Spohr - Ludwig Nohl - E-Book

Spohr E-Book

Ludwig Nohl

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Beschreibung

Mit großer Sachkenntnis und spürbarer Begeisterung nähert sich Ludwig Nohl in dieser Biographie Louis Spohr, einem Komponisten, der oftmals im Schatten seiner berühmten Zeitgenossen steht. Nohl führt uns durch Spohrs einfallsreiche Violinkonzerte und seine Pionierrolle als Dirigent. Dabei würdigt er zugleich Spohrs Beitrag zur musikalischen Romantik und das beständige Ringen um eine unverwechselbare künstlerische Handschrift. Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 122

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Ludwig Nohl

Spohr

Eine Musikerbiografie

Ludwig Nohl

Spohr

Eine Musikerbiografie

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2025Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]Übersetzung: , 3. Auflage, ISBN 978-3-962817-36-7

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Spruch

Vor­wort

1. Die Lehr­zeit

2. Er­s­te Er­fol­ge

3. Al­ler­lei Er­le­bun­gen

4. In Wien

5. In Ita­li­en

6. In Lon­don

7. In Pa­ris

8. Jes­son­da

9. Wach­sen­de Er­fol­ge

10. Der flie­gen­de Hol­län­der

11. Das Ende des Ge­rech­ten

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Spruch

Und wenn sie die Hän­de sich rei­chen Zum Freund­schafts­bund, dann wei­nen sie, Sind sen­ti­men­ta­le Ei­chen.

Hei­ne (Win­ter­mär­chen).

Vorwort

Am 8. No­vem­ber 1859 schrieb von Pa­ris aus Richard Wa­gner an die Kon­sti­tu­tio­nel­le Zei­tung in Dres­den Fol­gen­des:

»Fast gleich­zei­tig star­ben mir zwei wür­di­ge hoch­ver­ehr­te Grei­se. Der Ver­lust des einen traf die gan­ze mu­si­ka­li­sche Welt, die den Tod Lud­wig Spohr­s be­trau­ert: ihr über­las­se ich’s zu er­mes­sen, welch’ rei­che Kraft, welch’ edle Pro­duk­ti­vi­tät mit des Meis­ters Hin­gan­ge aus dem Le­ben schied. Mich ge­mahnt es kum­mer­voll, wie nun der letz­te aus der Rei­he je­ner ech­ten, erns­ten Mu­si­ker von uns ging, de­ren Ju­gend noch von der strah­len­den Son­ne Mo­zarts un­mit­tel­bar be­leuch­tet ward und die mit rüh­ren­der Treue das emp­fan­ge­ne Licht, wie Ve­sta­lin­nen die ih­nen an­ver­trau­te Flam­me, pfleg­ten und ge­gen alle Stür­me und Win­de des Le­bens auf keu­schem Her­de be­wahr­ten. Die­ses schö­ne Amt er­hielt den Men­schen in Spohr rein und edel, und wenn es gilt, mit ei­nem Zuge das zu be­zeich­nen, was aus Spohr so un­aus­lösch­lich ein­drucks­voll zu mir sprach, so nen­ne ich es, wenn ich sage: er war ein erns­ter, red­li­cher Meis­ter sei­ner Kunst und sei­ne schöns­te Er­qui­ckung quoll aus der Kraft sei­nes Glau­bens. Und die­ser erns­te Glau­be mach­te ihn frei von je­der per­sön­li­chen Klein­heit; was ihm durch­aus un­ver­ständ­lich blieb, ließ er als ihm fremd ab­seits lie­gen, ohne es an­zufein­den und zu ver­fol­gen: dies war sei­ne ihm oft nach­ge­sag­te Käl­te und Schroff­heit! Was ihm da­ge­gen ver­ständ­lich wur­de, – und ein tie­fes fei­nes Ge­fühl war dem Schöp­fer der Jes­son­da wohl zu­zu­trau­en, – das lieb­te und schütz­te er un­um­wun­den und eif­rig, so­bald er Ei­nes in ihm er­kann­te: Ernst, Ernst mit der Kunst! Und hier­in lag das Band, das ihn noch im ho­hen Al­ter an das neue Kunst­stre­ben knüpf­te: er konn­te ihm end­lich fremd wer­den, nie aber feind. – Ehre un­serm Spohr! Ver­eh­rung sei­nem An­den­ken! Treue Pfle­ge sei­nem ed­len Bei­spie­le!«

So ha­ben wir es dies­mal nicht mit ei­nem je­ner Hero­en der Kunst zu tun, die de­ren Ent­wick­lung mit ei­nem mäch­ti­gen Ruck in we­sent­li­cher­wei­se er­wei­ter­ten. Son­dern in be­hag­li­cher und fast idyl­li­scher Ruhe brei­tet sich in die­sem lan­gen Künst­ler­le­ben der bis da­hin ge­won­ne­ne Be­stand der Mu­sik als ein won­nig be­glücken­der Be­sitz freund­lich zum Mit­ge­nus­se ein­la­dend aus. Da­rum sind es nicht ei­gent­lich ent­schei­dend große Kunst­ta­ten, was uns dies­mal be­geg­nen wird, wohl aber ein durch das Idea­le der Kunst schön ver­klär­tes mensch­li­ches Da­sein, so­dass wir hier mehr ein In­ter­mez­zo zwi­schen den vor­wärts drin­gen­den Ak­ten ei­ner großen Hand­lung als selbst ein Dra­ma vor uns se­hen. »Spohr zeigt sich über­all mut­voll, ent­schlos­sen, tap­fer, mit ei­nem Wort echt männ­lich«, heißt es in dem Vor­wor­te zu sei­ner Selbst­bio­gra­fie von dem fast sie­ben Fuß ho­hen kräf­ti­gen Man­ne; »Spohr war wie alle ed­len Na­tu­ren streng sitt­lich und von ei­ner fast mäd­chen­haf­ten Züch­tig­keit; er kann­te kei­nen Neid, son­dern nur die auf­rich­tigs­te Freu­de über die Er­fol­ge und Leis­tun­gen an­de­rer, er hat­te da­her ei­gent­lich k­ei­nen Feind; wir wa­ren oft Zeu­ge, dass star­ke Aus­drücke des Bei­falls über sei­ne Leis­tun­gen ihn eher drück­ten und be­läs­tig­ten als er­freu­ten.« Als er bei sei­nem Ju­bi­lä­um stür­misch her­vor­ge­ru­fen wur­de, äu­ßer­te er, es sei ihm als ob er auf das Schaf­fot ge­führt wer­de, und als er einst zum Ge­burts­ta­ge sei­nes Kur­fürs­ten in Gala zu er­schei­nen hat­te, hüll­te er sich bei zwan­zig Grad Wär­me in einen großen Win­ter­man­tel und ant­wor­te­te ei­nem teil­neh­mend nach sei­ner Ge­sund­heit fra­gen­den Freun­de, den Man­tel zu­rück­schla­gend und die mit Or­den be­deck­te Brust zei­gend: »Ich schä­me mich nur, so über die Stra­ße zu ge­hen.« Nie­mals auch wid­me­te er ohne un­ab­weis­ba­re Auf­for­de­rung ei­nem Fürs­ten oder Gro­ßen ei­nes sei­ner Wer­ke.

Es er­klin­gen also hier so recht alle jene Sai­ten, die ganz ei­gens das Ge­müt und den Cha­rak­ter des deut­schen, zu­mal des nord­deut­schen Künst­lers aus­ma­chen, und wir ha­ben die­sel­ben eben nur als sol­che er­klin­gen zu las­sen, um fühl­barst in der Nähe und so­gar in dem ei­gens­ten Atems­krei­se die­ses Alt­meis­ters der aus­ge­hen­den klas­si­schen Mu­sik­pe­ri­ode zu wei­len. Wozu uns denn zum Glück dies­mal oben­drein sei­ne ei­ge­nen Le­bensauf­zeich­nun­gen die leich­tes­te Brücke schla­gen, die zu­gleich gar man­ches an­zie­hen­de Gen­re- und Sit­ten­bild brin­gen und da­her auch all­ge­mei­ne­ren An­teil er­we­cken!

1. Die Lehrzeit

(1784-1803.)

»Da ging mir die Herr­lich­keit der Mo­zart­schen Mu­sik auf.«

Spohr ward am 5. April 1784 zu Braun­schweig als Sohn ei­nes Arz­tes ge­bo­ren; doch war vä­ter­li­cher- wie müt­ter­li­cher­seits die Fa­mi­lie dem Pre­di­ger­stan­de zu­ge­hö­rig ge­we­sen und schon früh wur­de der Va­ter nach See­sen ver­setzt, das am Fuße des ge­spens­ti­gen Bro­cken liegt. Die El­tern wa­ren mu­si­ka­lisch, der Va­ter blies nach da­ma­li­ger Nei­gung Flö­te, wel­che Nei­gung manch­mal so groß war, dass das In­stru­ment im Spa­zier­sto­cke ver­bor­gen war, da­mit an land­schaft­lich schö­nen Stel­len auch die sen­ti­men­ta­len Emp­fin­dun­gen sich nicht ge­hemmt fan­den. Die Mut­ter war Schü­le­rin des­sel­ben Ka­pell­meis­ters Schwa­ne­ber­ger, der als Schü­ler Sa­lie­ris bei der Nach­richt, dass Mo­zart ein Op­fer des Nei­des der Ita­lie­ner ge­wor­den sei, den son­der­ba­ren Aus­ruf tat: »Narr­heit! Er hat nichts ge­tan, um die­se Ehre zu ver­die­nen!« Sie sang dem­ge­mäß die ita­lie­ni­schen Bra­vour­ari­en je­ner Tage, die sie sich zum Kla­vie­re sehr fer­tig be­glei­te­te. So war Mu­sik ein Le­bens­ele­ment des Hau­ses und der Kna­be durf­te schon im fünf­ten Jah­re in Duet­ten mit der Mut­ter an den Abend­mu­si­ken teil­neh­men. Zu­gleich kauf­te ihm der Va­ter nach sei­nem Wunsch auf dem Jahr­mark­te eine Gei­ge, auf der er nun die Me­lo­di­en wie­der­such­te, wäh­rend die Mut­ter ihm be­glei­te­te.

Etwa um 1791 kam nach See­sen ein Emi­grant Du­four, der ein fer­ti­ger Di­let­tant war. Der Kna­be war bis zu Trä­nen ge­rührt, als er den frem­den Mann so schön spie­len hör­te, und ließ den El­tern kei­ne Ruhe, als bis er Un­ter­richt bei ihm er­hielt. Die­ser ent­deck­te trotz sei­nes blo­ßen Di­let­tan­tis­mus so si­cher des Schü­lers Be­ga­bung, dass er dar­auf drang, den­sel­ben Mu­si­ker wer­den zu las­sen. Bald wur­den auch be­reits Kom­po­si­ti­ons­ver­su­che ge­macht, Duet­ten für zwei Gei­gen, und ein schmu­cker neu­er An­zug war der Lohn. Ja so­gar an ein Sing­spiel wag­te er sich, na­tür­lich von Wei­ße, dem Be­grün­der der Gat­tung in Deutsch­land, und in der Mu­sik wa­ren Hil­lers »Jagd« und »Lott­chen am Hofe« Vor­bild, je­doch nur nach dem oft durch­ge­sun­ge­nen Kla­vier­aus­zu­ge, denn das klei­ne See­sen hat­te kein Thea­ter. Die For­men und der Ton die­ser deut­schen Wer­ke sind denn auch zeit­le­bens für Spohr maß­ge­bend und ban­nend zu­gleich ge­blie­ben.

Bald kam der Kna­be, der nun wirk­lich Mu­si­ker wer­den soll­te, zur Con­fir­ma­ti­on zu sei­nem Groß­va­ter in das Hil­des­hei­mi­sche und er­hielt dort gu­ten Un­ter­richt. Doch die Mu­sik muss­te in dem na­hen Städt­chen wei­ter be­trie­ben wer­den. Auf dem be­schwer­li­chen Wege dort­hin war er ein­mal bei Re­gen­guss in ei­ner ein­sa­men Müh­le un­ter­ge­stan­den und hat­te da­bei die Gunst der Mül­le­rin so sehr ge­won­nen, dass er von da an stets vor­spre­chen muss­te und mit gu­ten Sa­chen ge­labt ward. Zum Dank fan­ta­sier­te er ihr dann je­des Mal et­was vor und setz­te sie einst durch Va­ri­ie­rung des Lie­des »Du bist lie­der­lich« von Wra­nitz­ky, in der all die Kunst­stück­chen vor­ka­men, durch die spä­ter Pa­ga­ni­ni die Welt ent­zück­te, so au­ßer sich, dass sie ihn an dem Tage gar nicht wie­der von sich ließ. So ward die Spra­che der Mu­sik zu­mal auf sei­ner Gei­ge schon früh sei­ne Mut­ter­spra­che und die Welt weiß, wie vie­le der edels­ten Schü­ler er in dem lan­gen Lau­fe sei­nes Le­bens ge­ra­de auf die­sem In­stru­men­te zu der­sel­ben her­an­ge­bil­det hat.

Jetzt kam er nach Braun­schweig, wo der Erb­prinz Karl Fer­di­nand ein be­schei­de­nes fran­zö­si­sches Thea­ter nebst Ka­pel­le hielt. Sein Leh­rer ward ein Mit­glied der­sel­ben, der Kam­mer­mu­si­kus Ku­nisch, dem er viel ver­dank­te, weil der­sel­be sehr gründ­lich war. Eben­so war es mit dem Har­mo­nie­un­ter­rich­te bei dem Or­ga­nis­ten Har­tung, der zwar we­nig freund­lich war, aber doch die bes­te Grund­la­ge leg­te: denn er blieb der ein­zi­ge Leh­rer, den Spohr je in der Theo­rie sei­ner Kunst ge­habt hat. Er half sich in der Fol­ge mit ge­druck­ten Wer­ken und gu­ten Par­ti­tu­ren, die ihm Ku­nisch aus der Thea­ter­bi­blio­thek ver­schaff­te. Bald be­rei­te­ten ihm sei­ne klei­nen Kom­po­si­tio­nen denn auch Ein­tritt in die Kon­zer­te der Stadt und er konn­te sei­nen El­tern mit Stolz von ei­ge­nen Ein­nah­men mel­den. Da­durch kam er denn auch in das Thea­ter­or­che­s­ter und hör­te viel gute Mu­sik. Sein Leh­rer ward dann der ers­te Gei­ger des­sel­ben, Kon­zert­meis­ter Mau­court, und die­ser bil­de­te ihn bald zu ei­nem so tüch­ti­gen So­lo­spie­ler her­an, dass er ihm vor­schlug, sein Glück als rei­sen­der Künst­ler zu su­chen. Er schick­te ihn nach Ham­burg, den Vier­zehn­jäh­ri­gen! Dass der Kna­be dar­auf ein­ging, be­ruh­te auf den Über­lie­fe­run­gen des Va­ters, der nach nord­deut­scher Wi­kin­ger­art im höchs­ten Gra­de kühn und un­ter­neh­mend ge­we­sen war. Um ei­ner Stra­fe zu ent­ge­hen, war der­sel­be von der Schu­le ent­flo­hen und hat­te sich dann auf küm­mer­li­che aber im­mer höchst selbst­stän­di­ge Wei­se zu sei­ner jet­zi­gen ärzt­li­chen Stel­lung em­por­ge­ar­bei­tet. Die­ser fand also in dem Un­ter­neh­men des Soh­nes trotz der Mut­ter Kopf­schüt­teln nichts Be­son­de­res. Er emp­fahl ihn an einen al­ten Freund in Ham­burg, al­lein der­sel­be emp­fing ihn mit den Wor­ten: »Ihr Va­ter ist doch im­mer noch der Alte! Wel­che Toll­heit, einen Kna­ben so auf gut Glück in die Welt zu sen­den!« Dann setz­te er ihm die Schwie­rig­keit ei­nes Kon­zer­tes in der großen von Künst­lern über­lau­fe­nen Han­dels­stadt aus­ein­an­der. Spohr wuss­te kaum die Trä­nen zu­rück­zu­hal­ten und rann­te ohne nur die üb­ri­gen Emp­feh­lungs­brie­fe ab­zu­ge­ben, vol­ler Verzweif­lung nach Hau­se. Ja bei sei­ner ge­rin­gen Baar­schaft sich, den großen schlan­ken Jun­gen, schon in den Hän­den je­ner See­len­ver­käu­fer se­hend, von de­nen ihm der Va­ter ein war­nen­des Bild ent­wor­fen hat­te, wan­der­te er sporn­streichs zu Fuße nach Braun­schweig zu­rück.

In sei­ner Be­schä­mung, na­ment­lich dem ener­gisch küh­nen Va­ter ge­gen­über, sann und sann er auf Mit­tel, auf an­de­rem Wege zu sei­nem Zie­le der ent­spre­chen­den Aus­bil­dung zu ge­lan­gen, und ver­fiel end­lich zu sei­nem Glücke auf den Her­zog Fer­di­nand, der selbst einst Vio­li­ne ge­spielt hat­te. »Er ist ein sehr an­ge­neh­mer schö­ner freund­li­cher Herr«, schreibt Mo­zarts Va­ter nach ei­ner Be­geg­nung in Pa­ris im Jah­re 1766 über den da­ma­li­gen Erb­prin­zen. Und der En­cy­klo­pä­dist Grimm sagt in ei­ner Kor­re­spon­denz von dort über den zehn­jäh­ri­gen Kna­ben: »Das Un­be­greif­lichs­te ist jene tie­fe Kennt­nis der Har­mo­nie und ih­rer ge­heims­ten Wege, die er im höchs­ten Gra­de be­sitzt und wo­von der Erb­prinz von Braun­schweig, der gül­tigs­te Rich­ter in die­ser Sa­che so­wie in vie­len an­de­ren, ge­sagt hat, dass vie­le in ih­rer Kunst vollen­de­te Ka­pell­meis­ter stür­ben, ohne das ge­lernt zu ha­ben, was die­ser Kna­be in ei­nem Al­ter von neun Jah­ren leis­te.« (Mo­zart. Nach den Schil­de­run­gen der Zeit­ge­nos­sen. Leip­zig, 1880). Zu den »an­de­ren Sa­chen« ge­hör­ten des Prin­zen glück­li­che Un­ter­neh­mun­gen des Jah­res 1760 ge­gen die­sel­ben Fran­zo­sen, de­ren Ver­eh­rer und Nach­ah­mer er sonst in fast al­len Din­gen war und de­ren Nei­gung zur Be­schüt­zung der Kunst er denn auch teil­te. »Hat er dich nur erst ei­nes dei­ner Kon­zer­te spie­len ge­hört, so ist dein Glück ge­macht!« dach­te sich also auch un­ser jun­ger Künst­ler und be­en­de­te in hei­ters­ter Stim­mung den öden Marsch durch die Lü­ne­bur­ger Hai­de.

Eine Bitt­schrift war bald ent­wor­fen. Der Her­zog nahm sie auf sei­nem Spa­zier­gan­ge denn auch von dem treu­her­zi­gen schlan­ken jun­gen Men­schen nach sei­ner ge­wohn­ten Leut­se­lig­keit ent­ge­gen. Nach ei­ni­gen furcht­los be­ant­wor­te­ten Fra­gen über El­tern und Leh­rer er­kun­dig­te sich der Fürst nach dem Ver­fas­ser der Bitt­schrift. »Nun wer an­ders als ich? Dazu brau­che ich kei­nen an­de­ren!« – »Nun, komm mor­gen aufs Schloss, dann wol­len wir über dein Ge­such re­den!« schloss mit Lä­cheln und Freu­de die Un­ter­re­dung ab. Prä­cis elf Uhr stand er vor dem Kam­mer­die­ner. »Wer ist Er?« fuhr die­ser ihn ziem­lich un­freund­lich an. »Ich bin kein Er. Der Her­zog hat mich hier­her be­stellt und Er hat mich an­zu­mel­den!« lau­te­te die Ant­wort der Ent­rüs­tung. Der Kam­mer­die­ner ging und ehe die Auf­re­gung sich ge­legt hat­te, stand der jun­ge deut­sche freie Mann vor sei­nem Fürs­ten. »Durch­laucht, Ihr Kam­mer­die­ner nennt mich Er, das muss ich mir ernst­lich ver­bit­ten!« platz­te er her­aus. Der Her­zog lach­te laut und sag­te: »Nun, be­ru­hi­ge dich nur, er wirds nicht wie­der tun.« Nach ei­ni­gen un­be­fan­ge­nen Ant­wor­ten Spohrs er­teil­te er dann den Be­scheid, er habe sich bei Mau­court nach ihm er­kun­digt und sei be­gie­rig ihn zu hö­ren, es kön­ne im nächs­ten Kon­zer­te bei der Her­zo­gin ge­sche­hen. Über­glück­lich eil­te der jun­ge Künst­ler nach Haus, um sich aufs em­sigs­te vor­zu­be­rei­ten.

Die nächs­te Sze­ne führt uns nun so recht in das an­ci­en ré­gi­me,1 wo auch die Kunst, vor al­lem die Mu­sik noch die ge­fäl­li­ge Magd des Ver­gnü­gens war, aus der erst männ­lich große Er­schei­nun­gen wie Beetho­ven, Liszt und Wa­gner die Muse, die Prin­zes­sin, die Kö­ni­gin ge­macht ha­ben. Doch er­ken­nen wir, dass auch un­se­rem jun­gen Künst­ler das Ge­fühl die­ser Wür­de nicht fehl­te, die das In­ne­re des Men­schen selbst zu er­he­ben, zu adeln ge­schaf­fen und ge­eig­net ist.

In den Kon­zer­ten der Her­zo­gin wur­de näm­lich Kar­ten ge­spielt und um dies nicht zu stö­ren, muss­te das Or­che­s­ter ohne Pau­ken und Trom­pe­ten und im­mer pia­no blei­ben, ja es war dem­sel­ben noch ein di­cker Tep­pich un­ter­ge­brei­tet, so­dass das »ich spie­le, ich pas­se« lau­ter war als die Mu­sik. Dies­mal wa­ren al­ler­dings Spiel­ti­sche und Tep­pich ver­schwun­den und dem Her­zog ge­fiel des jun­gen Künst­lers Ta­lent so sehr, dass er ihn zum Kam­mer­mu­si­kus er­nann­te. Al­lein in der Fol­ge trat auch die alte Pein wie­der her­vor. Je­doch ein­mal, als Spohr dort ein neu­es Kon­zert pro­bier­te, ver­gaß er, ganz er­füllt von sei­nem Wer­ke, das er zum ers­ten Mal mit Or­che­s­ter hör­te, völ­lig des stren­gen Ver­bo­tes und spiel­te mit al­ler Kraft und al­lem Feu­er, so­dass er selbst das Or­che­s­ter mit fort­riss. Plötz­lich wur­de er mit­ten im Solo von ei­nem La­kai am Arme ge­fasst, der ihm zu­flüs­ter­te: »Die Frau Her­zo­gin lässt Ih­nen sa­gen, sie sol­len nicht so mör­de­risch dar­auf loss­trei­chen.« Wü­tend über die­se Stö­rung spiel­te er wo­mög­lich nur noch stär­ker, muss­te sich aber da­für einen Ver­weis vom Hof­mar­schall ge­fal­len las­sen.

Der Her­zog lach­te über den Vor­fall, er­in­ner­te sich da­bei aber sei­nes Ver­spre­chens, ihn mit der Zeit zu ei­nem großen Meis­ter zu sen­den. Dies ward na­tür­lich je­mehr Spohrs Wunsch, je tiefer er in den Geist sei­ner Kunst ein­drang. Zu­erst lern­te er nun jene leich­ten fran­zö­si­schen Ope­ret­ten ken­nen, spä­ter aber auch Che­ru­bi­nis »Was­ser­trä­ger«. »Ich er­in­ne­re mich leb­haft der Aben­de, als die deux journées