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Pornografisch, unsittlich, amoralisch und letztendlich sogar „entartet“ wurde die Kunst des Egon Schiele genannt. Lange Zeit verkannt und verunglimpft, hat der geniale, von Selbstobsession getriebene Künstler dennoch unbeirrt seine künstlerische Suche nach der Essenz der weiblichen Sexualität und nach einer neuen, ausgeglichenen Selbstwahrnehmung fortgesetzt; eine Suche, die in einer Vielzahl von Selbstporträts und Aktzeichnungen zum Ausdruck gebracht wurde. Dieser Band bemüht sich darum, die volle künstlerische Bandbreite des Künstlers zu erfassen, seine bekannten Porträts, Akte und Selbstporträts mit seinen weniger bekannten Landschafts –und Städtebildern zu kontrastieren und einen Einblick in die Seele des umstrittenen Österreichers zu bieten.
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Seitenzahl: 42
Veröffentlichungsjahr: 2011
Autor: Patrick Bade
Cover: Stéphanie Angoh
© Parkstone Press International, New York, USA
© Confidential Concepts, Worldwide, USA
ISBN:978-1-78160-734-3
Weltweit alle Rechte vorbehalten
Patrick Bade
INHALT
Schieles Kindheit
Die Lieblingsschwester Gerti
Wien und die Jahrhundertwende
Die Vaterfigur Gustav Klimt
Schieles Modelle
Schieles Radikalität
Expressiver Malprozess
Begegnung mit dem Spiegelbild
Erste Ausstellungen
“Neukünstler”
Wiener Kunstszene
Schieles enger Freundeskreis
Wally, die erste Lebensgefährtin
Selbstportrait als Aktbild
Schiele, der Schmerzensmensch
Faszination des Todes
Schemenhafte Geschöpfe
Körperperspektive
Das Vampirhafte des Geschlechts
Ekel und Anziehungskraft
Im Zeitalter der pornographischen Photoindustrie
Schieles Inhaftierung
Internationaler Künstler
Schieles sozialer Schachzug
Der bourgeoise Schiele
Schiele, ein gefeierter Künstler
BIOGRAPHIE
1.Die Hämische (Gertrude Schiele), 1910.
Gouache, Aquarell und Kohlestift,
weiß gehöht, 45 x 31,4 cm, Privatsammlung
Oskar Kokoschka wertete 1964 die erste große Schiele-Ausstellung in London als „pornographisch“. Im Zeitalter der Entdeckung der abstrakten Malerei und des Verlustes des Sujets antwortete Schiele, für ihn gebe es keine Moderne, sondern nur das „Urewige“. Schieles Welt ist auf Körperportraits zusammengeschrumpft, örtlich und zeitlich ungebunden. Die Selbstfindung wird zu einer rücksichtslosen Enthüllung seiner Selbst wie auch seiner Modelle. Im deutschen Künstlerlexikon von Thieme und Becker wird Schiele als Erotomane qualifiziert, weil die Kunst Schieles die erotische Darstellung des menschlichen Körpers ist. Dabei geht es ihm aber nicht nur um weibliche Nacktheit, sondern auch um männliche Akte. Seine Modelle kennzeichnet eine unglaubliche Freiheit gegenüber ihrer eigenen Sexualität, der Selbstliebe, der Homosexualität, gegenüber voyeuristischen Haltungen sowie der gekonnten Verführung des Betrachters. Klischees und die Kriterien weiblicher Schönheit, wie makellose Glätte und skulptuhafte Kühle interessieren ihn jedoch nicht. Er weiß, dass der Trieb des Schauens mit den Mechanismen von Ekel und Anziehungskraft verbunden ist. Der Körper ist es, der die Kraft des Sexus und des Todes in sich birgt.
Das FotoSchiele auf seinem Totenbettzeigt den achtundzwanzigjährigen, fast schlafend, der hagere Körper ist völlig abgemagert, der Kopf liegt auf seinem angewinkelten Arm; die Ähnlichkeit mit seinen Zeichnungen ist verblüffend. Wegen der hohen Ansteckungsgefahr konnten die letzten Besucher mit dem an der Spanischen Grippe erkrankten Schiele nur noch über einen Spiegel, der auf der Schwelle zwischen seinem Zimmer und dem Salon aufgestellt war – in dem er sich und seine Modelle betrachtete – kommunizieren. Noch im selben Jahr 1918 hatte Schiele ein Mausoleum für sich und seine Frau entworfen. Wusste er, der sich so oft als Sehender ausgezeichnet hatte, von seinem plötzlichen Ende? Fusioniert hier das individuelle Schicksal im Kollektiven mit dem Untergang einer alten Weltordnung, der des Habsburger Reiches? Schieles Schaffenszeit erstreckt sich über kaum mehr als zehn Jahre, in dieser kurzen Zeitspanne schuf er ungefähr 334 Ölgemälde und 2503 Zeichnungen. Er malte Portraits und stilllebenartige Landschafts- und Städtebilder, berühmt wurde er jedoch als Zeichner. Während Sigmund Freud die verdrängten Lustprinzipien der gehobenen Wiener Gesellschaft aufdeckt, die ihre Frauen in Mieder und bauschige Kleider steckt und ihnen einzig die Rolle künftiger Mütter zubilligt, entblößt Schiele seine Modelle. Seine Aktstudien dringen brutal in die Intimsphäre seiner Modelle ein und konfrontieren den Betrachter letztendlich mit seiner eigenen Sexualität.
2.Mädchenakt mit verschränkten Armen (Gertrude Schiele), 1910.
Aquarell und schwarze Kreide, 48,8 x 28 cm,
Graphische Sammlung Albertina, Wien
3.Sitzender Akt mit abgespreiztemrechten Arm, 1910.
Schwarze Kreide, mit Aquarell gehöht, 45 x 31,5 cm,
Historisches Museum der Stadt Wien
4.Schiele auf seinem Totenbett, 1918.
5.Liegendes Mädchen in dunkelblauem Kleid, 1910.
Gouache, Aquarell und Bleistift, weiß gehöht,
45 x 31,3 cm, Privatsammlung,
courtesy Galerie St. Etienne, New York