Feuergürtel - Hef Buthe - E-Book

Feuergürtel E-Book

Hef Buthe

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  • Herausgeber: 110th
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

Perkin wird von einem indonesischen Kollegen in Jakarta um Hilfe gebeten. Der Journalist Peter Stösser sitzt in einem Militärgefängnis und verweigert jede Aussage. Das klingt für Perkin nach Routine, und er nimmt seine Verlobte The-Maria mit, Stössers Tochter. Der Ausflug kann nur einen Tag dauern, denkt er. Zu spät merkt er, dass ihm jemand eine Falle gestellt hat. The-Maria entkommt verletzt einem Entführungsversuch. Doch das war nur der Anfang eines ausgeklügelten Spiels. Eine Bombe zerstört sein Hotelzimmer. Wieder wird The-Maria verletzt und verschwindet spurlos auf dem Weg in eine Klinik...

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Feuergürtel

 

 

 

 

 

Impressum:

Cover: Karsten Sturm-Chichili Agency

Foto: fotolia.de

© 110th / Chichili Agency 2014

EPUB ISBN 978-3-95865-075-6

MOBI ISBN 978-3-95865-076-3

 

Urheberrechtshinweis:

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Autors oder der beteiligten Agentur „Chichili Agency“ reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Kurzinhalt

Perkin wird von einem indonesischen Kollegen in Jakarta um Hilfe gebeten. Der Journalist Peter Stösser sitzt in einem Militärgefängnis und verweigert jede Aussage. Das klingt für Perkin nach Routine, und er nimmt seine Verlobte The-Maria mit, Stössers Tochter. Der Ausflug kann nur einen Tag dauern, denkt er. Zu spät merkt er, dass ihm jemand eine Falle gestellt hat. The-Maria entkommt verletzt einem Entführungsversuch. Doch das war nur der Anfang eines ausgeklügelten Spiels. Eine Bombe zerstört sein Hotelzimmer. Wieder wird The-Maria verletzt und verschwindet spurlos auf dem Weg in eine Klinik …

Die Hauptfiguren

Mr Perkin, Wirtschaftsanwalt in Singapur

The-Maria Stösser, Verlobte von Perkin

Peter Stösser, Journalist aus Köln, Vater von The-Maria

Oberst Arsad, Militäranwalt in Jakarta

Dr. Van Ruijten, Hotelarzt

Ali

Jakarta, 02.08.1999, 22.00 Uhr

Der Schlagstock traf wie geübt an der richtigen Stelle. Der Mann sackte sofort in sich zusammen und fiel wie ein entwurzelter Baum. Er hatte nicht die Chance einer Abwehr gehabt. Sein rasierter Schädel schlug gegen den Metallrahmen der Pritsche und von dort ohne körperlichen Reflex auf den Betonboden, auf dem sich schnell eine Blutlache bildete. Die Stahltür fiel ins Schloss, ein Riegel wurde vorgeschoben.

Der Wärter prüfte durch die Schiebeklappe, ob sich der Mann noch bewegte. Er tat es nicht.

„Befehl ist Befehl“, stellte er zufrieden fest. „Meine Schicht ist jetzt beendet. Dich findet die Ablösung.“ Dann verriegelte er die Klappe, wie es in den Vorschriften stand.

Soekarno-Hatta Airport, Jakarta, 14.35 Uhr

The-Maria zeigte durch einen flüchtigen Kuss, dass sie sich keine Sorgen machen musste, dass Perkin wirklich nur diesen zerknitterten Leinenanzug und den uralten Panamahut als einzige Kleidungsstücke dabei hatte. Sie zog seinen kleinen Rollkoffer, in dem sich angeblich feinere Wäsche befinden sollte. Von der verschrammten braunen Ledertasche mit den zwei Schnallen hatte er sich aber nicht trennen wollen. Die hatte er sich an einem Gurt, der die Aufschrift einer Airline trug, wie einen Brotbeutel umgehängt und suchte die Hinweisschilder im Terminal ab.

„Da hin“, deutete er auf das blaue Leuchtschild „Information“ oberhalb des Piktogramms für die Toiletten. The-Maria nahm seine Hand. Ihre Handfläche war feucht.

„Du kennst diesen Anwalt nicht, der Peter vertritt?“ The-Maria hatte nur ein einziges Mal das Wort Vater im Zusammenhang mit Peter Stösser in den Mund genommen. Sonst nannte sie ihn je nach Situation beim Familiennamen oder beiläufig, fast wegwerfend beim Vornamen. Das Verhältnis der beiden schien nicht gerade von Herzlichkeit geprägt zu sein.

„Nein. Ich kenne den Anwalt nicht. Ich habe ihm auf Band gesprochen, dass ich um diese Zeit hier sein werde und ihn an der Information erwarte oder ihn ausrufen lasse.“

Die Information war mit zwei Frauen in der Uniform der platzhaltenden Airline besetzt. Belagert wurde sie von einem Ehepaar mit drei Kindern, die sich über ein verschwundenes Gepäckstück beschwerten.

Perkin wedelte mit seinem Pass. „Darf ich kurz eine Frage stellen?“ Er versuchte, die Aufmerksamkeit einer der Frauen auf sich zu ziehen. „Ich bin hier mit einem Anwalt namens Achmad Arsad verabredet. Hat der sich schon gemeldet oder etwas für mich hinterlassen?“

Das Ehepaar steigerte sich in seinem Zorn, dass die Information nicht für verlorene Gepäckstücke zuständig, sondern das Flughafenfundbüro in Terminal zwei dafür anzusteuern sei. Die Kinder kreischten.

Die Frau schüttelte den Kopf.“ Es tut mir leid, Sir. Ich habe keine Informationen für Sie. Soll ich diesen Anwalt ausrufen?“

Perkin nickte und suchte nach einer Sitzgelegenheit für zwei.

„Das gefällt mir nicht“, murmelte er und nahm The-Marias Hand. „Warum schickt mir ein Anwalt einen Brief, den er sich durch ein Fax oder ein Telefonat hätte sparen können?“ Er erinnerte sich, was ihm vor Monaten der noch amtierende Staatspräsident Dr. Habibie dazu gesagt hatte, als sich Perkin bereit erklärt hatte die Angelegenheit zu übernehmen.

„Perkin, ich trete im Oktober nicht mehr zur Wahl an. Es wäre zwar hilfreich für mein Image, wenn du herausfinden könntest, wer uns Rohstoffe auf Kalimantan stiehlt. Aber du wirst keine Unterstützung erhalten, wenn du die Lösung nicht bis spätestens Ende August lieferst.“

Dr. Jusuf Habibie. Er war seit Mai 98 und dem erzwungenen Rücktritt des zweiten Staatspräsidenten Suharto als dritter Präsident Indonesiens im Amt. Es war ein glückloses Unterfangen für Habibie als Interims Staatsoberhaupt gewesen. Er hatte die eigentliche Staatsmacht, die Armee, nicht auf seine Seite bringen können. So trat er im Oktober 99 nicht mehr zur Wahl an.

Perkin sah im Telefonregister seines Handys, dass die Privatnummer noch gespeichert war. Er wählte sie.

„Büro Dr. Habibie“, meldete sich eine weibliche Stimme. Perkin drückte das Gespräch weg und nickte zufrieden. Es war gut zu wissen, dass es den einzigen Zeugen noch gab, der wusste, wozu Perkin Peter Stösser nach Kalimantan geschickt hatte.

The-Maria schob die Unterlippe vor und sah wie ein schmollendes Kind aus, das kurz vor einem Zornausbruch stand. „Ich stinke und will aus diesen Kleidern raus. Wie lange dauert das denn noch?“

„Nimm dir doch ein Taxi und fahr ins Hotel“, versuchte er zu beruhigen. „Dort gibt es Geschäfte genug, in denen du dich neu einkleiden kannst. Ich komme sofort nach.“

Der Anwalt Achmad Arsad wurde bereits zum zweiten Mal ausgerufen.

The-Maria konnte sich nicht entscheiden, was sie tun sollte. „Ich kann kein Indonesisch“, schmollte sie, was so viel hieß, dass sie hier bleiben würde.

Perkin nickte und beobachtete weiter den Informationsstand. Die wütenden Eltern hatten das Feld geräumt und machten anderen Hilfesuchenden Platz. Aber keiner davon sah wie ein Anwalt aus. Wie sah ein Anwalt überhaupt aus? Was unterschied ihn von anderen? Perkin sah an seinem zerknitterten Anzug entlang und seufzte.

„Sie müssen Mr. Perkin sein.“ Es war eine männliche und junge Stimme, die ihn von hinten ansprach. „Bitte sehen Sie geradeaus. Ich bin der Adjutant von Mr. Arsad und möchte hier kein Aufsehen. Sagen Sie mir einfach, in welchem Hotel sie absteigen. Mr. Arsad wird Sie im Laufe des Nachmittags kontaktieren.“ Perkin nannte das Hotel und ärgerte sich, dass er auf einen Trick hereingefallen war. In dem genannten Hotel stiegen keine armen Anwälte ab, die sich nicht mehr als fünfzigtausend Dollar Kaution leisten konnten. Er drehte sich nach dem Mann um, aber wieder hatte eine Maschine ihre Ladung ausgespuckt und es konnte jeder der Ankömmlinge sein.

„Es war ein Mann in Militäruniform. Etwa dreißig. Einen Meter siebzig groß. Mit den Abzeichen kenne ich mich nicht aus.“ The-Maria zog ein verschmitztes Gesicht. Der Adjutant hatte sie nicht mit ihm in Verbindung gebracht und sie hatte sich umgedreht.

„Ich denke, du kannst kein Indonesisch?“

„Kann ich auch nicht. Der hat doch Malaiisch gesprochen.“ Sie stand auf, roch an sich, rümpfte die Nase und machte eine einladende Handbewegung. „Ab jetzt. Ins Hotel.“

Während Perkin versuchte, sich einen Reim auf einen Anwalt mit einem Adjutanten in Militäruniform zu machen, plapperte The-Maria auf den Taxifahrer ein. Sie hatte begriffen, dass sich die malaiische und indonesische Sprache kaum voneinander unterschieden. Schnell hatte sie den Fahrer überredet, ihr Einkaufsführer für den Nachmittag zu sein. Perkins missmutige Frage, warum sie das nicht im Hotel erledigen könne, damit abgetan: „Ich weiß jetzt, in welchem Hotel wir absteigen. Das ist mir zu teuer. Da schlagen selbst beste Marken noch einen Hotelbonus drauf.“ Geld von ihm zu nehmen hatte sie wieder abgelehnt. So hatte er Zeit, sich der langsam undurchsichtig werdenden Angelegenheit auf seine Art anzunehmen.

Im Hotel

Es war nach wie vor das Luxushotel einer amerikanischen Kette in der Stadt. Aber zu Suhartos Amtszeit waren alle ausländischen Hotels und ihre weltweit bekannten Namen seiner Parole: Indonesien den Indonesiern zum Opfer gefallen. Die Hotels hatten sich indonesische Namen geben müssen. So trug das ehemalige Hilton einen für Ausländer nahezu sinnlosen wie unaussprechbaren Namen. Dafür wurden die Preise nicht mehr in der inflationären Landeswährung, der Rupiah, sondern nur noch in US Dollar angegeben.

Mit dem mehrere Kilo schweren Telefonbuch von Jakarta und Umgebung bewaffnet betrat Perkin die gebuchte Suite, duschte, rasierte sich und bestellte eine Kleinigkeit zu essen. Danach legte er sich einen Standardsatz zurecht und rief alle im Telefonbuch für diese Angelegenheit ausgewiesenen Anwälte an.

„Mein Name ist Perkin, Anwalt aus Singapur. Mir ist mein indonesischer Kollege Achmad Arsad abhandengekommen. Wir haben einen sehr dringenden Termin vor dem Appellationsgericht. Er soll bei Ihnen sein, wie sein Büro sagt.“

Nach dem achtundvierzigsten Anruf war er keinen Schritt weiter gekommen. Dieser Arsad war entweder nicht bekannt oder nicht aus Jakarta. Nur ein Kollege hatte mit dem Namen Perkin etwas anfangen können. „Sie sind doch dieser verrückte Kollege mit dem Spielcasino in Singapur? Tolle Idee. Wen suchen Sie?“ Auch er kannte keinen Arsad, hatte ihm aber den Rat gegeben, im Justizministerium nachzufragen. Eine Art Anwaltskammer gab es im Land nicht. Dafür konnten sich Anwälte, wenn sie als Verteidiger vor Gericht auftreten wollten, im Ministerium registrieren lassen. „Dazu müssen Sie aber dort selbst vorsprechen. Das geht telefonisch nicht“, hatte er noch hinzugefügt.

Perkin hasste es, nicht weiter zu kommen und untätig auf jemand zu warten, der die Termine bestimmte. So legte er die Beine hoch, kaute auf einer Zigarre und schaltete den Fernseher ein. Es war bereits 18.00 Uhr. Wo blieb The-Maria? Warum brauchte eine Frau drei Stunden, um sich ein paar neue Unterhosen, zwei Blusen und eine Zahnbürste zu kaufen?

Im Taxi

The-Maria prüfte auf dem Rücksitz des Taxis den Inhalt ihrer Schnäppchen. Sie war zufrieden mit dem Fahrer, der ihr wirklich preiswerte Geschäfte gezeigt hatte und auch zufrieden mit sich. Kleidung bester Qualität kostete in diesem Land nur die Hälfte dessen, was sie in Malaysia kostete. Mit Singapur wollte sie erst gar keinen Vergleich anstellen.

Sie sah auf. Irgendwie hatte sie die Orientierung verloren. Die Sonne war im Begriff unterzugehen. Aber sie ging der Fahrtrichtung zum Hotel nach an der falschen Stelle unter. Sie fuhren nach Süden und nicht nach Osten, woher sie gekommen waren. In ein paar Minuten brach die Dunkelheit ein und sie würde überhaupt nicht mehr wissen, wo sie war.

„Fahrer. Die Richtung stimmt nicht. Da geht es nicht zum Hotel.“

Der Fahrer reagierte nicht und beschleunigte.

„Fahrer, da-geht-es-nicht-zum-Hotel!“, schrie The-Maria, rutschte auf die Sitzkante vor und klopfte dem Mann auf die Schulter. „Anhalten, sonst rufe ich die Polizei.“ Sie hätte nicht einmal gewusst, wie die Notrufnummer in diesem Land lautete, noch in welcher der zwanzig Tüten das Handy war. Der Fahrer holte kurz aus und schlug ihr mit der Faust ins Gesicht. Sie fiel auf die Tüten, schüttelte sich, rappelte sich auf und taxierte den Verkehr um sie herum. Ein Bus fuhr vor ihnen. Mit dem Schrei: „Ich bin eine Khmer“, traf ihre Handkante den Hals des Mannes, der augenblicklich zusammensackte und über das Lenkrad fiel.

Hotel Suite

„Jetzt geht die nicht einmal ans Telefon!“ Perkin versuchte, seit einer halben Stunde The-Maria zu erreichen. Es war mittlerweile 19.00 Uhr und weder der Anwalt, den keiner seiner Kollegen kannte, noch dieses vietnamesische Halbblut meldete sich. Nervös ging er auf und ab und malte sich in schwärzesten Farben aus, was mit The-Maria passiert sein konnte. War sie entführt worden? Sie war Stössers Tochter. Der Journalist schien in Untersuchungshaft zu sitzen. Das roch nach einer Verschwörung! Wollte jemand Lösegeld für sie, oder war sie einfach verunfallt und lag in irgendeiner Klinik in Jakarta? Wieder war das angesagt, was Perkin am wenigsten konnte … warten.

Perkin bemaß seine Schritte so, dass er sowohl das Haustelefon wie auch den Eingang der Suite mit einem Satz erreichen konnte. Er fühlte sich in diesem Aktionsradius wie ein an die Kette gelegter Hund. Wütend ob seiner Hilflosigkeit und gleichzeitig voller Aggressionen auf jeden und alles. Sollte The-Maria nicht in einer Stunde ein Lebenszeichen von sich gegeben haben, musste er die Polizei einschalten, und die war bekannt für ihre Hilfsbereitschaft gegenüber Ausländern. Jedem Streifenpolizisten stand es auf dem Mützenrand geschrieben, dass er einen unterbezahlten Job schob und nicht die geringste Lust hatte, sich mit den Problemen von Auswärtigen herumzuschlagen. Perkin griff zum Telefon.

„Ist meine Begleitung, Miss Stösser im Haus gesehen worden?“ In dem Moment polterte es an Tür, als trete jemand dagegen. Er legte den Hörer auf den Tisch, öffnete und stieß einen Fluch aus.

The-Maria lehnte im Türrahmen und hielt krampfhaft Einkaufstüten fest, war aber kaum noch in der Lage, sich auf den Beinen zu halten. Sie blutete, ihr linkes Auge war geschwollen. Sie versuchte ein Lächeln und sackte zusammen.

Der Arzt richtete sich auf. Perkin hatte die Ohnmächtige, die sich nur mit Gewalt ihre Einkäufe hatte entreißen lassen, aufs Bett gelegt.

„Die Platzwunde sieht schlimmer aus, als sie ist.. Das heilt von selbst und das Auge einfach mit Eis kühlen. Nur …“ Er hatte hilflos mit den Schultern gezuckt und ein Rezept für Schmerzmittel, Verbände und Salben ausgefüllt. „Nur fürchte ich, dass die Lady eine Gehirnerschütterung hat. Sie muss ein paar Tage im Bett bleiben. Sie darf nicht ohne Hilfe aufstehen. Können Sie das? Oder soll ich Ihnen eine Schwester schicken, die natürlich extra berechnet werden muss. Oder benötigen Sie keine Rechnung?“

Perkin sah auf den leblosen Körper, der sich nach einer Injektion in den Schlaf verfügt hatte. Er nickte. „Ich mache das schon. Danke Doktor.“ Fünfhundert Dollar wechselten die Hand.

„Stets zu Diensten, Mr. Perkin. Ich habe die ganze Nacht Dienst. Wenn es Komplikationen gibt …“ Perkin nickte geistesabwesend. „Ich weiß Sie zu finden. Danke.“

Du solltest keinem Arzt und seinen Medikamenten mehr trauen, drohte Perkins Erinnerung. In den Medikamenten deiner Frau war auch nicht das, was hätte drin sein sollen. Die haben sie umgebracht, und du weißt bis heute noch nicht, wer die Substanzen ausgetauscht hat.

„Moment Doktor!“ Er hielt den Arzt auf. „Darf ich die Ampulle haben, die Sie der Lady gespritzt haben und dann hätte ich gerne Ihre Legitimation als Hotelarzt.“

Der Angesprochene zog die Stirn in Falten und setzte sein Köfferchen auf den Couchtisch im Salon. „Natürlich. Das ist Ihr gutes Recht. Aber wenn man gerufen wird, weist man sich nicht erst aus. Der Patient geht immer vor.“ Er klappte seine Brieftasche auf und reichte Perkin seinen Ausweis und die Zulassung der Gesundheitsbehörde.

„Sie scheinen mit meinem Berufszweig schlechte Erfahrungen gemacht zu haben. Darf ich wissen warum?“

Perkin studierte die Papiere und überging seine Frage.

„Dr. Med. Jan van Ruijten. Vierundvierzig Jahre alt und geboren in Jakarta“, dozierte Perkin aus den Dokumenten und reichte sie dem Arzt zurück.

„Sie sind also aus einem holländischen Stamm.“ Perkin versenkte die Hände in seinen Hosentaschen, was er immer tat, wenn er eine Idee hatte.

„Ja, meine Vorfahren kamen bereits im 17. Jahrhundert nach Batavia ...“

„Mit der Vereinigten Ostindischen Kompanie, wie man bei uns schon in der Schule etwas über misslungenen Kolonialismus lernt“, vollendete Perkin den Satz und umrundete den Mann.

„Warum arbeitet ein Arzt in Ihrem Alter in einem solch schlecht bezahlten Job in einem Hotel? Die Hälfte des Verdienstes kassiert schon das Management hier. Da bleibt doch nichts zum Leben übrig.“

Der Arzt wurde unruhig und griff sich seine Tasche. „Das geht niemand etwas an. Ich darf mich verabschieden.“

Im gleichen Moment läutete das Telefon.

„Mr. Perkin, hier ist ein Mr. Achmad Arsad“, meldete die Rezeption.

„Soll warten. Ich bin noch beschäftigt.“ Wenn du mich schon sitzen lässt, dann warte jetzt gefälligst auch auf mich, dachte Perkin und wurde sich gleich des nächsten Problems bewusst. Die Lady darf unter keinen Umständen alleine aufstehen.

„Moment Doktor. Ich brauche Sie noch!“ Er rief den Arzt zurück, der schon die Türklinke in der Hand hatte. „Sie haben finanzielle Probleme, die mich nichts angehen, bei denen ich Ihnen aber vielleicht helfen kann.“ Der Mann hielt inne und wusste nicht, woran er war. Perkin half nach. „Fünftausend Dollar pro Woche, wenn Sie ab sofort nur noch für mich arbeiten.“

Van Ruijten schloss die Tür, behielt aber den Koffer in der Hand. „Was müsste ich für so viel Geld tun? Das verdient in diesem Land nicht einmal ein Chefarzt.“

Perkin zog ihn wieder an den Platz, an dem er vorher gestanden hatte. „Sie werden mir beim Ausziehen der …“, er überlegte, als was er The-Maria bezeichnen sollte. Lady? Eine Lady fuhr nicht Motorrad. „Sie werden mir helfen Miss Stösser zu entkleiden. In diesen blutigen Kleidern kann sie nicht bleiben. Sie bekommt ja einen Schock, wenn sie wach wird“.

Van Ruijten nickte. „Und dann? Dafür zahlt niemand fünftausend pro Woche.“

„Dann mache ich Sie meiner zukünftigen Frau zum Hochzeitsgeschenk.“

Der Arzt setzte seine Tasche ab und kratzte sich am Kinn. „Ich weiß nicht. Ich bin verheiratet, habe zwei Kinder und Sklavenhandel und Prostitution sind eigentlich verboten.“

„Blödsinn. So meine ich das nicht.“ Perkin bot ihm eine Zigarre an, die der Arzt dankend ablehnte. „Ich rauche nicht.“

Dafür qualmte Perkin und erklärte, was er vorhatte. „Miss Stösser bekommt von mir ihren Herzenswunsch geschenkt. Eine finanziell gut ausgestattete Stiftung, um unterprivilegierten Kindern in den armen Ländern Bildung beizubringen. Und dazu gehört meiner Vorstellung nach auch ein engagierter Arzt. Sind Sie einer? Dann schlagen Sie ein.“

Perkin erschrak, dass er mit Vehemenz und ohne Vorbehalt über eine Hochzeit gesprochen hatte. Er, der bisher nur einmal und unter dem Zwang der Umstände eine Notheirat mit der bereits vom Tod gekennzeichneten Siu eingegangen war. Meinte er wirklich das, was er soeben gesagt hatte?

Der Doktor war sich nicht schlüssig, was er mit Perkins überfallartigen Vorschlag anfangen sollte. „Habe ich Bedenkzeit? Ich muss das mit meiner Frau besprechen.“

Perkin nickte und blätterte fünftausend auf den Couchtisch. „Ja, solange Sie das Geld nicht anfassen. Sonst gehören Sie mir für eine Woche. Aber könnten Sie mir bis dahin in Ihrer Eigenschaft als ärztlicher Hotelknecht helfen?“

The-Maria wimmerte im Schlaf. Der Arzt prüfte ihren Blutdruck und flüsterte: „Etwas hoch. Auch der Puls rast. Aber das ist normal nach einem Unfall. Geben Sie mir ein Skalpell aus meiner Tasche.“

„Skalpell?“, fragte Perkin misstrauisch. An dieses Instrument hatte er schlechte Erinnerungen.

„Ja. Ein Skalpell bitte“, wurde Ruijten eindringlicher. „Sie können einem unter Schock stehenden Patienten doch nicht jeden Knopf aufmachen. Also geben Sie mir endlich das Ding.“ Perkin tat wie geheißen und der Arzt trennte The-Marias Hose vom Saum bis zum Bund an jeder Seite auf. Mit der Bluse verfuhr er genauso. So ließen sich die Kleider wie bei einer Stripteasetänzerin auf der Bühne, einfach unter dem Patienten wegziehen, ohne ihn aufrichten zu müssen. Etwas rutschte aus der Bluse und fiel auf den Boden. Der Arzt untersuche ihren Brustbereich und deutete auf eine Reihe von Hämatomen. Perkin bückte sich nach dem Gegenstand.

„Ihre Frau, ich meine Ihre zukünftige Frau hat Glück gehabt. Es muss ein sehr schwerer Unfall gewesen sein. Wenn sie nicht solch einen durchtrainierten Körper hätte, müsste ich sie jetzt auf Rippenbrüche in der Klinik röntgen lassen. Macht sie Sport?“

„Sie liefert sich gerne Motorradrennen“, murmelte Perkin geistesabwesend und besah sich den „Gegenstand“. Es war ein Foto von ihnen. Aufgenommen, als sie den Flughafen in Singapur betraten. Was hatte die Aufnahme in ihrer Bluse zu suchen, oder war das der Grund für den Unfall gewesen?

„Was sagten Sie, Doktor?“ Perkin steckte das Foto ein.

„Dass sich Miss Stösser in einer überdurchschnittlich guten körperlichen Verfassung befindet. So als trainiere sie täglich eine Kampfsportart.“

„So, meinen Sie?“, antwortete Perkin lapidar und dachte an seinen Termin mit dem Anwalt, den es nicht zu geben schien.

Van Ruijten packte The-Maria in Decken, bis nur noch ihr Kopf hervorschaute. „Der Blutdruck wird bald schell abfallen. Dann wird sie frieren. Es kann auch zu Erbrechen kommen. Jemand muss jetzt ständig bei ihr bleiben!“, kommentierte er sein Handeln.

Perkin sah auf seine Billiguhr. „Das werden Sie sein Doktor. Ich habe eine wichtige Besprechung. Es wird höchstens zwei Stunden dauern. In der Zeit können Sie ja mal mit Ihrer Bedenkzeit anfangen und sich telefonisch mit Ihrer Frau abstimmen. Ihre zukünftige Chefin kennen Sie ja jetzt sogar nackt. Und wer kann das schon von sich sagen? Falls sie Hunger haben, lassen Sie sich Essen bringen. Fühlen Sie sich einfach wie zu Hause.“

Der Arzt hatte keine Chance NEIN zu sagen, wollte er nicht seinen Eid als Mediziner brechen.

Hotel Lobby

Die Frau an der Rezeption deutete mit dem Kopf auf eine Sitzgruppe in der Halle. „Der mit der Zeitung und der Nickelbrille“, flüsterte sie. Perkin steuerte auf den angegebenen Punkt und räusperte sich. Der Mann war so in einen Artikel der Jakarta-Post vertieft, dass er ihn nicht bemerkt hatte.

„Sind Sie der Anwalt von Mr. Stösser?“

Der Mann faltete die Zeitung überkorrekt zusammen und setzte die Brille ab. „Dann müssen Sie Mr. Perkin sein.“ Er erhob sich und machte eine Verbeugung. Der nicht existierende Anwalt war nicht viel älter als Perkin und sehr gepflegt. Er war bemüht eine stramme Haltung einzunehmen, die zu Perkins Verständnis von Anwälten, die es üblicherweise eher locker liebten, nicht passte. Das verlieh ihnen den Nimbus alles für ihren Mandanten erreichen zu können und nahm dem Klienten die Verkrampfung.

Perkin deutete auch eine Verbeugung an. Er hasste dieses Händeschütteln, wie es in Europa gang und gäbe war. Dafür mochte er es nicht, sich in langen Höflichkeitsfloskeln zu ergehen, die jeden Nichtasiaten zur Verzweiflung treiben konnten. Und so kam er sofort auf den Punkt. „Wo ist Mr. Stösser? Wann kann ich ihn sprechen?“

Mr. Arsad bot Perkin einen Platz an, als sei er hier zu Hause und seiner Sache sehr sicher.

Du gefällst mir nicht. Du hast schon die Arroganz eines Platzhirschs, dachte Perkin, sagte aber etwas anderes. „Sie sind also der Pflichtverteidiger meines Freundes Peter Stösser. Was wirft man ihm vor?“

Arsad bestellte zwei Mokka und bot Perkin eine Zigarette an. Der lehnte unhöflich ohne Floskeln warum und überhaupt ab. „Ich rauche nicht.“ Hier hätte zumindest ein Danke der Landessitte nach hingehört. Aber Perkin dachte nicht daran. Er war auf Provokation aus und da war seiner Erfahrung nach Unhöflichkeit das beste Mittel, den Gegenüber zu verunsichern.

Arsad schlug die Beine übereinander und wartete schweigend, bis die Mokka serviert wurden. Mit diesem arroganten Arschloch aus Singapur wird es noch einigen Ärger geben, dachte er, zog aber betont bedächtig ein säuberlich gefaltetes Schreiben aus der Tasche.

„Mr. Perkin, um Ihre erste Frage zu beantworten, gebe ich Ihnen einfach die Kopie der Behörde, die Mr. Stösser festhält.“

Perkin überflog das Schreiben und steckte es ohne sichtbare Regung ein, dachte aber:

Schöne Scheiße. Unerlaubtes Betreten eines militärischen Sperrgebietes, Spionage, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Volksverhetzung. Oh je, das Schreiben ist von einer Militärbehörde ausgestellt. Hoffentlich ist das nicht wahr, was ich befürchte.

„Und wo liegt das Problem? Sie schrieben mir, dass Mr. Stösser jede Aussage verweigert und nur mit mir sprechen will. Also bringen Sie mich einfach jetzt zu ihm und ich rede mit Peter Stösser.“

Arsad rührte Zucker in den dampfenden Kaffee, bis der Löffel in der Tasse kratzte.

„Wenn das einen Sinn machen würde, täte ich nichts lieber als das.“ Arsad schlürfte das heiße Gebräu und Perkin nippte nur an dem obligatorisch beigestellten Wasser.

„Es gibt da eine Eintragung im Register, dass Mr. Stösser bereits 1974/75 als Journalist schon einmal in Kalimantan war, um einen verschollenen Mineralogen zu finden.“

„Ja und? Wir haben 1999. Ich verstehe den Zusammenhang nicht.“ Perkin zündete sich einen Zigarillo an.

Arsad verstand, dass dieser hochnäsige Anwalt auf Konfrontation aus war, und sich nicht im Geringsten einschüchtern lassen würde. Eher überließ er seinen Freund, wie er den Journalisten genannt hatte, seinem Schicksal.

„Da Ihr Freund Stösser sich nicht zu den Anschuldigungen äußern will, fällt es mir als sein Pflichtverteidiger sehr schwer, seine Verteidigung aufzubauen. Das verstehen Sie als Kollege doch. Oder?“

Perkin nickte kollegial. „Ja, das verstehe ich. Aber was hat das oberste Militärgericht mit dem Vergehen eines Zivilisten zu tun? Stösser ist nach internationalem Recht an ein Zivilgericht zu überstellen.“

Arsad huschte ein Lächeln über das Gesicht. Ich kriege dieses arrogante Arschloch noch dahin, dass er mir die Schuhe putzt. „Mr. Perkin“, hob er zu einer kurzen Erklärung an, die wie eine Zurechtweisung klang. „Als Wirtschaftsanwalt sind Sie schon einmal mit dem indonesischen Recht kollidiert.“ Er hob die Hände. „Ich will nicht wissen, wie Sie es geschafft haben, hier schon wieder als freier Mann zu sitzen.“ Er nahm einen Schluck Mokka und fuhr fort. „Sie sollten sich mehr mit dem eigentlichen Recht und seiner Notwendigkeit in Indonesien beschäftigen. Nämlich dem seit 1962 gültigen Militärrecht. Auch ein Präsident Dr. Habibie hat es nicht gewagt, daran zu rühren. Das Militär ist der Garant für Ordnung und Sicherheit in diesem Land.“

Auf dieser Ebene mit dem Mann zu diskutieren hatte keinen Sinn. Er war ein Hardliner und ein Militär. Daher war er nirgendwo als Anwalt registriert. „Welchen Rang haben Sie als Anwalt im Militär?“, fragte Perkin beiläufig.

Arsad streckte sich im Sessel. „Oberst.“

Jetzt lächelte Perkin. „Na also. Warum dieses Versteckspiel, Oberst? Was wollen Sie? Sie haben doch nicht das geringste Interesse daran, meinen Freund zu verteidigen. Sie wollen nur wissen, was er wo und in welchem Auftrag gesucht und vielleicht gefunden hat.“

Arsad verschränkte die Hände über dem Bauch und schob genüsslich die Lippen vor. „Sie haben eine bemerkenswert schnelle Auffassung, Mr. Perkin. Und da Sie sich als Freund dieses Stösser bezeichnen, wissen Sie bestimmt das, was wir wissen möchten.“

Daher weht der Wind also, dachte Perkin. Sei vorsichtig, sonst bist du für die noch der Auftraggeber, der du ja eigentlich auch bist, und wenn du dir einen Fehler leistest, fällt das auch noch auf Habibie zurück.

„Ich weiß nicht, was Stösser in Indonesien wollte“, log Perkin. „Er ist Journalist und älter als ich. Einen erfahreneren Mann kontrolliert man nicht in seinem Beruf. Aber bringen Sie mich einfach zu ihm und dann werden wir sehen.“

Arsad zog schmerzverzerrt das Gesicht. „Wenn das so einfach wäre. Er befindet sich in einem Militärgefängnis, zu dem Zivilisten keinen Zutritt haben.“

Perkin erhob sich. „Dann behalten Sie den Mann. Ich weiß nicht, was ich hier zu suchen habe. Und ich weiß noch nicht einmal, ob der Mann Stösser heißt, den Sie glauben erwischt zu haben. Gute Nacht, Oberst.“

„Mr. Perkin, Kollege, Sie sollten meinen Lösungsvorschlag anhören, bevor Sie alles kaputt machen.“ Arsad grinste wie ein Pokerspieler, der nichts auf der Hand hatte, aber durch seine Mimik allen zeigte, dass er einen Royal Flash haben könnte.

Perkin stützte sich auf der Sessellehne ab. „Zwei Minuten. Mehr gebe ich Ihnen nicht.“ Wenn Perkin geglaubt hatte diesen Militäranwalt irgendwie beeindrucken zu können, sah er sich getäuscht.

„Bitte, Mr. Perkin. Nehmen Sie doch wieder Platz. Es ist ungemütlich so zu sprechen, wenn man unter Zeitdruck gesetzt wird. Das hat nur ihr Freund auszubaden, und das muss ja nicht sein.“ Er hatte das Wort Freund so betont, als habe Perkin eine Liebesbeziehung zu ihm.

„Na gut, fünf Minuten …“ ließ sich Perkin überreden. Er musste alles versuchen, Peter Stösser aus seiner misslichen Lage zu befreien. Denn er würde sein Schwiegervater werden, obwohl ihm bei dem Gedanken graute.

„Was hat die Armee auf Kalimantan zu verbergen?“ Perkin ging wieder in den Angriff. „Wozu ein militärisches Sperrgebiet mitten in den Urwäldern? Sind die Japaner wieder zurückgekehrt?“

Arsad lächelte amüsiert. „Wozu brauche ich wohl die Aussage von Mr. Stösser? Ich habe keine Ahnung und kann auch nur auf das reagieren, was ich Ihnen schriftlich gegeben habe. Mehr weiß ich als Militäranwalt nicht.“

Scheißkerl. Er spielt seine Macht aus, fluchte Perkin in sich und knirschte mit den Zähnen. Aber es blieb ihm keine Wahl, als diesem Mann zuzuhören. „Also, wie lautet Ihr Vorschlag?“ Perkin sah demonstrativ auf die Uhr. „Fünf Minuten.“

Arsad bestellte sich noch einen Mokka. „Den sollten Sie auch heiß probieren und nicht wieder aus Trotz kalt werden lassen.“ Er lächelte süffisant, aber Perkin bestellte einen Bourbon, womit sein gesetztes Zeitlimit bereits ad acta gelegt war, denn beide Bestellungen dauerten schon fünf Minuten, bis sie serviert wurden.

Arsad ließ sich wieder quälend viel Zeit, den Zucker unterzurühren. „Ich fasse die Situation zusammen.“ Er rauchte und blies den Qualm Richtung Himmel. „Dieser Stösser wird in einer Sperrzone vom Militär aufgegriffen. Man beschuldigt ihn, wie auf dem Papier geschrieben. Er schweigt. Man stellt ihm mich als Pflichtverteidiger zur Seite, er will nur mit Ihnen sprechen. Das geht aber nicht, da dort auch militärisches Sperrgebiet ist und Zivilisten keinen Zutritt bekommen. Können Sie mir folgen, Mr. Perkin?“

Der nickte und stellte fest, dass bereits zehn Minuten vergangen waren. „Ja, verdammt, das habe ich alles begriffen. Worauf wollen Sie hinaus?“

Arsad ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er besah sich seine Fingernägel. „Ich will darauf hinaus“, murmelte er als spräche er mit sich selbst. „Ich möchte, dass Sie meine Situation und die Lage Ihres Freundes im Speziellen begreifen. Die Angelegenheit ist für uns beide gefährlicher, als Sie sich das als ziviler Kollege vorstellen können.“

Schwätzer, elender. Der hält mich für blöd, dachte Perkin, versuchte aber ruhig zu sein.

„Ich höre. Wo liegt die Gefahr?“ Es folgte ein Horrorszenario, was Perkin an Strafe erwartete und was einem Militäranwalt geschehen würde, wenn er sich nicht an die Anweisungen von oben hielt.

„Und wie lautet die Anweisung von oben?“ Perkin war mit seinen Gedanken bei The-Maria und dem Arzt ein paar Etagen höher.

„Dass ich, und sonst niemand aus dem Beklagten die Informationen herausholen muss, die die haben wollen. Daraus kann ich mir dann eine Verteidigung aufbauen, die mir das Gericht vom Tisch wischt. Sie haben durch mich was sie brauchen.“

Perkin war vor Langeweile tiefer in den Sessel gerutscht und richtete sich wieder auf. „Was ist Ihr Vorschlag?“

Arsad überlegte nicht lange. „Wenn Sie nicht zu Stösser dürfen, muss er zu Ihnen kommen.“ Jetzt wurde Perkin wach und rutschte auf die Sesselkante.

„Wie soll ich das verstehen? Zu mir kommen? Haben Sie schon einen Plan?“

Arsad nickte, als habe er nichts anderes erwartet und beugte sich konspirativ vor. „Stösser muss eine Krankheit bekommen, die im Lazarett nicht diagnostiziert und behandelt werden kann. Dann muss er in ein ziviles Krankenhaus gebracht werden und Sie sprechen mit ihm.“

Perkin wurde misstrauisch „Haben Sie schon eine Idee für eine solche Krankheit? Sind Sie jetzt Anwalt oder Soldat, der da spricht?“ Die ausschweifenden Erklärungen dieses Mannes überzeugten ihn nicht wirklich. Das war ihm alles zu konstruiert. Hatte das Foto von The-Maria und ihm etwas damit zu tun?

Arsad hob die Hände wie ein Moslem, der sich zum Gebet neigte. „Ich bin in diesem Fall ein hilfloser Anwalt und bitte dringend um Ihre Unterstützung. Ich muss wissen, wie ich …“

Perkin wehrte ab. „Was kostet das und was geschieht danach mit Mr. Stösser? Oder ist es für ihn nicht besser, den Mund zu halten und ich schalte die Regierung ein und bitte um Herausgabe des Gefangenen? So ganz offiziell. Von Staat zu Staat, wenn Sie verstehen.“

Aber Arsad ließ sich weder einschüchtern noch irritieren und machte ein wehmütiges Gesicht, als drücke er Perkin sein Bedauern über sein Nichtverstehen aus.

„Mr. Perkin“, flüsterte Arsad, „verstehen Sie denn überhaupt nichts? Wenn Sie das, was Sie Staat nennen, einschalten, gibt es keinen Stösser, hat es nie gegeben. Das Militär weiß dann von nichts. Haben Sie mir denn überhaupt nicht zugehört? Das Militär ist sein eigener Staat.“

Perkin atmete tief durch. Er wusste von Habibie, welche politische Macht die Offiziere hatten, was aber die Handlungsweise des Anwalts noch undurchsichtiger machte. Er gehörte als hochrangiger Oberst zum Kader der Führungselite. Was hatte er vor? Sein Vorhaben entsprach sicher nicht dem Kodex des Staates im Staat. Oder dachte Perkin falsch?

Arsad sah beiläufig auf seine Uhr.

„Wenn ich das als Zivilist richtig verstehe, ist es unwichtig, was Stösser gesehen oder nicht gesehen hat. Er muss auf jeden Fall verschwinden. Stimmt das?“

Arsad feuchtete sich mit der Zunge die Lippen an und spielte mit seinem Feuerzeug. „Ja, stimmt“, gab er nach längerem Nachdenken zu.

Perkin nickte zufrieden. Das war schon die halbe Miete eines jeden Anwalts, wenn die Gegenseite eine Frage klar beantwortete.

„Warum dann dieser Aufwand über einen Pflicht- oder Zwangsverteidiger dem Beschuldigten eine Chance vorzuheucheln, die er nicht hat?“

Arsad sah wieder auf die Uhr und Perkin tat es ihm gleich. Es war 21.30 Uhr. Dabei hatte er dem Arzt versprochen, dass es höchstens zwei Stunden dauern würde. Und die waren überschritten.

„Der Klient weiß es ja nicht“, antwortete Arsad mit einer kaltschnäuzigen Logik, die Perkin nach Worten ringen ließ.

„Wozu sich mir dann die Frage stellt, warum ich überhaupt hier bin?“ Perkin legte den Kopf in die Hände und zog die Stirn in Falten. „Irgendwas stimmt doch hier nicht. Wollen Sie nicht einfach mit der Wahrheit heraus? Sie wollen doch Geld. Dann sagen Sie mir wie viel, geben mir Stösser mit und die Angelegenheit ist erledigt.“

Arsads Gesicht versteinerte. Er spielte nur mit dem Feuerzeug, das sich zwischen Daumen und Zeigefinger drehte, so als warte er darauf, dass Perkin selbst die Antwort auf seine Fragen finde.

„Verstehe“, murmelte Perkin, der glaubte, eine Ahnung zu haben. „Es geht nicht um Mr. Stösser. Der war nur ein Vorwand, mich hierher zu locken.“ Perkin legte das Foto von ihm und The-Maria auf den Tisch. „Hat das etwas mit Ihrer Einladung zu tun?“

Arsad sah wieder auf die Uhr und erhob sich, legte ein Handy neben das Foto und schob die Lippen vor.

„Ich rufe Sie auf diesem Telefon an. Benutzen Sie es sonst nicht. Es arbeitet nur auf einer Militärfrequenz … und halten Sie für die laufenden Kosten fünfzigtausend Dollar in Hundertern bereit.“

Hotel Suite

Perkin fielen zuerst die fünftausend Dollar auf dem Couchtisch auf.

„Dr. van Ruijten, wo sind Sie? Wie geht es der Patientin?“ Es kam keine Antwort, dafür drang ein Rauschen aus der Richtung der Schlafräume. The-Marias Bett war aufgeschlagen und leer. Das Geräusch kam aus dem angrenzenden Bad, gefolgt von einem Würgen. Perkin riss die Tür auf, die Dusche lief, war aber leer. Das röhrende Geräusch kam von der Toilette, die ihren eigenen Raum hatte.

„Was zum Teufel machst du hier? Du musst im Bett bleiben.“ Perkin wickelte die vor der Schüssel kniende The-Maria in ein Badetuch und tupfte ihren bebenden Körper trocken. „Sag mir nur noch, dass du den Arzt rausgeworfen hast, sonst tue ich es, weil er dich nicht beaufsichtigt hat.“

„Was für einen Arzt?“, lallte sie. „Da war ein fremder Mann an meinem Bett und ich habe ihm nur gesagt …“ Ein erneuter Würgereiz spülte grünlichen Saft hoch. „Ich habe dem Kerl nur gesagt …“

Perkin half ihr hoch und ließ sie in seine Arme fallen. „Schon gut. Du hast ihn vor die Tür gesetzt. Ich lege dich jetzt wieder hin, verbinde deinen Kopf und reibe deine Wunden ein und dann schläfst du. Jetzt bin ich bei dir.“

„Ich habe ihm doch nur gesagt, dass ich ihm die Eier abreiße, wenn er nicht verschwindet“, lallte sie.

Es hatte nicht lange gedauert, bis der Arzt wieder da war.

„Tut mir leid!“, sagte er. Aber ich musste einen Notfall versorgen. Ich verstehe nicht, warum Europäer in acht Stunden den Teint der Einheimischen haben müssen. Verbrennungen zweiten Grades. Da half nur Einweisung in die Klinik.“

„Miss Stösser hat Sie also nicht hinausgeworfen?“ Der Doktor schüttelte den Kopf. „Nein. Sie schlief, als ich ging. Warum? Ist etwas vorgefallen?“