Mythor 4: Der wahnsinnige Xandor - Paul Wolf - E-Book

Mythor 4: Der wahnsinnige Xandor E-Book

Paul Wolf

5,0

Beschreibung

Die Mächte der Finsternis, die einst die Welt beherrschten, bis sie vom Lichtboten zurückgedrängt wurden, sind wieder auf dem Vormarsch. Nachdem der Lichtbote die Welt wieder sich selbst überlassen hatte, begannen die Kräfte des Bösen, die sich nach ihrer entscheidenden Niederlage in die Dunkelzone geflüchtet hatten, wieder zu erstarken. Inzwischen greifen sie aus der Dunkelzone, einem Ring kosmischer Trümmer, der die Welt umgibt und in eine Nord- und eine Südhälfte teilt, wieder an und beeinflussen bereits weite Teile der nördlichen Länder und deren Bewohner. Das gilt besonders für die Caer, ein Kriegsvolk, das im Auftrag der dunklen Mächte einen Eroberungsfeldzug beginnt und seine Nachbarn mit Feuer und Schwert heimsucht. Die Kräfte, die sich den Invasoren entgegenstellen, sind vergleichsweise schwach. Und Mythor, der junge Streiter für die Sache der Lichtwelt, ist noch nicht in der Lage, dem Gegner gebührend entgegenzutreten. Ihn erwarten erst schwere Prüfungen, die ihn, sofern er sie besteht, stählen und für seine große Mission ausrüsten sollen. Auch den Kampf mit den Barbaren kann man als eine solche Prüfung sehen und das Abenteuer, in dem Sumpfbestien eine Rolle spielen - und DER WAHNSINNIGE XANDOR ...

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Nr. 4

Der wahnsinnige Xandor

von Paul Wolf

Die Mächte der Finsternis, die einst die Welt beherrschten, bis sie vom Lichtboten zurückgedrängt wurden, sind wieder auf dem Vormarsch.

Nachdem der Lichtbote die Welt wieder sich selbst überlassen hatte, begannen die Kräfte des Bösen, die sich nach ihrer entscheidenden Niederlage in die Dunkelzone geflüchtet hatten, wieder zu erstarken. Inzwischen greifen sie aus der Dunkelzone, einem Ring kosmischer Trümmer, der die Welt umgibt und in eine Nord- und eine Südhälfte teilt, wieder an und beeinflussen bereits weite Teile der nördlichen Länder und deren Bewohner.

Das gilt besonders für die Caer, ein Kriegsvolk, das im Auftrag der dunklen Mächte einen Eroberungsfeldzug beginnt und seine Nachbarn mit Feuer und Schwert heimsucht.

Die Kräfte, die sich den Invasoren entgegenstellen, sind vergleichsweise schwach. Und Mythor, der junge Streiter für die Sache der Lichtwelt, ist noch nicht in der Lage, dem Gegner gebührend entgegenzutreten. Ihn erwarten erst schwere Prüfungen, die ihn, sofern er sie besteht, stählen und für seine große Mission ausrüsten sollen.

Auch den Kampf mit den Barbaren kann man als eine solche Prüfung sehen und das Abenteuer, in dem Sumpfbestien eine Rolle spielen – und DER WAHNSINNIGE XANDOR ...

Die Hauptpersonen des Romans

Mythor – Ein einsamer Kämpfer findet Gefährten.

Nottr – Ein Barbar aus den Wildländern.

Fahrna und Sadagar – Ein ungleiches Paar.

Graf Corian – Ein ugalienischer Heerführer.

Krüdelzuhr

1.

»Nottr chom fanchn!«, rief Iki über den Strand, während sie Chnoch mit wild schlagenden Hufen im seichten Ufer tänzeln ließ, dass das Wasser schäumend aufspritzte.

»Tutt ir murkn!«, erwiderte Nottr lachend seiner linken Flankenschwester.

Iki war ein unbändiges Weib. Mit ihrem Übermut riss sie die anderen mit und stachelte sie zu einem Blutrausch auf. Schade nur, dass sie diesen nicht würden stillen können. Denn auf den Wogen des Meeres trieb nur eine einsame Gestalt.

Was war schon ein einzelner Gegner für eine Kriegerschar, deren Zahl der von fünfzehn Viererschaften entsprach! Vermutlich würde er nach den Anstrengungen, die es ihn kostete, sich über Wasser zu halten, nicht einmal die erste Runde des Fanchn-Spiels überstehen.

Nottr fand keinen Spaß daran, einen ohnehin erschöpften Mann zu Tode zu hetzen. Darum beteiligte er sich nicht an dem Spiel. Er tätschelte seiner Stute Nardor beruhigend die Flanke und blickte aufs Meer hinaus.

Der einzelne Schwimmer war dem Ufer schon recht nahe. Aber nun zögerte er und trat Wasser. Der Anblick der Krieger schien ihn einzuschüchtern. Ihm musste klar sein, dass er nur die Wahl hatte, entweder in den Fluten zu ertrinken oder im Kampf zu fallen. Nottr hoffte für seine Leute, dass er ein richtiger Mann war.

Jetzt näherte er sich wieder mit gemächlichen Schwimmbewegungen dem Ufer. Die Krieger dankten es ihm mit wildem Geschrei. Ihr Blut kochte, es dürstete sie nach Kampf. Nottr hatte geglaubt, dass die Meeresstrände dichter bewohnt seien und dass sie hier reichlich Beute finden würden. Darum hatte er seinen Haufen mit dem Ruf: »Zur zonn!« der untergehenden Sonne entgegengeführt. Aber die Strände waren so leer und unbewohnt wie das öde Hinterland.

Die Enttäuschung der Lorvaner war groß, als sie vor sich nichts als die endlose Wasserwüste sahen. Nottr fürchtete schon, dass sie sich seinem Befehl widersetzen und umkehren würden, wie es der Schamane vor seinem Tod geraten hatte.

Aber dann tauchte ein Schiff auf, das geradewegs auf das Ufer zuhielt. Es näherte sich in seltsam stiller Fahrt, gleich einem Geisterschiff. Erst als es fast in Reichweite der Bogen war, konnte man erkennen, dass es bemannt war. Doch nun drehte das Schiff bei und fuhr in einem gleichbleibenden Sicherheitsabstand das Ufer entlang.

Nottr hatte seine Krieger lange zügeln können. Doch als diese erkannten, dass das Schiff nicht anlegen würde, war es um ihre Beherrschung geschehen. Ikis Schrei: »Da champf!« riss die anderen mit, und sie preschten auf ihren Pferden aus den Verstecken hinter den Dünen, als wollten sie das Wassergefährt im Sturmlauf nehmen.

Doch das Meer erwies sich für die Reiter als unüberwindliches Hindernis.

Die Krieger hätten ihrer Wut am liebsten mit einem Pfeilhagel gegen das Schiff Luft gemacht. Doch Nottr fuhr mit Worten und Fäusten drein und erreichte, dass sie davon abließen. Seine Krieger sahen ein, dass jeder Pfeil, der die Sehne in Richtung offenes Meer verließ, unwiederbringlich verloren war.

Der Durchzug durch die Friedländer war sehr verlustreich gewesen. Ugalien war ihnen zum Schicksal geworden. Dort war nicht nur fast all ihr Rüstzeug verlorengegangen, sondern Nottr hatte bei den erbitterten Kämpfen gegen die Ugalier auch die Hälfte seiner Krieger eingebüßt. Es gab keine Viererschaft, die noch vollständig gewesen wäre. Beim letzten Kampf hatte es seine rechte Flankenschwester Fada erwischt.

Nottr war über Fadas Tod noch nicht hinweggekommen, sie war so sinnlos gestorben. Nonu hätte es verhindern müssen. Nonu, die Rückenschwester seines Gevierts ...

Nottr wurde aus seinen Gedanken gerissen, als sich ein Reiter an seine Seite gesellte. Als er Nonu erkannte, erwachte wieder sein Zorn über ihr Versagen. Er hätte sie am liebsten geschlagen, aber er herrschte sie nur an:

»Che fanchn!«

Einen Moment lang sah sie ihn aus ihren großen Augen fragend an. Dann, als sie merkte, dass sich seine Narbe, die quer über den Mund verlief, vor Wut rötete, gehorchte sie wortlos und trieb ihr Pferd zum Ufer.

Nottr starrte auf ihren Rücken, der keinerlei Fellbesatz aufwies. Sie hatte darüber einen Umhang geworfen, der aus der Haut einer Stacheltierart gefertigt war. Nur auf ihren Knien, den Waden und auf der Herzbrust war ihre Haut mit Tierfell verwachsen.

Erst jetzt fiel Nottr auf, dass Nonu keine einzige Narbe am ganzen Körper hatte. Ihr flaches Gesicht mit der etwas zu schmalen platten Nase war makellos. Sie war eine Schönheit unter all den Stammesweibern, aber gerade das zeugte davon, dass sie keine gute Kriegerin war.

Eine Rückenschwester, die keine einzige Narbe aufwies!

Nottr hätte ihr in diesem Moment am liebsten einige Wunden schlagen mögen.

»Nonu chrichst buß«, nahm er sich vor.

Der Schwimmer hatte das Ufer erreicht. Er kam geduckt an Land, und die Reiter bildeten einen Halbkreis. Iki beschimpfte den Fremden, aber wahrscheinlich verstand er kein Wort davon. Er betrachtete die Reiter lauernd und hielt dabei eine eigenartige Lanze stoßbereit.

Diese Lanze hatte keine Spitze, sondern Widerhaken an einem Ende. Das andere Ende war wie eine Keule verdickt, und der Schaft wies auf halber Länge eine zweischneidige Klinge wie ein Schwert auf.

Die Krieger bestaunten diese Waffe, und Nonu äußerte, dass der Fremdling hoffentlich damit umgehen könne. Ausgerechnet Nonu, die Feige!

Nottr verspürte Hunger. Er zog sein wertvolles Krummschwert, das er einst im Zweikampf erworben hatte, und klemmte es so zwischen seinen Schenkel und Nardors Körper, dass die gebogene Schneide nach oben wies. Dann holte er unter dem Sattel die gepökelte Tierschwarte hervor und begann, dünne Streifen davon abzuschneiden. Diese schob er sich in den Mund und begann gedankenverloren zu kauen.

Obwohl er das Geschehen betrachtete, war er mit den Gedanken auch nicht beim Fanchn-Spiel. Er dachte über die Zukunft seines Haufens nach.

Die Ugalier waren ihnen immer noch auf den Fersen. Aber vielleicht konnten sie ihren Verfolgern entkommen, wenn sie weiter nach Norden auswichen und über Eislanden in die Heimat zurückkehrten. Dort wollte Nottr alle kampffähigen Lorvaner um sich scharen und mit ihnen nach Ugalien zurückkehren ...

Das Fanchn begann.

Iki schleuderte dem Fremden ein Schimpfwort entgegen und brach mit gezücktem Kurzschwert aus dem Kreis aus. Der Fremdling erkannte zweifellos ihre Absicht, ihm mit einem Streich das Haupt zu rasieren, und duckte sich. Gleichzeitig stieß er Iki das Keulenende seiner Lanze von unten in den Leib. Er hob sie auf diese Weise förmlich aus dem Sattel und schleuderte sie in hohem Bogen ins Meer.

Nottr vergaß für einen Moment das Kauen.

Der nächste Reiter brach aus dem Kreis aus. Er ging den Fremden von der anderen Seite an, weil er sah, dass er auf dem falschen Fuß stand und zudem noch seine Waffe abgedreht hatte. Der Fremde wurde von dem Angriff überrascht, aber er tat dennoch das Richtige. Statt auszuweichen, umschlang er den Hals des Pferdes mit beiden Armen, ohne seine Waffe loszulassen. Gleichzeitig schwang er die Beine in die Höhe und trat dem Reiter die Füße ins Gesicht. Dieser wurde zwar zurückgeschleudert, konnte sich jedoch im Sattel halten. Er zügelte sein Pferd, so dass es sich aufbäumte und den anderen abwarf.

Der Fremde fiel in den Sand, verlor für einen Moment seine Waffe, raffte sie jedoch sofort wieder an sich und kam geduckt auf die Beine. Diesmal war er jedoch im Nachteil, denn er hatte nicht gesehen, dass sich in seinem Rücken ein weiterer Angreifer näherte.

Der Reiter war Anght, der in vollem Galopp einen fliegenden Vogel aufspießen konnte. Er zielte auch diesmal mit seiner Lanze genau und fuhr dem Fremden von hinten mit dem Spieß unter die Achsel. Die Spitze ritzte vermutlich nicht einmal seine Haut und ging ihm zwischen Arm und Körper durch das Lederwams. Anght hob ihn auf diese Weise hoch und ritt mit dem Zappelnden im Kreis.

Aber der Fremde ließ sich nicht lange lächerlich machen. Irgendwie gelang es ihm, sich seines Wamses zu entledigen und sich zu befreien. Dabei verlor er jedoch seine Waffe.

Bevor er sich danach bücken konnte, war der nächste Reiter heran, beugte sich aus dem Sattel und brachte die Waffe im Vorbeireiten an sich.

Nun war der Fremde entwaffnet, und die zweite Runde des Spiels begann. Die Krieger würden ihn hin und her hetzen und dabei versuchen, ihm die Kleider vom Leibe zu fetzen, ohne ihn zu verletzen. Erst im dritten Durchgang würden sie darangehen, ihm anfangs harmlose Wunden beizufügen.

Der Ausgang des Fanchn-Spiels war für Nottr klar, aber er empfand trotzdem schon jetzt Bewunderung für den Fremdling. Er hielt sich überraschend gut.

Nottr ritt etwas näher.

Der Fremdling stand geduckt und breitbeinig da. Er drehte sich langsam im Kreis, um die Reiter im Auge behalten zu können. Nottr wusste, wie wenig ihm seine Wachsamkeit nützen würde. Denn nun hatte er es nicht nur jeweils mit einem einzelnen Reiter zu tun, sondern immer mit mehreren gleichzeitig.

Und da setzten sich die ersten beiden Reiter aus entgegengesetzten Richtungen in Bewegung. Als der Fremde sah, dass er von zwei Seiten angegriffen wurde, versuchte er, den freien Raum zwischen ihnen auszunutzen. Doch ließen sie ihm keinen Spielraum. Sie trieben ihn zwischen sich in die Enge, und dann sausten ihre Schwerter auf ihn nieder. Die Klingen kreuzten sich fast, als sie knapp vor und neben dem Opfer die Luft durchteilten.

Bevor der Fremdling Atem holen konnte, waren schon die nächsten beiden Reiter heran. Diesmal standen eine Lanze und ein Dolch gegen ihn. Doch als diese Waffen ihm schon bedrohlich nahe waren, brach er unvermittelt mit einem Sprung zur Seite aus. Nottr glaubte schon, dass er von den Hufen der Pferde zertrampelt würde. Doch hatte er seinen Sprung so gut eingeteilt, dass er unversehrt wieder auf die Beine kam und sogar gewappnet war, als die nächsten beiden Reiter auf ihn zukamen.

Einer der beiden Angreifer war Nonu. Ihre Stärke war die Peitsche. Sie schwang sie knallend über dem Kopf, wartete, bis ihr der andere Reiter das Opfer zutrieb und ließ den Riemen dann auf dieses zuschnellen.

Nonu traf den Fremden um die Leibesmitte und wollte ihn im Vorbeireiten mitschleifen. Aber der Fremde stand wie ein Fels. Durch Nonus Körper ging ein Ruck, und der Fremde zog sie an ihrer Peitsche aus dem Sattel.

Nottr hielt den Atem an. Er hatte noch keinen Stammesfremden so kämpfen gesehen! Und selbst dieser Kraftakt schien den Fremden nicht geschwächt zu haben. Er holte Nonu an ihrer Peitsche ein, die sie festhielt, als hänge daran ihr Leben. Als er sie zu sich gezogen hatte, schlang er ihr den Riemen um den Hals und hob sie als lebenden Schild vor sich.

In diesem Augenblick war der nächste Fanchn-Reiter heran. Er konnte den vollzogenen Schwertstreich nicht mehr stoppen und fügte Nonu eine Schnittwunde zu.

Jetzt hatte Nonu ihre erste Narbe!

Die Reiter brüllten auf. Aus ihren Schreien klang eine gewisse Bewunderung für ihr Opfer, aber auch Zorn darüber, dass sie von einem Entwaffneten so genarrt wurden. Das vertrug ihr Stolz nicht, und Nottr wusste, dass seine Leute nun Schluss machen würden. Sie zogen sich zurück, um Aufstellung für die letzte Runde zu nehmen.

Der Fremde hielt die wild um sich schlagende Nonu noch immer in der Peitschenschlinge fest.

Nottr konnte die kurze Atempause dazu nützen, den Fremdling eingehender zu betrachten. Er ritt in den Kreis ein, und Iki machte ihm sofort Platz.

»Tu tust tott hib?«, fragte sie. Aber Nottr schüttelte den Kopf. Er war nicht gekommen, um den tödlichen Hieb gegen den Fremdling zu führen. Er wollte ihn sich nur genau ansehen und sich das Gesicht eines Mannes merken, der mit bloßen Händen einen wahrhaft heldenhaften Kampf gegen eine übermächtige Horde geliefert hatte.

Der Fremde war groß und schlank und mehr sehnig als muskulös, obwohl er vor innerlicher Kraft zu strotzen schien. Sein Gesicht wirkte entschlossen, die Lippen über dem kraftvollen, energischen Kinn waren voll. Am auffälligsten war die Hautfarbe des Fremden, die dunkler als die der Bewohner dieses Landes war. Und zudem hatte er helle Augen. Diese kreuzten Nottrs Blick.

Da traf den Anführer der Lorvaner so etwas wie eine Erkenntnis. Das war nicht das Gesicht eines unbekannten Helden. Es war für ihn ein seltsam vertrautes Antlitz, das ihm ein Geheimnis offenbarte.

»Da murkn, Nottr!«, rief Iki ungeduldig.

Nottr winkte ab. Überwältigt verließ er den Fanchn-Kreis und näherte sich dem Fremdling.

»Tott hib!«, verlangten Nottrs Krieger. Sie wollten endlich Blut sehen und damit die Schande von ihrer Kriegerehre waschen. Aber Nottr sagte entschlossen:

»Net tott hib! Da mutt un tapfr. Chutr erer. Chrottr erer.«

Die Krieger äußerten ihren Unmut über Nottrs unverständliches Verhalten. Nottr hätte es ihnen nicht erklären können, was ihn veranlasste, dem Fremden das Leben zu schenken. Der Mut und die Tapferkeit des Fremden, die er gegenüber seinen Kriegern pries, wären keine ausreichende Veranlassung für seinen Gnadenakt gewesen.

Die Wahrheit war, dass sich Nottr bei der Betrachtung des Fremden seltsam berührt fühlte.

Als er Nardor vor ihm anhielt, griff er unter den Sattel und holte das Pergament hervor, in das die gepökelte Schwarte eingewickelt war. Er entrollte das Pergament und steckte die Schwarte weg. Dann blickte er lange auf das Bildnis, das auf dem Pergament festgehalten war. Von dort sah er immer wieder kurz zu dem Fremden, und mit jedem Mal, da er den unbekannten Helden mit dem Bildnis verglich, stieg Nottrs Ehrfurcht vor ihm.

Tukk hätte dieses Geheimnis vielleicht lüften können. Aber der Schamane war tot. Nottr musste selbst entscheiden.

Mit einem Gefühl der Ergriffenheit stieg er aus dem Sattel, kauerte vor dem Fremden nieder und reichte ihm das Pergament. Dazu sagte er in der Sprache der Friedländer, die er leidlich beherrschte:

»Du nicht sterben. Du sehen und zu mir sagen. Ich Nottr.« Der Fremde ließ Nonu los und ergriff zaghaft das Pergament. Er hielt es vors Gesicht und starrte darauf. Dabei weiteten sich seine Augen vor Überraschung, und seiner Kehle entrang sich ein unverständlicher Laut. Er konnte die Augen nicht von dem Bildnis lassen, das schließlich seinen zitternden Händen entglitt und zu Boden fiel.

Aber auch dann starrte er immer noch verständnislos darauf.

»Es dein! Dir gehören«, sagte Nottr plötzlich aus innerem Antrieb. »Du mutig! Du tapfer! Du mir Freund?«

Es erleichterte Nottr, dass der Fremde auf sein Angebot nicht mit Ablehnung antwortete. Es war immer gut, sich mit geheimnisumwitterten Leuten gut zu stellen. Weil man nicht wusste, ob sie nicht auch Träger übernatürlicher Kräfte waren.

»Wie dein Name?«, fragte Nottr.

Und der Fremde, der dem Frauenbildnis auf dem Pergament so stark ähnlich sah, antwortete:

2.

Mythor glaubte nicht, dass er sein Leben der Kampfkraft verdankte, die er gegenüber den Barbaren gezeigt hatte. Auch wenn ihr Anführer seinen Mut und seine Tapferkeit hervorhob, so war er sicher, dass er Nottrs Gnade nur seiner Ähnlichkeit mit dem Frauenbild auf dem Pergament zuzuschreiben hatte. Der Barbar war abergläubisch, wie alle einfachen Menschen dieser Welt. Vermutlich glaubte er an Bilderzauber, und die Ähnlichkeit zwischen Mythor und der Frau auf dem Bild musste seine Urängste angesprochen haben.