Mystic Highlands 6: Feenkampf - Raywen White - E-Book

Mystic Highlands 6: Feenkampf E-Book

Raywen White

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Beschreibung

**Von Elfenmächten und anderen Sagen Schottlands**  Seit sich Ciarda für den Elfenkrieger Darach und damit auch für die Dunkelheit entschieden hat, spielt sie ein gefährliches Versteckspiel im Herzen des Elfenreichs. Jeden Tag stellen ihre Feinde ihren Entschluss auf eine harte Probe – zu Recht, da die Druidin vorhat, die Pläne von Eochu zu durchkreuzen. Aber noch weiß sie nicht, wie sie das anstellen soll. Vollkommen allein, zerbricht sie beinahe an dem Druck. Nicht einmal Darach darf sie vertrauen, denn egal wie viel sie für ihn empfindet, in der dunklen Welt der Síodhach haben Liebe und Mitgefühl nichts verloren. Und doch scheinen sie das Einzige zu sein, was Ciarda noch retten kann …   Raywen White verzaubert ihre Leser mit einer einmaligen Landschaft und einer atemberaubend romantischen Story. Alle Bände der sagenhaften Highland-Fantasy-Reihe:  //Die Geschichte von Rona & Sean   -- Mystic Highlands 1: Druidenblut    -- Mystic Highlands 2: Druidenliebe    -- Mystic Highlands: Band 1-2 der fantastischen Highland-Reihe im Sammelband (Die Geschichte von Rona & Sean)    //Die Geschichte von Kathrine & Logan    -- Mystic Highlands 3: Mythenbaum   -- Mystic Highlands 4: Mythenschwert    -- Mystic Highlands: Band 3-4 der Fantasy-Reihe im Sammelband (Die Geschichte von Kathrine & Logan)//   //Die Geschichte von Ciarda & Darach   -- Mystic Highlands 5: Feenhügel  -- Mystic Highlands 6: Feenkampf -- Mystic Highlands: Band 5-6 der Fantasy-Reihe im Sammelband (Die Geschichte von Ciarda & Darach)//  Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Raywen White

Mystic Highlands 6: Feenkampf

**Von Elfenmächten und anderen Sagen Schottlands** Seit sich Ciarda für den Elfenkrieger Darach und damit auch für die Dunkelheit entschieden hat, spielt sie ein gefährliches Versteckspiel im Herzen des Elfenreichs. Jeden Tag stellen ihre Feinde ihren Entschluss auf eine harte Probe – zu Recht, da die Druidin vorhat, die Pläne von Eochu zu durchkreuzen. Aber noch weiß sie nicht, wie sie das anstellen soll. Vollkommen allein, zerbricht sie beinahe an dem Druck. Nicht einmal Darach darf sie vertrauen, denn egal wie viel sie für ihn empfindet, in der dunklen Welt der Síodhach haben Liebe und Mitgefühl nichts verloren. Und doch scheinen sie das Einzige zu sein, was Ciarda noch retten kann …

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Vita

Danksagung

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© privat

Raywen White lebt gemeinsam mit ihrem Mann im Raum Frankfurt am Main. Erst 2014 entdeckte sie ihre Leidenschaft für das Schreiben und erzählt nun Geschichten, in denen Liebe und Magie der Fantasie keine Grenzen setzen. Jedoch haben in ihrem Leben Bücher schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Es gibt nichts Schöneres, als in eine Geschichte einzutauchen und den Alltag vergessen zu können. Dieses Gefühl möchte sie auch ihren Lesern ermöglichen.

Für alle, die den Kampf um die Liebe nie aufgeben.

1

Mit einem leisen Sirren flog der Wurfdolch knapp an Ciarda vorbei und blitzte grünsilbern im Schein der Fackeln auf. Der Kopf der Wache zuckte in die Richtung des hellen Tons. Verärgert kräuselte Ciarda die Lippen.

Bevor der Mann Alarm schlagen konnte, sprang sie aus ihrem Versteck und überrumpelte ihn. Kein Laut drang aus seinem Mund, bevor er zu Boden sank.

Das Geräusch eines weiteren fallenden Körpers sagte ihr, dass der Dolch sein Ziel getroffen und die zweite Wache ebenfalls ausgeschaltet hatte.

Schemenhaft huschten die anderen Kämpfer an ihr vorbei und schwärmten aus. Das Geheul der beiden Wölfe begleitete ihr Vorrücken und warnte die Bewohner vor dem Schrecken, der sie heimsuchen würde.

Kurz warf sie einen Blick über die Schulter in die Schatten der Bäume. Tief in ihnen verborgen stand Éremón. Sie konnte ihn nicht sehen, fühlte aber seine dunkle Präsenz wie ein drohendes Unheil. Qualvolle Schreie erklangen vor ihr und sie wandte sich wieder ihrer Aufgabe zu. Ihr Herz schlug in einem gleichmäßigen Rhythmus. Gemächlich folgte sie den anderen, die bereits in das Schloss eindrangen. Vorsichtig trat sie auf den Türflügel, der der dunklen Magie von Eochus Soldaten keine Sekunde standgehalten hatte und nun quer über den Stufen lag. Durch den Ruß waren die feinen Schnitzereien im Holz kaum noch zu erkennen. Die Tür wippte leicht, während sie über das Relief des Baumes lief und am Ende mit einem leichtfüßigen Satz auf die Fliesen sprang.

Kurz verharrte Ciarda und drehte sich langsam um ihre eigene Achse. Sie erinnerte sich gut, wie sie das letzte Mal hier gestanden hatte. Fasziniert von der Schönheit der Eingangshalle. Überwältigt von den Farben, die die Kristalle an die Wände und auf den Boden warfen. Beeindruckt von dem Baum innerhalb des Baumes, der die Treppe in die anderen Etagen trug. Ihr Blick folgte ihrem Verlauf bis hoch in die Krone. Jetzt empfand sie nichts.

Nicht einmal Trauer oder Entsetzen darüber, dass die Schönheit von Islinds Schloss mit Blut besudelt wurde. Schwarz zogen sich die Adern der Verderbnis über den Boden und wuchsen mit jedem Pulsieren, das sie im Rhythmus eines schlagenden Herzens durchlief. Dunkelheit raubte dem Baum das Leben. Verwelkte Blätter segelten durch die Luft und das Holz knarzte protestierend.

Es war ein schneller Überfall und die Bewohner von Islinds Baumhaus hatten ihnen nichts entgegenzusetzen. Aber Ciarda hatte auch nicht damit gerechnet. Nur noch ein paar von Islinds treusten Anhängern versuchten in ihrer Abwesenheit den Anschein von Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die wenigen Krieger, die sich ihnen entgegenstellten, waren nur Opfer, die die Soldaten ihrem Gott Eochu darbrachten.

Sie schloss die Augen und nahm die Gefühle derer, die sie umgaben, in sich auf, auch wenn sie wusste, dass sie es später bereuen würde. Unter den Blutrausch, der die Soldaten erfasste, mischte sich Schmerz und Verzweiflung, aber keine Hoffnung. Denn es gab keine. Der Síd und somit auch dieser Ort waren schon seit Langem verloren.

Immerhin hatte sie niemanden getötet. Aber das Blut derer, die sich der Dunkelheit entgegengestellt hatten, klebte anklagend an ihrer Haut. Stille legte sich über das Gebäude und schien ihr laut schreiend ihre Untätigkeit vorzuwerfen.

Tief atmete sie ein und bereute es sofort. Der metallische Geruch des Blutes hing schwer in der Luft und mischte sich mit den modrigen Aromen der Verderbnis.

Das Geräusch von sich kreuzenden Klingen durchbrach ihre Konzentration. Ein warnender Ruf ertönte. Der Kampf schien sich nach draußen verlagert zu haben.

Beide Hände streckte sie nach vorn. An ihren Fingerspitzen bildeten sich kleine rote Flammen, die von ihren Fingern tropften und wie Insekten ausschwärmten, um den Stamm von Islinds Heim in Feuer zu baden und endgültig zu vernichten. Schutzzauber glühten in einem sanften Grün auf und bremsten ihren Angriff. Die Anstrengung trieb ihr den Schweiß aus den Poren. Es war, als würde sie versuchen ein Auto umzuwerfen.

Sie keuchte und steigerte ihre Bemühungen. Schwarzer Rauch begann sich um ihre Finger zu schlängeln, verstärkte ihre Magie. Sie badete in der Macht, die Eochu ihr verliehen hatte. Der magische Schutz gab ein schiefes Kreischen von sich, bevor er wie ein Ballon platzte. Ungehindert stürzten sich die Flammen auf das Holz und begannen es zu verschlingen.

Die Kampfgeräusche von draußen waren noch immer nicht verstummt, schienen sich jedoch weiter vom Gebäude zu entfernen. Sie achtete nicht länger auf das Feuer, das sich langsam in ein Inferno verwandelte, und schritt durch das brennende Foyer in den hinteren Teil des Schlosses. Es knackte und knisterte.

Helle Flocken sanken langsam herab und wirbelten um sie herum. Ihre Schuhe erzeugten ein dumpfes Klacken auf dem Boden, dessen ursprüngliche weiße Farbe unter dem grau-roten Gemisch aus Blut und Asche verschwand. Eine Tür stand offen und führte in den Garten hinaus. Kaum hatte sie das Gebäude verlassen, wurden die Schreie und das Klirren von Waffen, die aufeinandertrafen, lauter. Die Ascheflocken legten sich wie Schneegestöber auf das grüne Laub und ließen alles friedlich wirken.

Sie neigte den Kopf, orientierte sich und rannte los.

Über die zwei toten Soldaten Eochus sprang sie hinweg, ohne sie zu beachten. Blätter klatschten ihr ins Gesicht und sie duckte sich unter einem tief hängenden Ast hindurch. Die Kampfgeräusche waren mittlerweile verstummt. Der schmale Pfad ging in eine Kurve über, hinter der Feinde lauern könnten. Sie wurde jedoch nicht langsamer und schoss um die Ecke. Ein Pfeil verfehlte sie nur knapp und schlug neben ihr in einen Baumstamm. Ihre Füße wirbelten Staub auf, als sie abrupt bremste und auf die silbrige Pfeilspitze starrte, die genau auf sie zeigte. Ihr Blick glitt an dem Schaft entlang und ihr Herz setzte einmal aus, bevor es anfing stärker zu schlagen. Aodh.

»Ciarda«, stieß ihr Bruder ungläubig aus und ließ den Bogen, mit dem er auf sie zielte, sinken.

Welch Ironie, dass sie sich ausgerechnet an diesem Ort, wo sie sich zuletzt gesehen hatten, begegneten. Er hatte sich in den zurückliegenden zwei Monaten verändert. Seine Wangen waren eingefallen und dunkle Ringe umrahmten seine Augen, aus denen das Schelmische verschwunden war. Stattdessen lag in ihnen eine Härte, die ihr ohne die Dunkelheit, die sie vor solchen Gefühlen beschützte, das Herz zerrissen hätte.

»Ich dachte, du bist tot«, stieß er ungläubig und mit einem vorwurfsvollen Ton aus. Er achtete nicht auf den Soldaten, der sich ihm mit gezückter Waffe von hinten näherte.

Abrupt sprang Ciarda vorwärts und warf ihren Dolch knapp an Aodhs Kopf vorbei. Eochus Lakai erstarrte in seinem Angriff und kippte nach hinten um. Der Griff der Waffe schaute aus seiner Stirn.

Entsetzen spiegelte sich auf dem Gesicht ihres Bruders, als er seinen Blick von der Leiche zu ihr zurückwandern ließ. »Deine Augen …«, murmelte er verstört. Sie konnte seine Fassungslosigkeit spüren. Die Frage, ob irgendwo in ihr noch ein Teil Menschlichkeit existierte.

»Du musst gehen. Sofort«, sagte sie kühl.

Er machte keine Anstalten, sich zu bewegen. Also tat sie es. Sie wandte sich ab und wollte zurück zum Schloss laufen, aber seine Finger umfassten ihr Handgelenk und zogen sie zurück.

»Was willst du? Ich sagte dir, du sollst gehen«, herrschte sie ihn an.

»Nicht ohne dich«, stieß er leidenschaftlich aus. In seinem Blick lag Entschlossenheit. Ihr Herz tat einen kräftigen Schlag, der ihr Inneres erschütterte. Dieses Gespräch kam ihr seltsam vertraut vor. Hatte sie Darach nicht genau das Gleiche gesagt, als er wollte, dass sie ohne ihn Athlone verließ?

Es schien eine Ewigkeit her zu sein. Ein anderes Leben, das lange zurücklag. In dem die Sonne geschienen hatte, während sie jetzt nur noch in der Dunkelheit lebte. Sie konnte die wärmenden Strahlen spüren, die Aodh umgaben. Es wäre ein Leichtes, mit ihrem Bruder ins Licht zurückzukehren. Nur ein Schritt in seine Richtung. Sehnsucht erfasste sie. Der Wunsch, dass alles wieder so war wie früher.

Ihr Körper bewegte sich wie von selbst auf ihn zu, bevor ihr bewusst wurde, was sie tat.

Nein!

Zitternd atmete sie aus und trat wieder zurück. Sie hatte sich für das Leben, das sie nun führte, nicht grundlos entschieden.

Darach. Bereits jetzt, nach nur drei Tagen, die sie getrennt waren, vermisste sie ihn. Ohne ihn war sie nicht vollständig, fühlte sich wie ein verirrter Wanderer im Nebel. Sie schloss die Augen, folgte der mentalen Verbindung, die sie besaßen, und badete in der Gewissheit, nicht allein zu sein. »Ich kann nicht«, wisperte sie.

»Ci, egal was es ist, wir bekommen das wieder hin.«

Er hielt sie fest. Ihr Blick klebte an der Stelle, wo seine Finger ihr Handgelenk umspannten. Ihre Gedanken schienen in zähflüssigen Sirup getunkt, der sie langsam und träge machte.

In seiner Stimme lag eine Zuversicht, die ihr schon lange abhandengekommen war. Etwas in ihr sehnte sich nach diesem Gefühl. Im Gegensatz zu ihr besaß Aodh jedoch nicht den Hauch einer Chance gegen Eochu oder Éremón. Schnell riss sie sich von ihm los und drückte ihren Rücken durch. »Geh. Sonst muss ich dir wehtun.«

Zu spät. Sie konnte spüren, wie Éremón sich ihnen näherte.

»Was ist nur mit dir passiert?«

Zu viel. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals und sie schluckte ihn hinunter. »Es ist zu spät.« Und das in verschiedener Hinsicht.

»Das ist es nicht. Ci, komm einfach mit mir«, beschwor er sie, trat auf sie zu und streckte ihr auffordernd die Hand entgegen.

Ihr Inneres zog sich zusammen. »Ich will nicht.« Ihre Stimme war brüchig und zaghaft. Gänsehaut überzog ihre Arme. Etwas in ihr wollte sein Angebot annehmen.

»Du warst schon immer eine schlechte Lügnerin, Schwesterherz«, spottete er liebevoll.

»Es tut mir leid«, sagte sie emotionslos. Ihre Hand glitt über ihre Haut. Ihr Schwert materialisierte sich zwischen ihnen. Krampfhaft legte sie die Finger fest um den Griff. Sie zögerte, dann stieß sie die Waffe nach vorn.

Sein Mund öffnete sich erstaunt und seine Augen wurden groß. Sie konnte fühlen, wie er begriff, was sie getan hatte, obwohl er es nicht glauben wollte. Wie er innerlich vor Schmerz schrie, während aus seinem Mund nur ein entsetztes Keuchen drang. Sein anklagender und zugleich fassungsloser Blick hielt ihren gefangen. Sein Verhalten zeigte ihr deutlich, wie tief sie bereits in Eochus Sumpf aus Hass, Intrigen und Bösartigkeiten steckte.

Aber sie hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Sie zog das Schwert zurück, schabend glitt das Metall über den Knochen.

»Warum …?«, keuchte er, schwankte und brach zu ihren Füßen zusammen. Abermals trieb sie ihm das Schwert in die Seite, nagelte ihn regelrecht am Boden fest.

»Weil ich dich liebe«, erklärte sie ihm distanziert und ließ das blutverschmierte Schwert los. Seine Hände griffen danach, glänzten Rot vom Blut, das aus der Wunde sprudelte.

»Ciarda«, stöhnte er.

Sie sah über ihre Schulter zurück zu Éremón, der sie vermutlich keine Sekunde aus den Augen gelassen hatte, seit er sie erreicht hatte.

Mit eiserner Miene schlenderte er auf sie zu. »Du bist zu weichherzig, meine Liebe«, schnarrte er.

»Er ist mein Bruder.« Steif wischte sie sich das Blut an der Hose ab und sah ihm fest in die Augen. Die stummen Schreie ihres Bruders wühlten bereits in ihren Eingeweiden. Berührten etwas, das nicht da sein durfte. Noch tiefer glitt sie in die Dunkelheit und umhüllte sich mit ihrer Kälte, die sich wie eine beruhigende Salbe auf die brennende Wunde ihrer Seele legte.

»Eine Schwäche, die du früher oder später überwinden solltest«, tadelte ihr Lehrer sie und beugte sich zu ihrem Bruder hinunter, dessen Atemstöße unregelmäßig waren und von einem Rasseln begleitet wurden.

Für den Bruchteil einer Sekunde verspürte sie Angst um Aodh, doch das Gefühl verflüchtigte sich so schnell, wie es gekommen war. »Indem ich ihn töte wie du deine Schwester bei eurer ersten Begegnung?«

»Ich gebe dir nur einen gut gemeinten Ratschlag. Dass Rona noch lebt, hat einen Grund. Ich will die Macht, die ihr mein Vater vererbt hat und rechtmäßig mir zusteht. Was ist deine Ausrede?«

»Mein Bruder wäre ein würdiger Diener Eochus«, erklärte sie spröde.

Éremón berührte Aodhs Stirn mit den Fingern, strich am Haaransatz entlang bis zu seiner Schläfe. Sie konnte spüren, wie die geistige Barriere ihres Bruders brach, als würde sie nur aus hauchdünnem Glas bestehen. Er hatte keine Chance, hatte sie nie besessen. »Hast du gefunden, was du suchst?« Sie schaffte es, einen genervten und zugleich gelangweilten Ton anzuschlagen.

»Ihr hattet eine sehr innige Beziehung und euch im Kampf hervorragend ergänzt«, bemerkte Éremón und musterte sie durchdringend. Sie spürte den Druck seiner Gedanken. Doch bei ihr gab es kein Eindringen. Ihre geistige Barriere war eine Mauer aus Granit, an der sich Éremón die Zähne ausbiss. Er könnte ihr natürlich befehlen, sie zu senken.

Das tat er jedoch nie. »Ich lasse ihn am Leben.«

»Wie großzügig«, erwiderte sie spitz.

Er stand auf, lächelte überlegen auf sie herab und ging.

»Was ist jetzt mit meinem Bruder?«, rief sie ihm nach.

»Verletzt nutzt er uns nichts. Wir lassen ihn hier.«

Ihr Blick glitt zurück zu Aodh.

Er hatte die Hand nach ihr ausgestreckt und sah sie flehend an. Kleine Blutbläschen bildeten sich in seinen Mundwinkeln.

Sie wollte ihm so viel sagen, so viel erklären.

»Worauf wartest du?«, rief Éremón, als ahnte er, worüber sie nachdachte. »Es wird eine andere Gelegenheit geben, bei der du ihn Eochu opfern kannst.«

Verzweifelt schloss sie die Augen und wandte sich ab.

2

Schon von Weitem konnte man die Türme von Athlone sehen, die die öde Landschaft bedrohlich überragten. Der einst blaue Himmel über Ériu wirkte grau und trist. Und dennoch war es eine erfreuliche Abwechslung nach dem tagelangen Marsch durch die schwarze, leblose Wüste, die weite Landstriche im Síd eingenommen hatte.

Für einen Augenblick blieb Ciarda stehen und starrte auf das trostlose Bild, das sich ihr bot. Gänsehaut kroch über ihre Arme. Die Soldaten ignorierten sie und gingen an ihr vorbei. Éremón warf ihr nur einen nachdenklichen Blick zu, bevor er ebenfalls dem Pfad folgte, der bis zu den Toren der Stadt führte.

Nur die beiden Schattenwölfe, die sie auf diese Mission begleitet hatten, stellten sich rechts und links neben ihr auf.

Baine winselte leise und stupste ihre Schulter vorsichtig mit seiner Schnauze an, bevor er seinen Kopf schwer darauflegte. Ohne den Blick von ihrem neuen Zuhause abzuwenden, tätschelte sie ihn beruhigend, strich über das raue, kurze Fell und kraulte ihn am Hals. Sie spürte seine Unruhe und Nervosität. Seine Sorge um sie. Aber sie selbst schien nichts zu empfinden. Fühlte sich nur leer und ausgebrannt. Sie war müde und schmutzig. Ihre Haut juckte und spannte unangenehm von dem getrockneten Blut, das sie bei ihren kurzen Katzenwäschen im Fluss nicht hatte abwaschen können. Sie ekelte sich vor sich selbst.

Der einzige Grund, warum sie schließlich doch einen Fuß vor den anderen setzte, war Darach. Ihr verräterisches Herz begann aufgeregt und freudig zu schlagen bei dem Gedanken an ihn. Nach der Woche, in der sie sich nicht gesehen hatten, konnte sie es kaum noch erwarten, ihm wieder nah zu sein. Die Leere in ihrem Inneren mit seiner Anwesenheit zu füllen.

Mit jedem Schritt wurde sie schneller, bis sie die anderen einholte. Ungeduldig wollte sie am liebsten die restlichen Meter rennen, aber sie hielt sich zurück. Versuchte ihre Sehnsucht nicht offensichtlich werden zu lassen. Ihre Gefühle. Ihre Schwäche.

Kaum dass sie die Tore passiert hatten, kamen die Wachen auf sie zu und verbeugten sich steif vor Éremón. »Eochu verlangt Euch zu sehen.« Ihr warfen sie keinen Blick zu. Erleichtert wandte sich Ciarda ab. In Gedanken sah sie sich bereits auf ihrem Bett liegen. Frisch gebadet und umschlungen von Darachs Armen, in denen sie ein wenig Trost fand.

»Dich auch«, erklang die herablassende Stimme des Soldaten und ließ sie erstarren. Missmutig drehte sie sich wieder um und begegnete seinem respektlosen Blick. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. »Ich werde nachkommen, sobald ich mir den Dreck von der Reise abgewaschen habe.« Ihr Ton war unmissverständlich und wurde noch von dem Knurren der Wölfe unterstrichen, die sich hinter ihr positioniert hatten. Unsicher trat der Mann einen Schritt zurück und sah Hilfe suchend zu Éremón, der sie abschätzig von der Seite musterte. »Du hättest wie die Männer im Fluss baden sollen, dann müsstest du Eochu nicht so unter die Augen treten.«

»Das hätte dir gefallen«, höhnte sie.

»Du denkst, du kennst mich und weißt, was in meinem Kopf vorgeht. Lass dir eins gesagt sein, meine Liebe: Das tust du nicht.« Durchdringend musterte er sie, trat ihr einen Schritt entgegen und streckte seine Hand nach ihrem Gesicht aus. »Du siehst hinreißend aus mit dem ganzen Blut und Ruß. Vielleicht erfreut dein Anblick, der einer Todesfee würdig wäre, sogar unseren dunklen Gott«, spottete er, aber sie erkannte das gierige Glitzern in seinem dämonischen Auge, das nicht von Narben überwuchert war. Seine Fingerkuppen strichen über ihre Wange und sie streckte ihren Rücken, damit sie nicht vor ihm zurückwich.

Einer der Wölfe stieß ein drohendes Knurren aus, schob sich schützend zwischen sie und neigte angriffslustig den Kopf.

Fest sah Éremón ihr in die Augen. Er ließ sie spüren, wie sein Geist auf Wanderschaft ging. »Manche wissen einfach nicht, wo ihr Platz ist.« Das Tier begann zu jaulen, zog den Schwanz ein und sprang in Richtung der Stallungen fort, wo die anderen Wölfe untergebracht waren. Ein Lächeln hob seinen Mundwinkel und verzerrte seine vernarbte Gesichtshälfte.

Sie wusste, warum er den Blick in ihre Gedankenwelt mied. Weil er nicht sehen wollte, wie sehr sie ihn verabscheute. Wie sehr sie ihn hasste und sich wünschte, er würde einfach tot umfallen.

Sie straffte die Schultern und erwiderte das falsche Lächeln. »Du musst es ja wissen.« Lässig wandte sie sich ab, ohne auf seine Reaktion zu warten, und marschierte im zackigen Schritt zu dem Schloss in der Mitte der Stadt. Ihrem neuen Zuhause. Fest presste sie die Zähne aufeinander, damit ihr Zorn nicht die Oberhand gewann. Nicht alle Gefühle verschwanden in der Dunkelheit. All jene, die anderen Leid zufügten oder Schaden verursachten, verstärkten sich. Drohten sie von dem schmalen Grat zu stoßen, auf dem sie balancierte.

Sie ließ die Soldaten und Éremón weit hinter sich.

Die Wachen, die vor den Toren zum Schloss postiert waren, sahen ihr neugierig entgegen und traten erst im letzten Moment zurück, um ihr den Weg freizumachen. Ihr Glück. Éremóns anmaßende Art ihr gegenüber war schuld daran, dass die Männer ihr nicht den nötigen Respekt zollten und in ihr nur ein Objekt sahen. Wenigstens kam ihr keiner von ihnen zu nah, da sie Darach nicht erzürnen wollten.

Kaum hatte sie den Saal betreten, in dem Eochu Hof hielt, glitt ihr Blick zu seiner Gestalt und ihr Magen vollführte einen Purzelbaum.

Er stand rechts hinter Eochu, der auf seinem Thron saß und träge der tänzerischen Darbietung einiger spärlich bekleideter Síodhach interessiert folgte. Eine Fee saß zu den Füßen des dunklen Gottes, als wäre sie Prinzessin Leia in den Händen von Jabba the Hutt.

Wie sie das alles hasste. Nicht nur Éremón war für das respektlose Verhalten der Männer verantwortlich.

Darachs Augen klebten förmlich an den Rundungen einer Tänzerin, die sich ihm genähert hatte. Mit ihren aufreizenden Bewegungen war sie eindeutig darauf aus, ihn zu verführen.

Die angenehme Wärme, die Ciarda bei seinem Anblick eben noch verspürt hatte, verwandelte sich in ein loderndes Feuer.

Als könnte er ihren brennenden Blick spüren, wandte er sich ihr zu und ein Lächeln erhellte sein Gesicht, das ihr den Atem raubte, auch wenn es nicht seine pechschwarzen Augen erreichte, in denen ein bösartiges Glitzern lag.

Mit einem Wink gab er ihr zu verstehen, dass sie zu ihm kommen sollte. Gehorsam schritt sie auf ihn zu und versuchte die lächerliche Eifersucht in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins zu schieben. Auch Eochus Aufmerksamkeit galt mittlerweile ihr statt den Tänzerinnen.

Als sie die Treppe erreichte, die zu Eochus Thron führte, verbeugte sie sich vor ihm und erklomm die ersten Stufen. Die beiden Schattenwölfe, die ihn bewachten, erhoben sich von ihren Plätzen. Doch statt drohend zu knurren, wie sie es bei jedem anderen tun würden, begannen sie freudig mit dem Schwanz zu wedeln. Die Fee war jedoch genauso verängstigt, als hätten sie sich gefräßig auf sie gestürzt. Demütig schmiegte sie sich dichter an Eochus Bein, der für sie jedoch keinen Blick übrig hatte.

Ciarda begrüßte die beiden Tiere, die ihr über den Kopf ragten, und schickte sie zurück auf ihre Plätze.

»Es ist erstaunlich, wie gut du die Bestien im Griff hast. Ob dies wohl auch bei meinem Sohn der Fall ist?«, fragte Eochu herausfordernd und warf Darach, der ihr bereits entgegengekommen war, einen amüsierten und zugleich warnenden Blick zu.

»Sie ist eine Herausforderung, der ich mich nur zu gerne stelle«, erklärte dieser, griff nach dem Zopf in ihrem Nacken und zog daran, bis sie zu ihm aufschaute. Er presste seine Lippen besitzergreifend auf ihre und schickte Stromstöße durch ihren Körper. Seine Arme legte er wie Stahlseile um sie, zog sie dicht an sich. Sie verabscheute diese Zurschaustellung seiner Ansprüche auf sie und zugleich war sie erleichtert ihn zu spüren. Zu wissen, dass er sie in der Zeit, die sie getrennt gewesen waren, nicht vergessen hatte.

Fordernd verlangte seine Zunge Einlass und sie öffnete breitwillig den Mund, während sie ihre Augen schloss. Sein Atem vermischte sich mit ihrem. Sein Geruch nach Aprikose und Wald hüllte sie ein und ließ sie alles um sich herum vergessen. Sie wollte vergessen.

Was zählte, war nur der Augenblick. Seine Lippen auf ihren. Und doch reichte es nicht, um den Trennungsschmerz der letzten Tage zu betäuben. Sie brauchte mehr, drängte sich ihm verzweifelt entgegen, krallte die Finger in sein Haar. Als Antwort biss er ihr in die Unterlippe und küsste sie im Anschluss noch leidenschaftlicher.

Eochus Lachen übertönte die Musik, die abrupt verstummte, und riss sie aus ihrem Tagtraum. Sie hörte die kräftigen Schritte auf dem Marmor, die sich zügig dem Thron näherten.

Darachs Lippen lösten sich von ihren. Er hob den Kopf und sah zu den Neuankömmlingen, während sie ihre Stirn gegen seine Schulter sinken ließ. Ihre Lippen pochten und brannten von seinem Kuss. In ihr herrschte das reinste Chaos. Sie kämpfte gegen die Gefühle, die Darach in ihr ausgelöst hatte und sie drohten zu überwältigen. Er roch so gut. Tränen sammelten sich in ihren Augen und sie sehnte sich nach seinem Trost.

Darach schob sie zur Seite und setzte sich auf den Thron neben seinem Vater. Es kam ihr so vor, als hätte er sie von einem Felsen in die Tiefe gestoßen, wo sie hart auf dem Grund der Schlucht aufschlug. Für einen Moment war sie wie betäubt. Erst Éremóns Stimme holte sie zurück und sie starrte auf die Männer, die vor den Stufen knieten. Von den zehn Soldaten, die mit ihnen aufgebrochen waren, begleiteten nur noch drei Éremón.

»Seid ihr auf Schwierigkeiten gestoßen?«, fragte Eochu den kleinen Trupp ungehalten.

Éremón winkte lapidar ab. »Wie Ihr es vorausgesehen habt, leisteten Islinds Leute kaum Widerstand. Wahrscheinlich brennen die Reste des Baumes immer noch und niemand wird die Botschaft missverstehen, dass der Síd endgültig euch gehört. Jedoch eilten den Bewohnern ein paar Druiden zur Hilfe.« Éremóns Blick wanderte zu ihr und wurde düsterer. Er öffnete den Mund, doch sie kam ihm zuvor. »Einer der Druiden war mein Bruder«, erklärte sie fest und schob das Kinn vor.

»Aodh?«, fragte Darach überrascht.

»Hast du ihn getötet?« Der gierige Blick, den Eochu ihr zuwarf, gab ihr das Gefühl, als würden lange Fingernägel ihren Rücken aufkratzen. »Nein. Aber schwer verwundet.«

»Warum hast du ihn nicht beseitigt?«

»Offensichtlich war dies ein Fehler, Mylord«, beeilte sich Éremón zu sagen. Am liebsten hätte sie ihm einen ihrer Dolche zwischen die Augen gestoßen.

»Aodh ist stark. Er wäre ein guter Verbündeter«, kam ihr Darach zur Hilfe, sah sie jedoch zugleich warnend an. In solchen Momenten fragte sie sich, ob er sie unterstützte, weil sie ihm etwas bedeutete, oder ob er nur nicht sein Gesicht vor seinem Vater verlieren wollte, dem er versprochen hatte, dass sie sich fügen würde.

»Und was ist mit dem Plan, sie zurückzuschicken, damit sie Ronas Baby stiehlt, sobald es geboren ist? Die Druiden werden ihr nicht mehr vertrauen, sollte Aodh ihnen von Ciardas Verrat berichten«, ereiferte sich Éremón.

»Denkst du, dass sie mir vertraut hätten, wenn ich nach all der Zeit aus heiterem Himmel bei ihnen aufgetaucht wäre?«, fragte Ciarda zynisch.

»Ich stimme meiner neuen Tochter zu.« Die Kette um den Hals der Fee rasselte, als Eochu sich vorbeugte und seinen Arm auf seinem Knie aufstützte. »Dies war schon immer dein Plan und nicht meiner«, wies er Éremón in die Schranken. »Ein plärrendes Balg wird mir nicht die Herrschaft über das Reich der Menschen sichern.«

Ein Schaudern lief Ciarda bei seinen Worten über den Rücken. »Komm her«, forderte Eochu und streckte ihr seine Finger entgegen, die sie in diesem Moment an Klauen erinnerten.

Sofort ließ sie sich vor ihm auf die Knie sinken und schob jeglichen Zweifel zur Seite. Seine Hand glitt über ihre Stirn und sie öffnete, ohne dass er es verlangte, ihren Geist für ihn, zeigte ihm ihre Gedanken. Sie spielte den Angriff im Kopf durch. Ihre Begegnung mit Aodh. Éremóns Rolle dabei. Sie zeigte ihm die Dunkelheit, mit der sie ihr Licht tarnte, das sie in dem tiefsten Winkel ihres Selbst verbarg, bis sie es fast selbst nicht mehr fand.

Zufrieden nickte Eochu, nahm seine Hand von ihrer Haut und bedeutete Éremón, dass es nun an ihm war, seinen Geist zu öffnen. Erleichtert erhob sich Ciarda und trat zur Seite.

»Du solltest endlich dein Misstrauen gegenüber meiner Gefährtin ablegen«, bemerkte Darach wütend.

»Ich misstraue jedem«, erwiderte Éremón herablassend und kniete vor seinem Gott, dem er wie sie die Treue geschworen hatte.

Eochu begann zu glucksen. Egal was er im Geist von Éremón sah, es schien ihn zu erheitern. »Er ist es so sehr gewöhnt, die Gedanken anderer zu hören, zu manipulieren und zu lenken, dass es ihn verrückt macht, dass sie sich seiner Kontrolle entzieht.« Er beugte sich zu Éremón hinab. »Und genau das macht sie gleichzeitig so interessant für dich«, raunte er ihm ins Ohr. Laut genug, dass alle Umstehenden ihn deutlich hören konnten.

Darachs Kiefermuskeln spannten sich an und er ballte die Hände zu Fäusten. »Sie gehört mir«, zischte er wütend.

Innerlich sträubte sich alles in Ciarda. Aber sie blieb stehen, senkte demütig ihren Kopf und beobachtete Éremón aus dem Augenwinkel.

Kaum löste Eochu die Verbindung, blitzte für den Bruchteil einer Sekunde Hass in Éremóns Miene auf und verschwand so schnell, wie er gekommen war, hinter einer gleichgültigen Maske. Ciarda war sich nicht sicher, ob Eochu absichtlich das gefährliche Raubtier reizte oder sich der Gefahr einfach nicht bewusst war, die von ihm ausging. Vielleicht dachte er, er hätte den Sohn von Milesius längst unter seiner Kontrolle. So wie mich.

Wortlos stellte sich Éremón auf seinen Platz hinter Eochu.

»Setz dich zu uns«, forderte Eochu sie auf.

»Ich habe noch zu tun, einer der …« Darach umfasste ihre Hüften und zog sie zu sich hinab, sodass sie quer auf seinem Schoß saß. »Egal was es ist, hat es nicht noch Zeit bis später?«, fragte er sie und zog sie dichter zu sich. Zärtlich strich er ihr Haar zurück und entblößte ihren Hals. Seine Lippen zogen eine prickelnde Spur von ihrem Schlüsselbein bis zu ihrem Ohrläppchen. »Ich habe dich vermisst«, raunte er ihr ins Ohr. So leise, dass nur sie es hörte. Ein warmer Funke entstand in ihrem Magen, der durch ihren Körper wanderte, ihr Blut erhitzte, bis sie vollständig in Flammen stand. Sehnsüchtig schmiegte sie sich an ihn, genoss die Wärme, die er ausstrahlte, auch wenn sie nicht die Kälte in ihrem Inneren vertreiben konnte. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie sich sogar für ein paar Sekunden einreden, ihr Leben sei normal.

Doch das war es nicht. Sie war eine Gefangene des Schicksals. Eine Geisel ihrer Gefühle für einen Mann, den sie schon lange nicht mehr wiedererkannte und für den sie dennoch all dies auf sich nahm. »Ich würde mich gerne waschen«, flüsterte sie und starrte auf das Webmuster seines Hemdes, das langsam vor ihren Augen verschwamm.

Sie spürte durch ihr gemeinsames Band die Lust. War es ihre eigene oder seine? Ihr Atem wurde flacher. Darach richtete sich auf und brachte sein Gesicht näher an ihr Haar. Sein Atem strich über ihre Kopfhaut und löste ein Kribbeln aus, das ihr über den Arm floss. »Wenn du noch ein wenig Geduld hast, komme ich mit dir«, sagte er rau.

»Geh«, befahl Eochu ihm mit einem Wink.

»Wir sollten besser besprechen, was unsere nächsten Schritte sind«, schlug Éremón vor. In seiner Stimme lag Wut.

Darach ignorierte ihn, schob seinen Arm unter ihren Kniekehlen hindurch und stand mit ihr auf. »Ich bin bald wieder da«, versicherte er und stieg die Stufen hinunter.

»Ihr lasst ihm zu viel durchgehen«, murrte Éremón leise.

Darachs Muskeln spannten sich an und sein Griff wurde fast schmerzhaft. Seine Schritte wurden langsamer, er steuerte jedoch weiter den Ausgang an, als hätte er Éremóns Worte nicht gehört.

»Zweifelst du etwa an meiner Entscheidung?«, fragte Eochu beiläufig, doch die Luft im Thronsaal schien sich zu verdichten. Ciardas Härchen auf den Armen stellten sich auf.

»Natürlich nicht, Mylord«, beeilte sich Éremón zu sagen.

»Vergiss nicht, dass mein Blut durch seine Adern fließt. Nur durch ihn werden wir unsere Ziele erreichen. Ich habe ihn extra zu diesem Zweck erschaffen«, ermahnte Eochu ihn und Darach entspannte sich wieder. Es war das eindeutige Zeichen, dass er ebenfalls der Unterhaltung der beiden gefolgt war.

»Ihr erlagt wohl nie der Versuchung des Fleisches?«, bemerkte Eochu und lachte dreckig. Das Rasseln von Kettengliedern erklang. Ciarda klammerte sich an Darachs Nacken und sah über seine Schulter zu der Fee, die hoffnungslos ins Leere starrte, bevor sie dem Zug der Ketten folgte, um Eochu gefällig zu sein.

Schnell sah sie zur Seite. Genau in Éremóns Augen, die regelrecht glühten. Zufrieden kräuselten sich seine Lippen und ihr Magen verknotete sich.

Das Gefühl, in der Falle zu sitzen, verstärkte sich noch, als Darach sie in ihren gemeinsamen Räumen absetzte und sie in Richtung des kleinen Pools dirigierte, der in den Boden eingelassen war. Sie wollte sich zu ihm umdrehen, aber er hielt sie, sodass sie seine Erregung wie ein loderndes Feuer in ihrem Rücken spüren konnte. Seine Hände fühlten sich heiß auf ihrer Haut an, als er ihr ungeduldig das Oberteil nach oben schob und es ihr ruppig über den Kopf zog. Erneut versuchte sie sich ihm zuzuwenden, aber er war schneller. Fest presste er sie an seinen Körper. Seine eine Hand lag flach an ihrem Bauch, während sich die Finger der anderen um ihren Hals legten und leichten Druck ausübten. Sein Atem strich über ihren Nacken bis zu ihrem Ohr und ließ sie erschauern. »Ich warne dich. Sollte ich herausfinden, dass du etwas mit einem der anderen Männer angefangen hast, töte ich ihn«, zischte er bedrohlich und hauchte nur Sekunden später Küsse auf den Bogen ihres Halses. Zugleich öffnete er die Kordel, die die Hose auf ihren Hüften hielt, und ließ seine Finger hineingleiten. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Seine Hand um ihren Hals löste sich etwas und sein Daumen strich langsam über ihre Lippen, bis sie ihn in den Mund saugte.

»Hast du?«, grollte er.

»Was?«, fragte sie verwirrt und lehnte sich seufzend mit dem Hinterkopf an seine Brust.

Er stieß sie von sich. »Denkst du, ich bemerke nicht, wie er dich ansieht?«

Schnell wirbelte sie herum, aber er stand schon wieder dicht vor ihr, drängte sie gegen eine der Wände und nagelte sie dort mit seinem Körper fest. Sie fiel in die schwarzen Tiefen seiner Augen, mit denen er sie finster ansah. Wie eine heiße Flamme trafen Eifersucht, Zorn und Sehnsucht sie. Sie konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. »Wer?«

»Éremón!«, bellte er wütend.

Es war, als hätte er einen Kübel Eiswasser über ihrem Kopf geleert. Für einen Augenblick war sie zu geschockt, um sich zu bewegen, ehe sie sich gegen ihn stemmte.

Sie wusste, dass das nicht ihr Darach war, der vor ihr stand. Es war die Dunkelheit, die in diesem Moment aus ihm sprach, dennoch tat es weh, trieb sie dazu, tiefer in ihrer eigenen Finsternis Schutz zu suchen, damit der Schmerz sie nicht überrollte. Stattdessen war es nun Zorn, der durch ihre Adern schoss. »Denkst du allen Ernstes, dass ich dieses schleimige Wiesel in meine Nähe lasse?«

»Du bist ständig mit ihm zusammen!«

»Weil ich keine Wahl habe! Und was war das bitte vorhin mit dieser Tänzerin?« Fest stieß sie mit den flachen Händen gegen seine Brust. Natürlich bewegte er sich keinen Millimeter. Stattdessen spannte er seine Finger um ihre Handgelenke und hielt sie fest. Sie versuchte sich aus seinem Griff zu winden. Zwecklos. Frustriert schrie sie ihm ins Gesicht. Gereizt schob er seinen Kiefer hin und her. Er sah aus, als würde er jeden Moment explodieren.

Erbost kniff sie die Augen zusammen und ballte ihre Hände zu Fäusten. »Lass los«, stieß sie drohend zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

»Sonst was?« Sein Griff wurde schmerzhaft, während sich sein Blick verärgert in ihren bohrte.

Sie schaffte es, ihm standzuhalten, auch wenn ihre Fassade langsam bröckelte. Sie wollte nicht kämpfen. Nicht gegen ihn. Nicht jetzt, wo sie nicht länger ihre Schutzmauern aufrechterhalten konnte. Sie war erschöpft. Die letzten Tage hatte sie nur durchstehen können, weil sie gewusst hatte, dass er auf sie wartete. Ein böses Wort von ihm und sie würde zerbrechen. Sie brauchte ihn. War süchtig nach den Glücksgefühlen, die sie verspürte, wenn sie beisammen waren. Egal wie kurz dieser Moment auch anhielt.

Nur wenn er bei ihr war, konnte sie vergessen.

Statt länger ihre Zeit mit einer sinnlosen Diskussion zu verschwenden, die ihr nur weitere Schmerzen zufügen würde, schlang sie ihre Hände um seinen Nacken und zog ihn zu sich herunter. Ihre Lippen trafen auf seine und gaben ihrer – und hoffentlich auch seiner Wut – eine neue Richtung. Zuerst reagierte er gar nicht. Sein Mund war eine harte Linie, bis sie aufbrach. Abermals drängte er sie mit seinem Körper gegen die Wand in ihrem Rücken. Dieses Mal störte es sie nicht. Seine Finger schoben sich unter den Saum ihrer Hose, die er hastig nach unten schob. Auch ihre Hände versuchten ihn aus der störenden Kleidung zu befreien. Gierig zerrte sie an seiner Tunika, bis er sie sich über den Kopf zog. Etwas riss. Sie wusste nicht, was. Es interessierte sie auch nicht, sie wollte nur seinen nackten Leib an ihrem spüren.

Worte waren zwischen ihnen noch nie nötig gewesen. Ihre Körper kommunizierten in ihrer eigenen Sprache miteinander. Ein leichter Druck ihrer Finger auf seine Schulter und seine Hand wanderte in ihren Nacken, stützte ihren Kopf, während sein Mund ihren verschlang.

Seine Hände strichen über ihre Seiten, ihre Hüften und blieben dort liegen. Feuer strahlte von dem Punkt aus. Die Hitze verbrannte sie. Sie wich ihr aus und zugleich wollte sie mehr, drängte sich gegen die Berührung. Ihr Körper stand lichterloh in Flammen, sodass sie Angst hatte, dass nicht mehr als ein Häufchen Asche von ihr übrig bleiben würde. Ihr Kopf fiel gegen die Wand und ein Stöhnen drang aus ihrem Mund, während er sich noch dichter an sie presste. Sein Knie schob sich zwischen ihre Beine, stützte ihren Körper, baute Druck auf ihre Mitte auf.

Heiß und schnell strich sein Atem über ihren Hals, den sie ihm darbot, während er seine Hose abstreifte. Es erinnerte sie an ihr erstes Mal. Damals hatte sie die Sehnsucht, die sie monatelang zu unterdrücken versucht hatte, auch überwältigt. Ein Gefühl, das mittlerweile auf der Grenze zum Schmerz tanzte.

»Darach.« Es war ein kaum hörbares, flehendes Wimmern, auch wenn sie sich nicht sicher war, worum sie ihn stumm bat.

Sein Mund fand erneut ihren und sie erwiderte seinen Kuss. Sie wollte nur noch vergessen, schlang ihre Beine um seine Hüften und seine Hände wanderten unter ihren Po, um sie zu halten. Mit einem Stoß war er in ihr. Füllte sie aus. Ihre Fingernägel gruben sich in seine Schultern. Seine Bewegungen wurden schneller und sein Keuchen drang an ihr Ohr. Die Wellen der Leidenschaft schlugen über ihr zusammen, rissen sie mit sich in einen Strudel aus Leidenschaft. Für einen Moment fühlte sie sich ihren eigenen Gefühlen hilflos ausgeliefert. Verletzbar und dennoch befreit.

Atemlos und verzweifelt klammerte sie sich an ihn und versuchte die Löcher, die sich in ihren geistigen Schutzwällen gebildet hatten, zu verschließen.

Die Wand in ihrem Rücken verschwand. Er trug sie zum Pool und stieg die Stufen hinab ins warme Wasser, das ihre Füße umspielte und immer höher stieg, bis es ihr zum Bauchnabel reichte.

Unter Wasser umlief eine Stufe das Becken, auf die Darach sie absetzte. Zitternd sah sie zu ihm auf. Sein Gesicht war eine steinerne Maske und ihr Magen zog sich zusammen. »Ich … Es …« Sie hatte keine Ahnung, wie sie die unterschiedlichen Gefühle, die in ihrem Inneren kämpften, erklären sollte.

Sein Finger berührte ihre Lippen, sodass sie verstummte.

Darach nahm einen Waschlappen vom Beckenrand und begann ihren Körper damit zu reinigen. Sie ließ sein Gesicht keine Sekunde aus den Augen. Konzentriert richtete er seinen Blick auf das, was er tat. Fast grob rubbelte er den Schmutz von ihrer Haut und sie zuckte zusammen. Die Art, wie er missbilligend seine Lippen schürzte, als er einen Kratzer entdeckte, erinnerte sie an den Moment am Fluss, wo er ihre Wunden ausgewaschen hatte. Wie sehr sie sich damals gegen die Gefühle, die er in ihr weckte, gewehrt hatte. Aodh hatte gesagt, es sei in Ordnung, ihnen nachzugeben. Dachte er das immer noch, nachdem er gesehen hatte, was aus ihr geworden war? Wegen Darach.

Bestimmt nicht. Deutlich sah sie sein entsetztes Gesicht vor sich. Resigniert schloss sie die Augen. Sank tiefer in Darachs Welt, in der ihr Gewissen nur noch ein leises Summen war.

»Ich möchte nicht, dass du noch einmal fortgehst«, erklärte er bestimmt, als wäre sie diejenige, die dies entschied. »Sag das deinem Vater.« Sie begegnete seinem Blick. Seine Brauen waren kritisch zusammengezogen.

Er wollte etwas sagen. Sein Mund formte Silben, aber kein Ton kam ihm über die Lippen. Zitternd legte er seine Hand an ihre Wange. In seinen Augen flackerte etwas und sie verlor sich in den pechschwarzen Tiefen.

Wie lange schon hatte sie den wunderschönen Fliederton seiner Iriden nicht mehr gesehen? Ein sehnsüchtiges Ziehen entstand in ihrem Magen. Sie legte ihre Fingerspitzen seitlich an sein Gesicht. »Ich vermisse dich«, flüsterte sie und kämpfte gegen das Brennen in ihren Augen.

Besorgt musterte er sie und strich zärtlich mit seinem Zeigefinger über ihre Wange bis zum Kinn, unter das er ihn legte und ihren Kopf anhob. »Ich bin hier«, erwiderte er. Aber es fühlte sich nicht so an. Sie spürte ihn, fühlte seinen Körper, aber seine Seele, mit der sie auf einer Art verbunden war, die für sie immer noch schwer zu begreifen war, schien weit weg zu sein. Gefangen in der Finsternis.

Tränen sammelten sich in ihren Augen und sie ließ die Stirn an seine Schulter sinken, damit er sie nicht sah.

Zärtlich strichen seine Hände über ihren Rücken. Sie konnte nichts dagegen tun. Ein Schluchzer schüttelte ihren Körper.

Abermals nahm er sie in die Arme, trug sie zum Bett und wickelte sie in ein Tuch. Er legte sie auf den hellen Bezug und sie rollte sich zusammen. Es raschelte. Sie zitterte vor Kälte und wartete darauf, dass die Matratze einsank und er zu ihr kam. Stattdessen erklang jedoch nur das Klacken, als die Tür sich öffnete und wieder schloss.

Für einen Moment vergaß sie zu atmen. Konnte es nicht glauben. Erschüttert drehte sie sich um. Das Bett neben ihr war tatsächlich leer. Genauso leer, wie sie sich fühlte. Einsam und allein. Sie kam sich benutzt und im Stich gelassen vor. Ihre Hand wanderte über das kühle Laken. Egal wie sehr sie versuchte ihn festzuhalten, er entglitt ihr.

Nicht vergossene Tränen brannten in ihren Augen. Sie schnappte sich Darachs Kissen, vergrub ihren Kopf darin und sog tief seinen Geruch ein. Das Licht in ihrem Inneren brauchte Luft zum Atmen. Die Qualen ihrer Seele wollten heraus.

Sie durfte das nicht zulassen, wollte den Schmerz nicht länger ertragen. Wie eine schützende Decke zog sie die Dunkelheit noch dichter um sich. Verstärkte die Schutzwälle in ihrem Inneren mit der schwarzen, teerartigen Substanz, die sie immer mehr zu verschlingen drohte. Aber wenigstens hörten ihre eigenen Schreie auf, die in ihrem Kopf dröhnten.

Ihr Herz blutete nicht mehr. Sie fühlte nichts.

3

Ein lautes Pochen ließ Ciarda alarmiert die Augen aufschlagen. Im ersten Moment war es zu hell, um etwas zu erkennen. Ohne nachzudenken, zog sie den Dolch unter ihrem Kissen hervor und richtete sich auf, bevor sie bewusst wahrnahm, wo sie sich befand. Magisches Licht beleuchtete den fensterlosen Raum, den sie mit Darach bewohnte, und tauchte die weißen Laken neben ihr in einen goldenen Schein.

Ihre Umgebung verlor sich im Rauschen des Blutes in ihren Ohren. Darachs Bettseite war leer und es sah nicht so aus, als ob er irgendwann in der Nacht zurückgekehrt wäre. Sein Kissen lag halb unter ihr begraben. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. Die Enttäuschung traf sie völlig unvorbereitet, wie ein Messer, das ihr jemand hinterrücks ins Herz jagte.

Erneut klopfte es und sie starrte verwirrt zu der Tür. Sie schluckte den Knoten hinunter und straffte ihre Schultern. Reiß dich zusammen. Fester umklammerte sie die Waffe und zog sich noch tiefer in die Dunkelheit zurück. In eine Welt, in der Darachs Abwesenheit nicht mehr schmerzte.

»Wer ist da?«, rief sie. Misstrauisch beäugte sie die Tür, die sich bereits knarzend öffnete. Schnell rollte sie sich aus dem Bett, zog die Decke mit sich und wickelte sie sich um den Körper. Den Dolch drückte sie fest gegen ihren Oberschenkel, sodass er in den Falten des Stoffes verborgen war.

Statt der Fee, die ihr für gewöhnlich morgens beim Ankleiden behilflich war, trat Éremón ein und sah sich neugierig um. Sein Blick blieb für ihren Geschmack zu lange an den Laken hängen, die nur auf ihrer Seite zerwühlt waren. »Was willst du?«, fragte sie scharf. Sie hasste es, wenn er einfach so hier hereinplatzte.

»Kein ›Guten Morgen‹ für deinen Lehrmeister?« Er verschränkte die Hände vor seinem Bauch und lächelte. »Ich bin hier, um dich zu deinem Training abzuholen.«

Ciarda erstarrte. Der Streit mit Darach klang noch in ihr nach. Sein wütendes Gesicht sah sie deutlich vor sich.

Schnell fasste sie sich wieder. »Du bist heute sehr früh«, murmelte sie und tapste zu einem Paravent aus Holz, der mit dunklen Pflanzen bewachsen war. Seinen Blick konnte sie wie einen brennenden Punkt auf ihrem Rücken spüren.

»Hast du dich etwa mit Darach gestritten?« Das zufriedene Grinsen auf seinem Gesicht hörte sie deutlich aus seiner Stimme heraus. Seine gute Laune zog ihre noch weiter in den Keller.

Sie schlüpfte hinter den Paravent. Ungern ließ sie diesen Mistkerl aus den Augen, aber so sah er wenigstens nicht, was in ihr vorging. Wie tief sie Darachs Verhalten verletzt hatte. Nach gestern Abend lagen ihre Nerven immer noch blank. Entmutigt rieb sie sich über die Schläfen. Ihre Gefühle brachen immer wieder durch die Schutzwälle, die sie in den letzten Wochen so mühsam aufgebaut hatte, und brachten ihr Innenleben völlig durcheinander. »Und wen willst du heute quälen?«, fragte sie genervt und ließ die Decke fallen. Ihre Blase drückte, sie verkniff sich aber ihr Bedürfnis, denn die einzige Möglichkeit bestand in einem Nachttopf in der Ecke. Schnell schlüpfte sie in ihre Unterwäsche, schnappte sich ein Kleid, das über dem Paravent hing, und zog es über. Vorsichtig lehnte sie sich zurück und spähte an dem mit feinen Schnitzereien versehenen Holz vorbei.

Éremón stand lässig an eine Kommode gelehnt und sah in dem Moment in ihre Richtung. Süffisant hob er eine Augenbraue. »Warum immer so zynisch, meine Liebe? Ich zeige dir, wie du deine Fähigkeiten perfektionierst. Du solltest nur endlich aufhören dir selbst durch sinnlose Moralvorstellungen und einem so lächerlichen Konstrukt wie dem Gewissen Grenzen zu setzen.«

Schnell zog sie sich wieder hinter dem Paravent zurück. Ihr Blick glitt zu dem Standspiegel. Ihre Augen waren pechschwarz und dominierten ihr maskenartiges Gesicht, das dem einer Porzellanpuppe aus einem Horrorstreifen ähnelte. Verstärkt wurde dieser Eindruck noch durch ihre Haare, die zerzaust waren und in alle Richtungen abstanden. Die Farben ihrer Tattoos waren kräftig und das Blutrot der Blüten stand im Kontrast zu dem Schwarz des mit Spitzen besetzten Kleides, das sie angezogen hatte. Sie wirkte wie eine Dämonin, die auf der Suche nach der nächsten armen Seele war, die sie verderben konnte. »Ich habe kein Gewissen mehr«, sagte sie kalt. Für einen Moment wünschte sie sich, dass es der Wahrheit entsprach. So vieles wäre einfacher. Zugleich verachtete sie sich für den Gedanken.

Éremón gab einen Ton von sich, der sich wie ein Schnauben und Lachen zugleich anhörte. »Wir wissen beide, dass das nicht so ist.«

Ein eisiges Prickeln stieg ihre Wirbelsäule hinauf. Erneut versuchte sie ihre Gefühle in der farblosen Finsternis zu begraben, in der sie nun lebte. Steif trat sie hinter dem Paravent hervor. »Ich bin eine Kriegerin Eochus. Ich diene meinem Gott und der Dunkelheit, mit der er das Land überzieht. Er hat meine Gedanken gesehen und wird dir bestätigen, dass ich ihm treu ergeben bin.«

Éremón schlenderte durch den Raum und begutachtete eine Obstschale, aus der er sich eine dunkelrote Frucht, ähnlich einem Apfel, nahm und sie abschätzend in der Hand wog. »Denkst du, ich hätte nicht bemerkt, wie du dich bemüht hast auf unserem Ausflug niemanden zu töten? Sogar die Wache, die du hättest ausschalten sollen.« Es knackte, als er kräftig in die Frucht biss und sie überheblich von der Seite betrachtete.

Das Blut sackte ihr in die Beine und sie schluckte nervös. »Ich habe jemanden getötet.«

»Das hast du. Nur keinen unserer Feinde.« Seine Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. »Übrigens ein sehr gekonnter Wurf. Du hättest sehen sollen, wie schockiert dein Bruder war, als du Eochus Soldaten, ohne mit der Wimper zu zucken, umgebracht hast.«

Sie hatte es gesehen. Die Angst in seinen Augen.

»Du hast mehr von mir gelernt, als ich dachte«, bemerkte er unbekümmert.

Erneut hatte sie das Gefühl, in einer Falle zu sitzen. Kälte sammelte sich in ihrem Bauchraum. Wie einen Schild zog sie sie um sich herum. »Was willst du mir damit sagen?«

»Als dich Eochu gestern geprüft hat, hast du ihm nicht alles gezeigt.«

Die Luft blieb ihr weg und ihr Herz geriet aus dem Takt. Woher weiß er das?

Zufrieden nickte er.

Sollte er bisher nur vermutet haben, dass sie vor Eochu Geheimnisse hatte, dann hatte ihre verräterische Reaktion ihm nun die Bestätigung geliefert. Wütend über ihre eigene Dummheit blickte sie zur Seite. »Wirst du es ihm sagen?«

»Wem? Eochu? Oder Darach?«, fragte er herausfordernd und musterte sie durchdringend.

»Spielt das eine Rolle? Sobald Darach es erfährt, weiß es kurz darauf auch sein Vater«, bemerkte sie bitter.

Ein hinterlistiges Lächeln trat auf Éremóns Gesicht, was den Eisklumpen in ihrem Magen weiter anwachsen ließ. »Stimmt. Er kann seinen Geist nicht vor ihm verschließen. Er wird dir also nicht helfen können. Niemand kann dir helfen.«

Warum musste er noch Salz in die Wunde streuen? Frustriert wandte sie sich ab und schlüpfte in ihre Schuhe.

»Nur ich«, sagte er leise und sie verlor das Gleichgewicht. Überrascht sah sie zu ihm auf und stützte sich an der Wand ab. Hatte sie ihn gerade richtig verstanden?

Erneut biss er in den Apfel, kaute und beobachtete sie vergnügt.

»Auf deine Hilfe kann ich verzichten.« Sie schnappte sich den Waffengurt und band ihn sich um die Hüfte.

»Ich habe dich in der Hand. Vergiss das nicht«, meinte er lachend und wandte sich ab.

Wütend starrte sie auf seinen Rücken. Das denkst auch nur du. Er hatte sich ebenso verraten und konnte seine Gedanken vor Eochu verbergen, weswegen er ihm davon nichts erzählen würde, um sich selbst zu schützen.

Dennoch hätte sie sich ihm gegenüber niemals angreifbar machen dürfen. Was hatte er vor? Vorsichtig streckte sie ihren Geist nach ihm aus, traf aber nur auf eine unüberwindbare Festungsmauer.

Zögernd blieb er an der Tür stehen und kam noch mal zu ihr zurück. »Weißt du, was amüsant ist?«, gurrte er zufrieden und umrundete sie, bis er hinter ihr stand.

Ihn belustigte doch alles, was anderen Leid zufügte. Innerlich wappnete sie sich gegen das Gift, das er wahrscheinlich auch dieses Mal versprühen würde.

»Ich wusste von Anfang an, dass Aodh im Widerstand war, während er dir nie etwas davon erzählt hat.«

Nein! Sie erstarrte. Das war unmöglich.

Éremón trat dicht an sie heran. Sie fühlte seinen Atem in ihrem Nacken. »Er fühlt sich deswegen schuldig«, flüsterte er.

Sie glaubte ihm nicht. Langsam drehte sie sich um. »Warum hast du ihn dann nicht genauso beseitigen lassen wie meine Mutter?« Keine Ahnung, wie sie es in diesem Moment schaffte, völlig ruhig zu bleiben und diesem Bastard nicht an die Gurgel zu gehen.

»Bist du deswegen etwa immer noch böse auf mich?« Missbilligend schnalzte er mit der Zunge. »Der Tod deiner Mutter hatte dich bereits zu sehr mitgenommen. Wenn ich dir deinen Bruder auch genommen hätte, wärst du daran zerbrochen.«

Sie schnaubte. »Soll ich dir jetzt etwa glauben, dass du Mitgefühl besitzt?«

»Er hat nicht die gleichen Fähigkeiten wie du und stellt daher keine Gefahr für mich dar.«

»Aber meine Mutter hatte sie?«

Er antwortete ihr nicht, doch sein arroganter Blick reichte. »Wenn ich die gleichen Fähigkeiten wie meine Mutter besitze, warum hast du mich nicht auch getötet?«

Langsam legte er den Kopf schief und musterte sie nachdenklich. »Ich brauche dich noch.«

Ah, das erklärte einiges. Und zugleich so wenig. »Wofür?«

»Um die Weltherrschaft an mich zu reißen. Wofür denn sonst?« Wäre sein spöttischer Ton nicht gewesen, hätte sie ihm das sofort abgenommen, so wich er ihr nur wieder aus. »Der Widerstand hatte nie eine Chance, nicht wahr?«

Das Grinsen auf seinem Gesicht bestätigte ihr, wie richtig sie lag. Sie hätte nichts machen können, um ihre Mutter zu retten. Nichts. »Du hättest den Widerstand vernichten können. Warum hast du es nicht getan?«

»Es ist anstrengend, durch jeden Geist zu wandern. Du wirst das auch noch feststellen, wenn du es bisher nicht hast.« Gelangweilt betrachtete er seine Fingernägel. »Außerdem war es interessant, ihren Bemühungen zuzusehen.«

Ihm war einfach langweilig gewesen? In ihr tobte der Zorn. »Was willst du von mir?«

Statt ihr auf die Frage zu antworten, verließ er den Raum. Wütend zählte sie bis zehn.

»Komm, die Zeit wird langsam knapp und wir haben noch viel zu tun«, rief er, noch bevor sie die Tür erreicht hatte.

Sie fragte sich, wofür die Zeit knapp wurde, wollte es aber gar nicht so genau wissen. Seine Antworten gefielen ihr meistens nicht.

Wortlos führte er sie durch die Eingeweide des Schlosses. Je tiefer sie kamen, desto schmutziger wurde es. Rote Augen leuchteten in den Ecken und beobachteten sie. Etwas schabte und kratzte wiederholt über den Boden und huschte vor ihnen durch die Schatten. Sie wusste, wohin Éremón sie führte, und jeder Schritt in Richtung Kerker fiel ihr schwerer. Sie hasste diesen Ort. Spürte die Qualen der Gefangenen, als wären es ihre eigenen. Die Wachen vor dem Eingang, ein großes vergittertes Tor in einem Rundbogen, musterten sie misstrauisch, ließen sie aber wortlos passieren.

»Was wollen wir hier?« Die Unsicherheit in ihrer Stimme ärgerte sie.

»Einen Freund von dir besuchen.«

Ein Knoten bildete sich in ihrem Hals und ihre Muskeln verkrampften sich. Bemüht, sich nichts anmerken lassen, stakste sie mit weit ausholenden, kräftigen Schritten den von Fackeln nur schwach erleuchteten Gang entlang. Der Geruch von Verwesung, Exkrementen und Blut ließ sie würgen.

Das tat dieser Bastard absichtlich. Als wüsste er, dass ihre geistigen Schutzmauern mit Rissen durchzogen waren und jeden Moment einzustürzen drohten. Sie schluckte den Knoten in ihrem Hals hinunter. Nicht mehr lang, dann ist es vorbei.

Quietschend öffnete sich die dicke Bohlentür zu einer der Zellen und der Gestank verstärkte sich noch. Langsam folgte sie Éremón in die Zelle und vermied es, durch die Nase einzuatmen.

»Ciarda?«, erklang es heiser und kratzig. Der hoffnungsvolle Ton erschütterte ihre ohnehin schon angegriffenen Schutzwälle. Gerne hätte sie die Augen geschlossen, um das Elend nicht zu sehen, aber Éremón verfolgte aufmerksam jede ihrer Reaktionen.