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Alfons Mucha ist der ungekrönte König der Jugendstil-Illustration. Für viele Menschen sind Muchas überirdisch schöne, von floralen Ornamentgeflechten umgegebene Frauen, die erste Assoziation mit der beliebten Kunstrichtung der Wende zum 20. Jahrhundert. Muchas Kunst, die sich über die Jahrzehnte immer wieder neuer Beliebtheit erfreuen durfte, ist vor allem seit den 1960er Jahren nicht mehr aus dem Sortiment von Plakat- und Reproduktionsanbietern wegzudenken. Das vorliegende Werk bemüht sich nicht nur darum, einen umfassenden Überblick über Muchas Schaffen zu geben, sondern auch, dem Mann hinter der Kunst gerecht zu werden: seinem Leben, seiner Entwicklung als Künstler und seinem leidenschaftlichen Patriotismus für sein Vaterland, der damaligen Tschechoslowakei.
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Seitenzahl: 47
Veröffentlichungsjahr: 2011
Autor: Patrick Bade
Übersetzung: Dr. Martin Goch
© Parkstone Press International, New York, USA
© Confidential Concepts, worldwide, USA
© Estate Mucha / Artists Rights Society, New York,USA / ADAGP, Paris
ISBN :978-1-78160-745-9
Weltweit alle Rechte vorbehalten
Soweit nichtandersvermerkt, gehört das Copyright der Arbeiten den jeweiligen Fotografen. Trotz intensiver Nachforschungen war es aber nicht in jedemFallmöglich, die Eigentumsrechte festzustellen.Gegebenenfalls bitten wir um Benachrichtigung.
Patrick Bade
INHALT
1. Mucha in seinem Atelier in der Rue du Val de Grâce, Paris, um 1898
2. Gismonda, 1894
Seit dem Revival des Jugendstils in den 1960erJahren, als Studenten in aller Welt ihre Zimmer mit Reproduktionen der Plakate Muchas von Mädchen mit rankenartigen Haaren schmückten und die Illustratoren von Schallplattenhüllen Mucha-Imitationen in halluzinatorischen Farben produzierten, wird Alfons Muchas Name unvermeidlich mit dem Jugendstil und dem Paris der Wende vom 19.zum20.Jahrhundert assoziiert.Künstler mögen es nicht, kategorisiert zu werden, und Mucha hätte sich darüber geärgert, nahezu allein wegen einer Phase in seiner Kunst in Erinnerung zu bleiben, die lediglich zehn Jahre umfasste und die er für weniger wichtig hielt.Alsleidenschaftlicher tschechischer Patriot wäre er ebenfalls unglücklich darüber gewesen, als Pariser Künstler zu gelten.
Mucha wurde am 14.Juli 1860 in Ivanèice in Mähren geboren, damals eine Provinz des Habsburgerreiches, das bereits unter dem Druck des wachsenden Nationalismus seiner vielen Völkerschaften wankte.Im Jahr vor Muchas Geburt erhielten die nationalen Bestrebungen innerhalb des Habsburgerreiches durch die der Vereinigung Italiens vorangehende Niederlage der österreichischen Armee in der Lombardei Auftrieb. Während des ersten Lebensjahrzehnts Muchas artikulierte sich der tschechische Nationalismus nicht nur in den orchestralen Tongedichten von Bedrich Smetana, die er unter dem NamenMa Vlast(Mein Land) zusammenfasste, sondern auch in seiner großen epischen OperDalibor(1868). Es war symptomatisch für den tschechischen nationalen Kampf gegen die kulturelle deutsche Hegemonie über Zentraleuropa, dass der Text vonDaliborin Deutsch geschrieben undinsTschechische übersetzt werden musste. Von seinen ersten Lebensjahren an nahm Mucha die berauschende und leidenschaftliche Atmosphäre des slawischen Nationalismus in sich auf, dieDaliborund Smetanas folgendes HistorienspielLibusecharakterisierte, mit dem 1881 das Tschechische Nationaltheater eröffnete und für das Mucha später Bühnenbild und Kostüme entwerfen sollte.
Mucha wuchsalsder Sohn eines Gerichtsdieners in relativ bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Sohn Jiři Mucha sollte später voller Stolz die Familie Mucha in der Stadt Ivanèice bisins15.Jahrhundert zurückverfolgen.Aber auch wenn Muchas Familie relativ arm war, fehlte es in seiner Erziehung nichtankünstlerischer Stimulation und Ermutigung. Sein Sohn Jiři berichtet:
„Er zeichnete, noch bevor er zu gehen lernte, und seine Mutter band mit einem farbigen Band einen Bleistift um seinen Hals, so dass er malen konnte, während er über den Boden kroch. Jedes Mal, wenn er den Bleistift verlor, fing er an zu heulen.“
Seine erste wichtige ästhetische Erfahrung dürfte Mucha in der Barockkirche St. Peter in der Provinzhauptstadt Brno gehabt haben, wo er als schon als zehnjähriger Chorjunge sang, um seine Studien in der Grammatikschule zu finanzieren. Während seiner vier JahrealsChorknabe hatte er regelmäßigen Kontakt mit dem sechs Jahre älteren Leoš Janáèek, dem großen tschechischen Komponisten seiner Generation, mit dem er das Bestreben teilte, eine ausgeprägt tschechische Kunst zu erschaffen.
Farblithographie, 74,2 x 216 cm.
Mucha Museum, Prag.
Farblithographie, 48,2 x 65,7 cm.
Mucha Museum, Prag.
Die üppige Theatralik des zentraleuropäischen Barock mit seinem prächtigen, mit vielen Rundungen versehenen und von der Natur inspirierten Dekor regte ohne Zweifel Muchas Fantasie an und nährte seine dauerhafte Vorliebe für „Glocken und Gerüche“ und religiöse Gegenstände. Auf dem Höhepunkt seines Ruhmes beschrieb jemand sein Atelierals„… eine säkuläre Kapelle … hier und dort stehen Trennwände, bei denen es sich gut um Beichtstühle handeln könnte; und die ganze Zeit brennt Weihrauch. Es erinnert mehr an die Kapelle eines orientalischen Mönchs als an ein Atelier.“
Während er seinen LebensunterhaltalsSchreiber bestritt, ging Mucha in der Freizeit seinen künstlerischen Neigungen nach. Im Jahr 1877 stellte er seine autodidaktischen Errungenschaften zusammen und bewarb sich bei der Kunstakademie in Prag, allerdings ohne Erfolg. Nach zwei weiteren JahrenalsStaatsbediensteter wurde er entlassen, weil er nach dem Bericht seines Sohnes Jiři eine malerische Zigeunerfamilie porträtierte anstatt ihre Daten aufzunehmen. Im Jahr 1879 sah er in einer Wiener Zeitung eine Anzeige der Bühnenbilder für Theater anfertigenden Wiener Firma Kautsky-Brioschi-Burghardt, die Gestalter und Kunsthandwerker suchte. Mucha reichte erfolgreich einige Arbeiten ein, und man bot ihm eine Stelle an. Auf einen Landjungen, der bis dahin nicht weiteralsbis in das zwar malerische, aber immer noch provinzielle Prag gelangt war, muss Wien beeindruckend prächtig gewirkt haben. Die Stadt hatte gerade erst die nach Haussmanns Paris umfassendste städtische Neugestaltung des 19.Jahrhunderts hinter sich gebracht.Jedes der öffentlichen Gebäudeander Ringstraße, die die alten, die mittelalterliche Stadtmitte umschließenden Wälle ersetzt hatte, war in einem für den jeweiligen Zweck für angemessen gehaltenen historischen Stil erbaut.Das Resultat war ein grandioser architektonischer Maskenball.Der Jugendstil, zu dessen herausragenden Vertretern Mucha später gehören sollte, war eine direkte Reaktion auf diesen pompösen Zuckerbäcker-Historismus.Zunächst jedoch stand Mucha unter dem Einfluss der auffälligen und dekorativen Kunst von Hans Mackart, dem erfolgreichsten Wiener Maler der Ringstraßenperiode.
Nach nur zwei Jahren kam Muchas Aufenthalt in Wien zu einem abrupten Ende,alsam 10.Dezember 1881 das Ringtheater vollständig abbrannte.In einem Jahrhundert voller schrecklicher Feuersbrünste in Theatern war dies eine der schlimmsten, die mehrals