Müller und die Schweinerei - Raphael Zehnder - E-Book

Müller und die Schweinerei E-Book

Raphael Zehnder

4,6

Beschreibung

Weshalb mussten die Säuli auf dem "Schwendihof" in Oberlunkhofen sterben? Wer hat den Schweinkübel im Bio-Restaurant "Sumatra" in Zürich vergiftet? Und wie kommt ein mannshoher Rollschinken in den Schweinestall? Kriminalpolizist Müller Benedikt - eigentlich immer noch wegen eines Schusswaffentraumas vom Dienst suspendiert - macht sich inoffiziell an die Ermittlungen. Seine Intuition leitet ihn vom "Verband der fleischfressenden Industrie" über die Esoterik zur Kunst, aber damit ist der Fall noch lange nicht gelöst....

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Raphael Zehnder, geboren 1963 in Baden (Schweiz), Dr.phil., Romanist und Latinist, 26Jahre Stadt Zürich, 27Jahre Musikjournalismus (Rock!), Gesellschafts- und Multimedia-Redakteur beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF. Von Raphael Zehnder ist 2012 im Emons Verlag erschienen: »Müller und die Tote in der Limmat«.

Alles in diesem Buch ist erfunden und erlogen. Verlag und Autor lehnen jegliche Haftung für die Weltlage der Stadt Zürich ab. Wahr ist nur Zürich. Es existiert, wächst und ist schön. Der im Text erwähnte Nachbarkanton existiert auch.

© 2013 Hermann-Josef Emons Verlag Alle Rechte vorbehalten Umschlagmotiv: mauritius images/age Umschlaggestaltung: Tobias Doetsch eBook-Erstellung: CPI – Clausen & Bosse, LeckISBN 978-3-86358-249-4 Originalausgabe

Für Julius und Vinzenz und natürlich Annette

»Ein guter Mensch findet immer ein Zuhause.«

Cassius

»With a gun and a rope/and a hat full of hope«

Theme Song from »Bonanza«

»Was zu schön ist, um wahr zu sein, ist nicht wahr.«

Unbekannter Denker

Arma virumque cano Turicis crimen superantem:

Müller Benedikt (45), Abteilung Gewaltverbrechen, Polizei Zürich

Et alios homines hanc historiam incolentes:

Angst Heini (41), Schwendihofbauer, Oberlunkhofen AG

Angst-Schwerzmann Marie (38), Schwendihofbäuerin, Oberlunkhofen AG

Angst Tobias, Ursula, Josef, deren Kinder

Blacky (55), Mitglied des »Thunderstorm MC«

Borowski Andreas (43), Psychologe

Bucher Manfred (45), Abteilung Gewaltverbrechen, Polizei Zürich

Burkhalter Samuel (55), Dr.iur., Rechtsanwalt

Catanzaro Rocco (29), Abteilung Gewaltverbrechen, Polizei Zürich

Die lärmempfindliche Nachbarin vom unteren Stock

Flubacher Kathrin (43), Professorin für Philosophie

Hauenstein Ruedi (54), Direktor »Verband der Fleischfressenden Industrie«

Hauser Michael (30), Musikjournalist

Hofstetter Erwin (46), Wissenschaftlicher Dienst (WD), Polizei Zürich

Marquardt Brenda, Dr.(circa 35), Pathologin

Meierhans Paul (55), Wirt

Schaufelberger Beat (41), Landwirt, Nachbar von Heini und Marie Angst

Scharpf Joachim (35), deutsches Biowunder, Wirt Biorestaurant Sumatra

Schubert Franz (45), CEO »Internationale Clearingzentrale« Zürich

Weiermann Gustav (57), Abteilung Gewaltverbrechen, Polizei Zürich

»Wotan« (Personalien noch abzuklären!), Kellner Biorestaurant Sumatra

Wunderli Peter (53), Hauptmann, Chef Abteilung Gewaltverbrechen, Polizei Zürich

Und weitere Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt Zürich sowie zahlreiche vereidigte Beamte der Polizeikorps dieser Stadt und einige Personen in einem anderen Kanton.

Tag 1

Der PIN-Code? Herrgott, der PIN-Code! Er hat Regulas Handy dabei, seins ist wieder einmal kaputt. Das dritte schon in diesem Jahr. Unbrauchbar, weil aus der Brusttasche ins Güllenloch gefallen. Herrgott, wie war noch der PIN-Code?

»Scheisse«, ruft Beat Schaufelberger. Er steckt das Ding weg. Mit einem Griff an die Konsole koppelt er den Mähaufbereiter ab. Am Zaun von Heini Angsts Schweineweide auf den Reussmatten, einen knappen Kilometer vom Hof. Beat gibt seinem John Deere die Sporen, Kompakttraktor der Serie 6030. Kann, ich sag’s Ihnen, einfach alles: leistungsstark und vielseitig, gute Verbrauchswerte, auf dem Acker nicht zu schlagen und macht auch auf der Strasse etwas her. Aktuell gesagt: hier auf dem Feldweg in Oberlunkhofen im Aargau. Dank des neuen DTC-Kühlsystems überhitzt der Motor von Beat Schaufelbergers grün-gelbem Wundertraktor nicht. Selbst jetzt nicht, wo die Sommerluft heiss ist wie auf dem Grill und wo er aus der Maschine alles rausholt, was es rauszuholen gibt. Und hupt dazu den Teufel. Hupt, was die Lungen des Traktors hergeben. Wenn schon das Handy nicht zu gebrauchen ist … nein, nicht die Schuld dem Handy … Beat Schaufelberger könnte sich abwatschen, weil jetzt müsste er diese vier Zahlen wirklich, wann, wenn nicht jetzt: einfach wissen. Und zieht eine gelbliche Staubwolke hinter sich her, eine Staubfahne, trocken ist’s wie in der Sahara, nach Heu riecht es, das soeben gewendet wurde und in der Sonne liegt, und hupt und tritt das Gaspedal hinunter, sodass der Motor die fünf Prozent ExtraPower voll ausmobilisiert – und nach fünf Minuten, die sich anfühlen wie fünfundfünfzig, kommt der Schwendihof in Sicht, und um die Linkskurve rum mit lautem Hupen immer noch. Beat brüllt aus der Kabine: »Heini!«

Und nochmals: »Heini!« Und trö trö tröö weiter.

Und weil das höchst aussergewöhnlich ist, Beat Schaufelberger sonst eher von der stilleren Sorte, bekommt Heini natürlich einen grossen Schreck. Heini hat das Geräusch des 6030 sofort erkannt. Kein Traktor in ganz Oberlunkhofen schnurrt und knurrt und rauscht so wie der von Beat, der wahre Wohlklang der Landwirtschaft. Aber weil Panikgehupe  rennt Heini Angst, der Schwendihofbauer, sofort aus dem Schweinestall raus, im Laufschritt, und ruft: »He, Beat! Was ist denn los?«

Aber versteht nicht, was Beat brüllt und herumgestikuliert, weil der Traktor Lärm macht.

Aber versteht die Handbewegung von Beat, klettert auf den Beifahrersitz, der sich platzsparend hochklappen liesse, wird jetzt aber benötigt.

»Deine Schweine«, schreit ihm Beat durch den Krach entgegen, »deine Schweine auf der Weide!«

Und legt den Gang ein.

»Hast du dein Telefon?«

Der Schwendihofbauer nickt.

Schaufelberger kurbelt am Lenkrad.

»Ruf die Polizei und den Veterinär«, sagt Beat, »wir brauchen beide.« Und legt den Gang ein. Das PowerQuad Plus-Getriebe 24/24 treibt diesen Traum von Kompakttraktor vorwärts, in die Reussmatten hinaus, während Heini Angst zuerst der Polizei und nachher dem Veterinär beschreibt, wo die Schweineweide liegt.

Dann fragt er Beat: »Was ist mit den Schweinen?«

Aber muss nicht mehr fragen, weil sind schon da. Da sehen sie, was los ist. Es ist der pure Schrecken. Der Alptraum jedes Bauern.

Auf der halb verdorrten, obwohl baumbestandenen Weide liegen viele von Heini Angsts Schweinen reglos und verkrümmt im Gras und übereinander. Einige zucken und winden sich in Krämpfen und quieken und quietschen und schreien und röcheln und voll Chaos. Was willst du da tun? Heini ruft Marie an, sie soll ihm bitte schnell, sehr schnell, und sie bringt es zack mit dem 4x4, und Heini lädt durch und erschiesst die Schweine, die sich krümmen und winden und leiden und schreien. BAMM! BAMM! BAMM!

Siebenundzwanzig schon Tote, dazu zwölf Erschossene, wird die Polizei zählen.

Das Bolzenschussgerät.

Und als das Blutbad vorbei ist, es spritzt nur noch schwach aus den Kopfwunden, bis der Herzreflex das Pumpen eingestellt hat, da stehen der Schwendihofbauer Heini Angst, seine Frau Marie und Beat Schaufelberger, der Nachbar und Schulfreund vom Heini, am elektrischen Zaun.

Sie stehen und schauen.

Sie stehen und weinen.

Da stehen die härtesten Bauern einfach nur da und weinen ihre Wangen nass. Das haut sie um. Weil da merkst du, du bist im Angesicht mit dem Tod einfach nur machtlos. Da kannst du nichts mehr tun.

Nichts.

In die Nase steigt der Geruch von frischem Blut. Von erkaltenden Schweineleibern. Von Kot. Von Angst.

Und jetzt fällt Beat der PIN-Code des Handys wieder ein. 1310. Sein eigener Geburtstag.

Und dann kommt der Streifenwagen von der Kantonspolizei Aargau, Posten Bremgarten, zwei Mann (Korporal Bopp Roland; Aspirant Schönbächler Reto). Und dann der 4x4 vom Veterinär Bruggisser. Alle machen trübe Gesichter und schütteln den Kopf und atmen ein und aus und schauen nur und sagen nichts, weil da verschlägt es dir buchstäblich die Sprache, wenn du so etwas siehst. Sehen musst. Nicht wegschauen kannst. Und da weisst du gar nicht, wo anfangen mit Aufräumen.

Tag 2

In der Regel sitzt ein Polizeibeamter ja nicht in einer Clearingzentrale. Höchstens wenn er dort ermittelt. Stichwort »Finanzdelikte«. Meistens. Anders der Müller. In seiner vollen Dimension von 182Zentimetern Länge und mit den lichter werdenden dunkelbraunen Haaren obendrauf sitzt der Müller in der »Internationalen Clearingzentrale« von Franz Schubert an der Bäckerstrasse 40 im Kreis 4, 8004 Zürich, Zurigo, amore mio, die mediterranste Stadt zwischen Pfannenstiel und Uetliberg. Ist schön, aber leider zugleich ein Hort des Verbrechens. Das wissen Sie bestimmt.

Warum sitzt der Müller an diesem unpolizeilichen Ort? Er ist noch immer krankgeschrieben, weil Schusswaffentrauma. Bedeutet: hat im Dienst einen verdächtigen Flüchtigen erschossen. Im Mai war das, vor wenigen Wochen. Jetzt August. Wurde zwar juristisch entlastet, unschuldig gesprochen, aber ist psychisch angeknapst, weil ein ethisch-humaner Mensch und gar nicht schiesswütig. Darum Psychologe und Antiaggressionstraining. Und weil nicht im Dienst, hat viel Freizeit. Zu viel Freizeit. Er sitzt also, sein Vorname ist Benedikt und sein Alter 45, sein Wohnort Wiedikon und seine Berufung eigentlich seit neunzehn Jahren die Polizeiarbeit, in Franz Schuberts »Internationaler Clearingzentrale«.

Der Müller also ziemlich psychisch. Sitzt hier vor dem Bildschirm bei den Zahlen und Clearingvorgängen, weil er weiss, dass es hier für ihn besser ist. Die Gefahren zu Hause sind gross: böse Bilder und Trübsal, Melancholie, Alkohol. Immer in der Wohnung, das würde ihn ganz plemplem machen. Bei Franz Schubert in der »Internationalen Clearingzentrale« ist er gut aufgehoben. Franz gibt ihm eine geregelte Tagesstruktur, damit er nicht im roten Bereich durchdreht. Der Sandra-Fall im ersten Müllerabenteuer »Müller und die Tote in der Limmat« war ja nur eine Gelegenheitsermittlung, eine Auflockerung, Ablenkung. Müller weiss: Mit Gelegenheitsgeistesblitzen und wenn einem das Schicksal zufällig zulächelt, kann man kein Leben bestreiten, höchstens Lücken füllen, obwohl »Das ganze Leben besteht ja freilich aus Lücken.« (Diodoros). Aber philosophischer Trost hilft vielleicht der Belüftung des Kopfes ein bisschen, jedoch nicht genug, um den Tag zu strukturieren. Denn der nächste Tag folgt. Und wieder einer. Und noch einer.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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