt in fehlerfreier Funktion nutzen wollen. Umso mehr war er angetan von dem technischen Verständnis des wissbegierigen Mannes. Bereitwillig gibt er ihm Auskunft auf seine gezielten Fragen. Sie beenden den Rundgang im Kontrollraum.

Luis Perez’ dunkle Augen ruhen anerkennend auf dem siebenundzwanzigjährigen Projektleiter der Staller Industrie Werke. Er reicht ihm die Hand. „Ich möchte mich bedanken, für die Zeit, die Sie mir geopfert haben. Auch für Ihr Entgegenkommen.“

Gerd ergreift freundlich lächelnd die dargebotene Hand. „Dafür brauchen Sie sich nicht bedanken. Ich freue mich, wenn wir das, was wir hier aufbauen, an Menschen wie Sie weitergeben können. Ich weiß, dass die Anlage bei Ihnen in den besten Händen ist. Es kommt leider viel zu selten vor, dass wir unsere Kunden so detailgenau aufklären dürfen wie es bei Ihnen der Fall war. Also müsste ich mich eher bei Ihnen bedanken.“ Gerd zieht eine seiner persönlichen Visitenkarten aus seiner Hosentasche, um sie an Perez weiterzureichen. „Sollte es doch einmal irgendwelche Probleme geben, scheuen Sie sich nicht, mich anzurufen. Egal wann. Ich werde mich darum kümmern. Versprochen.“

„Ihre Einstellung ehrt Sie. Sagen Sie mir bitte Bescheid, wenn Sie den Probelauf der Anlage starten. Ich würde ihn nur ungern verpassen.“ Der Generalstabschef der Guardia Real verneigt sich leicht, dann verschwindet er.

Es ist ein Routine-Zugriff. Der Hinweis kam aus der Bevölkerung. Einem Passanten waren drei Männer aufgefallen, die sich seiner Meinung nach verdächtig verhielten. Allem Anschein nach wurden von ihnen Waffen in großem Umfang ausgeladen.

Eine erste Überprüfung ergab, dass die drei Männer per Haftbefehl, unter anderem wegen illegalem Waffenhandel, gesucht werden. Sie halten sich in einer Wohnung auf, die über einer Gaststätte im Stadtteil Berlin-Schönberg liegt. Diese gilt als beliebter Treffpunkt einer Gruppe von Neonazis.

Bereits seit geraumer Zeit werden Wohnung und Gaststätte durch die Leute des Mobilen Einsatzkommandos überwacht. Die Wohnung besitzt außer dem Eingang im Treppenhaus auch noch einen direkten Zugang zu der darunterliegenden Kneipe.

Der Teamführer teilt seine Leute ein. Insgesamt werden zwei Einheiten der Spezialeinsatzkommandos dazu ausersehen in die Räumlichkeiten einzudringen. Die erste Einheit teilt sich in zwei Gruppen auf und bezieht sowohl am Vordereingang als auch an dem Zugang zum Hinterhof Stellung. Leise, in geduckter Haltung gehen sie unmittelbar neben den Türen in Deckung. Dort warten sie bewegungslos auf das Zeichen zum Angriff.

Die zweite Einsatztruppe dringt über das Treppenhaus zur Wohnung vor. Sie verteilen sich für ein schnelles Eindringen gegenüber der Tür und seitlich daneben. Sie schauen sich stillschweigend an, während sie auf das Kommando des Teamführers warten.

Unterstützt werden sie von vierzig Polizisten, sowie den Leuten des Mobilen Einsatzkommandos.

„Zugriff!“

Das vom Einsatzleiter gegebene Zeichen zum Angriff dringt durch die Kommunikationsgeräte zu jedem einzelnen Mann vor.

Der erste Beamte vor der Tür schlägt mit einem schweren Eisenschild die Eingangstür ein. Diese fliegt mit einem lauten Knall auf. Schützend hält der Beamte den Schild vor sich, während er in die Wohnung eindringt. Seine Kameraden folgen ihm auf dem Fuß.

Sofort fallen Schüsse.

Einer der gesuchten Männer steht ihnen mit einem Maschinengewehr im Anschlag gegenüber. Er feuert in dem Moment auf die Eindringlinge, als die Tür aufgestoßen wird. Dank des Schildes kann der erste Beamte unverletzt vordringen. Dadurch gewährt er dem Schützen hinter sich freies Schussfeld. Dieser zögert keine Sekunde. Sofort feuert er auf den bewaffneten Mann, der mit einem Schrei tödlich getroffen zusammenbricht. Ein Raum nach dem anderen wird erkundet. Sie sichern Schritt für Schritt ihr Umfeld, um weiter vorzudringen. Die beiden anderen Zielobjekte flüchten über die Treppe hinunter in den Gastraum, um von dort durch den Hinterhof zu verschwinden.

Gleichzeitig mit dem Angriff in der oberen Etage starten die Beamten vor der Gaststätte ihren Einsatz. Von beiden Seiten dringen sie in die Räumlichkeiten des Lokals vor.

In dem Schankraum halten sich etwa zwanzig Neonazis auf, die den Truppen des Spezialeinsatzkommandos sofort entgegentreten um sie zu behindern. Auf die Rufe und Aufforderungen der Elite-Polizisten hören sie nicht. Stattdessen ergreifen sie schwere Waffen, die sie gegen die Eindringlinge ausrichten. Doch genau für solche Aktionen sind die Spezialeinsatzkräfte geschult. Ohne einen eigenen Mann zu verlieren oder Verletzungen davon zu tragen, können sie die Meute stoppen. Wer nicht verletzt wurde, wird niedergerungen und kampfunfähig gemacht.

Die beiden fliehenden Männer laufen den vom rückwärtigen Bereich der Gaststätte eindringenden Beamten direkt in die Arme. Sie reißen ihre Maschinengewehre hoch. Noch ehe sie ihre Waffen richtig positionieren können haben die Elite-Polizisten reagiert. Ihre Ziele wurden sorgfältig ins Visier genommen. Der kurze Schusswechsel ist schnellstens beendet.

Von den zwanzig Neonazis müssen vier medizinisch versorgt werden. Alle anderen werden von der Polizei verhaftet. Die drei gesuchten Verbrecher haben den Einsatz nicht überlebt. Bei der anschließenden Durchsuchung der Räumlichkeiten fallen den Beamten große Mengen Sprengstoff und eine Vielzahl gefährlichster Waffen in die Hände.

4

Etwa drei Wochen nachdem Kevin Lauder mit der Schatzkarte bei Andreas aufgetaucht ist, haben sie alle Unwegsamkeiten ausgeräumt. Von den Behörden erhalten sie die letzten fehlenden Genehmigungen, um eine Flurkarte der Gegend zu erstellen, auf die sie es abgesehen haben.

Andreas hat sich entschlossen, Kevin die Chance zu geben, um die er ihn gebeten hat. Deshalb bestellt er ihn für heute in sein Büro, wo dieser sich auch pünktlich nach seiner letzten Vorlesung einfindet.

Als Kevin hört, dass es tatsächlich losgehen soll, ist er kaum zu bremsen.

„Immer langsam“, beschwichtigt ihn der Doktorand. „Zuerst einmal müssen wir unseren Plan weiter ausarbeiten. Dafür möchte ich mehr über die Gegend erfahren. Ich werde sie mir zuerst allein ansehen. In der Zwischenzeit kannst du ja bei deinen Kommilitonen ein bisschen Werbung für die Exkursion machen. So circa zehn bis fünfzehn Personen solltest du dafür zusammentrommeln.“

„Ja, gut. Mache ich.“ Kevin strahlt ihn voller Eifer an.

„Du solltest nicht unbedingt damit hausieren gehen, dass wir uns auf eine Schatzsuche begeben wollen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Universitätsleitung eventuell etwas dagegen hätte, ganz zu schweigen von Professor Klausthal. Die Exkursion dient vorrangig der geologischen Kartierung des Gebietes. Ob wir überhaupt auf einen Hinweis stoßen, bleibt dahingestellt.“

„Natürlich“, nickt Kevin ernst. „Das habe ich verstanden.“

„Such einmal im Internet nach Unterkünften. Jugendherbergen wären vorteilhaft. Danach schnappst du dir die Flurkarten und teilst die Gebiete ein. Wenn ich wieder da bin, gehen wir alles zusammen durch.“

„Wann kommen Sie zurück?“

„Lass mich einmal überlegen. Wir haben heute Dienstag. Mittwoch und Donnerstag komme ich hier nicht weg. Ich könnte am Freitag losfahren nach Arrach. So habe ich das ganze Wochenende zur Verfügung. Für Montag setze ich die Rückfahrt an. Am Dienstag sehen wir uns dann hier wieder.“ Er bemerkt, wie gespannt und erwartungsvoll Kevin ihn anschaut. „Das dauert eben ein paar Tage. Du musst dich etwas gedulden.“

Damit verabschiedet er sich von Kevin. Auch Andreas hat es eilig, diese Aufgabe hinter sich zu bringen. Es sind noch knapp drei Wochen bis sein Vater und Gerd aus Madrid zurückkehren. Dann möchte er wieder daheim sein, um eine Weile im Kreis seiner Familie zu verbringen. Er greift nach dem Telefon und bucht sich für drei Übernachtungen ein Hotelzimmer.

Früh am Freitag startet Andreas seine Fahrt. Acht Stunden später checkt er in Arrach im Hotel am Rathaus ein. Am nächsten Morgen macht er sich auf, um die angrenzenden Waldstücke zu erkunden. Bewaffnet mit seinem Rucksack wandert er gezielt die Strecken ab, die er auf seiner Landschaftskarte markiert hat, um sie mit der Flurkarte von Willi Raschke zu vergleichen. Bis auf ein kurzes Picknick gönnt er sich dabei keine Pause, da er möglichst viel in diesen zwei Tagen schaffen will. Es ist nicht einfach, sich in dem großen Waldgebiet zurechtzufinden. Immerhin ist die Karte mehr als sechzig Jahre alt. Die Umgebung und die Landschaft haben sich in dieser Zeit stark verändert.

Am Abend kehrt er in dem zum Hotel gehörenden Restaurant ein. Während er sich mit Appetit über sein bestelltes Essen hermacht, gesellt sich der Hotelbesitzer zu ihm.

Der Mann stellt sich Andreas höflich vor. „Guten Abend. Heinz Scheuren. Ich bin der Betreiber dieses Hotels. Ich hoffe, es gefällt Ihnen bei uns?“

Da die Frage freundlich gestellt ist, hat der Doktorand kein Problem damit, ebenfalls freundlich zu antworten. „Ja, vielen Dank. Es ist alles in Ordnung.“

„Ich habe gesehen, dass Sie heute Morgen auf Wanderschaft gegangen sind. Darf ich fragen, was Sie suchen? Vielleicht kann ich Ihnen ja dabei helfen. Ich lebe schon mein ganzes Leben in diesem Ort. Das sind immerhin vierundsechzig Jahre.“

Hellhörig geworden überlegt Andreas, was er dem Hotelbesitzer antworten soll. So ganz geheuer ist ihm der Mann nicht. Irgendwie hat er etwas Verschlagenes, Lauerndes an sich.

„Nein, vielen Dank. Ich sehe mich nur hier um. Ich komme vom Institut für Applied Geophysics and Geothermal Energy der Universität in Aachen. Ich bin im Auftrag der hiesigen Behörden hier.“

„Tatsächlich? Was wollen die denn hier in unserer Gegend machen?“

Andreas spürt regelrecht die Anspannung des Hotelbesitzers. Irgendwie muss er an die Exkursion im letzten Jahr am Loreleyfelsen denken. Er ermahnt sich zur Vorsicht. „Vielleicht gar nichts. Es könnte sein, dass die das Land hier für geographische Karten vermessen wollen. Solche Aufträge gehen dann an die Universitäten. Das ist billiger als ein Vermessungsbüro zu beauftragen.“

„Sie meinen, die lassen dann die Studierenden für sich arbeiten? Unentgeltlich?“ Heinz Scheuren schüttelt verständnislos den Kopf. „Typisch unsere Regierung“, höhnt er. „Ist das nicht erbärmlich?“

„Nun, so haben die Studierenden aber die Möglichkeit, die notwendigen Erfahrungen zu sammeln.“

„Und wie geht so etwas vor sich? Wird dann hier alles umgegraben?“ Angespannt blickt der Hotelbesitzer den jungen Mann an.

„Nein, gegraben wird gar nicht. Wir vermessen das jeweilige Grundstück, ohne es zu verunstalten. Niemand möchte, dass von der wunderschönen Gegend etwas beschädigt oder zerstört wird.“

Der Mann atmet regelrecht auf. „Nun ja, wenn die denn so was brauchen, dann muss es wohl sein.“ Damit lässt er Andreas wieder allein.

Andreas weiß nicht warum, aber dieser Mann weckt in ihm ein starkes Misstrauen. Er nimmt sich vor, auf jeden Fall eine Unterkunft für die Studierenden und sich auszuwählen, die ein gutes Stück entfernt von diesem Hotel liegt, sollten sie die Exkursion hierher tatsächlich unternehmen.

Als Andreas am zweiten Tag noch ein weiteres Stück des Gebietes begutachtet, hat er mehrfach das Gefühl beobachtet zu werden. Er schaut sich genauestens um, kann aber niemanden entdecken. Kopfschüttelnd sinnt er darüber nach.

„Junge, langsam wirst du wirklich paranoid!“, urteilt er halblaut.

Bis zum Abend hat er ein gutes Stück Vorarbeit geleistet. Das Gebiet auf seiner Landkarte ist nun in gleichmäßige Parzellen aufgeteilt. Er steckt die Karte in seine Gesäßtasche. Mit gutem Gewissen beendet er seine Tour.

Auf dem Rückweg zum Hotel sucht er die Post auf. Recht schnell ist der Drucker mit Scanner-Funktion gefunden. Die Karte und seine Berichte mailt er in digitaler Form an seine Universitätsadresse. Vorsichtshalber faxt er die Unterlagen auch noch an das Gerät, das Professor Klausthal und er nutzen.

Vor dem Abendessen springt er rasch unter die Dusche. Noch feucht, nur mit einem Handtuch bekleidet, kommt er ins Zimmer. Ruckartig bleibt er stehen. ‚Irgendetwas ist anders!‘ Er sieht sich gründlich um. Seine Jeans liegt auf dem Boden. ‚Hatte ich sie nicht auf den Stuhl gelegt?‘ Er weiß es nicht mehr. Aber er ist sicher, dass er seinen Universitätsausweis nicht aus seiner Brieftasche geholt hat. Er hat ihn auch ganz bestimmt nicht auf dem Tisch liegen gelassen. ‚Was geht hier vor sich? Sind die mulmigen Gefühle, die ich den ganzen Tag über nicht loswurde, doch berechtigt?‘ Durch seine Gedanken abgelenkt hebt er seine Jeans vom Boden auf. Automatisch macht er die Taschen leer, um sie zusammenzufalten. Dann stutzt er. Noch einmal fasst er in alle Taschen, um dann gründlich zwischen seinen Unterlagen zu suchen. Anschließend kippt er auch noch den Rucksack aus. Aber die Karte, auf der er die Parzellen eingeteilt hatte, bleibt verschwunden. Höchstwahrscheinlich hat er sie nach dem Einscannen in der Post vergessen. Das ist zwar ärgerlich, aber kein wirkliches Problem. Die Unterlagen liegen ja alle in Aachen vor.

Am nächsten Morgen tritt er schon früh den Heimweg an.

Pünktlich am Dienstag sitzt Andreas wieder an seinem Schreibtisch im Büro auf dem Universitätsgelände. Versonnen schaut er vor sich hin, während er über seinen Aufenthalt in Arrach nachdenkt. Er erinnert sich daran, dass er das Gefühl hatte, bei seinen Ausflügen beobachtet zu werden. Ebenso rätselhaft ist es, dass die erstellte Geländekarte verschwunden ist. Bei dem Gedanken an den unangenehmen Hotelinhaber, der ihm absolut nicht sympathisch war, steigert sich sein Unbehagen noch. Jetzt soll er Kevin zuliebe eine Schatzsuche unterstützen. Sicher, die Genehmigungen hat er alle erhalten. Von den Behörden haben sie also nichts zu befürchten, die Finanzierung steht auch bereits. Außerdem können sich die Studierenden dadurch die notwendigen Anforderungen für ihre Abschlüsse erarbeiten.

Mit Hohlraumdetektoren zu arbeiten ist für alle Studierenden immer wieder interessant. Das Erdreich und der Boden können bis in eine Tiefe von vier Metern zerstörungsfrei vermessen und digitalisiert werden. Dabei zeichnen sie dann unterirdische Hohlräume und Metallvorkommen jeglicher Art auf. Auf diese Weise ist schon so manch ein wertvolles Gestein oder sogar ein Schatz ans Tageslicht gekommen. Für die Studierenden ist das jedenfalls eine hervorragende Gelegenheit, ihr praktisches Können in einem Geländelauf und bei Bemessungsarbeiten zu vertiefen. Aber was ist, wenn er die jungen Leute dabei einer Gefahr aussetzt? Wenn sie jemandem in die Quere kommen, der diesen Schatz als sein Eigentum betrachtet? Er muss an seine letzte Exkursion denken, bei der nicht nur Gerd und er selbst in Lebensgefahr geraten sind, sondern auch sämtlich Personen in seiner Begleitung.

Andreas schüttelt verneinend den Kopf. ‚Bin ich jetzt schon exzentrisch? Oder sitzt mir dieser letzte Ausflug noch zu sehr in den Knochen? Vielleicht sollte ich mit Gerd reden? Er hat bestimmt einen Rat für mich.‘ Andreas greift zum Telefon.

„He, du“, begrüßt Gerd fröhlich seinen Freund. „Schön, von dir zu hören. Was gibt es Neues an der Heimatfront?“

„Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber Kevin Lauder, du kennst ihn ja, hat mich zu einer Exkursion in den Bayrischen Wald überredet. Er ist mit einer alten Schatzkarte bei mir aufgetaucht.“

„Ein Schatz? Ist das dein Ernst?“ Andreas kann hören, wie Gerd am anderen Ende der Leitung lacht. „Du willst das wirklich durchziehen? Glaubst du denn, dass da etwas dran ist?“

„Selbst wenn nicht, ist das eine gute Gelegenheit, wieder eine Exkursion zu starten. Ich glaube, das ist überfällig. Ich muss meine Paranoia langsam loswerden.“

„Was für eine Paranoia?“, forscht Gerd alarmiert nach. „Du hattest doch bisher keine derartigen Probleme. Oder habe ich da etwas nicht mitgekriegt?“

„Ich weiß nicht so recht.“ Andreas erzählt seinem Freund von seiner Tour und was dort geschehen ist. „Langsam denke ich wirklich, ich drehe durch. Es ist überhaupt nichts passiert, der Mann war noch nicht einmal unfreundlich. Trotzdem habe ich ein ungutes Gefühl. Aber wenn ich mich davon verrückt machen lasse, kann ich meinen Beruf gleich an den Nagel hängen. Nein, Gerd, vergiss das Ganze. Ich werde auf jeden Fall diese Exkursion machen. Ich muss das einfach tun. Nicht nur für Kevin, auch für mich.“

„Ja, ich verstehe dich.“ Und das tut Gerd wirklich. Er begreift, dass auch sein bester Freund noch mit den Nachwehen der schrecklichen Erlebnisse zu kämpfen hat. „Pass aber auf dich auf, auf euch alle. Mach keine Dummheiten da unten. So ein Abenteuer wie an der Loreley im letzten Jahr brauchen wir nicht noch einmal. Ich bin nicht da, um dich aus Schwierigkeiten herauszuholen. Wir haben hier noch circa zwei Wochen lang zu tun. Bitte melde dich zwischendurch. Soll ich dir viel Spaß oder viel Glück wünschen?“

„Beides, denke ich.“ Sie verabschieden sich.

Gerds Blick ruht immer noch auf seinem Handy. ‚Kann es sein, dass Andreas mit seinen Vermutungen richtigliegt? Wenn bekannt werden sollte, dass diese Exkursion eine Schatzsuche ist, können sie schnell in Gefahr geraten. Es wäre wahrscheinlich nicht schlecht, für etwas Rückendeckung zu sorgen.‘ Er wählt die Rufnummer von Uwe Meyer, dem Piloten des elfköpfigen Teams, der sich fast sofort meldet.

„Uwe, wo steckst du gerade?“

„In dem geliehenen Hubschrauber. Etwa sechstausend Fuß über dir, bereits im Landeanflug. Die fehlenden Elektronikteile sind jetzt alle da. Ich habe sie gerade abgeholt.“

„Das ist gut. Wenn du unten bist, komm bitte in den Kontrollraum. Ich muss mit dir reden.“

„Ja, gut, bis gleich.“

Gerd begibt sich zum Kontrollraum der gesamten High-Tech-Alarmanlage. Bei seinem Eintreten lässt er seinen Blick aufmerksam durch den leicht abgedunkelten kühlen Raum gleiten. Seit über drei Wochen arbeiten sie nun schon an dieser Anlage. Er ist sicher, dass sie fehlerfrei in Betrieb gehen wird. Die beiden Experten für die Computertechnik arbeiten einvernehmlich an der Installation der Geräte. Maximilian Schreiber, kurz Max genannt, sitzt auf einem der Drehstühle vor dem Kontrollpult. Der dreißigjährige, ein Meter vierundsiebzig große übergewichtige blonde Mann ist mit seinem IQ von 154 hochintelligent.

Tim Hoffmann, ebenfalls dreißig Jahre, ist das genaue Gegenteil von Max. Ein Meter neunzig groß, schlank und rothaarig. Er lässt keinen Witz aus, bleibt bei der Arbeit aber eher ruhig und besonnen, lässt sich nicht drängen, sondern arbeitet systematisch und routiniert. Im Augenblick kniet er seitlich neben Max vor dem Terminal. Um ihn herum sind etliche Messinstrumente und einiges an Handwerkzeug auf dem Boden verteilt.

Während Max ihm per Ansage die Schritte mitteilt ist er das ausführende Organ. Die beiden arbeiten jetzt seit fast zwei Jahren zusammen. Sie verstehen sich bestens, so wie auch alle anderen aus dem Team. Ein Stück entfernt davon findet er Peter Staller, den Chef der Staller Industrie Werke GmbH zusammen mit Gerds Stellvertreter Daniel Richter im Gespräch. Der blonde Daniel, vierzig Jahre, mittelgroß und kräftig gebaut hat Humor, setzt sich aber auch mit Autorität durch. Im Gegensatz zu Gerd übernimmt er problemlos auch die repräsentativen Pflichten.

„Gerd!“ Peter Staller wendet sich ihm erleichtert zu. „Du kommst wie gerufen. Für die Abnahme brauchen wir einen Testlauf. Damit möchte ich den Kunden rundherum zufrieden stellen. Uns fehlt nur eine gute Vorgehensweise, wie wir das am besten bewerkstelligen.“

„Das ist doch ganz einfach. Wir lassen unsere Anlage Alarm schlagen. So können wir sie am besten testen und den Kunden dabei auch noch beeindrucken.“ Gerd lässt sich das Anliegen kurz durch den Kopf gehen.

„Wie stellst du dir das im Einzelnen vor?“ Neugierig wartet Peter auf die Erklärung seines Projektleiters.

„Zuerst einmal würde ich an verschiedenen Eingängen mit versteckten Waffen Zugang erzwingen. Ein paar Störsender wären auch nicht schlecht. Dann können wir versuchen, einige der Exponate zu entfernen. Zum Schluss testen wir unsere Kameras in den Verbotszonen.“

Daniel schmunzelt. „Du willst also den Kunden mit der Extremsituation beeindrucken?“

„Warum denn nicht? Das ist doch genau das, was diese Anlage verhindern soll. So kann er sich davon überzeugen, dass es auch funktioniert. Ich glaube, das ist genau das, was Luis Perez sehen möchte.“

„Damit hast du sicher Recht. Arbeitet mir einen sauberen Ablauf aus. Alles was ihr dafür braucht kann Uwe Meyer euch besorgen. Gebt mir bitte Bescheid, wenn der erste Probelauf stattfindet. Ich möchte auf jeden Fall einen Durchgang haben, bevor wir den Kunden dazu einladen.“

„Geht klar.“ Nachdem alles geklärt ist richtet sich Gerd direkt an den Konzernchef. „Kann ich dich einen Augenblick allein sprechen?“

„Natürlich.“ Prüfend mustert Peter ihn. „Worüber machst du dir Sorgen? Stimmt mit der Anlage etwas nicht?“

„Nein, da ist alles bestens.“ Gerd wartet bis Daniel sich entfernt hat. „Es ist wegen Andreas. Er will mit ein paar seiner Studierenden eine Exkursion in den Bayrischen Wald machen. Ich würde ihm gern Uwe Meyer an die Seite stellen, wenn du nichts dagegen hast.“

„Warum?“

Die heftig ausgestoßene Frage von Peter zeigt Gerd, dass auch Andreas’ Vater noch nicht vergessen hat was vor einiger Zeit geschehen ist. Er erzählt ihm, was er weiß. „Da muss überhaupt nichts dran sein. Andy räumt selbst ein, dass er wahrscheinlich überreagiert. Aber mir wäre etwas mehr Sicherheit ganz recht. Und dir doch garantiert auch?“

„Damit liegst du richtig. Gut, schick Herrn Meyer hin. Wann soll es da losgehen?“

„Nächste Woche. Bis dahin ist Uwe mit seiner Arbeit hier durch.“

„Dann machen wir das so.“ Peter sieht man die Sorge um seinen Sohn an.

„Hallo Leute.“ Uwe Meyer betritt den Computerraum.

Sogleich wird der sechsunddreißigjährige Pilot von Max bestürmt. „Na endlich. Wo sind die Ersatzteile? Hast du sie etwa nicht bekommen?“ Sein Gesicht läuft vor Schreck rot an.

„Beruhige dich bitte direkt wieder.“ Beschwichtigend hebt Uwe die Hände. Seine blau-grauen Augen blitzen belustigt auf. Er wirft dem grinsenden Tim den Schlüssel vom Hubschrauber zu. „Es ist alles da. Ihr braucht es nur noch auszuladen.“

Dann wendet er sich an Gerd. „Was hast du für mich?“

„Einen Sondereinsatz.“

Peter bestätigt ihm mit einem Kopfnicken, dass er fortfahren soll.

Gerd erklärt Uwe sein Anliegen. „Nächste Woche geht Andreas auf eine Exkursion. Wir möchten, dass du ihn begleitest.“

„Glaubst du es gibt Schwierigkeiten?“ Auch Uwe reagiert hellhörig.

„Ich bin mir nicht sicher. Sie gehen auf Schatzsuche. Ich möchte jedes unnötige Risiko vermeiden.“

„Und ich soll den Aufpasser spielen? Bei einer Schatzsuche? Kein Problem. Sag mir einfach wann es losgeht.“

5

Um die letzte Genehmigung für diese Exkursion zu erlangen, liegt noch ein Weg vor Andreas, der nicht einfach sein wird. Er sucht Professor Klausthal in dessen Büro auf.

Der Professor begrüßt den Doktoranden erfreut. „Herr Staller, schön, Sie zu sehen. Was verschafft mir die Freude Ihres frühen Besuches?“

Andreas erwidert den Gruß des Professors freundlich. „Tja, eigentlich möchte ich Sie um Ihre Zustimmung zu einer Exkursion bitten. Wir haben von den zuständigen Behörden die Genehmigung erhalten, eine Flurkarte in der Gegend von Arrach zu erstellen. Das liegt im Bayrischen Wald. So könnten ein paar der Studierenden ihren notwendigen Geländelauf absolvieren.“