Mr. Perkin kauft sich eine Bank - Hef Buthe - E-Book

Mr. Perkin kauft sich eine Bank E-Book

Hef Buthe

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  • Herausgeber: 110th
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Perkin erbt nach dem Tod seiner Frau Siu ein Milliardenvermögen. Schnell wird ihm klar, dass er diesen Nachlass besser nicht angenommen hätte. Die eigentlichen Eigentümer des Geldes melden sich. Es ist die Stiftung einer chinesischen Auslandstriade. Und die ist alles andere als gemeinnützig in ihren Methoden Forderungen einzutreiben...

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Mr. Perkin

kauft sich eine Bank

 

 

 

 

 

Impressum:

Cover: Karsten Sturm-Chichili Agency

Foto: fotolia.de

© 110th / Chichili Agency 2014

EPUB ISBN 978-3-95865-032-9

MOBI ISBN 978-3-95865-033-6

 

Urheberrechtshinweis:

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Kurzinhalt

Perkin erbt nach dem Tod seiner Frau Siu ein Milliardenvermögen. Schnell wird ihm klar, dass er diesen Nachlass besser nicht angenommen hätte. Die eigentlichen Eigentümer des Geldes melden sich. Es ist die Stiftung einer chinesischen Auslandstriade. Und die ist alles andere als gemeinnützig in ihren Methoden Forderungen einzutreiben...

Die Hauptfiguren:

Mr Perkin, Wirtschaftsanwalt in Singapur.

Helen Borowski, Anwältin, ehemals Perkins Partnerin.

July, Tochter des Casino Tycoons Stanley Ho in Macau.

Mrs Huang, die graue Eminenz im amerikanischen Glückspiel.

Chinesische Apothekerin, genant die „Alte“, experimentiert mit Giften aller Art.

ChiChi, zwergwüchsiger und spielsüchtiger Clown.

Peter Stösser, Journalist aus Köln.

The-Maria

1 Wer hat die Asche geklaut?

25. Juli 1999, 23:00 Uhr, Las Vegas, Hotel Caesars Palace, Suite 1310

Der Mann nahm das Telefon ab. „Ja?“, meldete er sich.

„Es gehen ein paar Informationen an die Zielperson, die sie bewegen werden, nach Las Vegas zu kommen. Es kann ein paar Tage oder vielleicht auch nur Stunden dauern. Bist du bereit?“

„Klar“, nickte der Mann.

„Hast du das Abhörgerät besorgen können? Denk daran, dass das Mikro und der Sender in seiner Uhr nur eine begrenzte Reichweite haben.“

„Verdammt, erkläre mir nicht meinen Job. Bring du deinen erst einmal auf die Reihe. Dieses ganze Ambiente, in dem ich den dicken Macker machen muss, wird langsam teuer. Und wer sagt denn, dass er hierher kommt?“

„Reg dich ab. Das ist schließlich mein Geld. Er kommt ins Hotel. Die Alte empfängt ihre Geschäftspartner immer im Hotel und nie auf ihrem privaten Anwesen. Daher musst du Lieb-Kind beim Personal werden, um in die Nähe ihrer Privatgemächer zu kommen. Versuche ihn sofort zu ködern. Wie du das machst, ist mir egal. Du weißt alles über ihn, was du wissen musst. Bleib in seiner Nähe, damit du alles mithören kannst. Er legt die Uhr nur zum Batteriewechsel ab. Das kann von Vorteil sein.

„Wo bist du jetzt?“, fragte der Mann.

„Das tut nichts zur Sache. Das mit dem Sicherheitsdienst hat gut geklappt … na ja, da sind zwei Typen, die mir nicht gefallen. Aber das bekomme ich schon hin. Ich sage dir, wann es so weit ist.“

26. Juli 1999, 14.00 Uhr, Singapur, Zentralfriedhof

Perkin massierte sich die rechte Hand. Zweihundertachtundsechzig Hände der Trauergäste hatte sie geschüttelt. Er war stinksauer, aber das sah nur jemand, der ihn näher kannte. Dann grub sich eine tiefe Falte über der Nasenwurzel auf seine Stirn. Er hatte den Bestatter ausdrücklich gebeten, Sius Beisetzung geheim zu halten. Stattdessen waren alle anwesend, die glaubten, ihm Mitleid bekunden zu müssen. Außer der Presse, die das nicht für nötig hielt und sich lieber an den Gästen labte, die die gesammelte Hochfinanz des Staates repräsentierten. Das war Futter für ihre Kameras und Mikrofone.

Jetzt quatscht der Mönch auch noch im Stundenlohn seinen Abgesang auf die edelste aller Frauen. Perkin knirschte mit den Zähnen und sah auf die Uhr. Wo bleiben July und der Fahrer Louis? Es kann doch keine zwei Stunden dauern, eine Ming Vase vom Kunsthändler und danach Sius Urne abzuholen. Er verschwand kurz hinter dem mannshohen Grabstein, der die Gruft seiner Eltern markierte und telefonierte.

„Wo steckt ihr verdammt noch mal? Wenn der Mönch fertig ist, stehe ich hier dumm herum. Ich habe heute noch Siu beizusetzen.“

Louis, ein Schwarzer aus der gleichnamigen Stadt St. Louis am Mississippi, der eigentlich Barpianist war, gurgelte mit seiner Bassstimme wie ein Abflussrohr. „Tut mir leid, Mr. Perkin. Die Urne Ihrer Frau ist im Krematorium nicht aufzufinden.“

Perkin wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht und suchte nach Zigarillos, verwarf aber sofort den Gedanken zu rauchen. Die Medien würden ihn noch heute als pietätlos zerreißen. Kaum hat der Staranwalt Perkin seine Frau und mehrfache Milliardärin Siu in der elterlichen Gruft beigesetzt, hat er nur einen Gedanken, seiner Sucht des Rauchens zu frönen. So würden die Meldungen lauten. Singapur war im Einhalten der Regeln recht humorlos.

„Himmel, Arsch und Zwirn. Das gibt es nicht. Wie kann die Asche meiner Frau verschwinden? Wo ist July?“, fluchte Perkin und gab sich Mühe, einen gedämpften Friedhofston einzuhalten.

„Kommt gerade. Ich gebe sie Ihnen.“

July war außer Atem. „Ja Perkin, das stimmt. Die Urne ist weg. Der Leiter des Krematoriums kann sich genau erinnern, dass er sie zur Abholung bereitgestellt hat. Sie ist auch ordentlich gekennzeichnet und im Verbrennungsregister eingetragen. Was soll ich jetzt machen?“

Perkin sah hinter dem Grabstein hervor. Der Mönch redete und redete, obwohl der Eingang zur Gruft bereits geschlossen worden war und die Trauergäste dem Ausgang zustrebten. „Mich abholen. Dann sehen wir weiter.“ Er drückte das Gespräch weg.

„Mönch, hör auf zu predigen. Dir hört niemand mehr zu.“ Perkin gab ihm das vereinbarte Geld. Es waren 500 Dollar ausgemacht worden. Der Mönch prüfte die Scheine gegen das Licht und steckte sie mit einer Verbeugung in die Kutte. „Danke, Sir. Sehr großzügig.“ Er legte die Handflächen aneinander, verbeugte sich wieder, machte aber keine Anstalt zu gehen.

„Fehlt noch etwas?“

Der Mönch wich nicht aus seiner Gebetshaltung. „Nein, Sir. Sie haben mich bezahlt, aber mein Orden erhofft sich danach noch eine Spende, denn dieses Geld wird nur für Einrichtungen verwendet, die uns Wandermönche unterstützen.“

Perkin besah sich den Mann mit der schwarzen Kutte und der orangenen Schärpe näher, den ihm eine buddhistische Personalagentur in Chinatown vermittelt hatte. Siu hatte in ihrem Testament verfügt, nach diesem Glauben und wie eine Mandarin der Ming Dynastie bestattet zu werden.

„Das Geld ist also nur für dich und deine Brüder, die sich durchs Leben betteln?“

Der Mönch deutete eine Verbeugung an. „So ist es, Sir. Aber das Kloster braucht auch Geld. Es ist sehr alt und es gibt ständig Reparaturen. Da sind Sponsoren herzlich gerne willkommen. Sie haben, wenn es sich um eine projektbezogene Spende für das Kloster handelt, lebenslanges Wohnrecht. Natürlich im Rahmen eines angemessenen Beitrags.“

„Aha, für fünfhundert bekommt man kein lebenslanges Wohnrecht?“ Perkin zündete ein Zigarillo an. Die Presse war auf der Jagd nach neuen Opfern. Sie waren allein.

„Du sprichst Mandarin mit einem japanischen Zungenschlag. Bist du Japaner?“

Der Mönch nickte. „Ja, Sir. Ich bin ein Wandermönch.“

„Welchem Kloster gehörst du an?“

„Dem Kloster Koyasan, der Bruderschaft der Shingon. Kennen Sie dieses Kloster, Sir?“

Perkin wurde nervös und stöhnte. Nicht schon wieder ein Mönch aus der Bruderschaft dieser raffgierigen Sekte. Mit denen hatte ich die letzten Monate nur Ärger. Er ließ den Mönch mit der Bemerkung stehen, dass ihn der erste Abt des Klosters anrufen könne, wenn er finanzielle Hilfe für ein dringendes Projekt brauche. „Dein Abt kennt mich und hat meine Telefonnummer.“

Der Mönch nickte, dass er es ausrichten werde. Seine Enttäuschung verbarg er hinter einem gekünstelten Lächeln.

Louis und July holten Perkin mit dem Wagen rechtzeitig am Friedhofstor ab, bevor das um diese Jahreszeit übliche Gewitter niederging.

„Tut mir leid. Aber Sius Urne ist tatsächlich verschwunden. Was willst du jetzt machen?“ July kaute auf ihrer Unterlippe, was sie immer tat, wenn sie nervös war. „Schalte doch die Polizei ein. Du hast doch beste Kontakte zu denen.“

„Polizei? Wie stellst du dir das vor? Wie soll ich denen erklären, wen ich in der Gruft meiner Eltern unter der Anteilnahme von zweihundertachtundsechzig Kondolenten beerdigt habe? Vergiss das. Habt ihr wenigstens die Ming Vase?“

July nickte und deutete Richtung Kofferraum.

„Warum machst du Louis zum Affen?“ Perkin ließ seinen Unmut über die Situation an July aus.

Die zuckte mit den Schultern und sah in den Regen hinaus. „Nicht meine Schuld. Er wollte es so. Seiner Meinung nach benötigt ein Rolls-Royce Phantom V aus den Sechzigern einen Chauffeur in Uniform. So habe ich ihm eine gekauft. Männer fühlen sich eben nur in Einheitskleidung wohl, die man hier mit einem goldenen Stern, dort mit einer goldenen Kordel aufwertet. Und eine Mütze ist wichtig. Mit Schild und möglichst viel Lametta dran. Die behält man natürlich eisern auf dem Kopf, um jedem zu zeigen, welchen Rang man hat. Man ist der Herr eines nicht mehr bezahlbaren Blechhaufens aus dem British Empire. Ein sichtbares Statussymbol, vor dessen Ausmaßen jeder Parkplatzwächter in Singapur höflich einen Hofknicks macht, so nennt man das wohl, und zum Weiterfahren bittet. Hast du sonst noch was zu meckern? Nur zu. Ich höre.“

Perkin zündete sich erneut ein Zigarillo an und atmete tief durch. „Der Wagen ist ein Erbstück. Das weißt du. Also hacke nicht auf toter Materie herum. Ich frage mich viel mehr, wer Siu ermordet hat und jetzt keine Ruhe gibt und mir auch noch ihre Asche stiehlt? Das ist doch völlig sinnlos. Du weißt doch selbst, dass sie an Leukämie im Endstadium litt. Warum und aus welchem Grund hat man ihr wenige Tage nach unserer Hochzeit die Tabletten gegen Zyankali ausgetauscht? Siu war doch schon halb tot …“

July versuchte ein dem Wagen und der Situation angepasstes Lächeln. „Siu war zwar halb tot. Aber ich war bereit, ihr meine Stammzellen zu spenden. Sie hätte mit siebzigprozentiger Wahrscheinlichkeit gerettet werden können. Solch eine Chance hast du bei keinem Glücksspiel der Welt. Aber vielleicht war es wirklich Selbstmord. Sie konnte und wollte nicht mehr.“

Perkin schüttelte den Kopf. „Nein, es war Mord. Alle ihre Pillen waren mit Zyankali angereichert. Sie hätte von den sechs, die sie täglich nehmen musste, jede nehmen können.“

July zog die Schultern andeutungsweise hoch. „Dann weiß ich es auch nicht. Und hör auf, dieses stinkende Kraut zu rauchen. Du weißt, dass ich schwanger bin und wir einen Vertrag haben.“

Der Vertrag über ein noch ungeborenes Kind, weil es die Situation vor ein paar Tagen nichts anderes erlaubt hatte, trieb Perkin um. Als Anwalt war es sein Geschäft, solche Papiere zu verfassen oder im Sinne seiner Mandanten auszuhandeln. Aber solch einen Vertrag hatte er erstmalig schließen müssen. Seine Finger fuhren wie zum Gebet ineinander, drehten sich gegeneinander, bis die Knöchel knackten. „Das hat ja wohl noch ein paar Wochen plus zwei Jahre Zeit, bis wir uns darüber unterhalten müssen. Oder willst du aus dem Vertrag raus?“

July schüttelte den Kopf. „Nein. Ich will dich nur vor einer falschen Schlussfolgerung warnen.“

„Und die wäre?“ Perkin ließ das Fenster kurz hinab und warf den Zigarillo in den Regen hinaus.

„Du glaubst mal wieder, dass Ho die Asche deiner Frau gestohlen hat. Oder?“

„Wer kann sonst in seiner grenzenlosen Rache, dass ihn Siu als seine Leibärztin jahrelang absichtlich falsch behandelt hat, über den Tod hinausgehen?“

July hing ihr Handgelenk in die Halteschlaufe über der Tür und kaute weiter auf der Unterlippe. „Möglich wäre es“, murmelte sie. „Vater ist unberechenbar und das heißt, er und seine Aktionen sind nicht vorauszusagen. Das ist seine Stärke.“ Sie drehte mit ihrem Daumen den Ring an der freien Hand. „Was ist, wenn du euren gemeinsamen Vertrag wahr machst? Du hast mit Sius Erbe mindestens so viel Geld wie er. Du wärst auf Augenhöhe mit Vater.“

Perkin sah aus dem Fenster und schüttelte den Kopf. „Der Vertrag mit deinem Vater ist durch Erpressung zustande gekommen. Das weißt du genau. Er ist somit nicht rechtsgültig. Ich fühle mich nicht an ihn gebunden.“

„Du bist genauso ein Dickkopf wie er“, fluchte July. „Willst du dich wirklich mit ihm anlegen? Das gibt Krieg. Kapierst du das nicht?“

Perkin hob kurz die Schultern, als sei ihm das egal. „Was will er denn machen? Ich habe die Fronten gewechselt und verfüge mit den Huang über mehr als das Zehnfache an dem, was er als Kapital um die Spiellizenzen in Macau aufbringen kann. Er muss mit mir verhandeln. Nicht ich mit ihm.“

„Du bist ein Selbstmörder.“ July verdrehte die Augen und seufzte. „Ein Kamikaze, weil du Vater nicht gewachsen bist. Du bist zu jung und zu ehrlich, um etwas gegen seine Brutalität im Durchsetzen seiner Ziele unternehmen zu können.“

„Ich habe doch dich als Pfand.“ Perkin lachte. „Oder glaubst du, dass er nach deiner Schwester Xantia auch noch dich umbringen wird? Nein, nein, das wagt er nicht. Du bist doch nicht nur wegen des Kindes hier, oder? Er hat dich geschickt, um mit meinem Kind, was sich aber erst in zwei Jahren beweisen wird, alle Informationen zu bekommen. Ihr haltet mich wohl alle für ein wenig …“ Er wedelte mit der flachen Hand vor der Stirn.

„Verrückt?“, sprach July das aus, was Perkin andeutete. „Ja, ich halte dich für verrückt. Wie konntest du den Clown ein paar Stunden, nachdem er den Mönch Yashi mit einer Giftschlange ermordet hatte, aus dem Gefängnis holen? Jetzt ist er weg und erzählt Ho alles, was er hier in den letzten Wochen erfahren hat.“

„Das hat Ho doch schon durch Yashi mit seinem Morsefunk erfahren. Du hast mir erzählt, dass bei euch in der Zentrale alle Informationen von meinem Gelände auf diese Weise ankamen. Und außerdem hat der Haftrichter den Biss einer Giftschlange nicht als Mordinstrument akzeptiert, da die dazu passende Schlange als Beweismittel fehlte. Verstehst du? Für ihn war es ein bedauerlicher Unfall.“ Perkin stützte den Kopf in die Hände und unterdrückte einen Lachanfall. „Wie will man eine Schlange als Beweismittel auftreiben? Das ist genauso, als könne man eine Stechmücke für die Übertragung einer Krankheit haftbar machen.“

Jetzt musste July lachen.

„Was mir dabei nicht klar ist …“, Perkin spielte weiter mit den Fingern, „wenn Yashi und der Clown für deinen Vater als Informanten gearbeitet haben, warum bringt der Clown den Mönch durch eine Schlange um? Da stimmt doch etwas nicht. Ist die Urne des Mönchs schon nach Koyasan überführt worden? Er wollte es so, wie sein Vorgänger, der Mönch Cho Li.“

July zog einen Schmollmund. „Woher soll ich wissen, wo seine Überreste sind? Jedenfalls hat mich Vater vor die Tür gesetzt und nicht als Spionin bei dir eingeschleust. Der Clown ist ein Spieler, wie du weißt. Vielleicht hat er wieder auf den Tod eines Menschen gewettet. Ich habe keine Ahnung. Ich möchte nur nicht, dass du noch vor der Geburt unseres Kindes umgelegt wirst. Dann hat es nicht einmal einen Vater. Ich kann dir nur raten, dich mit Vater auf irgendeinen Status zu einigen. Und jetzt habe ich Sendepause. Aus und Schluss. Ich will nur noch aus den verschwitzten Kleidern raus und schlafen.“

26. Juli 1999, 16.00 Uhr, Singapur, Perkins Anwesen

Perkin erkannte die Apothekerin sofort an ihren schnellen Schnitten, wie sie das Allerweltswerkzeug, das Beil der Chinesen, in der Küche führte. Er nannte sie nur „Alte“ und sie ihn nur „Anwalt“. In den paar Wochen, die sie sich kannten, war eine Art Hassliebe zwischen den beiden entstanden. Die Alte war durch ihre Kräuter zur Konkurrenz der Ärzte bei Sius Erkrankung geworden, da diese besser gegen Leukämie zu wirken schienen als alle gescheiterten Versuche der sogenannten Humanmedizin. Somit war sie zur engsten Vertrauten von Siu geworden und hatte von ihr zehn Millionen geerbt, mit denen sie ein ganzes Viertel in Chinatown vor dem Abriss bewahrt hatte. Seither war Perkins Frau zu einer Art Schutzpatronin der Chinesen geworden.

„Sind das wieder unerlaubte Kräuter aus dem Gewächshaus?“ Perkin steckte den Kopf in die Küche. „Wann kommen endlich diese Rauschgiftpflanzen von meinem Gelände? Du weißt, dass ich am Galgen hänge, wenn das jemand erfährt.“

„Äh, fang nicht schon wieder an, du ewig besserwissender Anwalt.“ Die Alte sah kurz von der Arbeit auf und schob die Lesebrille auf die Nase zurück. Fast wäre sie auf die Zigarette abgestürzt, die sie ständig in ihrem fast zahnlosen Mund von einem Mundwinkel in den anderen schob.

„Ich bin Apothekerin und darf das Zeug verarbeiten. Also mach dir nicht in die Hose“, kam es knurrend zurück.

„Aber nicht auf ein paar Hundert Quadratmetern in meinem Gewächshaus“, knurrte Perkin zurück. „Ich habe das Gesetz zu vertreten und nicht dem industriellen Rauschgiftanbau Vorschub zu leisten.“

Die Alte hackte ungerührt weiter. „Wer sieht dem Zeug schon an, woher es kommt? Es ist eine Menge Post für dich gekommen. Kümmer dich lieber darum.“ Sie hustete, drückte die Zigarette in der Spüle aus und legte das Beil beiseite. „Wie war Sius Beerdigung? Erzähl! Waren viele Leute da? Ich hoffe, dass mich meine Leute aus Chinatown nicht enttäuscht haben. Magst du etwas essen? Ich habe eine feine Fischsuppe gekocht. Die ist in Sekunden in der Mikrowelle warm.“

Perkin besah sich seine Finger, an denen noch die Bakterien der Kondolenten klebten. „Nein, danke. Mir ist nicht nach Suppe. Ich muss duschen und mir die Hände gründlich schrubben.“ Er spreizte die Finger und trug sie vor sich her, als gehörten sie nicht zu ihm, bevor sie nicht desinfiziert waren. Wer von denen hat Sius Urne entwendet? Und das ist bestimmt auch der, der ihre Tabletten ausgetauscht hatte. Offensichtlich wusste er, dass Siu ihr Begräbnis anders bestimmt hatte, und ich nur eine Urne mit Sand in der Familiengruft beigesetzt hatte. Das können nicht viele sein. Eigentlich nur der Bestatter, July und ja, wer noch? Die Alte? Oder der Clown? Diesem zwergwüchsigen Mann ChiChi steht noch das Erbteil seiner Halbschwester Siu zu.

Auf dem Weg zum Bad sah Perkin kurz in sein Büro, in dem das Fax piepsend nach neuem Papier verlangte und noch zwanzig Nachrichten im Stau befindlich anzeigte. Eine ähnliche Anzahl staute sich im Ausgabefach des Gerätes. Auf dem Schreibtisch sammelten sich die durch einen schwarzen Rand als Beileidsschreiben gekennzeichneten Briefe und Karten. Er schüttelte sich bei dem Gedanken, jedes einzelne mit einer passenden Lüge beantworten zu müssen. Er hatte seine Frau nie wirklich gekannt oder jemals geliebt. Es war zwischen ihnen ein Geschäft gewesen zu heiraten. Er hatte ihr Schutz durch seinen Namen geboten und gleichzeitig die Möglichkeit, ihr Geld zu waschen. Das Vermögen stammte aus den dunkelsten Kanälen der chinesischen Mafia, der Triaden. Er hatte das Erbe ordentlich versteuert und kein Mensch würde mehr danach fragen, woher es gekommen war. Die Heirat hatte nach altem Recht stattgefunden. „Wer etwas gegen diese Ehe einzuwenden hat, spreche jetzt oder schweige für immer.“

Die etwas einzuwenden gehabt hätten, hatte Mrs Perkin, alias Dr. med. Cha Siu, Tochter des verstorbenen Triadenfürsten Alpha, eigenhändig schon zu ihrer Lebzeit ins Jenseits geschickt. So hätte Sius Plan funktionieren können, wenn, ja wenn sie nicht selbst an der tödlichen Krankheit Leukämie gelitten hätte.

Aber jemand hatte nicht warten wollen, bis sich die Angelegenheit von selbst erledigte. Dieser „Jemand“ hatte mit seinen eigenen Mitteln nachgeholfen. So als wolle er sicher sein, dass diese Frau endlich aus seinem Einflussbereich verschwindet. Und diese Person lebte und schien jetzt jede Zeit der Welt zu haben, bis sie sich den Erben dieses gewaltigen Vermögens, Mr Perkin, für einen neuen Schlag zurechtgelegt hatte. Wie ein Boxer, der seinem Gegner Runde um Runde durch Tiefschläge die Luft nahm, ohne ihn wirklich auszuknocken. Er konnte sich ausrechnen, wann der Gegenüber für den finalen Schlag nicht mehr genug Kraft hatte, um noch Gegenwehr leisten zu können. War der Diebstahl der Urne der erste Schlag? Oder schon der zweite nach den Zyankalitabletten?

Perkin entkleidete sich und ging duschen. Dieser Papierkram, der jeden Tod wie eine unabwendbare Apokalypse zu begleiten schien, sollte warten. Die ausgiebige Dusche tat gut. Als er die beschlagene Glastür öffnete und seinen Fuß hinaussetzen wollte, um das Badetuch zu erreichen, blieb es beim Wollen. „Was soll die Scheiße?“, fluchte er und zog den Fuß zurück. War es eine Täuschung oder hatte er wirklich gerade eine Schlange gesehen, die durchs Bad kroch? Es war jedenfalls etwa zwei Meter lang, grün und bewegte sich ohne Füße. Darin war er sich sicher. Vorsichtig steckte er den Kopf aus der Dusche und sah, wie das Gebilde im Wäschekorb verschwand. „Einer spinnt hier“, grollte er und dachte an den Mönch, der durch eine Giftschlange vor seiner Behausung im Gewächshaus getötet worden war. Er ersparte sich das Abtrocknen, griff sich den nächstbesten Bademantel und schloss die Tür hinter sich. Das Reptil musste während der Zirkusvorstellung zu Ehren seiner Hochzeit mit Siu entkommen sein.

Das Telefonbuch gab keine Auskunft über Schlangenfänger und artverwandte Berufe. „Wer ist für die Entsorgung einer Schlange in dieser Stadt zuständig? Der Zoo vielleicht?“, murmelte Perkin und schüttelte den Kopf. Vom Gang her kam eine Stimme, die er bestens kannte.

„ChiChiLa, ChiChiLa, wo bist du? Komm zum Herrchen. Sei nicht sauer. Ich musste ein paar Tage weg. Es gibt ein feines Vögelchen.“

Perkin riss die Tür auf. „Was zum Teufel machst du hier und wie kommst du hier rein?“

Der achtzig Zentimeter messende Clown schnitt eine Grimasse und tat, als sei es das Natürlichste der Welt, dass er auf dem Gelände und im Haus sei. „Ich suche ChiChiLa. Meine neue Freundin. Hast du sie gesehen? Sie ist sauer, dass ich sie so schnöde verlassen habe. Und du bist schuld. Wie konntest du mich in U-Haft stecken lassen? Ausgerechnet, wenn ihre Fütterungszeit ist. Da kann doch jeder, der Hunger hat, sauer werden.“

„M ... M ... Meinst du vielleicht so ein etwa zwei Meter langes Gebilde ohne Beine? Ist grün und liebt Badezimmer?“, stotterte Perkin.

„Klar“, grinste der Clown. „Das ist ChiChiLa. Eine grüne Mamba. Sie hat doch diesen Ami, den Chef der Huang-Stiftung ins Jenseits befördert und dich zum Boss des Ganzen gemacht. Hast du eine Ahnung, wo sie ist?“

„Bei der schmutzigen Wäsche in meinem Bad. Sieh zu, dass du die da raus bekommst und dann möchte ich ein paar Fragen von dir beantwortet haben!“

Der Clown tippte mit dem Finger an seine Mütze. Er sah überhaupt nicht mehr wie der ewige Clown aus, der sich je nach Situation blitzschnell die Maske im Umdrehen wechselte. Er trug einen maßgeschneiderten Anzug im Stil eines englischen Adligen auf der Fuchsjagd, einen silberbeschlagenen Stock und Schaftstiefel.

„Wird gemacht, Perkin.“ ChiChi grinste. „Aber bitte jetzt auf meiner Ebene. Ich bin nämlich ab sofort dein Kunde und bezahle anständig dafür. Da kann ich verlangen, wie deinesgleichen behandelt zu werden.“ Er warf Perkin eine Kusshand zu. „Ich hole ChiChiLa und dann können wir sprechen, wie und was ich mir so vorstelle. Zücke schon mal das Scheckbuch. Ich bin sofort zurück.“

July kam barfuß den Gang entlang und zupfte sich die gerade gewaschenen Haare in Position. „Habe ich da gerade den Clown gehört oder war das nur ein schlechter Traum?“

„Du träumst nicht. Er ist es tatsächlich“, knurrte Perkin und ging ins Büro.

„Der traut sich noch hier her? Ist der denn jetzt komplett verrückt geworden?“ July zog den Bademantel enger um sich.

„Der will sein restliches Erbe und das steht ihm zu. Er ist frei und kann tun, was er will. Was soll ich machen?“ Perkin hob kurz die Schultern und suchte im Tresor nach der Akte seiner Frau, in der er alle Unterlagen, die ihr Erbe betrafen, einsortiert waren. Dazu gehörte auch ihr Halbbruder, ChiChi der Clown.

„Und wo ist der jetzt?“ July machte keinen Hehl daraus, den kleinen Mann nicht zu mögen. Er hatte sich schon zu Zeiten, als July noch seine direkte Vorgesetzte am Pearl River gewesen war, bei ihr durch seine Eigenwilligkeiten unbeliebt gemacht.

„Er versucht, seine Freundin in meinem Bad zu beruhigen“, schmunzelte Perkin und schlug die Akte „Testament Mrs Perkin, Siu“ auf.

„Freundin? Seit wann hat der eine Frau und was hat die in deinem Bad zu suchen?“ July vergrub die Fäuste in den Bademanteltaschen und lehnte sich an den Türrahmen.

„Weiß ich auch nicht. Die Dame hat offensichtlich stark unter der U-Haft des Clowns gelitten. Jetzt versuchte er, sie durch Futter zu beruhigen. Kann ja vorkommen. Wenn du und das Kind Hunger haben, bist du auch etwas missgelaunt. Ich kann froh sein, wenn mich ChiChi deswegen nicht verklagt.“

July schüttelte den Kopf. „Perkin, hast du sie noch alle? Du hast seit der Beerdigung schon so komische Vorstellungen. Der Clown muss seine Freundin durch Futter beruhigen? Wie zum Teufel sieht die denn aus? Ist die etwa so dick wie er groß ist?“

Perkin nickte zufrieden. Er hatte Sius Verfügung hinsichtlich des Erbes für ihren Halbbruder gefunden. „Nein. Nicht dick. Nur mindestens doppelt so groß wie der Clown. Der Länge nach, meine ich.“

„Fast zwei Meter?“, stöhnte July und suchte auf der Besuchercouch Platz. „Wie kommt der an solch ein Riesenweib?“

Perkin suchte weiter in der Nachlassakte und fand, was er suchte. „Keine Ahnung, wie der Clown an so ein Weib kommt. Wahrscheinlich züchtet er sie im Gewächshaus.“ Perkin kopierte die Stelle in Sius Testament und schloss die Akte wieder ein.

„Perkin, kannst du mir mal helfen?“, kam es aus dem Bad. „Das ist zu schwer für mich.“

July zog die Augenbrauen angriffslustig hoch und den Bademantel noch enger.

„Dem werde ich jetzt helfen!“ Ihre nackten Füße patschten in Richtung Bad. „Den setze ich jetzt eigenhändig vor die Tür. Ich will den Kerl hier nicht mehr sehen. Diesen Spion, der für jeden arbeitet, der ihn bezahlt.“

Perkin schmunzelte und zählte … einundzwanzig … zweiundzwanzig … über dreiund … kam er nicht hinaus. Dann folgte ein Schrei, den nur Frauen in diesem Diskant zuwege brachten.

„Weiber“, knurrte der Clown abfällig. „Kannst du mir helfen, ChiChiLa mitsamt dem Korb und der Wäsche ins Auto zu tragen?“

Perkin faltete die Arme vor der Brust. „Warum sollte ich? Das Biest hat den Mönch getötet. Dann ist deine Freundin ein Beweisstück und die Apothekerin wird sie mundgerecht zubereiten.“

Der Clown blies die Backen auf und stampfte mit dem Fuß. Er zog ein Handtuch von der Schlange, die gerade einen Vogel verschlang. „Wie kann meine Schlange einen Mord begehen? Sie hat jetzt den Vogel betäubt. Der reicht ihr für zwei Wochen, vorher kann sie keine ausreichende Menge Gift neu produzieren. Hätte sie den Mönch gebissen, dann wäre ihr der Vogel entkommen. Aber ohne Gift kein Angriff. Die Viecher sind nicht so blöd wie Menschen, die auch ohne Waffen angreifen.“

Perkin lehnte weiter in seiner Position in der Tür und sah der Schlange zu, wie sie den Vogel weiter hinab presste. Wo die Beute gerade war, zeigte eine hühnereigroße Ausbuchtung. Das Reptil war in diesem Zustand wehrlos und versteckte sich tiefer in der Wäsche. Er überlegte einen Moment, ob er dem Viech in diesem Zustand nicht selbst mit dem Rasiermesser den Kopf abtrennen sollte. Ließ es aber. ChiChi bezweckte etwas mit dieser Aufführung. Der Clown liebte überraschende Auftritte. Ganz besonders, wenn er etwas wollte.

„Draußen steht ein Mercedes im Hof. Gehört der dir?“

Der Clown nickte. „Ja, den habe ich mir mitsamt dem Fahrer geleistet. Das steht mir doch bei meinem Erbe zu. Oder?“

Perkin nickte. Aber es war nur ein ganz leicht angedeutetes Nicken.

„Dann ruf deinen Fahrer. Er soll die Schlange abholen. Und, meine Wäsche und der Korb bleiben hier. Dann können wir sprechen.“

60 Minuten später

Perkin hatte sich betont viel Zeit gelassen, um sich anzukleiden. Sechzig Minuten waren genug, um dem neugierigen Clown die Möglichkeit zu geben, sein Büro zu durchsuchen. Außer den vielen Faxen zu Sius Beisetzung und der Kopie aus ihrem Testament würde er nichts finden. Und um den Tresor zu öffnen, bedurfte es anderer Werkzeuge als nur Schubladen zu knacken.

„Perkin, du wirst unhöflich. Das zeigt mir, dass du nicht viel von mir hältst“, murrte ChiChi, der auf seinem Stammplatz, Perkins Schreibtisch, saß und eine Zigarre rauchte.

Perkin nickte. „Vielleicht. Wie ich sehe, hast du gefunden, worüber du mit mir sprechen wolltest. Ich kann dir gleich sagen, dass ich an der von deiner Schwester Siu testamentarisch festgelegten Auszahlungsweise deines Vermögens nichts ändern kann. Zehn Millionen pro Jahr. Das ist zu deinem eigenen Schutz. Zwanzig Millionen hast du bereits bekommen. Für dein Spielzeug, den Zirkus.“

ChiChi gab eine dicke Wolke Rauch von sich, hustete und brach in ein gackerndes Lachen aus. „Das heißt, dass ich erst wieder in drei Jahren Geld aus meinem Erbe von achtzig Millionen bekomme?“

Perkin setzte sich. „So ist es. Deine Schwester wollte verhindern, dass du das ganze Geld sofort wieder verspielst.“

Der Clown machte einen Schmollmund, der besser aussah als er ihn noch unter seiner Maske versteckte. Jetzt wirkte er ohne Schminke wie ein langsam vertrocknendes Reptil. Alt und hässlich. „Meine Schwester hatte recht. Ich habe schon wieder mehr Schulden, als ich jemals an Erbe bekommen werde. Ich habe kein Glück im Spiel. Was mache ich denn jetzt? Du hast es gut! Den Rest ihres Vermögens von dreieinhalb Milliarden darfst du verwalteten als ihr Mann und Alleinerbe.“

„Wie viel Schulden und an wen?“ Perkin war sich nicht sicher, ob der Clown nur seiner Schulden wegen hier war oder ob ihn jemandem geschickt hatte.

ChiChi wackelte mit dem Kopf und rutschte vom Schreibtisch. „Die Höhe meiner Schulden ist egal. Die übernimmt ein anderer, wenn …“

„Wenn was?“, hakte Perkin nach.

Der Clown spielte mit seinem Spazierstock und stolzierte wie ein Mini-Napoleon, der die nächste Schlacht durchdachte, im Raum auf und ab. „Sind wir noch Freunde? So, wie wir es am Pearl River waren? So, wie wir es die ganze Zeit waren?“ Er kroch wieder über den Stuhl, den er als Steigbügel nutzte, auf die Schreibtischplatte und nahm sich eine Zigarre aus der Kiste neben Perkins Notizbuch.

Perkins Stirn zog sich zu drohenden Falten zusammen. „Wie kann ich einem Freund vertrauen, der bei jeder Gelegenheit auf mich wettet. Mal auf meinen Tod, mal auf mein Überleben. Nein, ChiChi. Wir sind keine Freunde mehr und ich möchte, dass du jetzt gehst und nie wiederkommst. Lass deine Codekarten und alle Schlüssel hier. Du hast hier nichts mehr zu suchen.“

ChiChi rauchte ungerührt weiter und deutete in die Richtung des Faxgerätes. „Du scheinst mit den ganzen Beileidsbekundungen etwas überfordert zu sein. Dazwischen sind ein paar Informationen, die dich unbedingt interessieren sollten.“

Perkin rührte sich nicht. Er dachte nicht daran, sich die Blöße zu geben, weniger als der Clown zu wissen.

„Scheint es dich nicht zu interessieren, dass man dich fertigmachen will?“ Der Clown spielte mit dem Stock.

„Nein. Wenn es schon schriftlich angekündigt wird, hat es Zeit. Bei Anwälten nennt man es Einspruchsfrist. Die Codekarten und die Schlüssel bitte.“ Perkin hielt fordernd die offene Hand hin.

ChiChi nickte und breitete das Geforderte vor Perkin aus. „Du wirst an mich denken. Ich bin dein Freund, den du noch bitter nötig haben wirst. So long, Perkin. Renn ruhig in deinen Untergang, und der heißt July.“

Den Stapel Faxe hatte Perkin mit in die Küche genommen und sortierte sie nach „zu beantworten, nicht wichtig und dringend“. Als DRINGEND waren drei übrig geblieben. Die Apothekerin konnte nicht weit sein. Es köchelten drei Töpfe auf dem Herd und zogen July mit ihrem Duft an.

„Bist du den Clown endlich los? Der bringt nur Unglück.“ Sie lüpfte die Deckel und kostete den Inhalt.

„Das behauptet er auch von dir.“ Perkin schob ihr die Faxe hin, die er als „dringend“ einschätzte. „Das erste Fax kommt von der Generalstaatsanwaltschaft Singapur“, erklärte er July das Fachchinesisch. „Darin wird auf eine eidesstattliche Erklärung des Clowns Bezug genommen, dass du deine Schwester Xantia und meinen Fahrer mit einer Autobombe, ausgelöst durch dein Handy, im Verteilungskampf um das Erbe deines Vaters hast in die Luft gehen lassen.“ Er spielte mit einem herumliegenden Messer und wartete.

July zog einen Stuhl heran und las das Fax wieder und wieder, schüttelte den Kopf. „Das darf doch nicht wahr sein. Das war Sius Bombe, mit der sie uns in Langkawi zur Landung gezwungen hat. Du bist mein Zeuge. Du warst mit an Bord. Oder willst du das jetzt bestreiten? Wir haben die Leiche deiner Sekretärin Lu überführt und hatten danach nichts als Ärger.“

„Das ist alles ein mieser Trick, um …“, Perkin deutete auf Fax Nummer zwei, „um von etwas ganz anderem abzulenken.“

„Ein Fax vom Kloster Koyasan?“

Perkin nickte. „Ja, der Mönch bei der Beerdigung war sehr schnell, seinen Abt zu informieren, dass ich zu einer Spende bereit sei. Nur, dass da sofort eine Erpressung draus wird, hätte ich diesem Haufen von Mönchen nicht zugetraut.“

July las vor: „Bedauern wir Ihnen mitteilen zu müssen, dass eine Miss Witherfort, die als Journalistin bei uns zu Gast war, an einem höchst ansteckenden Virus verstorben ist. Da wir ein armes Kloster sind und uns durch Spenden generieren, sind uns durch den bedauerlichen Tod der Journalistin mehr als eine Million Dollar durch Quarantäne, Ausbleiben der Besucher und Entseuchung von Gebäuden entstanden. Wir fordern Sie hiermit auf … gezeichnet Dr. Cho, Chefarzt der Klinik Koyasan.“

„Den Zusammenhang verstehe ich nicht.“ July schüttelte den Kopf. „Das war doch die Journalistin, die herausfinden sollte, was die Bodenproben aus Borneo beinhalteten, die in den Klosterlabors untersucht wurden?“

„Yep. Und nun lies das dritte Fax. Kennst du den, der mich einlädt?“

„Laden wir Sie, Mr. Perkin und ihre charmante Gattin, Mrs Siu, zur Jungfernfahrt unseres neuesten Kreuzfahrtschiffes ein. Die Princess II wird am 27. Juli 1999 auf der Reede von Singapur vor Anker gehen.“

July nickte und atmete tief durch. „Ja, das ist Vaters neues Casinoschiff. Er hat es doch wieder geschafft, aus Schulden Geld zu machen. Es ist nicht zu fassen. Woher hat er so schnell ein neues Schiff?“

Perkin atmete schwer und kratzte sich am Kopf, als verleihe das den Gedanken Flügel.

„Das Schiff war schon längst im Bau, als er die alte Princess nach dem fingierten Anschlag durch die Versicherung zu Geld gemacht hatte. Mit einer Milliarde war sie versichert. Ich habe die Modelle damals in seinem Arbeitsraum gesehen. Er hat sie mir als Umbau des bestehenden Schiffs verkauft. Von der Milliarde konnte er sich locker eine Nachfolgerin leisten und dürfte noch ein paar Hundert Millionen übrig behalten haben.“

July kaute abwechselnd wie ein mümmelnder Hase auf beiden Lippen. „Ho lädt dich und Siu ein. Hat er nichts von ihrem Tod mitbekommen? Bin ich für meinen Vater nicht mehr existent?“

Perkin spielte weiter mit dem Messer, senkte den Kopf und zog die Stirn wie ein angriffslustiger Stier hoch.

„Die Antwort gibst du dir besser selbst. Ich werde die Einladung jedenfalls annehmen, um den Krieg zwischen uns zu beenden oder klare Fronten zu schaffen. Wir sind, um deine Worte zu verwenden, auf Augenhöhe. Und dann werde ich mich um dieses „schwarze Loch“ von Kloster in den Bergen von Osaka kümmern. In dem scheint alles zu sterben, was irgendwelchen Triadenbossen nicht passt. Ich habe Habibie bis Oktober ein Ergebnis versprochen, wer sein Land illegal ausplündert.“

July spielte mit ihren Haaren und legte die Beine hoch. „Gut, ich gehe als Mrs Siu Perkin mit auf das Schiff.“

Perkin legte das Messer sanft, sodass es kein Geräusch machte, auf den Tisch.

„Bist du sicher, dass du das gut überlegt hast?“, fragte Perkin mit leiser Stimme, in die er seine Besorgnis legte. „Willst du jetzt mit dem Kind auftrumpfen, das ich noch nicht anerkannt habe? Dann wäre das Problem natürlich sofort erledigt und ich auch. Ich hätte Ho als Schwiegervater und würde von der Stiftung der Huang sofort als Verräter hingerichtet. Das läuft so nicht. Das weißt du. Deshalb gehst du nicht zu dieser Einladung mit.“

Sofort kniff July die Lippen zu einem Strich zusammen.

Perkin trommelte mit den Fingern einen Takt auf die Tischplatte. Er kannte July und ihre körperliche Warnung, die sie wie ein Vulkan durch Beben und tiefes Grummeln ankündigte, bevor sie die erste Eruption von sich blies.

„Gut. Dann werde ich mich in der Zeit, in der du dich mit Vater misst, in diesem Schlangennest von Kloster umsehen. Ich lasse sofort meine Maschine klarmachen. Aber vorher werde ich eine eidesstattliche Erklärung bei der Staatsanwaltschaft abgeben. Die Bombe war von Siu, aber nur der Clown hatte einen Grund Xantia umzubringen. Sie hat ihm die Prügel verpassen lassen, für die er sich rächen musste. Sonst niemand.“

Hört dieses Gezänk nie auf? Perkin verdrehte die Augen. Er nahm eine Wanderung durch die Küche auf, wie er es immer tat, wenn er versuchte, längst bedeutungslos gewordene Zusammenhänge wieder in Einklang zu bringen. Die Vergangenheit vergaß nichts, auch wenn sie längst Geschichte geworden war.

Siu war schwanger gewesen, als er mit ihr im Kloster war. Daraufhin war ihr Vater gestorben. Gestorben an unterlassener Hilfeleistung des Klosterarztes Cho, der das Fax unterzeichnet hatte und jetzt unverhohlen um Schadenersatz für den Aufwand um Miss Witherfort bat, die auch schwanger gewesen war.

„Du fliegst nicht zum Kloster. Das ist nichts für Schwangere. Ich habe keine Lust, dich auch noch zu verlieren. Fahr zum Staatsanwalt, mach deine Aussage und dann kümmere dich lieber um einen vernünftigen Sicherheitsdienst für das Gelände. So geht das nicht weiter. Wir haben eine hochmoderne Technik, aber niemanden, der versteht sie zu bedienen. Das ganze Zeug ist so viel Wert wie ein Auto, von dem man den Schlüssel verloren hat.“

July lächelte endlich wieder. „Schon geschehen. Louis wird sich darum kümmern. Und bevor du wieder Bedenken äußerst, er war bei den Navy Seals für die Sicherheit zuständig. Keine Chinesen, keine Inder, keine Malaien. Nur ehemalige Kumpels von ihm, die diesen eintönigen Job gewöhnt sind.“

Perkin verschränkte die Hände hinter dem Rücken und schob nachdenklich die Unterlippe vor. „Und wer bezahlt die?“

„Du mein Lieber. Ist von der Steuer absetzbar. Ich mache mich für den Staatsanwalt fein.“ July sprang auf und deutete auf die vor sich hinköchelnden Töpfe. „Schau mal lieber da rein und in den Mülleimer … oder macht es dich nicht stutzig, dass die Apothekerin ihre Suppen so lange allein lässt?“

Vorsichtig hob Perkin hob die Deckel von den Töpfen. Es roch gut, er fuhr mit einem Schaumlöffel durch den Sud und versuchte aus dem, was nach dem Abtropfen übrig blieb, schlau zu werden.

„Die Antwort findest du im Mülleimer“, gab July ihren hämischen Kommentar.

Der Inhalt des Eimers sah wie eine Schlangengrube aus.

„Also die Alte stellt zumindest keine Schlangenledertaschen her. Was köchelt sie dann hier?“ July hörte endlich auf, mit ihren Haaren zu spielen.

„Finger weg. Das ist nichts zu essen. Das wird Medizin“, kam es von der Tür. Die Alte stellte zwei Körbe mit Wurzeln und Kräutern ab und wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht.

„Dann lass deine Medizin in Zukunft nicht unbeaufsichtigt und stell ein Schild „Gift“ auf den Herd“, fauchte July. „Es ist nicht zu glauben, was hier im Haus alles verkehrt. Das werde ich als Sicherheitschefin ändern. Darauf können sich hier alle verlassen. Ich bin beim Staatsanwalt. Diesem ChiChi lege ich das Handwerk.“ Dann war sie weg, nicht ohne anzukünden, welches Auto sie gedachte zu nehmen: den Porsche.

„Sag mal Anwalt, soll die die Nachfolgerin deiner Frau werden?“, seufzte die Alte, ließ sich auf einen Stuhl fallen und rauchte. „Deine Siu ist durch niemand zu ersetzen, und durch diese Amazone schon überhaupt nicht.“

Perkin schwieg. Niemand kannte Siu wie er, und zu einer guten Ehefrau hatte er inzwischen seine eigene Meinung. Das richtige Exemplar war ihm noch nicht über den Weg gelaufen. „Was kochst du da?“, lenkte er vom Thema ab.

„Ich habe im Gewächshaus ein Terrarium mit Schlangen gefunden, habe ihr Gift abgemolken, sie geschlachtet und nun koche ich sie zu einer Paste, aus der ich Salbe machen werde. Eine Heilsalbe gegen Gicht und Rheuma. Die hat keine andere Apotheke in der Stadt. Das wird mein Verkaufsschlager. Ich muss nur noch die Kräuter hineinschneiden.“

„Dann verkauf mal schön“, tätschelte Perkin sie im Vorbeigehen. „Aber lass deine Töpfe in Zukunft nicht ohne Aufsicht. Sonst essen dir die Gärtner noch deine Salben weg.“

26. Juli 1999, 02.00 Uhr, Las Vegas, Villa Miss Huang

„Die neusten Meldungen aus Singapur, Madame. Wie von Ihnen gewünscht. Aber jetzt sollten Sie schlafen. Der Arzt wird sonst böse mit Ihnen. Haben Sie Ihre Medikamente genommen?“

„Geh mir nicht auf die Nerven. Ich bin noch nicht tot“, winkte die alte Frau ab. „Dass meine Knochen nicht mehr mitmachen, beeinflusst nicht meinen Kopf. Wie spät ist es jetzt in Singapur?“

Der Butler sah auf die Uhr. „Dort ist es jetzt siebzehn Uhr. Fünfzehn Stunden Zeitdifferenz, Madame.“

Die Frau, die bereits jenseits der achtzig war, richtete sich mühsam im Bett auf und tastete auf dem Nachttisch nach etwas. „Ach was, Bill, ich finde meine Brille nicht. Lies vor. Diese Schrift aus dem Ticker ist für mich inzwischen zu klein … und bring mir noch ein Wasser.“

Bill las vor: „Das neue Flaggschiff der Stanley Ho Company, die Princess II läuft auf seiner Jungfernfahrt morgen, den 27. Juli, die Reede von Singapur an. Der Eigner, Dr. Stanley Ho, bittet die Honoratioren Singapurs an Bord. Es wird ein festliches Menü mit anschließendem Feuerwerk geben.“

„Sind unsere Leute an Bord?“ Die runzlige Hand der Frau tastete nach der Zigarettenschachtel, die neben der Brille lag.

„Schon seit Hongkong als Sicherheitsleute. Alles erfahrene Männer der Navy Seals, Madame.“

„Navy Seals? Lieber Himmel, wie alt sind die denn? Die müssen doch schon in Vietnam gedient haben. Glaubst du, dass die noch etwas bringen?“ Die Dame schüttelte missmutig den Kopf.

„Ja, Madame. Was sie nicht mehr in den Muskeln haben, ersetzen sie durch den Kopf und ihre Erfahrung. Ich habe nur die Besten genommen. Außerdem wollen die älteren Herren noch etwas erleben und sich ein wenig zu ihrer kleinen Pension dazuverdienen. Soll ich weiterlesen?“

Die Frau seufzte und nickte. „Wie viele sind das von dieser Altherrenriege?“

„Zehn Madame. Sie werden ihren Auftrag wie befohlen erfüllen. Machen Sie sich darum keine Sorgen. Nach Möglichkeit keine Toten. Ungesehen kommen und unerkannt verschwinden.“ Bill stand wie ein in Stein gehauener Soldat am Fußende des Betts.

„Na schön. Dann kann ich beruhigt schlafen. Aber erst gibst du mir eine Zigarette und Feuer. Und komm nicht mit deinen Belehrungen, dass Rauchen schlecht für die Gesundheit ist und im Bett überhaupt nicht geraucht wird. Das tue ich schon seit mehr als sechzig Jahren. Und woran leide ich? An einer beschissenen Muskelerkrankung. Wenn es einen gütigen Gott gäbe, hätte er mich schon längst mit einer brennenden Zigarette im Bett einschlafen lassen. Aber nein, er musste mir dich schicken, ohne den ich nicht einmal auf dem Klo alleine sein kann. Wie lange arbeitest du jetzt für mich?“

„Fünfunddreißig Jahre, Madame.“ Der ergraute Butler nickte und zündete eine Zigarette an.

„Fünfunddreißig Jahre. Mein Gott, das ist ja schon eine Ewigkeit“, schüttelte die alte Dame den Kopf und sog begierig den Rauch ein. „Bill, wir sind ja ein richtig altes Paar, auch wenn ich dich gerne manchmal hätte umbringen können. Aber du warst immer der einzige Mann, dem ich vertrauen konnte. Und hatte ich mal wieder Pech mit anderen Männern, warst du auch der beste Liebhaber, der mich getröstet hat. Also, los, was steht noch in den Nachrichten? Ich werde jetzt müde.“

„Singapur. Heute wurde auf dem Zentralfriedhof die Gattin des Staranwalts Mr. Perkin unter großer Anteilnahme der Geschäftswelt und der Regierung beigesetzt. Dem Vernehmen nach litt Mrs. Perkin an Leukämie. Sie hinterlässt ihrem Mann ein Milliardenvermögen. Soll ich weiterlesen?“

„Nein“, knurrte die Frau. “Rufe den Stiftungsrat, oder was von dem noch übrig ist, um 9.00 Uhr zusammen. Schicke dem Witwer, Mr. Perkin, ein Beleidsfax. Du kannst das besser als ich formulieren … und erinnere ihn daran, dass wir einen gemeinsamen Termin haben. Vielleicht müssen wir den kurzfristig vorziehen. Aber denk daran, dass mein Treffen mit ihm absolut geheim bleiben muss. Du schickst ihm meine Maschine nach Singapur und lässt das Haus in den Rockys herrichten. Ich will absolut keine Presse. Verstehst du mich? Sonst kannst du deine Fluglizenz dazu benutzen, aus dem vierzigsten Stock zu springen. “

Bill nickte. „Ich verstehe, Madame. Welches Personal soll anwesend sein? Ich meine in den Bergen?“

Die alte Dame wog den Kopf hin und her. „Das ist eine gute Frage. Du bleibst jedenfalls hier. Dich brauche ich am Schreibtisch und in der Zentrale. Berge sind nichts für dich. Du bist nicht schwindelfrei.“

„Nein Madame, ich schwindel immer, wie Sie schon vor Jahren bemerkten. Aber immer nur zu Ihren Gunsten. Für Sie im Rollstuhl sind die Berge aber auch nichts“, gab Bill zu bedenken.

„Blödsinn“, wischte sie die Bedenken des Butlers weg. „Ich werde von einem Hubschrauber abgesetzt und habe nicht vor, auf Bärenjagd zu gehen. Ich nehme die Sikhs mit. Ihr Anführer Mansu hat schon für Perkin gearbeitet. Er kennt die Macken und Vorlieben dieses Staranwalts. Mich weckst du um sechs Uhr und nun drücke bitte meine Zigarette aus. Gute Nacht.“

26. Juli 1999, 17.30 Uhr, Singapur, Perkins Anwesen

July schwitzte wieder und warf ihre Schuhe von sich.

„Schwitzen Schwangere besonders stark?“, fragte Perkin und konzentrierte sich auf die eingehenden Faxe. July setzte sich auf den Lieblingsplatz des Clowns, auf die Schreibtischplatte.

„Ich lasse die Ecke noch polstern“, knurrte Perkin. „Was ist mit deiner eidesstattlicher Erklärung und diesem Sicherheitsdienst?“

July ballte eine Faust. „Wenn ich ein Mann wäre, könnte ich dir eine runterhauen. Woher soll ich wissen, ob Schwangere mehr schwitzen als andere? Ich bin erst das zweite Mal schwanger und das liegt viele Jahre auseinander. Diese eidesstattliche Versicherung ist nicht das Papier wert, auf dem sie steht. Singapur hat keinerlei Interesse daran, sich in chinesische Belange einzumischen. Da auch dein Fahrer Chinese war, hat es nie einen Anschlag, sondern nur einen bedauerlichen Verkehrsunfall gegeben. Verfahren eingestellt. Out and over.“

„Hätte ich dir sagen können.“ Perkin sah kurz von seiner Tätigkeit auf. „Und der Sicherheitsdienst? Funktioniert das wenigstens? Oder muss ich mich auch noch darum kümmern?“

„Arschloch“, fauchte July. „Die Leute kommen übermorgen. Vorher haben sie noch einen Auftrag zu erfüllen. Dafür kommt heute die Telefongesellschaft, um hier endlich einen Internetzugang zu installieren. Und …“, July machte eine Handbewegung, die andeutete, dass er die Klappe halten sollte. „Und sie bringt gleich alles mit, was man dazu braucht. Computer, Bildschirm, Drucker und so weiter.“

„Gut. Dann kannst du dich gleich einarbeiten“, nickte Perkin abwesend.

July fauchte wie ein Raubkatze und warf ihm den nächstbesten Gegenstand an den Kopf. Es war ein Brieföffner. Sie erschrak über das Ergebnis „Das wollte ich nicht.“

Perkin fuhr sich mit der Hand über die getroffene Stelle und sah Blut in seiner Handfläche. „Bist du komplett verrückt?“

„Ja, das muss ich wohl sein“, murmelte July zerknirscht und rutschte vom Tisch. „Ich hole sofort Verbandszeug. Warum bringst du mich auch so auf die Palme?“

„Ihr Stanleys habt wirklich alle eine Macke“, rief Perkin hinter ihr her. „Sich mit euch einzulassen ist ein Selbstmordkommando. Langsam bin ich das leid.“

Ein Fax surrte aus dem Maul des Gerätes. Es war von Miss Huang, Las Vegas. Die Anfangszeilen drückten ihr Bedauern über Sius Tod aus, die weiteren formulierten das zwischen ihm und dieser alten Dame geführte Telefonat hinsichtlich seiner Präsidentschaft über die Huang Stiftung. Danach wurde das Treffen nächste Woche in Las Vegas umorganisiert. Eine Privatmaschine würde ihn in Singapur abholen. Der Termin würde kurzfristig benannt. Den Zielort würde er an Bord erfahren. Für entsprechende Kleidung sei gesorgt.

Perkin faltete das Fax zusammen und steckte es in die Tasche. July kam mit Verbandszeug zurück, das die Alte trug. „Entschuldigung, ich habe keine Ahnung davon. Aber, wir haben ja …“

„Eine blöde Apothekerin, die nach Sius Tod den Part eines Medizinmannes übernehmen darf. Das wird hier hoffentlich nicht zum Dauerzustand.“ Die Alte besah sich Perkins Wunde. „Das ist eine Scheißstelle, an der man nicht nähen kann“, grummelte sie. „Dann gibt es eben einen Kräuterturban. Halt mal die Mullbinde auf die Wunde, du verwöhntes Gör. Das wirst du wohl noch hinbekommen. Und nicht loslassen, bis ich zurück bin. Ich hasse arrogante Weiber. Die Ärztin war euch um mehrere Längen voraus. Und die war kein Stück arrogant. Wahrscheinlich wurde sie auch deswegen von euch Pack ins Jenseits befördert“

„Spinnt die jetzt komplett? Hat die zu viel von ihrem Sud probiert?“ July hielt brav die Binde auf Perkins Kopf, die er hätte selbst halten können. „Es tut mir wirklich leid. Das wollte ich nicht. Wie kann ich das wieder gut machen?“

„Indem du die Hand stillhältst.“ Perkin überging die Aussage der Alten, die seiner Meinung nach vielleicht der Wahrheit am nächsten kam. Der Einzige, der hätte etwas aussagen können, war der Mönch gewesen. Und der war nicht durch einen Zufall an einem Schlangenbiss gestorben.

„Ich habe Hos Einladung auf die „Princess II“ bestätigt. Siu habe ich als momentan nicht abkömmlich entschuldigt.“ Perkin rieb sich an der Stelle, an der die Apothekerin ihm wirklich eine Art Turban gewickelt hatte, gefüllt mit Kräutern. „Morgen ist die Wunde desinfiziert und nahezu geschlossen“, hatte sie gemurmelt und July keines Blickes mehr gewürdigt.

„Nicht abkömmlich?“ July hielt sich die Hand vor den Mund, um ein Gackern zu verbergen. „So kann man das auch diplomatisch ausdrücken, dass du noch nicht einmal weißt, wo ihre Asche ist.“

„Und auch nicht, wer sie umgebracht hat. Aber das finde ich heraus.“ Perkin hieb mit der Faust auf den Tisch. „Und wehe, einer hier im Haus hat dazu beigetragen. Es ist ja so leicht in Singapur, Chinesen durch einen Unfall ins Jenseits zu befördern, wie du selbst heute erfahren hast. Aber meine Frau war Staatsbürgerin von Singapur. Dann versteht unsere Obrigkeit keinen Spaß mehr, wenn eine ihrer besten Steuerzahlerin ein Leid geschieht. Ausbaden müssen das nur die kleinen Leute in Chinatown, wie die Apothekerin. Denen hauen die plötzlich Gesetze um die Ohren, die sich selbst Mao nicht hätte einfallen lassen können. Vergiss niemals, dass sich Singapur für das bessere China hält. Ihr Festlandschinesen seid herzlich willkommen, wenn ihr Geld mitbringt. Aber sonst haltet ihr euch besser aus allem raus, sonst bringe ich euch persönlich an den Galgen. Und ich werde beweisen, dass es einer von euch war, der Siu die Todestabletten gegeben hat. “