Mozarts Briefe - Ludwig Nohl - E-Book

Mozarts Briefe E-Book

Ludwig Nohl

0,0

Beschreibung

Ludwig Nohl (* 5. Dezember 1831 in Iserlohn; 15. Dezember 1885 in Heidelberg) war ein deutscher Musikwissenschaftler und Musikschriftsteller. Seine Sammlung der Briefe Mozarts gehört zu den umfangreichsten der Welt. Inhalt: Vorwort. Erste Abtheilung. Italien. Wien. München. Zweite Abtheilung. München. Augsburg. Mannheim. Dritte Abtheilung. Paris. Vierte Abtheilung. München. Idomeneo. Fünfte Abtheilung. Wien. Entführung. Heirath. Sechste Abtheilung. Figaro. Don Juan. Zauberflöte.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 810

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Mozarts Briefe

Ludwig Nohl

Inhalt:

Vorwort.

Erste Abtheilung. Italien. Wien. München.

Zweite Abtheilung. München. Augsburg. Mannheim.

Dritte Abtheilung. Paris.

Vierte Abtheilung. München. Idomeneo.

Fünfte Abtheilung. Wien. Entführung. Heirath.

Sechste Abtheilung. Figaro. Don Juan. Zauberflöte.

Abbildungen

Bildanhang

Mozarts Briefe, Ludwig Nohl

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Freesurf - Fotolia.com

Ludwig Nohl – Lexikalische Biografie

Deutscher Musikschriftsteller, geb. 5. Dez. 1831 in Iserlohn, gest. 16. Dez. 1885 in Heidelberg, studierte in Bonn und Heidelberg Rechtswissenschaft und widmete sich nach mehreren Jahren juristischer Tätigkeit ausschließlich der Musik. Von 1861–71 lebte er in München; 1872 ließ er sich als Privatdozent an der Universität in Heidelberg nieder, wurde hier 1880 zum Professor ernannt und wirkte seit 1875 zugleich am Polytechnikum in Karlsruhe als Dozent für Geschichte und Ästhetik der Tonkunst. Nohls verdienstlichste Arbeiten sind Sammlungen von Briefen Mozarts (2. Aufl., Leipz. 1877) und Beethovens (das. 1865, neue Folge 1868) und eine Sammlung von Briefen Verschiedener (»Musikerbriefe«, das. 1867; 2. Ausg., das. 1873). Ferner schrieb er: »Mozarts Leben« ' Stuttg. 1863; 3. Aufl., Berl. 1906); »Beethovens. leben« (Bd. 1, Wien 1864; Bd. 2 u. 3, Leipz. 1867 u. 1877); »Gluck und Wagner« (Münch. 1870); »Beethoven, Liszt, Wagner« (Wien 1874); »Mosaik« (Leipz. 1882, 2. Aufl. 1887); »Das moderne Musikdrama« (Teschen 1884); »Die geschichtliche Entwickelung[729] der Kammermusik« (Braunschw. 1885); »Beethoven, nach den Schilderungen seiner Zeitgenossen« (Stuttg. 1877) und »Mozart, nach den Schilderungen seiner Zeitgenossen« (das. 1880) u.a.

Mozarts Briefe

Vorwort.

Eine vollständige und authentische Ausgabe von Mozarts Briefen bedarf wohl keiner besonderen Rechtfertigung. Denn wenn auch der wesentliche Inhalt dieser Briefe bereits durch die Biographien von Nissen, Jahn und mir nach den Originalien bekannt geworden ist, so sind dieselben doch in allen drei Werken, so wie es deren Zweck mit sich brachte, theils sehr unvollständig theils völlig auseinandergerissen mitgetheilt und so der eigentliche Reiz von Briefen überhaupt, nämlich die gemüthliche Stimmung des jedesmaligen Schreibens, gänzlich zerstört worden. Diesen Reiz, der auch für den mit Mozarts Leben Vertrauten ein so neuer ist, daß ihm oft selbst das Bekannteste eine frische Würze gewinnt, wiederherzustellen oder vielmehr erst allgemein genießbar zu machen, vermochte eben nur eine unzerstückelte Wiedergabe der Briefe selbst, und dies ist es was ich hier biete und was, dessen bin ich gewiß, nicht bloß die große Menge der Mozartfreunde, sondern auch die Fachmänner willkommen heißen werden. Denn nur hier tritt uns mit voller Deutlichkeit entgegen, was Mozart gelebt und gestrebt, genossen und gelitten hat, und zwar in einer unmittelbar ergreifenden Macht, wie sie selbst die vollendetste Biographie niemals erreichen kann. Und wer kännte nicht den wechselnden Reichthum des Mozartschen Lebens! – Was jene Zeit bewegte, nein was überhaupt die Menschenherzen bewegt und stets bewegen wird, ging frischpulsirend und in den mannigfaltigsten Gestaltungen durch sein leicht erregtes Innere und spiegelte sich in einer Reihe von Auslassungen wieder, die in der That mehr einem Tagebuche als einer Correspondenz gleicht. Dieser Künstler, dem die Natur in jeder Hinsicht die klarste Geistesthätigkeit verlieh, die je ein Mensch besessen, verstand es auch sogar in einer Sprache, die ihm nicht einmal der völlig mundgerechte und durch Uebung entwickelte Ausdruck seines Innern war, alles was er sah und hörte, empfand und dachte, mit überraschender Klarheit, ja mit anmuthiger Heiterkeit, mit Geist und Empfindung dem Andern zu erzählen, und so besitzen wir vor Allem in seinen Reiseberichten an den Vater ausführliche Schilderungen von Land und Leuten, von dem Treiben der Künste, besonders in Theater und Musik, von den Vorgängen des eigenen Herzens und hundert anderen Dingen, die an Ergötzlichkeit, an allgemein menschlichem wie künstlerischem Interesse in unserer Literatur kaum ihres Gleichen haben. Und mag ihnen auch eine gewisse Styllosigkeit ankleben, d.h. ein Mangel an bestimmter Absicht, das Mitzutheilende in schöner oder doch vollkommen entsprechender Form zu sagen, sowie es ja Mozart in seiner Musik so meisterlich verstand, – mag auch die Redeweise, zumal in den spätern Briefen der Wiener Zeit, sogar manchmal etwas salopp sein, sodaß deutlich herauszufühlen ist, wie sehr den Meister das Buchstabenmalen ennuyirte, so sind doch die sämmtlichen Briefe ein höchst unbefangener und natürlich einfacher Ausdruck seines Wesens und erinnern schon dadurch in der erfreuendsten Weise an all die Liebenswürdigkeit und Herzlichkeit, an den Geist und die Anmuth, womit uns Mozarts Musik so tausendmal in Entzücken versetzt. Ja die Berichte von der großen Pariser Reise können sogar einen gewissen ästhetischen Werth beanspruchen, denn sie sind durchweg mit sichtbarer Lust an der Schilderung selbst, ja sogar mit Witz, Anmuth und drastischer Charakteristik geschrieben. Und da nun all diese Vorzüge der Mozartschen Briefe uns eben völlig nur in einer unzerstückelten und zusammenhängenden Folge derselben entgegenzutreten vermögen, so habe ich mich nach jahrelanger eifriger Sammlung und Forschung entschlossen, diese Arbeit zu thun, d.h. die ganze Reihe der mir bekannt gewordenen Briefe zu veröffentlichen, und ich brauche jetzt wohl nur noch über die Art der Herausgabe einige erläuternde Worte zu sagen.

Erstens konnte die vorliegende Ausgabe durchweg nach den Originalien verfaßt und auf diese Art, wie der Fachmann bei genauerer Vergleichung leicht erkennen wird, für die bisherigen Veröffentlichungen in kleinen wie in größeren Dingen manches berichtigt werden. Jedoch habe ich es unterlassen, auf die Abweichungen sowohl von Nissen wie von Jahn jedesmal aufmerksam zu machen; denn ich liebe es nicht, Kleinigkeiten zu moniren, wo, wie bei Jahn, die Hauptsachen in der Ordnung sind. Ferner wird man aber durch die vollständige Wiedergabe der Briefe – es sind meist nur die sich stets eintönig wiederholenden Grüße und Unterschriften weggeblieben – auch manche ergänzende Züge aus des Meisters Leben und vor Allem mancherlei Nachrichten über Entstehung und Herausgabe seiner Werke finden, die wohl zu einzelnen Ergänzungen und Berichtigungen in Dr. Ludwig Ritter von Köchels "Chronologisch-thematischem Verzeichnisse sämmtlicher Tonwerke W.A. Mozarts" (Leipzig, Breitkopf und Härtel) führen können. Und zwar wird dies nicht allein durch die verhältnißmäßig geringe Anzahl der bisher völlig unbekannten Briefe, sondern auch durch den Abdruck der bisher als zu unbedeutend unterdrückten Stücke bereits bekannter Briefe geschehen. Nur da, wo mir der Besitzer des Originals oder einer directen Abschrift nach demselben trotz aller Nachforschungen völlig unbekannt geblieben ist, habe ich mich an Nissen und Jahn gehalten. Doch kann ich hier nachträglich mittheilen, daß der Besitzer des Originals

1) von Nr. 4 (Mailand 10. Febr. 1770) die k.k. Hofbibliothek in Wien,

2) von Nr. 40 (Mailand 24. Nov. 1771) der Herr Musikdirector F.W. Jähns in Berlin,

3) von Nr. 236 (Wien 24. Mai 1784), der mindestens viermal so lang ist als das von mir nach Nissen mitgetheilte Stück und interessante Mittheilungen über Mozarts Hauswesen gibt, – sowie von Nr. 243 (Wien 4. April 1787) der Herr Dr. Franz Ritter von Heintl, Seiner k.k. apostolischen Majestät Truchseß und Oberfinanzrath, Ritter des Kaiserlichen Franz-Joseph-Ordens etc. ist, – wobei noch zu bemerken, daß der S. 438 Anm. nach Jahn mitgetheilte Abschnitt den Anfang des Briefes ausmacht;

4) befindet sich der Schluß von Nr. 110 (Paris 31. Juli 1778) jetzt auf der königl. Bibliothek in Berlin. Leider sind mir diese Nachrichten erst nach Beendigung des Druckes zugekommen.

Ferner habe ich zu erinnern, daß sämmtliche Briefe, deren Adressat nicht genannt worden, an den Vater gerichtet sind. Und daß die mangelhafte Orthographie Mozarts nur in den wenigen Knabenbriefen beibehalten, in allen übrigen dagegen mit der heutigen vertauscht worden ist, geschah aus dem einfachen Grunde, weil dieselbe nur in denjenigen Briefen ein wirklicher Reiz ist, wo sie mit dem knabenhaften Inhalte übereinstimmt, während in allen übrigen dieser Reiz sich so bald abstumpft, daß die Sache ermüdend wird und von dem Inhalte nur ablenkt, statt demselben ein erhöhtes Interesse zu gewähren. In Biographien kann und muß man der Originalschreibart stets treu bleiben, weil die Citate mit dem Text des Erzählers abwechseln; in unmittelbar aufeinanderfolgenden Briefen ist mit diesem Reiz sehr sorgfältig umzugehen, wenn er nicht geradezu störend wirken soll.

Die erläuternden Anmerkungen sowie das beigefügte Lexikon, wobei mir Jahns Register als Vorarbeit gedient hat, werden die Briefe auch dem Laien verständlicher machen, während das mit dem Lexikon verbundene Register dem Forscher zu Lieb mit größter Sorgfalt angefertigt ist.

Indem ich nun schließlich vor Allem dem Archivar des Mozarteums in Salzburg, Herrn Jellinek, sowie all den Herren Autographensammlern und Bibliothekaren, die mich theils durch Abschriften ihrer Mozartbriefe theils durch Nachweisung von solchen unterstützten, meinen besten Dank abstatte, ersuche ich alle diejenigen, die sich im Besitze von solchen Briefen befinden, der Wissenschaft zu Gefallen genaue Abschrift davon mir einzusenden; denn die hier mitgetheilten Briefe geben Nachricht von noch manchem unbekannten Briefe Mozarts und es wird ohne Zweifel noch dieser oder jener von ihnen in der Welt umherirren und auf Erlösung harren. Mir selbst aber wünsche ich als besten Lohn für die Mühe und mancherlei Opfer, mit denen namentlich diese Sammlung zunächst nur erst beschafft werden mußte, daß die Leser der Briefe auch die Hauptabsicht erkennen mögen, die mich bei ihrer jetzigen Veröffentlichung geleitet hat. Denn diese Absicht ging nicht bloß dahin, der Wissenschaft zu dienen, auch nicht dieses durch seine Liebenswürdigkeit und Herzensreinheit so sehr anziehende Menschenbild von Neuem zur lebhaft anmuthenden Erscheinung zu bringen – dieses Ziel verfolgte ich bei meinem "Mozart", – sondern es galt mir diesmal vor Allem wieder darauf aufmerksam zu machen, mit welch rückhaltlosem Eifer Mozart stets dem Fortschritt in seiner Kunst huldigte, das heißt dem Streben, den Ton immermehr zum Ausdruck des geistigen Lebens zu machen, und wie er dabei zwar theils vom Stumpfsinn und der Trägheit der Menge gehemmt wurde, theils aber auch von dem Schwunge verstehender Geister unterstützt zum herrlichsten Siege über Zopf und Unsinn geführt ward. Wenigstens war es vor Allem dies, was mich bei der sonst geisttödtenden Copiatur und Collationirung der mir so wohlbekannten Briefe auch diesmal wieder und mehr als je lebendig ergriff, und was wohl in keinem Buche über den Meister dem Verstehenden jemals so überzeugend entgegentreten wird als in einer solchen zusammenhängenden Folge seiner eigenen Berichte über jenes unermüdliche künstlerische Ringen und Leisten. Möge also dieses auch unsere heutigen Künstler, jugendliche Talente wie lorbeerreiche Meister, die ja ebenfalls vor Allem auf dem Gebiete, wo Mozart sein Höchstes leistete, mit schönem Erfolge thätig sind, von Neuem hell entzünden und ihnen den kraftvollen Muth geben, der in der Erfahrung liegt, daß unablässiges Streben nach Erweiterung der Kunst und ihrer Mittel dem menschlichen Geiste überhaupt seine Gränzen weiter steckt und auch einzig im Stande ist, den Kranz der Unsterblichkeit zu reichen.

München 1. October 1864.

Ludwig Nohl.

Erste Abtheilung. Italien. Wien. München.

1770–1776.

Wolfgang Amadeus Mozartwurde am 27. Januar 1756 in Salzburg geboren. Sein Vater Leopold Mozart, aus einer tüchtigen Handwerkerfamilie der freien Reichsstadt Augsburg stammend, war im Bewußtsein einer nicht geringen geistigen Begabung seinem Drange nach einer höhern Lebensstellung gefolgt und auf die damals berühmte Universität Salzburg gezogen, um Jurisprudenz zu studiren. Da es ihm aber nicht gelang, in diesem Fache bald genug eine Anstellung zu erhalten, so sah er sich bei der Geringfügigkeit seiner pecuniären Mittel dazu gezwungen, als Kammerdiener in den Dienst des Domherrn Grafen Thurn zu treten. Später jedoch verhalf ihm seine Anlage und tüchtige Ausbildung in der Musik, mit der er nach der Gewohnheit so vieler Studirenden jener Zeit schon stets einen Theil seines Unterhaltes gewonnen hatte, zu einer besseren Stellung; er wurde im Jahre 1743 vom Erzbischof Sigismund in die Salzburgische Capelle aufgenommen. Und da seine Tüchtigkeit und sein Ruf als Violinspieler sich mehrten, ernannte ihn derselbe Fürst zunächst zum Hofcomponisten und Anführer des Orchesters und im Jahre 1762 sogar zum Vicecapellmeister der Hofmusik.

Bereits im Jahre 1747 hatte Leopold Mozart Anna Maria Pertlin, eine Pflegetochter des Stiftes St. Gilgen bei Salzburg, geheirathet. Aus dieser Ehe gingen 7 Kinder hervor, von denen jedoch nur das vierte, Maria Anna, genannt Nannerl, geb. 1751, und das letzte, Wolfgang Amadeus Johannes Chrysostomus, am Leben blieben. Die Tochter zeigte frühe ein hervorragendes Talent zur Musik, und als der Vater den Unterricht mit ihr begann, regte sich auch in dem dreijährigen Brüderchen die angeborene lebhafte Neigung zu dieser Kunst und er zeigte sogleich Gaben, die alles Gewöhnliche weit überstiegen und geradezu ans Wunderbare gränzten. Im vierten Jahre spielte er schon allerhand kleine Stücke auf dem Klavier; eine Menuet zu lernen brauchte er eine halbe Stunde, für ein größeres Stückchen eine Stunde, und im fünften Jahre componirte er bereits selbst hübsche kleine Sätzchen, von denen mehrere aufbewahrt sind.1

Diese staunenswerthen Leistungen beider Kinder, zu denen bei Wolfgang bald auch fertiges Violin- und Orgelspiel hinzukam, bewogen den Vater mit ihnen zu reisen. Im Januar 1762, als der Knabe eben sechs Jahre alt ward, ging es zunächst nach München, dann im Herbst nach Wien, und überall auf der Reise erregten die Kinder das größte Aufsehen und wurden reich beschenkt. So beschloß denn bald darauf der Vater mit der gesammten Familie eine größere Reise anzutreten. Diese dauerte über drei Jahre und dehnte sich von den kleinern Residenzen des westlichen Deutschland nach Paris und London aus, und dann über Holland, Frankreich und die Schweiz zurück. Dabei ging der sorgfältige Unterricht, den der Vater seinem Sohne unermüdet gewährte, mit der trefflichsten Erziehung Hand in Hand, und der Knabe war bald überall ebenso wegen seines liebenswürdigen Charakters und seiner einfachen Natürlichkeit und Offenheit geliebt als er wegen seiner seltenen Gaben und seiner Leistungen angestaunt wurde.

Nachdem nun noch fast ein Jahr lang Unterricht und Uebung auf Instrumenten wie im Componiren in der Heimath unausgesetzt betrieben worden waren, reiste der Vater wiederum mit der gesammten Familie nach Wien, und zwar diesmal in der Absicht, daß sich Wolfgang fortan durch Composition einer Oper den Weg nach dem damaligen Eldorado der Musik, nach Italien, bahne. Es gelang in der That die Scrittura einer Opera buffa – sie hieß La finta semplice – zu erlangen; allein als dieselbe fertig war, wußten die Kabalen der neidischen Sänger, obwohl der Kaiser selbst dem Knaben die Composition aufgetragen hatte, ihre Aufführung völlig zu verhindern. Dagegen kam eine deutsche Operette "Bastien und Bastienne", die der zwölfjährige Wolfgang damals ebenfalls schrieb, in dem Gartenhaus der Familie Mesmer in der Vorstadt Landstraße wenigstens zu einer Privatdarstellung; und der Vater hatte obendrein die kleine Genugthuung, den Sohn, dem der Kaiser die Composition einer solennen Messe zur Einweihung der neuen Waisenhauskirche aufgetragen hatte, dieselbe in Gegenwart der kaiserlichen Familie am 7. December 1768 selbst mit dem Tactstocke dirigiren zu sehen.

Sogleich nach der Rückkehr in die Heimath ward der junge Virtuose zum erzbischöflichen Concertmeister ernannt. Er brachte nun fast das ganze Jahr 1769 wieder dort zu und war hauptsächlich mit der Composition von Messen beschäftigt. Wir sehen ihn damals eifrig bemüht die lateinische Sprache besser zu erlernen, in der er übrigens bereits zwei Jahre vorher eine Comödie "Apollo et Hyacinthos" componirt hatte. Auf dieses Studium nun bezieht sich auch das erste Briefchen, das von seiner Hand vorhanden ist.

1. Kaufmann A. Saullich in Salzburg.2

Salzburg 1769.

Freundin!

Ich bitte um Verzeihung, daß ich mir die Freyheit nehme ihnen mit etlichen Zeilen zu plagen; aber weil sie gestern sagten, sie können alle Sachen verstehen, ich mag ihnen lateinisch herschreiben, was ich nur will, so hat mich der Vorwitz überwunden, ihnen allerhand lateinische worte zeilen herzuschreiben. Haben sie die Gütte für mich, daß wenn sie selbige Worte aufgeleset, so schicken sie durch ein Hagenauermensch3 die antwort zu mir, dan unser mandel kann nicht warten (aber sie müssen mir auch mit einen brief antworten).

Cuperem scire, de qua causa, à quam plurimis adolescentibus ottium usque adeo æstimetur, ut ipsi se nec verbis, nec verberibus ab hoc sinant abduci.

1769.

Wolfgang Mozart.

Des Vaters Plan, nach Italien zu gehen und von dort aus seinem Sohne Geltung für ganz Europa zu bereiten, wurde anfangs December 1769 ausgeführt, und von der Reise aus fügte derselbe den Berichten des Vaters Zuschriften bei, in denen er sich nach Knabenart – er trat damals ins 15. Lebensjahr – in allerhand Sprachen und Witzen übt, aber in seinen Aeußerungen über Musik stets aufmerksame Beobachtung, ernsten Sinn und treffendes Urtheil verräth.

2. Nissen.

Verona 7. Januar 1770.

Allerliebste Schwester!

Einen spannenlangen Brief habe ich gehabt, weil ich auf eine Antwort vergebens gewartet habe; ich hatte auch Ursache, weil ich Deinen Brief noch nicht empfangen hatte. Jetzt hört der deutsche Tölpel auf und das wälsche Tölperl fängt an.Lei è piu franca nella lingua italiana di quel che mi ho imaginato. Lei mi dica la cagione, perchè Lei non fù nella commedia che anno giocato i Cavalieri. Adesso sentiamo sempre una Opera titolata: Il Ruggiero. Oronte, il padre di Bradamante, è un principe (fà il Sign.Afferi), bravo cantante, un baritono, màgezwungen, wenn er in Falset hinaufpiepet, aber doch nicht so sehr wie Tibaldi in Wien. Bradamante, innamorata di Ruggiero (mà sie soll den Leone heirathen, will aber nicht), fà una povera Baronessa, che ha avuto una gran disgrazia, mà non sò la quale. Recita unter einem fremden Namen, ich weiß aber den Namen nicht; ha una voce passabile e la statura non sarebbe male, ma distuona come il diavolo. Ruggiero, un ricco principe innamorato di Bradamante, è un Musico: canta un poco Manzuolisch4ed ha una bellissima voce forte ed è già vecchio: ha 55 anni ed a una läufige Gurgel. Leone soll die Bradamante heirathen, richississimo è; ob er aber außer dem Theatro reich ist, das weiß ich nicht.La moglie di Afferi, che ha una bellissima voce, ma è tanto susurro nel teatro che non si sente niente. Irene fà una sorella di Lolli den gran Violinista che habbiamo sentito a Vienna, a unaschroffelte voce et canta sempre um ein Viertel zu tardi o troppo à buon' ora. Ganno fà un signore che non sò come si chiama: è la prima volta che lui recita.Zwischen einem jeden Act ist ein Ballet. Es ist ein braver Tänzer da, der sich nennt Monsieur Roessler. Er ist ein Teutscher und tanzt recht brav. Als wir das letzte Mal (aber nicht gar das letzte Mal) in der Oper waren, haben wir den Mr. Roessler in unsern Palco heraufkommen lassen (denn wir haben die Loge des Mr. Carlotti frey, denn wir haben den Schlüssel dazu) und mit ihm geredet. A propos, Alles ist in der Maschera jetzt, und was das Commodeste ist, wenn man eine Larve auf dem Hute hat und hat das Privilegium den Hut nicht abzuziehen, wenn Einer mich grüßt, und nimmer beym Namen zu nennen, sondern allezeit: Servitore umilissimo, Signora Maschera. Cospetto di Bacco, das spritzt. Was aber das Rareste ist, ist dieses, daß wir um halb acht Uhr zu Bette gehen.Se Lei indovinasse questo, io dirò certamente, che Lei sia la Madre di tutti gli indovini.Küsse anstatt meiner der Mama die Hand, und Dich küsse ich zu tausend Mal und versichere Dich, daß ich werde bleiben immer

Dein aufrichtiger Bruder

Portez Vous bien et aimez moi toujours.

3. Nissen.

Mailand 26. Januar 1770.

Mich freut es recht von ganzem Herzen, daß Du bei der Schlittenfahrt, von der Du mir schreibst, Dich so sehr ergötzt hast, und ich wünsche Dir tausend Gelegenheiten zur Ergötzung, damit Du recht lustig Dein Leben zubringen mögtest. Aber Eins verdrießt mich, daß Du den Herrn von Mölk [einen der Courmacher des sehr schönen, jetzt achtzehnjährigen Mädchens] so unendlich seufzen und leiden hast lassen, und daß Du nicht mit ihm Schlitten gefahren bist, damit er Dich hätte umschmeißen können. Wie viele Schnupftücher wird er nicht denselbigen Tag wegen Deiner gebraucht haben vor Weinen. Er wird zwar vorher schon drey Loth Weinstein eingenommen haben, die ihm die grausame Unreinigkeit seines Leibes, die er besitzt, ausgetrieben haben wird. Neues weiß ich Nichts, als daß Herr Gellert, der Poet zu Leipzig5, gestorben ist und dann nach seinem Tode keine Poesien mehr gemacht hat. Just ehe ich diesen Brief angefangen habe, habe ich eine Arie aus dem Demetrio [von Metastasio] verfertigt, welche so anfängt: Misero tu non sei etc.

Die Oper zu Mantua ist hübsch gewesen. Sie haben den Demetrio gespielt. Die prima Donna singt gut, aber still; und wenn man sie nicht agiren sähe, sondern singen nur allein, so meynte man, sie sänge nicht, denn den Mund kann sie nicht öffnen, sondern winselt Alles her, welches uns aber Nichts Neues ist zu hören. Die seconda Donna macht ein Ansehen wie ein Grenadier, und hat auch eine starke Stimme; und singt wahrhaftig nicht übel, für das, daß sie das erste Mal agirt. Il primo uomo, il musico singt schön, aber hat eine ungleiche Stimme. Er nennt sich Caselli. Il secondo uomo ist schon alt, und mir gefällt er nicht. Der Tenor nennt sich Ottini: er singt nicht übel, aber halt schwer, wie alle italienischen Tenore; er ist unser sehr guter Freund. Wie der zweyte heißt, weiß ich nicht. Er ist noch jung, aber nicht viel Rares. Primo ballerino, gut; Prima ballerina, gut, und man sagt, sie sey gar kein Hund; ich aber habe sie nicht in der Nähe gesehen. Die Uebrigen sind wie alle Andern. Ein Grotesco ist da, der gut springt, aber nicht so schreibt wie ich: wie die Säue brumzen. Das Orchester ist nicht übel. Zu Cremona ist das Orchester gut, und der erste Violonist heißt Spagnoletta. Prima Donna nicht übel; schon alt, glaube ich, wie ein Hund; singt nicht so gut, wie sie agirt, und ist die Frau eines Violonisten, der bei der Oper mit geigt, und sie nennt sich Masci. Die Oper hieß La clemenza di Tito. Seconda Donna, auf dem Theater kein Hund; jung, aber nichts Rares. Primo uomo, musico, Cicognani,eine hübsche Stimme und ein schönes Cantabile. Die andern zwey Castraten, jung und passabel. Der Tenor nennt sich: non lo so, hat ein angenehmes Wesen, sieht dem Le Roi zu Wien natürlich gleich. Ballerino primo, gut und ein sehr großer Hund. Eine Tänzerin war da, die nicht übel getanzt hat, und was das nicht für ein capo d'opera ist, außer dem Theater und in demselben kein Hund. Die Uebrigen wie Alle. Ein Grotesco ist auch dort, der bei jedem Sprunge einen hat – lassen. Von Milano kann ich dir wahrhaftig nicht viel schreiben: wir waren noch nicht in der Oper. Wir haben gehört, daß die Oper nicht gerathen hat. Primo uomo, Aprile, singt gut, hat eine schöne gleiche Stimme. Wir haben ihn in einer Kirche gehört, wo just ein großes Fest war. Madam Piccinelli von Paris, welche in unserm Concerte gesungen hat, agirt bey der Oper. Herr Pick, welcher zu Wien tanzte, tanzt jetzt hier. Die Oper nennt sich Didone abbandonata, und wird bald aufhören. Sign. Piccini, welcher die zukünftige Oper schreibt, ist hier. Ich habe gehört, daß seine Oper heißt: Cesare in Egitto.

Wolfgang de Mozart

Edler vom Hochenthal, Freund des Zahlhauses.

4. Nissen. Nachschrift.

Mailand 10. Febr. 1770.

Wenn man die Sau nennt, so kömmt sie gerennt. Ich bin wohl auf, Gott Lob und Dank, und kann kaum die Stunde erwarten, eine Antwort zu sehen. Ich küsse der Mama die Hand, und meiner Schwester schicke ich ein Blattern – – Busserl, und bleibe der nämliche – – aber wer? – – der nämliche Hanswurst. Wolfgang in Deutschland, Amadeo in Italien.

de Morzantini.

5. Nissen. Nachschrift.

Mailand 17. Febr. 1770.

Da bin ich auch, da habt's mich: Du Mariandel, mich freut es recht, daß Du so erschrecklich – – lustig gewesen bist. Dem Kindsmensch [Salzburger Ausdruck für Magd], der Urserl, sage daß ich immer meyne, ich hätte ihr alle Lieder wieder zurück gestellt; aber allenfalls, ich hätte sie in den wichtigen und hohen Gedanken nach Italien mit mir geschoben, so werde ich nicht ermangeln, wenn ich es finde, es in den Brief hinein zu prägen. Addio, Kinder, lebt's wohl, der Mama küsse ich tausend Mal die Hände, und Dir schicke ich hundert Busserln oder Schmazerln auf Dein wunderbares Pferdegesicht. Per fare il fine, bin ich Dein etc.

6. Mozarteum. Nachschrift.

Mailand am Fasching Erchtag 1770.

Und ich küsse die Mama und Dich, ich bin völig verwirt vor lauter Affairen6, ich kan ohnmöglich mehr schreiben.

7. Nissen.

Mailand 3. März 1770.

Cara sorella mia!

Recht von ganzem Herzen freut es mich, daß Du Dich so lustig gemacht hast. Du mögtest aber etwa glauben, ich hätte mich nicht lustig gemacht. Aber ja, ich könnte es nicht zählen. Ich glaube gewiß, wir waren sechs oder sieben Mal in der Oper, und dann in den feste di ballo, welche, wie zu Wien, nach der Oper anfangen, aber mit dem Unterschied, daß zu Wien mit dem Tanzen mehr Ordnung ist. Die facchinata und chiccherata haben wir auch gesehen. Die erste ist eine Maskerade, welche schön zu sehen ist, weil sich Leute anlegen als facchini oder als Hausknechte, und da ist eine barca gewesen, worin viele Leute waren, und viele sind auch zu Fuße gegangen. Vier oder sechs Chöre Trompeten und Pauken, und auch etliche Chöre Geigen und andere Instrumente. Die chiccherata ist auch eine Maskerade. Die Mailänder heißen chicchere diejenigen, die wir petits maîtres heißen, oder Windmacher halt, welche denn alle zu Pferde, welches recht hübsch war. Mich erfreut es jetzt so, daß es dem Herrn von Aman7 besser geht, als wie es mich betrübt hat, wie ich gehört habe, daß er ein Unglück gehabt hat. Was hat die Madame Rosa für eine Maske gehabt? Was hat der Herr von Mölk für eine gehabt? Was hat Herr von Schiedenhofen für eine gehabt? Ich bitte Dich, schreibe es mir, wenn Du es weißt: Du wirst mir einen sehr großen Gefallen erweisen. Küsse statt meiner der Mama die Hände 1000000000000 Male. An alle gute Freunde Complimente und Dir tausend Complimente von wansten verwischt, so hasten schon, und von Don Casarella, absonderlich von hinten her.

8. Nissen.

Bologna 24. März 1770.

O Du Fleißige Du!

Weil ich gar so lange faul war, so habe ich gedacht, es schadete nicht, wann ich wieder eine kurze Zeit fleißig wäre. Alle Posttage, wann die deutschen Briefe kommen, schmeckt mir das Essen und Trinken viel besser. Ich bitte, schreibe mir, wer bey den Oratorien singt, Schreib' mir auch wie der Titel von den Oratorien heißt. Schreibe mir auch, wie Dir die Haydn'schen Menuette gefallen, ob sie besser als die erstern sind. Daß Herr von Aman wieder gesund ist, freut mich von Grund meines Herzens: ich bitte Dich, sage ihm, er soll sich wohl in Obacht nehmen: er soll keine starke Commotion machen. Sage es ihm, ich bitte Dich. Aber sage ihm auch, daß ich so oft an Dich denke, wie wir zu Triebenbach Handwerker gespielt haben, und da er durch den Schrottbeutel und durch das Ischmachen, den Namen Schrattenbach [Familienname des Erzbischofs Sigismund] vorstellte. Und sage ihm auch: daß ich so oft daran denke, da er oft zu mir gesagt hatte folgende Worte: Wollen wir uns vertheilen? und da ich ihm allezeit antwortete: Wie z'wieder! – Aufs nächste werde ich Dir ein Menuett, welchen Mr. Pick auf dem Theater tanzte, schicken, und welchen dann in feste di ballo zu Mailand alle Leute tanzten, nur damit Du daraus siehst, wie langsam die Leute tanzen. Der Menuett an sich selbst ist sehr schön. Er ist natürlich von Wien, also gewiß von Teller oder von Starzer. Er hat viele Noten. Warum? weil es ein theatralischer Menuett ist, der langsam geht. Die Menuette aber von Mailand oder die wälschen haben viele Noten, gehen langsam und viele Takte. Z.B. der erste Theil hat 16, der zweite 20 auch 24 Takte.

Zu Parma lernten wir eine Sängerin kennen, und hörten sie auch recht schön in ihrem eigenen Hause, nämlich die berühmte Bastardella, welche 1. eine schöne Stimme, 2. eine galante Gurgel, 3. eine unglaubliche Höhe hat. Folgende Töne und Passagen hat sie in meiner Gegenwart gesungen:

9. Nissen. Nachschrift.

Rom 14. April 1770.

Ich bin, Gott Lob und Dank! nebst meiner miserablen Feder gesund und küsse die Mama und die Nannerl tausend oder 1000 Mal. Ich wünschte nur, daß meine Schwester zu Rom wäre, denn ihr würde diese Stadt gewiß wohl gefallen, indem die Peterskirche regulär, und viele andere Sachen zu Rom regulär sind. Die schönsten Blumen tragen sie jetzt vorbei; den Augenblick sagt es mir der Papa. Ich bin ein Narr, das ist bekannt. O ich habe eine Noth. In unserm Quartier ist nur ein Bett. Das kann die Mama sich leicht einbilden, daß ich bei dem Papa keine Ruhe habe. Ich freue mich auf das neue Quartier. Jetzt habe ich just den heil. Petrus mit dem Schlüsselamt, den heiligen Paulus mit dem Schwert, und den heiligen Lukas mit meiner Schwester etc. etc. abgezeichnet. Ich habe die Ehre gehabt, des heil. Petrus Fuß zu S. Pietro zu küßen, und weil ich das Unglück habe, so klein zu sein, so hat man mich als den nämlichen alten

Wolfgang Mozart

hinaufgehoben.

10. Nissen.

Rom 21. April 1770.

Cara sorella mia!

Ich bitte Dich, Du wirst die Künste von der Rechenkunst finden, denn Du hast sie selbst aufgeschrieben, und ich habe sie verloren, und weiß also Nichts mehr davon. Also bitte ich dich, sie mir zu copiren, nebst andern Rechenexempeln, und mir sie her zu schicken.

Manzuoli steht im Contract mit den Mailändern, bei meiner Oper zu singen [vgl. Nr. 2 und 6]. Der hat mir auch deßwegen in Florenz vier oder fünf Arien gesungen, auch von mir einige, welche ich in Mailand componiren habe müssen, weil man gar nichts von theatral. Sachen von mir gehört hatte, um daraus zu sehen, daß ich fähig bin, eine Oper zu schreiben. Manzuoli begehrt 1000 Ducaten. Man weiß auch nicht, ob die Gabrielli sicher kommen wird. Einige sagen, es wird die de' Amicis singen, welche wir in Neapel sehen werden. Ich wünschte, daß sie und Manzuoli recitirten. Da wären nun zwei gute Bekannte und Freunde von uns. Man weiß auch noch nicht das Buch. Eins von Metastasio habe ich dem Don Ferdinando [Haushofmeister des Grafen Firmian in Mailand] und dem Herrn von Troyer recommandirt.

Jetzt habe ich just die Arie: Se ardire e speranza in der Arbeit. – –

11. Nissen.

Rom 25. April 1770.

Cara sorella mia!

Io vi accerto che io aspetto con una incredibile premura tutte le giornate di posta qualche lettere di Salisburgo. Jeri fummo a S. Lorenzo e sentimmo il Vespero, e oggi matina la messa cantata, e la sera poi il secondo vespero, perchè era la festa della Madonna del Buonconsiglio. Questi giorni fummi nel Campidoglio e viddemmo varie belle cose. Se io volessi scrivere tutto quel che viddi, non bastarebbe questo foglietto.In due Accademie suonai, e domani suonerò anche in una. – Subito dopo pranzo giuochiamo a Potsch [Boccia].Questo è un giuoco che imparai qui, quando verrò a casa, ve l'imparerò. Finita questa lettera finirò una sinfonia mia, che comminciai. L'aria è finita, una sinfonia è dal copista (il quale è il mio padre) perchè noi non la vogliamo dar via per copiarla; altrimente ella sarebbe rubata.

Wolfgango in Germania

Amadeo Mozart in Italia.

Roma caput mundi il 25 Aprile anno 1770

nell' anno venturo 1771.

Hinten wie vorn und in der Mitte doppelt.

12. Nissen.

Neapel 19. Mai 1770.

C.S.M.

Vi prego di scrivermi presto e tutti i giorni di posta. Io vi ringrazio di avermi mandata questiRechenhistorie, e vi prego, se mai volete avere mal di testa, di mandarmi ancora un poco di questi Künste.Perdonate mi che scrivo si malamente, ma la razione è perchè anche io ebbi un poco mal di testa.Der 12te Menuett von Haydn, den Du mir geschickt hast, gefällt mir recht wohl, und den Baß hast du unvergleichlich dazu componirt, und ohne mindesten Fehler. Ich bitte Dich, probire öfter solche Sachen.

Die Mama soll nicht vergessen, die Flinten alle beide putzen zu lassen. Schreibe mir, wie es dem Herrn Canari geht. Singt er noch? Pfeift er noch? Weißt Du, warum ich auf den Canari denke? Weil in unserm Vorzimmer einer ist, welcher ein G'seis macht, wie unserer.8A propos, der Herr Johannes [Hagenauer] wird wohl den Gratulations-Brief empfangen haben, den wir haben schreiben wollen. Wenn er ihn aber nicht empfangen hätte, so werde ich ihm schon selbst mündlich sagen zu Salzburg, was darin hätte stehen sollen. Gestern haben wir unsere neuen Kleider angezogen; wir waren schön wie die Engel. An die Nandl meine Empfehlung, und sie soll fleißig für mich beten. Den 30ten wird die Oper anfangen, welche der Jomelli componirt. Die Königin und den König haben wir unter der Messe zu Portici in der Hofcapelle gesehen, und den Vesuvius haben wir auch gesehen. Neapel ist schön, ist aber volkreich wie Wien und Paris. Und von London und Neapel, in der Impertinenz des Volkes weiß ich nicht, ob nicht Neapel London übertrifft; indem hier das Volk, die Lazzaroni, ihren eigenen Obern oder Haupt haben, welcher alle Monate 25 Ducati d'argento vom König hat, um nur die Lazzaroni in einer Ordnung zu halten.

Bei der Oper singt die de' Amicis. Wir waren bei ihr. Die zweite Oper componirt Caffaro; die dritte Ciccio di Majo, und die vierte weiß man noch nicht. Gehe fleißig nach Mirabell in die Litaneyen, und höre das Regina coeli oder das Salve Regina und schlaf gesund und laß Dir nichts Böses träumen. An Herrn von Schiedenhofen meine grausame Empfehlung tralaliera, tralaliera. Und sage ihm, er soll den Repetiter-Menuett auf dem Claviere lernen, damit er ihn nicht vergessen thut. Er soll bald dazu thun, damit er mir die Freude thut machen, daß ich ihm einmal thue accompagniren. An alle andere gute Freunde und Freundinnen thue meine Empfehlung machen, und thue gesund leben, und thue nit sterben, damit Du mir noch kannst einen Brief thun, und ich dir hernach noch einen thue, und dann thun wir immer sofort, bis wir was hinaus thun, aber doch bin ich der, der will thun, bis es sich endlich nimmer thun läßt. Indessen will ich thun bleiben

W.M.

13. Nissen.

Neapel 29. Mai 1770.

Jeri l'altro fummo nella prova dell' opera del Sign.Jomelli, la quale è una opera che è ben scritta e che me piace veramente. Il Sign. Jomelli ci ha parlato ed era molto civile. E fummo anche in una chiesa a sentir una Musica la quale fù del Sign. Ciccio di Majo, ed era una bellissima Musica. Anche lui ci parlò ed era molto compito. La Signora de' Amicis cantò a meraviglia. Stiamo Dio grazia assai bene di salute, particolarmente io, quando viene una lettera di Salisburgo. Vi prego di scrivermi tutti giorni di posta, e se anche non avete niente da scrivermi, solamente vorrei averlo per aver qualche lettera tutti giorni di posta. Egli non sarebbe mal fatto, se voi mi scriveste qualche volta una letterina italiana. – –

14. Nissen.

Neapel 5. Juni 1770.

Heut raucht der Vesuvius stark. Potz Blitz und kanent aini. Haid homa gfresa beim Herr Doll. Das is a deutscha Compositör und a browa Mo. Anjetzo beginn ich meinen Lebenslauf zu beschreiben. Alle gore, qualche volta anche alle dieci mi svelgio, e poi andiamo fuor di casa, e poi pranziamo da un trattore, e dopo pranzo scriviamo, e poi sortiamo, e indi ceniamo, ma che cosa? Al giorno di grasso, un mezzo pollo ovvero un piccolo boccone d'arrosto; al giorno di magro un piccolo pesce; e di poi andiamo a dormire.Est-ce que Vous avez compris?Redma dafir soisburgarisch, don as is gschaida.Wir fand Gottlob gesund, da Voda und i. Ich hoffe Du wirst Dich auch wohl befinden, wie auch die Mama. Neapel und Rom sind zwei Schlafstädte. A scheni Schrift! Net wor? Schreibe mir und sei nicht so faul. Altrimente avrete qualche bastonate di me. Quel plaisir! Je te casserai la tête. Ich freue mich schon auf die Portraite [von Mutter und Schwester, die versprochen hatten sich malen zu lassen], und i bi korios, wias da gleich sieht; wons ma gfoin, so los i mi und den Vodan a so macho. Maidli, laß Da saga, wo bist dan gwesa, he? Die Oper hier ist von Jomelli; sie ist schön, aber zu gescheit und zu altväterisch fürs Theater. Die de' Amicis singt unvergleichlich, wie auch der Aprile, welcher zu Mailand gesungen hat. Die Tänze sind miserabel pompös. Das Theater ist schön. Der König ist grob neapolitanisch auferzogen, und steht in der Oper allezeit auf einem Schemerl, damit er ein Bissel größer als die Königin scheint. Die Königin ist schön und höflich, indem sie mich gewiß 6 mal im Molo auf das Freundlichste gegrüßt hat.

15. Nissen. Nachschrift.

Neapel 16. Juni 1770.

Ich bin auch noch lebendig und beständig lustig wie alle Zeit, und reise gern; nun bin ich auf dem mediteranischen Meer auch gefahren. Ich küsse der Mama die Hand und die Nannerl zu 1000 Malen und bin der Sohn Steffel und der Bruder Hansl. –

16. Nissen. Nachschrift.

Rom 7. Juli 1770.

C.S.M.

Ich habe mich recht verwundert, daß Du so schön componiren kannst. Mit einem Worte, das Lied ist schön. Probire öfter Etwas. Schicke mir bald die andern sechs Menuetten von Haydn. Mlle. j'ai l'honneur d'être Votre très humble serviteur et frère Chevalier de Mozart. – [Er hatte vom Pabst das Ordenskreuz vom Goldenen Sporen erhalten.]

17. Nissen. Nachschrift.

Bologna 21. Juli 1770.

Ich gratulire der Mama zu dem Namensfeste und wünsche daß die Mama noch möge viele hundert Jahre leben und immer gesund bleiben, welches ich immer bey Gott verlange, und bete alle Tage und werde alle Tage für Sie Beide beten. Ich kann unmöglich mit Etwas aufwarten, als mit etlichen Loretto-Glöckeln und Kerzen und Haubeln und Flor, wenn ich zurückkomme. Inzwischen lebe die Mama wohl, ich küsse der Mama 1000 Mal die Hände und verbleibe bis in den Tod

Ihr getreuer Sohn.

18. Nissen. Nachschrift an die Schwester.

Io vi auguro d'Iddio, Vi dia sempre salute, e vi lasci vivere ancora cent' anni e vi faccia morire quando avrete mille anni. Spero che Voi impararete meglio conoscermi ni avvenire e che poi ne giudicherete come ch' egli vi piace. Il tempo non mi permette di scriver molto. La penna non vale un corno, ne pure quello che la dirigge. Il titolo dell' opera che ho da comporre a Milano, non si sà ancora.Ich habe die Tausend und eine Nacht in italienischer Sprache von unserer Hausfrau zu Rom zu schenken bekommen; es ist recht lustig zu lesen.

19. Original-Copie von Al. Fuchs. Nachschrift.

Bologna 4. Aug. 1770.

Ich bedaure recht von Herzen, daß die Jungfrau Martha immer so krank ist, und bete alle Tage für sie, damit sie gesund werde. Sage ihr anstatt meiner, sie soll nicht zu viel Bewegung machen und brav gesulzte Sachen essen. [Sie hatte die Auszehrung.]

A propos, hast Du dem Robinigsiegerl [Sigmund Robinig, einem Freund] meinen Brief geben? Du schreibst mir nichts davon; ich bitte, wenn Du ihn siehst, so sage ihm, er solle auch mich nicht gar vergessen. Ich kann ohnmöglich schöner schreiben, denn die Feder ist eine Notenfeder und keine Schriftfeder. Nun ist meine Geige neu beseitet und ich spiele alle Tage; aber dieses setze ich nur hinzu, weil meine Mama einmal zu wissen verlangte, ob ich noch geige. Gewiß ihrer 6 mal habe ich die Ehre gehabt, allein in die Kirchen und prächtige Functiones zu gehen. Unterdessen habe ich schon vier italienische Sinfonien [Ouvertüren] componirt, außer den Arien, deren ich gewiß 5–6 schon gemacht habe, und auch eine Motetten.

Kömt der Herr Deibl öfters? beehrt er Euch noch mit seinem unterhaltlichen Discourse? Und Herr Edler Karl von Vogt? würdigt er sich noch, Eure unerträglichen Stimmen anzuhören? Der Herr von Schiedenhofen soll Dir fleißig Menuett schreiben helfen, sonst bekömmt er kein Zuckerl mit.

Meine Schuldigkeit wäre, wenn es mir die Zeit erlaubte, Herrn von Mölk und Schiedenhofen mit ein Paar Zeilen Beide zu belästigen, aber da mir das Nothwendigste dazu mangelt, so bitte ich meinen Fehler zu verzeihen, und mir auf das Zukünftige diese Ehre aufgehoben sein zu lassen. Anfänge unterschiedlicher Cassationen. Hier habe ich Dein Verlangen vollbracht. Ich glaube schwerlich, daß es einer von mir sein wird; dann wer würde sich denn unterstehen eine Composition, welche der Sohn des Capellmeisters gemacht hat und dessen Mutter und Schwester da ist, für sich auszugeben? Addio! Lebe wohl, meine einzige Lustbarkeit besteht dermalen in englischen Schritten, Capriol- und Spaggat-machen. Italien ist ein Schlafland; es schläfert Einen immer. Addio, leb wohl!

20. Nissen. Nachschrift.

Bologna 21. Aug. 1770.

Ich bin auch noch lebendig und zwar sehr lustig. Heute kam mir die Lust, auf einem Esel zu reiten; denn in Italien ist es der Brauch, und also habe ich gedacht, ich muß es doch auch probiren. Wir haben die Ehre, mit einem gewissen Dominikaner umzugehen, welcher für heilig gehalten wird. Ich zwar glaube es nicht recht, denn er nimmt zum Frühstück oft eine Tasse Chocolade, gleich darauf ein gutes Glas starten spanischen Wein: und ich habe selbst die Ehre gehabt, mit diesem Heiligen zu speisen, welcher brav Wein und auf die Letzt ein ganzes Glas voll starken Weins bei der Tafel getrunken hat, zwei gute Schnitze Melonen, Pfirsische, Birnen, fünf Schalen Kaffee, einen ganzen Teller voll Nägeln, zwei volle Teller Milch mit Limonien. Doch dieses könnte er mit Fleiß thun, aber ich glaube nicht, denn es wäre zuviel, und aber er nimmt viele Sachen zur Jausen [Vesperbrod] auf Nachmittag.

21. Mozarteum. Nachschrift.

Bologna 8. Sept. 1770.

Damit ich nicht wider meine Schuldigkeit fehle, so will ich ein paar Worte auch schreiben. Ich bitte mir zu schreiben, in was für Bruderschaften ich bin, und mir selbige darzu nothwendige Gebetter zu wissen zu machen. Jetzt lese ich just den Telemach: ich bin schon im zweyten Theil. Inzwischen lebe wohl. Meinen Handkus an die Mama.

22. Nissen.

Bologna 22. Sept. 1770.

Ich hoffe meine Mama wird wohl auf sein, wie auch Du und wünsche, daß Du mir doch ins Künftige auf meine Briefe besser antworten wirst, denn es ist ja weit leichter, Etwas zu beantworten als Etwas zu erfinden.

Die sechs Menuetten von Haydn gefallen mir besser als die ersten zwölf. Wir haben sie der Gräfin [Pallivicini, auf deren Landgute bei Bologna Vater und Sohn mehrere Wochen wohnten] oft machen müssen, und wir wünschen, daß wir im Stande wären, den deutschen Menuett-Gusto in Italien einzuführen, indem ihre Menuette bald so lang wie ganze Sinfonien dauern. Verzeihe mir, daß ich so schlecht schreibe; allein ich könnte es schon besser, aber ich eile.

23. Nissen. Nachschrift.

Bologna 29. Sept. 1770.

Damit der Brief ein wenig voller wird, will ich auch ein paar Worte hinzusetzen. Mir ist von Herzen leid wegen der so lang anhaltenden Krankheit, welche die arme Jungfrau Martha empfinden und mit Geduld übertragen muß. Ich hoffe mit der Hilfe Gottes wird sie schon wieder gesund werden. Wo nicht, so muß man sich nicht so stark betrüben, dann der Wille Gottes ist allezeit der beste; und Gott wird schon besser wissen, ob es besser ist zu seyn auf dieser Welt oder in der andern. Aber sie soll sich trösten, indem sie jetzt von dem Regen in das schöne Wetter kommen kann. – –

24. Nissen. Nachschrift.

Bologna 6. Okt. 1770.

Mich freut es recht vom Herzen, daß Du dich so lustig gemacht hast, ich wünsche ich wäre dabei gewesen. Ich hoffe daß die Jungfrau Martha besser seyn wird. Heute spielte ich bei den Dominicanern die Orgel. Mache meinen Glückwunsch an – – – und sage ihnen, daß ich von Herzen wünsche, daß sie noch können die Secundiz von Pater Dominikus erleben, und damit wir Alle wieder so vergnügt beisammen sein können.9 An alle Thereseln meinen Glückwunsch, und an alle Freunde in und außer dem Hause mein Compliment. Ich wünschte, daß ich bald die Berchtesgadner Sinfonien hören könnte, und etwa ein Trompeterl oder Pfeiferl dazu blasen. Ich habe das große Fest des hl. Petronius in Bologna gehört und gesehen. Es war schön aber lang, und die Trompeter haben von Lucca kommen müssen, um den Tusch zu machen, welche aber abscheulich geblasen haben. – –

25. Mozarteum. Nachschrift.

Mailand 20. Okt. 1770.

Meine liebe Mama, Ich kann nicht viell schreiben, dann die Finger thuen sehr weh von so viel Recitativ schreiben: Ich bitte, bette die Mama für mich, daß die Opera [Mitridate Rè di Ponto] gut geht und daß wir dann glücklich wieder beisammen seyn können. Ich küsse der Mama tausendmahl die Hand, und mit meiner Schwester hütte ich viel zu reden, aber waß? Das weiß nur Gott und ich allein. Wenn es Gottes Willen ist, werde ich es ihr mündlich, wie ich hoffe, bald eröffnen können. Inzwischen küsse ich sie 1000mahl. Meine Compliment an alle gute Freund und Freundinnen. Wir haben die gute Martherl verloren, doch werden wir sie mit der Hülf Gottes in einem guten Stande finden.

26. Nissen. Nachschrift.

Mailand 27. Okt. 1770.

Allerliebste Schwester! Du weißt, daß ich ein großer Schwätzer bin, und auch als solcher Dich verlassen habe. Nun verlege ich mich aber mehr auf das Deuten, indem der Sohn vom Hause stumm und gehörlos ist. Nun habe ich zu schreiben für die Oper. Es ist mir vom Herzen leid, daß ich Dich wegen der verlangten Menuette nicht bedienen kann; doch wenn Gott will, auf Ostern vielleicht wirst Du sie sammt mich selbsten bekommen. Mehr kann ich und weiß ich nicht zu schreiben. Lebe wohl und bete für mich. – –

27. Nissen. Nachschrift.

Mailand 3. Nov. 1770.

Allerliebstes Herzensschwesterchen!

Ich bedanke mich bei der Mama und bei Dir für die redlichen Wünsche, und brenne vor Begierde, Euch beide bald wieder in Salzburg zu sehen. Auf deinen Glückwunsch zu kommen, so kann ich Dir sagen, daß ich bald gewähnt hätte, daß Hr. Martinelli Dir Deinen welschen Wunsch aufgesetzt hätte. Weil Du aber immer die kluge Schwester bist, und es so witzig gewußt hast anzustellen, indem Du nach Deinem welschen Glückwunsch gleich die Empfehlung von Herrn Martinelli, welche in nämlicher Schreibart geschrieben war, darunter gesetzt, so habe ich es und war es mir unmöglich zu merken, und ich sagte gleich zum Papa: "Ach könnte ich doch so klug und witzig werden!" Dann sagte der Papa: "Ja das ist wahr"; und ich sagte hernach: "Mich schläfert", und er sagte jetzt just: "Höre auf!" Adio, bitte Gott, daß die Oper gut gehen möge. Ich bin Dein Bruder

W.M.

dessen Finger vom Schreiben müde sind.

28. Mozarteum. Nachschrift.

Mailand 1. Dez. 1770.

Liebste Schwester!

Weil ich so lang nicht geschrieben habe, so habe ich gedacht, Deinen Verdruß oder Verschmache zu besänftigen mit gegenwärtigen Zeilen ... Nun habe ich viel zu schreiben und zu arbeiten an meiner Opera. Ich hoffe, es wird Alles gut gehen mit der Hülfe Gottes. Addio, lebe wohl. Ich bin wie allzeit Dein getreuer Bruder Wolfgang Mozart.

29. Mozarteum. Nachschrift.

Allerliebste Schwester!

Ich hab schon lang nichts mehr geschrieben, weil ich mit der Opera beschäftiget war. Da ich jetzt nun Zeit habe, will ich meine Schuldigkeit mehr beobachten. Die Opera Gott Lob und Dank, gefällt, indem alle Abende das Theater voll ist, welches auch Alle in Verwunderung setzt, indem Viele sagen, daß sie, so lang sie in Mayland sind, keine erste Opera so voll gesehen, als dieses Mal. Ich samt meinen Papa bin gesund, Gott Lob und Dank und hoffe, daß ich der Mama und Dir auf Ostern alles mündlich erzählen kann. Addio. Meinen Handkuß an die Mama. A propos, gestern war der Copist bei uns, und sagte, daß er meine Opera just für den Hof nach Lissabon schreiben muß. Leben Sie wohl meine liebe Mademoiselle Schwester. Ich habe die Ehre zu sein und zu verbleiben von nun an bis in Ewigkeit

Dero getreuer Bruder.

30. Mozarteum. Nachschrift.

Venedig 13. Febr. 1771.

Allerliebste Schwester!

Daß ich gesund bin, wirst Du schon von meinem Papa erfahren haben. Ich weiß nichts zu schreiben als meinen Handkuß an die Mama. Lebe wohl.

Al sig: Giovanni[Hagenauer]. La sigra perla ricono la riverisce tanto come anche tutte le altre perle, e li assicuro che tutte sono inamorata di lei, e che sperano che lei prenderà per moglie tutte, come i Turchi per contentar tutte sei. Questo scrivo in casa de Sign. Wider, il quale è un galant'uomo come Lei melo scrisse, ed jeri abbiamo finito il carnavale da lui, cenardo da lui e poi ballammo ed andammo colle perle in compagnie nel ridotto nuovo, che mi piacque assai. Quando stò dal Sign. Wider e guardando fuori della finestra vedo la casa dove lei abito quando lei fù in Venezia.Di nuovo non sò niente. Venezia mi piace assai. Il mio complimento al Sign. suo padre e madre sorelle fratelli e a tutti i miei amici ed amiche.Addio.

31. Mozarteum. Nachschrift.

Venedig 20. Febr. 1771.

Ich lebe auch noch und bin, Gott Lob und Dank gesund. Die de' Amicis hat hier zu S. Benedetto recitirt. Sage dem Hrn. Joanes, daß die Widerischen Berlein immer von ihm reden und voraus die Mad.elle Catharina und er soll bald wieder auf Venedig kommen, um sich eben die attacca geben zu lassen. Das ist, sich auf dem Boden den H – prellen lassen, um ein rechter Venetianer zu werden. Mir haben sie es auch wollen thuen, haben alle 7 Weibsbilder zusammengeholfen und doch waren sie nicht im Stande mich zu Boden zu bringen. Addio.

Ende März 1771 trafen die beiden Reisenden wieder in der Heimath ein. Allein die Vermählung des Erzherzog Ferdinand mit der Prinzessin von Modena, die im October desselben Jahres mit großen Festlichkeiten Statt finden sollte, führte Vater und Sohn bereits nach wenigen Monaten wieder dorthin, weil Wolfgang von der Kaiserin Maria Theresia den Auftrag erhalten hatte zu dieser. Feier eine theatralische Serenata zu componiren.

32. Mozarteum. Nachschrift.

Verona 18. Aug. 1771.

Allerliebste Schwester!

Ich hab nicht mehr als eine halbe Stunde geschlaffen, denn das Schlaffen nach dem Essen freut mich nicht. Du kannst hoffen, glauben, meynen, der Meynung sein, in der steten Hoffnung verharren, gut befinden, Dir einbilden, Dir vorstellen, in Zuversicht leben, daß wir gesund sind; aber gewiß kann ich Dir Nachricht geben .... Dem Herrn von Heffner wünsche Glück zur Reise anstatt meiner; frage ihn ob er die Annamindl nicht gesehen hat? [Wolfgang, damals 15 Jahre alt, hatte die Ruhezeit des kurzen Aufenthaltes in Salzburg benutzt, sich zum ersten Male zu verlieben. Wir werden noch mehrere darauf bezügliche Andeutungen finden, vgl. auch Nr. 25.]

33. Mozarteum. Nachschrift.

Mailand 23. Aug. 1771.

Allerliebste Schwester!

Wir haben auf der Reise viele Hitz ausgestanden, und der Staub hat uns beständig impertinent seckirt, daß wir gewiß ersticket und verschmachtet wären, wenn wir nicht gescheiter gewesen wären. Hier hat es ein ganzes Monath durch (sagen die Mayländer) nicht gerenget, heunt hat es angefangen ein wenig zu tröpfeln, jetzt aber scheunt wieder die Sonne und es ist wieder sehr warm. Was Du mir versprochen hast (Du weist schon was – – – o Du Lieb Du!) halte gewiß, ich bitte Dich. Ich werde Dir gewiß verbunden sein. Jetzt blas ich just vor Hitz! Nun reiß ich das Leibel auf. Addio, lebe wohl. Wolfgang.

Ober unser ist ein Violinist, unter unser auch einer, neben unser ein Singmeister, der Lection gibt, in dem letzten Zimmer gegen unser ist ein Hautboist. Das ist lustig zum Componiren! Giebt einen viel Gedanken.

34. Mozarteum. Nachschrift.

Mailand 31. Aug. 1771.

Allerliebste Schwester!

Wir sind, Gott Lob und Dank, gesund. Ich habe schon anstatt Deiner viele gute Birnen und Pferschig und Melaunen gegessen. Meine einzige Lustbarkeit ist mit dem Stummen zu deuten, denn das kann ich aus der Perfection. Hr. Hasse [der berühmte Operncomponist] ist gestern hier angelangt, heunt werden wir ihn besuchen. Daß Buch von der Serenata10 ist auch erst vergangenen Donnerstag angelangt. Ich weiß nicht viel zu schreiben. Ich bitte dich noch wegen dem gar Andern, wo nichts Anderes mehr sein kann, Du verstehst mich schon.

35. Nissen. Nachschrift.

Mailand 13. Sept. 1771.

A.S. Ich schreibe nur deswegen, damit ich .... schreibe. Mir ist es zwar ungelegen, weil ich einen starken Katarrh und Strauchen habe. Sage der Fräulein W. von Mölk, daß ich mich recht auf Salzburg freue, damit ich nur wieder ein solches Präsent für die Menuette bekommen kann, wo, wie ich es bei derselben Akademie bekommen habe: sie weiß es hernach schon.

36. Mozarteum. Nachschrift.

Mailand 21. Sept. 1771.

Ich bin gesund Gott Lob und Dank. Viel kann ich nicht schreiben. Erstens: weiß ich nicht was; zweitens: thun mir so die Finger von Schreiben wehe. Ich pfeife oft meinen Pfiff, und kan Mensch gibt mir Antwort. Jetzt fehlen nur zwei Arien von der serenata, hernach bin ich fertig. – Ich hab keine Lust mehr auf Salzburg: ich förchte, ich möchte auch närrisch werden. [Man hatte ihnen geschrieben, es seien mehrere Personen in Salzburg närrisch geworden.]

37. Mozarteum. Nachschrift.

Mailand 5. Okt. 1771.

Ich bin, Gott Lob und Dank! auch gesund, aber immer schläfferig ........ Alles, was ich zu schreiben hatte, hat mir der Papa von der Feder weggenommen. Das ist: daß er es schon geschrieben hat. Sgra. Gabrielli ist hier: wir werden sie mit Nächsten besuchen, damit wir alle vornehmen Sängerinen kennen lernen.

38. Mozarteum. Nachschrift.

Mailand 26. Okt. 1771.

Allerliebste Schwester!

Ich bin auch, Gott Lob und Dank, gesund. Weil nun meine Arbeit ein Ende hat, so habe mehr Zeit zu schreiben; allein ich weiß nichts, denn alles hat der Papa schon geschrieben. Ich weiß nichts Neues, als daß in der Lotterie 35, 59, 60, 61, 62 herauskomen ist, und also, daß wenn wir diese Nummern gesetzt hätten, gewonnen hätten; weil wir aber gar nicht gelegt haben, weder gewonnen noch verlohren, sondern die Leute ausgelacht haben. Die 2 Arien, die in der serenata widerholt worden, ist eine von Manzuoli und der Girelli, prima donna. Ich hoffe Du wirst Dich ergötzen in Triebenbach mit Schießen und (wenn es das Wötter zuläßt) mit Spatzierengehen.

39. Nissen. Nachschrift.

Mailand 2. Nov. 1771.

Der Papa sagte, daß Herr Kerschbaumer sicher seine Reise mit Nutzen und aller Beobachtung gemacht hat, und wir können versichern, daß er sich sehr vernünftig aufführte. Er kann sicher von seiner Reise mehr Rechenschaft geben, als Andere aus seiner Freundschaft, deren einer Paris nicht recht sehen konnte, weil die Häuser da zu hoch sind. Heute ist die Opera des Hasse11, weil aber der Papa nicht ausgeht, kann ich nicht hinein. Zum Glück weiß ich schier alle Arien auswendig, und also kann ich sie zu Hause in meinen Gedanken hören und sehen.

40. Nissen. Nachschrift.

Mailand 24. Nov. 1771.

A.S. Der Herr Manzuoli der sonst von allen Leuten als der gescheuteste unter den Castraten angesehen und gehalten worden, hat in seinen alten Tagen ein Stück seiner Unvernunft und Hoffart gezeigt. Er war für die Oper mit 500 gigliati [Ducaten] verschrieben, und, weil Nichts von der Serenada in der Scrittura gemeldet worden, so hat er für die Serenada noch 500 gigliati haben wollen, also 1000. Der Hof hat ihm nur 700 und eine schöne goldene Dose gegeben (ich glaube, es wäre genug). Er aber, als ein Castrat, hat die 700 G. nebst der Dose zurückgegeben und ist ohne Nichts weggereist. Ich weis nicht was für ein Ende diese Historie nehmen wird: ich glaube ein übles.

41. Mozarteum. Nachschrift.

Mailand 30. Nov. 1771.

Damit ihr nicht glaubt, daß ich krank bin, so schreibe ich diese zwei Zeilen. Ich habe auf dem Domplatz hier 4 Kerle hencken sehen. Sie hencken hier wie zu Lyon.

Mitte December 1771 finden wir die Beiden wieder in Salzburg. Es starb der Erzbischof Sigismund, und am 14. März 1772 ward der Erzbischof Hieronymus erwählt, der Mozart viel Leids anthun sollte. Zunächst aber componirte dieser zur Feier des Einzugs und der Huldigung des neuen Fürsten die allegorische azione teatrale "Il sogno di Scipione". Im October aber gings wieder auf die Reise, weil Wolfgang sowohl für Mailand wie für Venedig die Scrittura für das nächste Carneval übernommen hatte.

42. Mozarteum. Nachschrift.

Bologna 28. Okt. 1772.

Nun sind wir schon zu Botzen. Schon? erst! Mich hungert, mich dürstet, mich schläffert, ich bin faul; ich bin aber gesund. Zu Hall haben wir das Stift gesehen, ich habe dort auf der Orgel gespielt. Wenn Du die Nadernannerl siehest, so sage ihr, ich hab mit dem Hrn. Brindl (ihrem Amanten) geredt, er hat mir ein Compliment auf sie aufgeben. Ich hoffe, Du wirst Dein Wort gehalten haben, und vergangenen Sonntag bei der D.N. gewesen sein [in Chiffern]. Lebe wohl. Schreibe mir was Neues. Botzen dies Sauloch.

Ein Gedicht von einem der über Botzen fuchs-teufel-wild und harb war:

Soll ich kommen nach Botzen,

So schlag ich mich lieber in –

43. Original-Abschrift von Al. Fuchs.

Mailand 7. Nov. 1772.

Erschrecken Sie nicht, da Sie anstatt der Schrift meines Papa meine finden, die Ursachen folgen: 1mo sind wir beim Herrn von Oste, und ist der Herr Baron Christiani da, da haben sie so viel mit einander zu reden, daß er unmöglich Zeit hätte zu schreiben; und 2tens ist er zu ... faul. Wir sind den 4. hier Nachmittag angelangt; wir sind gesund. Von unsern guten Freunden ist alles auf dem Lande und zu Mantua, als der Herr von Tasta und seine Gemalin, von welcher ich an Sie und meine Schwester ein Compliment schreiben soll. Hr. Misliweczek [ein junger Operncomponist aus Prag] ist noch hier. Von dem italienischen Kriege, von welchem in Teutschland stark gesprochen wird, und den hiesigen Schloßbefestigungen ist Alles nicht wahr. Verzeihen Sie mir meine schlechte Schrift.

Wenn Sie uns schreiben, so schreiben Sie nur glatt an uns, denn hier ist nicht der Brauch wie in Teutschland, daß man die Briefe herumträgt, sondern man muß sie von der Post abholen, und wir gehen alle Posttage hin um selbige abzuholen. Hier giebts nichts Neues, wir erwarten von Salzburg Neuigkeiten. Wir hoffen – Sie werden den Brief von Botzen erhalten haben. Ich weis nichts mehr, darum will ich schließen; unsere Empfehlung an alle guten Freunde und Freundinen. Wir küssen die Mama 1000000 Mal (mehr Nullen habe ich nicht hingebracht), und meine Schwester umarme ich lieber in persona, als in der Einbildung.

44. Original-Abschrift von Aloys Fuchs.12

Carissima sorella!

Spero che voi sarete stata dalla Signora, che voi già sapete. Vi prego, se la videte di farla un Complimento da parte mia. Spero e non dubito punto che voi starete bene di salute. Mi son scordato di darvi nuova, che abbiamo qui trovato quel Sign.Belardo, ballerino, che abbiamo conosciuto in Haye ed in Amsterdam, quello che attacò colla spada il ballerino, il Sign.Neri, perchè credeva che lui fosse cagione che non ebbe la permission di ballar in teatro.Addio, non scordarvi di me, io sono sempre il vostro fidele fratello.

45. Nissen. Nachschrift.

Mailand 21. Nov. 1772.

Ich sage Dir Dank Du weist schon für was. – Ich kann dem Herrn von Heffner unmöglich schreiben. Wenn Du ihn siehst so laß ihn das Folgende lesen. Ich bitte ihn, er möge sich indessen begnügen.

Ich werde meinem wolfeilen Freunde nicht vor übel haben, daß er mir nicht geantwortet hat: sobald er wird mehr Zeit haben, wird er mir gewiß, Zweifelsohne, ohne Zweifel, sicher, richtiglich antworten.

46. Mozarteum. Nachschrift.

Mailand 28. Nov. 1772.

Dem Hrn. von Aman lassen wir beyde gratulieren, und ich lasse ihm sagen, mich verdrießt es, daß er allzeit ein Geheimniß daraus gemacht hat, wenn ich ihm von seiner Frln. Braut was gesagt habe. Ich hätte ihm für aufrichtiger gehalten ..... Noch Eins: Ich lasse dem Hrn. von Aman sagen, wenn er gesinnt ist, eine rechte Hochzeit zu halten, so soll er fein warten bis wir zurückkommen, damit dasjenige doch wahr wird, was er mir versprochen hat, nämlich daß ich auf seiner Hochzeit tanzen soll. Sage dem Hrn. Leitgeb [Hornist im erzbischöflichen Orchester], er soll keck nach Mayland kommen, denn er würde sich gewiß Ehre machen, aber bald. – Ich bitte sage es ihm, denn es liegt mir daran. Adieu.

47. Mozarteum. Nachschrift.

Mailand 5. Dez. 1772.

Nun habe ich noch 14 Stück zu machen, dann bin ich fertig.13 Freylich kann man das Terzett und duetto für 4 Stück rechnen. Ich kann ohnmöglich viel schreiben, denn ich weiß nichts; und zweitens weiß ich nicht, was ich schreibe, indem ich nur immer die Gedanken bei meiner opera habe, und Gefahr lauffe, Dir anstatt Worte eine ganze aria herzuschreiben. Ich habe hier ein neues Spiel gelernt, welches heißt: Mercante in fiera.