Muttl auf Reisen - Irmgard Rosina Bauer - E-Book

Muttl auf Reisen E-Book

Irmgard Rosina Bauer

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Beschreibung

Mama ist unterwegs ... - in der Hippie-Szene in Andalusien, - als Backpackerin auf Bali, - auf Ahnenbesuch in Siebenbürgen, - in der Türkei auf eigenen Wegen - und in Südfrankreich, muss aber zurück, weil einer ihrer Söhne schwer erkrankt. Irmgard Rosina Bauer alias Muttl - wie ihre vier erwachsenen Kinder sie liebevoll nennen - erzählt in fünf Kurzgeschichten aus fünf Ländern, wie viel Mut es erfordert, sich auf den Prozess des Loslassens einzulassen. Sie schildert auch die oft recht gegensätzlichen Sichtweisen der Generationen, alltagstauglich und mit einem Augenzwinkern.

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Seitenzahl: 96

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Irmgard Rosina Bauer

Muttl auf Reisen

Zur Autorin:

Irmgard Rosina Bauer ist 1956 in München geboren »und nicht davon weggekommen«, wie sie selbst über ihre Verwurzelung mit München sagt, wo sie heute noch wohnt. Umso mehr probiert sie mit Begeisterung neue Landschaften, Länder und Städte auf Reisen aus, um immer wieder zurückzukehren. Nachdem sie nach ihrem Studium der Erziehungswissenschaften in mehreren Berufen gearbeitet hatte, erfüllte sie sich zu ihrem sechzigsten Geburtstag einen alten Wunsch: als Autorin zu arbeiten und Bücher zu schreiben über das Leben und übers Reisen und über Lebensreisen. Mit dem vorliegenden zweiten Band von Rosis Reiseerzählungen bringt sie ihr viertes Buch heraus. In fünf Kurzgeschichten veranschaulicht sie humorvoll und einfühlsam, wie sich das Verhältnis Mutter – erwachsene Kinder zwangsläufig ändern muss. Was könnte das besser aufzeigen als gemeinsames Reisen?

Viele Fotos und Hintergrundinformationen finden Sie auf www.irmgardrosina.de

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Irmgard Rosina Bauer

Muttl auf Reisen

EINE MUTTER LERNT BEIM REISEN MIT UND ZU IHREN ERWACHSENEN KINDERN DAS LOSLASSEN

Rosis Reiseerzählungen Band 2

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese ­Publikation in der Deutschen Nationalbiografie; ­detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-n.de abrufbar.

© 2021 Irmgard Rosina Bauer

www.irmgardrosina.de

Projektmanagement: Pageturner Production GmbH

www.pageturnerproduction.com

Umschlaggestaltung: Sania Haschemi,nach einer Idee von zero.media.net, München, und Raphael Rodrigo Pfeiffer Novelli

Autorenfoto: Kitty Fried, Neubiberg

Buchsatz: Peter Kortz-Frankemölle

Lektorat: Marek Firlej

Korrektorat: Andrea Durst

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on DemandIn de Tarpen 4222848 Norderstedt

isbn: 978-3-7534-9701-3

Für Hannes

Inhalt

Vorher

Wo ist hier eigentlich der Horizont?

Muttl ante portas

Einmal Afrika!

Wer sind eigentlich die neuen Hippies?

Schlaflos in Padang Bai

In Törnen ist es Herbst

Auf dem Weg zu unseren Ahnen

Angekommen in Motters Heimat

Ein ungewohntes Leben

Im Bann der Kirchenglocken

Als Muttl in Türkiye

Eine Türkeireise, Variante zwei

Eine Türkeireise, Variante eins

Leben wär das kleinere Übel

Nachher

Danke …

Ihr lieben Mamas, Muttls, Mütter, Leser:innen …,

Vorher

Seit meine vier Kinder aus dem Haus sind, reise ich gerne.

Als meine vier Kinder noch klein waren, war das Reisen mit höchstem Aufwand verbunden. Da war es eher mein Mann, der gerne neue Orte entdeckte, während ich mir wünschte, immer an denselben Ort zu fahren. Dorthin, wo ich wusste, wie weit der nächste See war und ob die Kinder schon allein dorthin konnten, ob die Küche mit einem »Fläschchenauskocher« ausgestattet war, ob das Zimmer ein Reisebettchen hatte und wie groß dieses war, mit Kissen oder ohne, ob mein Kleines darin schlafen würde oder nicht und ob – ob – ob …

Mama bleibst du dein Leben lang. Und wenn die Kinder groß sind, liest man überall: Du musst die Kinder loslassen. Doch das Kümmer-Gen ist in uns angelegt. Immer soll es dem Kind gutgehen. Es soll immer lachen, am besten nie weinen, denn dem zuzusehen, hält Mama kaum aus. Da muss Mama durch und findet hoffentlich tröstende Worte. Auch dann noch, wenn die Kinder groß sind und Liebeskummer haben, wenn es mit dem Führerschein nicht beim ersten Mal klappt, wenn das erste Auto einen Motorschaden hat. Auch dann noch, wenn sie ihre Arbeitsstelle verlieren, wenn eine Beziehung zerbricht, wenn der Geldbeutel gestohlen wurde oder sie betrunken aus dem Club heimkommen wollten, aber in der S-Bahn eingeschlafen sind und im S-Bahnhof-Nachtquartier landen und das Handy gerade kein Guthaben aufweist.

Mama bin ich, ob ich zu Hause bin oder wegfahre. Ob auf Reisen oder am Herd. Immer denke ich an die Kinder. Sind sie versorgt? Geht’s ihnen gut? Wo und wann braucht man mich? Manchmal aber auch so: Ich will nur noch weg. Hoffentlich braucht man mich nicht.

Und dann wieder: Ich habe eine Reise im Wohnmobil geplant – und dann kommt: »Mama, kannst du mir den Kleinen für eine halbe Woche abnehmen?« Klar kann ich. Und verschiebe die Abfahrt.

Sind wir Mamas noch zu retten? Nur dann, wenn wir trotzdem verreisen. Dann eben zusammen mit den Kindern wegfahren. Mit einzelnen Kids, im Paar, mit allen zusammen. Selbst dann, wenn sie schon selber aus ihrem Berufsalltag angereist kommen können. Welch ein Glück fühlt Mama in dem Moment, wenn sie alle beisammen sind! Es geht ­sogar ohne ihre physische Anwesenheit – dann eben mit den Gedanken an sie im Gepäck.

Ich liebe das Reisen. Ich gönne es mir. Und erlebe dabei die aufregendsten Dinge. Vor allem, wenn ich mit ihnen unterwegs bin, den Kindern, die mich mutiger machen, als ich es alleine wäre. Es ist und bleibt spannend mit den Kindern!

Und wieder, während ich hier an diesem tollen und abwechslungsreichen Strand sitze, fällt mir ein: Ich habe ja den Kindern noch gar nicht geschrieben, wie es mir geht und wie schön es hier ist. Dabei bin ich schon eine Woche hier. Jetzt aber schnell eine Nachricht verfasst und gesandt! Schließlich sollen meine Kids immerdar wissen, wo ich bin und wie sie mich erreichen können, falls sie mich, ihr Muttl, brauchen.

Wo ist hier eigentlich der Horizont?

Muttl ante portas

Mein Sohn Raffael, zu dem ich unterwegs bin, ist sechsundzwanzig. Er hat im Juni seinen sicheren Job an den Nagel gehängt und für denselben Termin seine Wohnung in München gekündigt. Für gesparte tausendfünfhundert Euro hat er einem Rentnerehepaar einen ausgebauten VW-Bus abgekauft. Das Paar war bereits dreißig Jahre damit unterwegs gewesen. In diesem wohnt er jetzt. Raffael, der Alleinreisende, ist stolz auf seine Errungenschaft: Er empfindet sein Auto als Luxusobjekt, denn der Bus ist praktisch ausstaffiert für den Gebrauch durch zwei Personen.

Nachdem er im Sommer die Festivals Deutschlands abgefahren hatte, fürchtete er nun den bevorstehenden Winter. In Südspanien aber sei gut überwintern, hatte er von anderen Festivalmobilisten erfahren.

Die letzten Tage vor seiner Abreise stand Raffael mit seinem Bus in unserer Straße. Er genoss noch mal Dusche und Mamas Küche. Aber schlafen wollte er nur in seinem Bus!

Besorgt horchte er auf, wenn der Wetterdienst von Schneefall berichtete. Er besaß keine Winterreifen, hatte aber einem jungen Mann eine Mitfahrgelegenheit angeboten, der erst ab erstem November abkömmlich war.

Und nun ist er weg, der Bub. Puh. Ich dürfe mir keine Sorgen machen, hat er gesagt. Und doch habe ich mir, ohne es ihm zu erzählen, sein Autokennzeichen notiert. So, als ob ich damit eine Adresse von ihm hätte, als ob ich etwas Handfestes bräuchte, um meine Schreckensszenarien zu entkräften. Er meldete sich nach einer Woche, zwei Worte genügten ihm per Kurznachricht: Gemütlich angekommen. Um Kosten zu sparen, hat er inzwischen seinen Handyvertrag gekündigt, auch die Krankenversicherung, alles. Erst zu Weihnachten kam wieder eine kurze SMS, von spanischer Nummer: Ich vermisse euch so! Ihr könnt mich nur noch unter folgender Nummer erreichen: 0034 … Ja, nur nicht aktiv telefonieren! Sein Geld soll noch ein paar Monate reichen.

Raffael ist stolz auf seinen Bus, der älter ist als er selbst. »Aber genauso gemütlich!«, sagt er.

Als ich ihn anrief, fiel es mir schwer, ihn meine heftigen Besorgnisse nicht spüren zu lassen. Einfach nur »Frohe Weihnachten!«, wünschte ich ihm und fragte: »Bub, wo bist du?«

Als er mir seinen Standort mitteilte und mir versicherte, er würde sich ehrlich über meinen Besuch freuen, war mein nächster Akt: Buchung! Málaga. Sofort, noch am zweiten Weihnachtsfeiertag. Für den Zeitraum vom achten bis zum neunzehnten Januar. Das passte mir in meine Auftragssituation als Freiberuflerin – und in meine Sehnsucht als Mama. Málaga. Das liegt an der südlichen Mittelmeerküste Spaniens. Mehr weiß ich dazu nicht.

Und nun? Ich freue mich kindlich oder vielmehr mütterlich auf Raffael. Einen Ausflug nach Gibraltar wolle er mit mir machen, hat er mir bei meinem zweiten Anruf vorgeschlagen, von dort mal für ein paar Tage rüber nach Marokko. Mit mir in den Bergen wandern gehen wolle er, in der Sierra Nevada. Die Alhambra in Granada wollen wir besichtigen. Bei ihm im Bus dürfe ich schlafen und darin die Infrastruktur der modernen Hippies am eigenen Leib erfahren.

Raffael holt mich pünktlich am Flughafen Málaga ab. »Der erste Stress seit zwei Monaten«, erklärt er mir. »Ein Termin! Musste schon früh aufstehen«, sagt er, »mich so organisieren, dass ich den Dienstag nicht verpasse und auch noch pünktlich am Nachmittag um zwei Uhr am Flughafen bin. Das kostet Nerven! Und Stunden!« Ich nicke lächelnd. Schließlich komme ich aus dem Arbeitsalltag. Ich weiß, wovon er spricht.

Er weist meinem Köfferchen einen Platz im Bus zu. Und nun Richtung Osten oder Richtung Westen losfahren?

Jetzt, bei ihm im Bus sitzend, amüsiert mich diese Frage. Nicht an einen festen Anlaufpunkt, sondern direkt in ein bewegliches Objekt bin ich gekommen. So geht Freiheit! Wir beschließen, von Málaga erst nach Westen zu fahren und dann einfach mal zu sehen.

Raffael versorgt uns mit frischem Wasser aus den Bergen. Als Trichter in den Wassertank verwendet er eine abgeschnittene Plastikflasche.

Zwei Tage später ist Donnerstag und zufällig mein Geburtstag. Ich sitze neben Raffael in meinem Bett im Bus, mit dem wir auf einem kostenlosen Wohnmobil-Stellplatz stehen. Wenn ich vorne aus dem Fenster schaue, sehe ich, wie gerade die Sonne über dem Mittelmeer aufgeht. Wenn ich aus dem rechten Fenster blicke: den Felsen von Gibraltar. Genau so war er im Erdkundebuch der siebten Klasse abgebildet. Unerreichbar war das alles damals für mich. Gibraltar, Afrika, Mythos!

Und auch das gefällt mir: vorgestern noch Schnee im kalten München, heute kurze Hose und T-Shirt.

Ich bin glücklich, dass ich hier sein darf. Mit Raffael ist es so einfach: Bedürfnisse klären, ­Absprachen treffen und los. Er geht verantwortungsvoll mit sich um, bemerke ich erleichtert. Er weiß, was er will, sagt, was er denkt, und ich – das bilde ich mir zumindest ein – ebenfalls, sodass wir immer schnell zu einem Konsens kommen. Und wenn es mal nicht schnell klappt: Wir haben den wunderbaren Luxus Zeit. Würdige Umstände für einen siebenundfünfzigsten Geburtstag!

Zu meinem Geburtstag unternehmen wir den spannenden Besuch von Gibraltar: Hier wohnen tatsächlich Briten, man spricht Englisch, man bezahlt in englischen Pfund, es gibt die typisch englischen Geschäfte, die Namen tragen wie Bryan Mackintosh Ltd. – und die kleinen Krämerläden und Kioske heißen tatsächlich »Grocery«. Rote Telefonzellen wie aus dem Bilderbuch stehen an exponierten Stellen, die Kinder tragen Schuluniform.

Auf kleinen Seitenstraßen ab von der Main Street geht es hinauf in die Felsen, die Upper Rocks, und über Treppen, die an ihren großflächigen senkrechten Zwischenräumen mit dem Union Jack bemalt sind. Die üppige Januar-Vegetation lässt einige Durchblicke frei, sodass wir unten auf dem Meer die großen Handelsschiffe mit ihren Waren herbei- oder wegziehen sehen. Am Horizont im Süden das Atlasgebirge. Afrika! Wir nehmen die Treppe, die neben der Cable Car nach oben führt – und dort oben ­erleben wir eine weitere Überraschung: Fünf, zehn, zwanzig, Hunderte von Affen tummeln sich da ganz unbefangen vor unseren Augen, als ob wir nicht mitten in Europa wären!

Da sitzen sie, liebkosen ihre Kleinen, ziehen sich possierlich gegenseitig Flöhe aus dem Fell, streicheln sich oder rempeln sich an, um gemeinsam den Felsen hinunterzuspringen und sich zu balgen. Sie springen über die alten Befestigungsmauern, über die Felsen, hocken zu acht und zu zehnt und zu zwölft auf der Asphaltstraße, wo die wenigen Autos, die bis zum Gipfel fahren dürfen, wegen ihnen dies sehr langsam und vorsichtig tun müssen. Ein Schauspiel, dem wir gebannt vom Straßenrand aus folgen, vor uns das Meer, hinter uns das Meer und dahinter die Silhouette des Atlas-Gebirges. Die Informationstafel bezeichnet sie als Berberaffen. Der größte reicht mir bis zur Hüfte, der kleinste ist klein wie ein junges Kätzchen. Wir bleiben, bis uns der kühle Wind zum Abstieg bewegt.