Mythor 100: Die Tochter des Kometen - Paul Wolf - E-Book

Mythor 100: Die Tochter des Kometen E-Book

Paul Wolf

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Beschreibung

Mythor, der Sohn des Kometen, begann seinen Kampf gegen die Mächte des Dunkels und des Bösen in Gorgan, der nördlichen Hälfte der Welt. Dann, nach einer relativ kurzen Zeit des Wirkens, in der er dennoch Großes vollbrachte, wurde der junge Held nach Vanga verschlagen, der von den Frauen beherrschten Südhälfte der Lichtwelt. Und obwohl in Vanga ein Mann nichts gilt, verstand Mythor es nichtsdestoweniger, sich bei den Amazonen einen geachteten und gefürchteten Namen zu machen. Nun aber, da Mythor zum Hexenstern gelangt ist, dem Ort, an dem die Zaubermütter Fronja, die Tochter des Kometen, in Gefangenschaft halten, weil sie von einem Deddeth besessen ist, scheint sich das Schicksal unseres jungen Helden zum Schlechten zu wenden. Mythor, der für seine geliebte Fronja selbst das höchste Opfer zu bringen bereit ist, lässt sich von den Zaubermüttern in die Hermexe versetzen, die auf das Luftschiff Luscuma gebracht wird. Damit tritt Mythor eine unfreiwillige Reise an. Die Luscuma fliegt in die Schattenzone, wo man sich der Hermexe entledigen will, in dessen Innern nicht nur ganze Horden von Dämonen eingeschlossen sind, sondern auch DIE TOCHTER DES KOMETEN ...

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Nr. 100

Die Tochter des Kometen

von Paul Wolf

Mythor, der Sohn des Kometen, begann seinen Kampf gegen die Mächte des Dunkels und des Bösen in Gorgan, der nördlichen Hälfte der Welt.

Dann, nach einer relativ kurzen Zeit des Wirkens, in der er dennoch Großes vollbrachte, wurde der junge Held nach Vanga verschlagen, der von den Frauen beherrschten Südhälfte der Lichtwelt. Und obwohl in Vanga ein Mann nichts gilt, verstand Mythor es nichtsdestoweniger, sich bei den Amazonen einen geachteten und gefürchteten Namen zu machen.

Nun aber, da Mythor zum Hexenstern gelangt ist, dem Ort, an dem die Zaubermütter Fronja, die Tochter des Kometen, in Gefangenschaft halten, weil sie von einem Deddeth besessen ist, scheint sich das Schicksal unseres jungen Helden zum Schlechten zu wenden. Mythor, der für seine geliebte Fronja selbst das höchste Opfer zu bringen bereit ist, lässt sich von den Zaubermüttern in die Hermexe versetzen, die auf das Luftschiff Luscuma gebracht wird.

Damit tritt Mythor eine unfreiwillige Reise an. Die Luscuma fliegt in die Schattenzone, wo man sich der Hermexe entledigen will, in dessen Innern nicht nur ganze Horden von Dämonen eingeschlossen sind, sondern auch DIE TOCHTER DES KOMETEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Fronja und Mythor – Die Tochter und der Sohn des Kometen als Gefangene der Hermexe.

Robbin – Ein Pfader aus der Schattenzone.

Luscuma – Die Steuerhexe fliegt einen eigenwilligen Kurs.

Burra – Kriegsherrin an Bord der Luscuma.

Scida, Gerrek, Heeva und Lankohr – Mythors Freunde auf dem Weg in die Schattenzone.

1.

Der 1. Tag der Reise

Juchheirassa! Juchheirassassa! Wir fliegen in die Schattenzone!

Gerrek schreckte hoch und krachte mit dem Kopf gegen etwas Hartes. Er wurde zurückgeschleudert, drehte sich halb um seine Achse und verlor den Halt. Er fiel ein kurzes Stück, bevor er der Länge nach auf einem Holzboden landete. Benommen blieb er liegen und versuchte sich darüber klar zu werden, wie ihm geschehen war.

In seinem Geist hallte ein einzelnes Wort nach: fliegen ... fliegen ...

Ich bin das Einhorn! Ich bin das Schiff!, erklang wieder die lautlose Stimme von vorhin. Wer mich fährt, kommt sicher ans Ziel. Guten Morgen – und willkommen an Bord.

Da wurde sich Gerrek schlagartig bewusst, wo er sich befand.

Er rappelte sich hoch. Die Planken schienen ihm unter den Beinen wegzugleiten, und er stützte sich auf die Hängematte, aus der er vor Schreck gefallen war, als ihn der lautlose Weckruf der Steuerhexe erreichte. Aber die Hängematte bot ihm keinen Halt, sie pendelte hin und her ...

»Mir wird übel«, klagte der Beuteldrache. »Ich werde luftkrank.«

»Jammerlappen«, schalt ihn Scida. Er sah die alte Amazone durch den Vorhang aus Schnüren, der ihre Hängematte von der seinen trennte.

Allmählich wurde es um Gerrek lebendig. Im Hintergrund sah er den wuchtigen Körper der Amazone Burra. Sie saß in ihrer Hängematte und ließ die stämmigen Beine herabbaumeln. Sie trug nur das Untergewand, ihr Haarknoten hatte sich gelöst, und die Strähnen hingen ihr wirr ins Gesicht.

»Das kann nur ein böser Traum sein«, meinte Gerrek unglücklich. »Kneife mich jemand in ... Au!«

Er schrie auf, als ihm jemand auf den Schwanz trat. Er wirbelte herum und sah sich Tertish gegenüber. Die Todgeweihte war bereits angekleidet, sie schien in voller Rüstung geschlafen zu haben. »Sei Burra beim Anlegen der Rüstung behilflich«, befahl sie.

»Ich bin doch kein Männchen für alles«, begehrte Gerrek auf.

»Das ist bedauerlich«, sagte Tertish. »Aber du wirst dein Bestes geben, wenn du dir nicht Burras fürchterlichen Zorn zuziehen willst.«

Das wäre das letzte, was sich der Beuteldrache wünschte, darum fügte er sich. Murrend tastete er sich über die schwankenden Planken einen Weg zu Burras Abteil. Dabei kam er an einer Hängematte vorbei, die sich zwei kleine, grünhäutige Wesen teilten.

Es waren der Aase Lankohr und die Aasin Heeva, die unzertrennlich waren, seit sie sich am Hexenstern begegneten. Sie saßen einander mit überkreuzten Beinen gegenüber und rieben ihre Nasen gegeneinander.

»Habt ihr nichts Sinnvolleres zu tun?«, sagte Gerrek und fügte mit Nachdruck hinzu: »Wir fliegen mit der Luscuma in die Schattenzone.«

Aber die beiden schienen ihn gar nicht zu hören.

»Was willst du?«, herrschte Burra ihn an, als er vor ihr stand.

Unter ihrem Blick spürte Gerrek, wie sich ihm förmlich die Haarbüschel an seinem Körper aufstellten. Er schluckte so heftig, dass sein Kehlkopf auf- und abhüpfte. Obwohl er um fast einen Fuß größer als Burra war, kam er sich ihr gegenüber winzig vor.

Sie war die hässlichste Amazone, der er je begegnet war – und die furchterregendste. Ihr Gesicht war kantig und breit, mit stark hervortretenden Backenknochen, einer flachgedrückten Nase und breitem, wulstigem Mund. Sie hatte die Lippen etwas geschürzt, so dass die gelben, zugefeilten Zähne hervorsahen. Ihre dunklen Augen waren in schwere Tränensäcke eingebettet und wurden von buschigen, balkenartigen Augenbrauen begrenzt, die sich an der Nasenwurzel mit einer dicken, bläulichen Narbe kreuzten.

Ihre breiten muskelbepackten Schultern wirkten wie ausgestopft, ihr Brustkorb war so breit wie der von zwei normalen Männern. Die Schenkel, die unter dem Lendentuch hervorsahen, waren so stark wie die Leibesmitte eines Mannes. Darauf ruhten ihre Pranken, sehnig, schwielig, kraftvoll.

Und diese wildeste und stärkste Amazone von Vanga, die als schier unbesiegbar gegolten hatte, hatte in Mythor ihren Meister gefunden. Gerrek konnte es noch immer nicht glauben. Aber es war Tatsache, geschehen im Regenbogendom des Hexensterns von Vanga.

»Was glotzt du so«, fuhr sie ihn wieder mit ihrer rauen Stimme an. »Willst du mir nicht antworten?«

»Ich soll dich ankleiden«, brachte Gerrek schließlich hervor.

»Verschwinde, ich komme allein zurecht«, sagte Burra und wischte mit der Hand durch die Luft.

Gerrek wollte der Aufforderung schleunigst Folge leisten, aber da rief ihn Burra zurück.

»Beuteldrache«, sagte sie eindringlich. »Du, als Freund Mythors, solltest stets Standhaftigkeit, Stolz und Mut beweisen und eher in den Tod gehen, als solche Demütigungen auf dich zu nehmen. Nur so kannst du dich Mythors Freundschaft würdig erweisen.«

Gerrek überlegte kurz, dann erwiderte er:

»Ich werde nicht von falschen Ehrbegriffen geplagt. Und doch kann Mythor in jeder Lebenslage auf mich zählen. Ich würde für ihn durchs Feuer gehen.«

»Du müsstest schon in die Hermexe steigen, um ihm beizustehen«, meinte Burra.

»Ich würde auch das tun, gäbe es einen Weg.«

»Ich will dir glauben.«

Burra sprang aus der Hängematte und machte sich an ihrer Rüstung zu schaffen, die in einem unordentlichen Haufen auf dem Boden lag. Für sie war das Gespräch beendet.

Gerrek zögerte, bevor er fragte:

»Und wie wird es weitergehen?«

»Du kennst der Zaubermutter Zaem Befehle«, sagte Burra, ohne ihn anzusehen.

»Gedenkst du etwa, dich blind daran zu halten?«, fragte Gerrek.

Burra wirbelte herum, ihr Gesicht war von Zorn gezeichnet.

»Kein Wort mehr. Sonst drehe ich dir deinen dürren Drachenhals um.«

Gerrek machte, dass er wegkam. Er sah ein, dass er zu weit gegangen war. Burra hatte schwer genug an ihrer Bürde zu tragen, auch ohne dass sie von vorlauten Beuteldrachen daran erinnert wurde.

Burra hatte sich damals, im Nassen Grab, eines schweren Vergehens gegen ihre Zaubermutter Zaem schuldig gemacht, als sie Mythor gegen deren Willen am Leben ließ. Burra tat dies nicht aus Wohlwollen für Mythor, sondern nur, um ihn später eines Todes sterben zu lassen, der eines Sohnes des Kometen würdiger war: Sie wollte ihn im ehrenvollen Zweikampf töten. Doch war es ganz anders gekommen, und Mythor hatte über sie triumphiert. Nun war sie ihm verpflichtet, hatte sogar ihr bisher namenloses Schwert nach ihm Mythor getauft.

Ihre Zaubermutter Zaem sah das als nochmalige Verfehlung an und schickte Burra daher auf diesen Bußflug in die Schattenzone und zur Nordwelt Gorgan. Die Zaem verlangte nicht weniger von ihrer Amazone, als dass sie die Hermexe, in der Mythor und Fronja eingeschlossen waren, beim Durchqueren der Schattenzone über Bord warf und somit den Mächten der Finsternis übergab.

Gerrek konnte sich vorstellen, in welchem Gewissenskonflikt sich Burra befand. Und er hätte sich selbst in den Schwanz beißen mögen, dass er in dieser Wunde rührte.

Er schlich sich davon und suchte den hintersten Winkel der Unterkunft auf. Von Scida war nichts mehr zu sehen, und auch die Aasenmatte war leer. Nur aus Burras Richtung kam ein Rumoren, das zeigte, dass sie mit dem Anlegen der Rüstung beschäftigt war. Ihre drei Amazonen, Tertish, Gudun und Gorma, standen in angemessenem Abstand daneben und warteten geduldig, bis Burra fertig war.

Endlich verstummten die Geräusche, schwere Schritte entfernten sich über die Treppe nach oben. Stille kehrte ein.

Gerrek war allein.

Er dachte nicht daran, an Deck zu gehen und luftkrank zu werden. Das Fliegen bekam ihm nicht, und es ging ihm hier unten schon schlecht genug. Aber es war um vieles schlimmer, wenn ihm der Wind um die Ohren pfiff und sich die schwindelerregende Tiefe seinen Augen darbot.

Er wollte die Zauberflöte aus seinem Beutel holen, um darauf zu spielen. Er hatte es inzwischen zu wahrer Meisterschaft auf diesem Instrument gebracht, und das Spiel beruhigte ungemein.

Aber dann übermannte ihn doch die Neugierde. Er steckte die Zauberflöte weg und stieg an Deck. Hier hatten sich bereits alle Amazonen versammelt, und Gerrek kam gerade zurecht, als die Steuerhexe mit ihrem lautlosen Aufruf begann:

Alles herhören! Hier spricht eure Steuerhexe Luscuma. Ich bin das Einhorn! Ich bin das Schiff! Ich bin die Beauftragte der Zaubermütter von Vanga. Mein Wort ist euch Befehl!

*

Es war eine Lust zu fliegen.

Es war eine eigene Lust, das Schiff zu sein und im Einhorn des Bugs zu wohnen. Der fischförmige Ballon und der Schiffsrumpf waren ihr Körper, im Kopf des Einhorns wohnte ihr Geist. Sie hatte Augen überall, sie hörte alles, sie spürte jeden Atemzug und jeden Herzschlag aller über fünfzig Wesen an Bord. Sie kannte die Namen aller und war über ihre wichtigsten Wesenszüge und Eigenschaften unterrichtet. Zaem hatte ihr alles verraten, was sie über ihre Schützlinge wissen musste.

Da war Burra von Anakrom, die die schwersten Prüfungen bestanden hatte, die die Götter für eine Amazone nur ersinnen konnten – und die an einem Mann aus Gorgan gescheitert war.

Zaem hatte ihr über Burra gesagt:

»Sie ist wild und ungezähmt – und doch scheint sie innerlich gebrochen. Sie hat mich hintergangen und verraten, aber sie ist es mir dennoch wert, dass ich ihr noch eine Chance einräume. Sie soll die Kriegsherrin auf dir sein, Luscuma. Ihr soll es vorbehalten bleiben, die Hermexe mit Mythor und Fronja und den sie bedrängenden Dämonen in die Schattenzone zu werfen. Wenn sie das getan hat, dann darf sie in meine Dienste zurückkehren.«

Und da war Lexa. Eine Amazone von vierzig Jahren, die mit zwölf Gefährtinnen als »Sucherin« zum Hexenstern gekommen war. Über sie wusste Zaem zu sagen:

»Sie ist das Gegenteil von Burra, vor allem sittenstreng und enthaltsam. Sie war eine Amazone der Zuma, doch da diese Zaubermutter von den Blutigen Zähnen nie wieder zurückkehren wird, machte sich Lexa auf die Suche nach einer anderen Zaubermutter. Sie hat sie in mir gefunden, ich kann mir keine Treuere vorstellen. Sie wird ein wachsames Auge auf Burra und ihren seltsamen Haufen von Getreuen haben. Lexa hat in jungen Jahren einmal gefehlt, Frucht dieser Sünde ist ihre achtzehnjährige Tochter Jente, die sie begleitet. So alt ihre Tochter ist, so lange hat Lexa Buße getan. Sie wird auf der Luscuma für Zucht und Ordnung sorgen – und dafür, dass keine Stimmen wider mich aufkommen.«

Und dann gab es da noch diesen seltsamen Mann, der in schlafendem Zustand an Bord gebracht wurde, und der nicht geweckt werden sollte. Mescal war sein Name. Zaem meinte über ihn:

»Er ist eine Missschöpfung der Zahda. Eine Kreatur, aus Mann und Frau zusammengesetzt, aber doch wiederum keines von beiden. Er ist männisch und weibisch zugleich, in der Worte übelster Bedeutung. Zahda wollte mit dieser Schöpfung beweisen, dass das Weibliche sich mit dem Männlichen verträgt. Aber Mescal beweist das Gegenteil. Wie auch immer, er soll den Flug mitmachen. Wenn die Luscuma Gorgan erreicht hat, dann setze ihn in der Männerwelt aus.«

Und dann war da noch die Fracht, Hermexe genannt.

Ein äußerlich unscheinbares flaschenförmiges Gefäß. Zwei Fuß groß und bauchig, mit einer dellenartigen Einbuchtung an der unteren Rundung – und drei Hälsen, die versiegelt waren.

Aber der Inhalt der Hermexe war überaus brisant.

Zaem hatte sie darüber informiert.

»Zahda und die anderen Leisetreterinnen glaubten, Fronja, die Tochter des Kometen und Erste Frau von Vanga, retten zu können, obwohl ein Deddeth sie beherrschte und allmählich aufzehrte. Sie verfrachteten Fronja in diese Hermexe, um sie von der Umwelt abzukapseln. Sie glaubten, Fronja auf diese Weise zu schützen und taten so ungewollt das Richtige – sie schützten Vanga, unsere Welt, vor Fronja. Denn wisse, der Deddeth war ein Vorbote der Dämonen. Sie schickten ihn aus, Fronja zu beherrschen, um sich dann in großer Schar auf sie stürzen zu können. Doch landeten sie alle in der Hermexe. Und darin sind sie noch immer. Dämonen ohne Zahl, die, wenn sie entfleuchen könnten, unsere Welt in Besitz nehmen würden. Darum, Hände weg von der Hermexe! Niemand darf sie öffnen. Sie hat versiegelt zu bleiben. In ihr ist auch ein Mann eingeschlossen, ein Gesandter des Kriegers Gorgan. Mythor, der Sohn des Kometen. Er war vermessen genug, Fronja in die Hermexe zu folgen, um sie gegen die Dämonen zu schützen. Sein Schicksal ist besiegelt. Er wollte es nicht anders.«

Die Hermexe hing nun in der Takelage, zusammen mit Körben, in denen Waffen und andere Ausrüstung untergebracht waren, und den Säcken mit dem Ballast. Eine harmlos scheinende Flasche mit drei Hälsen, aber sie hatte es in sich.

Luscuma – das Einhorn, das Schiff – wartete geduldig an Zaems Zacke des Hexensterns, bis die Zaubermutter die über fünfzigköpfige Schar an Bord berief, die den Flug mitmachen sollte.

Dazu gehörten, neben den Amazonen der verschiedenen Zaubermütter, auch ein Aasenpärchen mit Namen Lankohr und Heeva und ein gar seltsames Geschöpf, das als Beuteldrache bezeichnet wurde. Gerrek hieß der verwahrlost aussehende Feuerspucker. Auch er war weder Mann noch Tier, einem Albtraum der Gaidel entsprungen, die ein Opfer von Fronjas Deddeth geworden war ...

Zaem trat vor die Kriegerinnen hin und trug ihnen auf, in die Schattenzone zu fliegen und die Hermexe ins Reich der Finstermächte zu werfen, um danach nach Gorgan vorzudringen und dort Männer verschiedener Abstammung und Herkunft einzufangen – »vom Bettler bis zum Edelmann!«

Und dann war der Start erfolgt.

Die Zaubermütter waren mit der Luscuma. Sie spannten einen magischen Tunnel durch die Lüfte, um dem Luftschiff den Kurs zu weisen – eine magische Regenbogenbrücke vom Hexenstern bis zur Großen Barriere an der Dämmerzone.

Sie, Luscuma, das Einhorn, das Schiff, wiegte ihre Schützlinge in den Schlaf und weckte sie wieder am ersten Morgen der Reise.

Juchheirassa! Juchheirassassa! Wir fliegen in die Schattenzone!

Sie flog nicht zum ersten Mal dorthin, sie war schon einmal in diesem Brodem des Bösen gewesen.

Damals hatte sie noch einen Frauenkörper besessen. Sie war eine Hexe gewesen, die Steuerhexe Luscuma, der gute Geist des Schiffes.

Das war sie noch immer, doch ihren Frauenkörper hatte sie verloren. Sie musste ihn in der Schattenzone zurücklassen und in das Einhorn schlüpfen, um den Dämonen zu entkommen.

Jetzt war sie das Einhorn. Das Schiff. Als solches war sie zu ihrer Zaubermutter Zaem zurückgekommen. Und die Zaem besaß keine bessere Dienerin, die sie mit dieser Mission hätte beauftragen können: Die heißeste Fracht, die je durch die Lufträume von Vanga geflogen worden war – eine Hermexe, in der Dämonen ohne Zahl steckten.

Sie fühlte sich dieser Aufgabe gewachsen.

Als Schiff, als Einhorn, war sie mächtiger als je in ihrem Frauenleben. Sie hatte einen stattlichen Körper. Der gasgefüllte Ballon von der Form eines Fisches maß achtzig Schritt in der Länge. Darin wohnte die Kraft, eine Gondel von dreißig Schritt Länge durch die Lüfte von Vanga zu tragen. Und dazu noch eine über fünfzig Köpfe zählende Besatzung, ausreichende Waffenvorräte, genügend Nahrung, Fässer mit Wasser, Gepökeltem und Salz, und eine Fülle von magischem Gerät.

Als sie über die weiten Meere von Vanga dahintrieb, da konnte sie sich mit den Augen des Einhorns selbst in der spiegelglatten Wasseroberfläche sehen. Sie war schön, grazil, majestätisch, ein vollkommenes Luftschiff, das von ihrem starken Geist beherrscht wurde.

Einst war sie selbst auf dem Bugkastell gestanden, als stolze Hexe, die glaubte, sich selbst mit den Dämonen in ihrem Herrschaftsbereich messen zu können. Jetzt standen dort Burra und Lexa und dachten gewiss ebenso.

Doch Luscuma klärte sie darüber auf, dass sie ohne ihre Hilfe verloren wären.