Mythor 89: Der Lava-Mann - Paul Wolf - E-Book

Mythor 89: Der Lava-Mann E-Book

Paul Wolf

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Beschreibung

Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, verlassen und Vanga, die von den Frauen regierte Südhälfte der Lichtwelt, erreicht, wo er von der ersten Stunde seines Hierseins an in gefährliche Geschehnisse verstrickt wurde. Diese Geschehnisse nahmen ihren Anfang im Reich der Feuergöttin, wo Mythor für Honga, einen aus dem Totenreich zurückgekehrten Helden, gehalten wurde. Es kam zur Begegnung mit Vina, der Hexe, und Gerrek, dem Mann, der in einen Beuteldrachen verwandelt worden war. Es folgten Kämpfe mit Luftgeistern und Amazonen, es kam zu Mythors Gefangenschaft, zur Flucht und zu erneuten Kämpfen mit denen, die sich an Mythors Fersen geheftet hatten. Gegenwärtig setzt Mythor alles daran, den Hexenstern zu erreichen, wo er seine geliebte Fronja, die Tochter des Kometen, in schwerer Bedrängnis weiß. Der Weg dorthin scheint nun offen. Zusammen mit den Amazonen von Narein und Horsik, zwischen denen nun gezwungenermaßen ein Waffenstillstand herrscht, erreicht Mythor die Flotte in der Schattenbucht, die in Bälde zum Hexenstern auslaufen soll. Mythor und seine Gefährten gehen an Bord eines Schiffes, dessen Seehexe einen speziellen Zauber beherrscht. Bei der Anwendung dieses Zaubers erscheint DER LAVA-MANN ...

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Nr. 89

Der Lava-Mann

von Paul Wolf

Mythor, der Sohn des Kometen, hat in der relativ kurzen Zeit, da er für die Sache der Lichtwelt kämpfte, bereits Großes vollbracht. Nun aber hat der junge Held Gorgan, die nördliche Hälfte der Welt, verlassen und Vanga, die von den Frauen regierte Südhälfte der Lichtwelt, erreicht, wo er von der ersten Stunde seines Hierseins an in gefährliche Geschehnisse verstrickt wurde.

Diese Geschehnisse nahmen ihren Anfang im Reich der Feuergöttin, wo Mythor für Honga, einen aus dem Totenreich zurückgekehrten Helden, gehalten wurde. Es kam zur Begegnung mit Vina, der Hexe, und Gerrek, dem Mann, der in einen Beuteldrachen verwandelt worden war. Es folgten Kämpfe mit Luftgeistern und Amazonen, es kam zu Mythors Gefangenschaft, zur Flucht und zu erneuten Kämpfen mit denen, die sich an Mythors Fersen geheftet hatten.

Gegenwärtig setzt Mythor alles daran, den Hexenstern zu erreichen, wo er seine geliebte Fronja, die Tochter des Kometen, in schwerer Bedrängnis weiß.

Der Weg dorthin scheint nun offen. Zusammen mit den Amazonen von Narein und Horsik, zwischen denen nun gezwungenermaßen ein Waffenstillstand herrscht, erreicht Mythor die Flotte in der Schattenbucht, die in Bälde zum Hexenstern auslaufen soll.

Mythor und seine Gefährten gehen an Bord eines Schiffes, dessen Seehexe einen speziellen Zauber beherrscht.

Bei der Anwendung dieses Zaubers erscheint DER LAVA-MANN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Mythor – Der Sohn des Kometen begegnet einer legendären Gestalt.

Glair – Eine Seehexe.

Scida – Die Amazone fühlt sich um ihre Rache betrogen.

Die rostige Shuk – Leuchtturmwärterin der Schattenbucht.

Josnett – Schiffsführerin der

1.

Vom offenen Meer schob sich eine Nebelwand in die Bucht. Oben wurde sie von windzerrissenen Wolkengebilden begrenzt, die immer höher aufragten, je näher sie dem Land kamen, und bald die sinkende Sonne verschluckten. Der Himmel verdunkelte sich von einem Atemzug zum anderen. Aber in der Schattenbucht herrschte weiterhin ein eigentümliches Licht, das die vorgelagerten Inseln milchig erstrahlen ließ. Das Wasser war grau und ruhig. Die Stille wirkte unnatürlich, wie die Ruhe vor dem Sturm.

Entlang des karg bewachsenen, zumeist zerklüfteten Ufers ankerten an die hundertundfünfzig Seeschiffe verschiedener Größe, je zur Hälfte in den Hoheitsgewässern der Horsik- und der Narein-Sippe. Auf eine solche Trennung wurde größter Wert gelegt, denn die beiden Sippen lagen miteinander in Fehde, und es war bekannt, dass die von Horsik gerade mit allen zur Verfügung stehenden Kräften gegen die Mauern von Burg Narein anrannten.

Zu der Flotte von zweimal über siebzig Seeschiffen kamen nochmals an die fünfzig Luftschiffe, darunter regelrechte fliegende Festungen ebenso wie kleinere Ballons, deren offene Gondeln höchstens drei Personen Platz boten.

Während die unheimliche Stimmung auf die Besatzungen der anderen Schiffe übergegriffen zu haben schien, ging es an Bord der Südwind hoch her. Einmal in sieben Tagen wurden die Schmutzigen, durchweg Männer, die im Schiffsbauch niedrigste Arbeiten zu verrichten hatten, an Deck geholt und gewaschen.

Zu diesem Behuf wurden sie in Körbe gesteckt, die an langen Stangen befestigt waren, und dann ins Wasser gelassen. Einmal, zweimal, und immer wieder, bis die Seefrauen befanden, dass der Waschung genug war. Die Dauer dieses Verfahrens hing nicht allein davon ab, wie schmutzig der solcherart Behandelte wirklich war, sondern hatte auch damit zu tun, ob er sich in der abgelaufenen Woche aufsässig gezeigt hatte oder nicht. Für die Seefrauen der Südwind war dies, wenn sie die Langeweile drückte, stets eine willkommene Abwechslung. Für die Betroffenen weniger; aber andererseits waren sie auch schon so weit abgestumpft, dass sie alles nahmen wie es kam. Bis auf einen. Sie nannten ihn Kleff.

»Genug!«, rief Josnett von den Bugaufbauten hinunter, wo ihre Seefrauen Kleff erneut im Korb ins Wasser lassen wollten. Es ging um irgendeine Wette, soviel hatte die Schiffsführerin mitbekommen. Sie schritt ein, bevor ihre Seefrauen den Sklaven ertränken konnten. Auf der letzten Fahrt hatte sie die Hälfte der Schmutzigen verloren, und sie glaubte nicht, dass sie in der Schattenbucht Ersatz bekommen könnte – obwohl es gerade hier von zwielichtigem Gesindel nur so wimmelte. Schmuggler, Menschenhändler, Spione und Lichtscheue jeder Art gaben sich hier ein Stelldichein.

»Lasst Kleff in Ruhe!«, rief Josnett, als die Seefrauen in ihrem Treiben innehielten und betroffen zu ihr hinaufsahen. Der Lärm verstummte sofort, der Korb wurde eingeholt und der völlig erschöpfte Mann herausgelassen.

Die Schiffsführerin hatte den Vorfall sofort wieder vergessen. Sie stand, an die Großarmbrust gelehnt da, und starrte auf die Bucht hinaus. Josnett war eine imposante Erscheinung, eine Wind- und Wetterfrau, die die Meere von Vanga befuhr, solange sie denken konnte. Vor zehn Jahren hatte sie das Kommando über die Südwind übernommen.

»Was kommt da auf uns zu?«, fragte sie, ohne sich nach ihrer Seehexe Glair umzuwenden, die hinter ihr auf den Bugaufbauten stand. »Diese Wolkenberge haben etwas Furchteinflößendes an sich. Erinnern sie dich nicht auch an die Schattenzone, Glair?«

Die Seehexe lachte.

»Was redest du da«, sagte sie erheitert. »Für dich gibt es doch gar nichts zum Fürchten.«

»Das nicht ... Aber ich bin beunruhigt. Ich habe mit einem so langen Aufenthalt in der Schattenbucht nicht gerechnet. Das ist mir ein zu seltsamer Ort. Es kommt gewiss nicht von ungefähr, was man sich darüber erzählt.«

»Das glaubst du doch nicht alles!«

»Und du?«

»Die Schattenbucht ist ein geschichtsträchtiger Ort, aber das trifft auf ganz Ganzak zu, eigentlich auf jedes Land von Vanga«, antwortete Glair. »Man sollte den Legenden nicht zuviel Gewicht beimessen. Zumindest du als Schiffsführerin solltest dich nicht davon beeinflussen lassen. Mit mir ist das etwas anderes. Ich bin eine Hexe, ich muss solchen Dingen auf den Grund gehen ...«

»Darum frage ich dich!«, herrschte Josnett ihre rotbemantelte Seehexe an. »Was bringt diese düstere Nebelwand mit sich?«

»Nichts, was zur Sorge Anlass geben könnte«, sagte Glair.

Josnett stieß zornig die Luft aus.

»Ich komme mir in dieser Bucht wie gefangen vor«, sagte sie. »Man hat mir aufgetragen, hierherzufahren, um Kriegerinnen an Bord zu nehmen. Aber nun ankern wir schon seit drei Tagen, und es sieht so aus, dass wir nochmals so lange warten müssen. Nur weil die Kriegerinnen, die wir abholen sollen, nichts Gescheiteres zu tun haben, als sich gegenseitig die Schädel einzuschlagen. Warum spricht in dieser Sache niemand ein Machtwort?«

Obwohl Josnett keinen Namen nannte, meinte sie damit niemand anderen als die Zaubermutter Zaem selbst, von der sie erwartete, dass sie den Streit zwischen den beiden Ganzak-Sippen von Narein und Horsik schlichten würde.

Glair konnte Josnett verstehen. Als vor etlichen Tagen eine Kurierhexe der Zaem in ihrem Ballon den Kurs der Südwind vor Toolahori kreuzte und den Befehl gab, die Schattenbucht von Ganzak anzulaufen, um ein Amazonenheer an Bord zu nehmen, da hatte es den Anschein gehabt, dass es sich um eine dringliche Angelegenheit handelte. Nach der Ankunft am Zielort hatte man bereits über siebzig Schiffe vorgefunden, an die der gleiche Auftrag ergangen war. Inzwischen waren es doppelt so viele, die, zur Untätigkeit verdammt, in der Schattenbucht vor Anker lagen.

Josnett konnte nichts anderes tun, als sich die Zeit beim Bechern und mit Würfelspiel in Gesellschaft der anderen Schiffsführerinnen zu vertreiben.

Glair erging es als Hexe da ungleich besser. Ihr kam der Aufenthalt sehr gelegen, denn sie konnte die Zeit nützen, um der Legende von dem Mann Caeryll nachzugehen. Schon als sie zum ersten Mal davon hörte, dass der legendäre Caeryll, der in der Schattenbucht seine einzige und entscheidende Niederlage durch Garbica von Narein hatte hinnehmen müssen, angeblich hier überall seine Spuren hinterlassen hatte, war sie sofort Feuer und Flamme gewesen. Aber bisher war ihren Nachforschungen nicht der gewünschte Erfolg beschieden gewesen.

Glair entsann sich, dass sie Josnett immer noch eine Antwort schuldig war. Doch sie wurde einer solchen enthoben, als von einem der anderen Schiffe Lichtsignale kamen.

»Illstra ruft dich von der Irrlicht zum allabendlichen Würfelspiel«, stellte Glair fest.

»Pah«, machte Josnett angewidert und stieß sich von der Brüstung ab. »Aber was für einen anderen Zeitvertreib habe ich denn schon! Kommst du mit?«

»Du weißt, dass ich für solcherart Vergnügen nichts übrig habe«, antwortete Glair. »Ich habe mir vorgenommen, die rostige Shuk in ihrem Leuchtturm zu besuchen.«

Josnett wandte sich ab, verhielt einen Moment und drehte sich dann noch einmal zu ihrer Hexe um.

»Weißt du, was mich an diesem Einsatz besonders stört?«, sagte sie.

»Ja, dass den Oberbefehl über diese Flotte eine Amazone der Zytha hat«, antwortete Glair verständnisvoll.

Josnett spuckte in hohem Bogen über die Reling. Als der Priem die Wasseroberfläche traf, kräuselte sich diese ein wenig und wurde sofort wieder glatt.

»Als wäre das Wasser versteinert«, stellte Josnett fest und fügte zusammenhanglos hinzu: »Und als hätte die Zaem keine Schiffsfrau, der sie die Führung ihrer Flotte zutrauen könnte.«

Damit stapfte sie wütend die Treppe zum Mitteldeck hinab. Glair hätte Josnett sagen können, dass Zaems Wahl vermutlich aus taktischen Gründen erfolgt war und dass sie den Oberbefehl über die Horsik-Narein-Flotte nur darum einer Amazone der Zytha übertragen hatte, um die verbündeten Zaubermütter nicht zu vergrämen.

Das seltsame Leuchten, das über der Bucht gelegen hatte, wich allmählich der Dämmerung. Aber noch war die gigantische Nebelwolke noch nicht in die Bai eingedrungen, sie umschloss die Schattenbucht nur wie die Klauen eines Ungeheuers, das seine Beute in der Gewissheit belauerte, dass sie ihm nicht entkommen konnte.

Von überall blinkten die Signallaternen, mit denen sich die Besatzungen der Schiffe untereinander verständigten. Auf diese Weise wurden Treffen ausgemacht und Neuigkeiten ausgetauscht – auch unter den Seehexen. Glair hatte kein Interesse, an einer der Zusammenkünfte teilzunehmen, da hätte sie sich ebenso gut Josnett anschließen können.

Sie ließ ein kleines Beiboot zu Wasser bringen und sich von zwei Seefrauen, Ciria und Storge, zum Leuchtturm rudern.

Glair war gespannt, ob die rostige Shuk ihr etwas Neues über den Mann Caeryll erzählen konnte.

*

Glair saß im Heck des Bootes und starrte ins unnatürliche glatte Wasser. Wo die Ruder eintauchten, schäumte die Oberfläche nur für einen Moment auf, um sich dann sofort wieder zu glätten. Etwas Ähnliches hatte die Hexe, die immerhin schon acht Jahre zur See fuhr, noch nicht erlebt.

Welche Kräfte waren hier am Wirken, die die Wasseroberfläche spiegelglatt machten? Glair scheute sich beinahe, ihre Fähigkeiten einzusetzen und das Wasser zu befragen, obwohl sie das schon unzählige Male getan hatte und ihr alle Gefahren dieser Art Spiegelmagie bekannt waren.

»Was hat es zu bedeuten, dass unser Boot keine Wellen schlägt?«, fragte Ciria, eine sonst furchtlose Seefrau, mit unsicherer Stimme. »Es ist, als führen wir durch einen dicken Brei. Dabei gleiten wir mühelos übers Wasser.«

Glair streckte ihre beiden Hände übers Wasser aus und starrte auf ihre acht Kristallringe, in denen sich das Dämmerlicht brach. Durch die Kristalle sah sie die Meeresoberfläche vielfach gebrochen, sortierte verschiedene Bilder aus, bis nur noch eines übrigblieb: ein magisches Spiegelbild der Wasseroberfläche, das einen Blick in die Vergangenheit gewährte ...

In Glairs Ohren war ein Rauschen, als vermische sich ein Orkan mit den Geräuschen des tosenden Meeres. Irgendwo tauchte der Schatten eines Schiffsbugs auf. Flackernder Schein, wie von einem brennenden Schiff brach sich in Schwertklingen. Eine ertrinkende Gestalt schlug mit letzter Kraft um sich ... ein Arm reckte sich auf einer Schaumkrone, griff nach Glair und bekam sie am Hals zu fassen ...

Ein markerschütternder Schrei riss die Seehexe in die Wirklichkeit zurück. Keuchend und nach Atem ringend lehnte sie sich zurück.

»Ich dachte, da sei jemand, der das Schwert gegen mich erhebe«, sagte Storge.

»Hast ... hast du geschrien?«, fragte Glair.

»Es kam alles so überraschend – und jetzt ist der Spuk wieder vorbei«, sagte Storge entschuldigend.

»Ich habe es auch erlebt«, bestätigte Ciria. »Mir war, als sehe ich brennende Schiffe – eine ganze Flotte in ein Seegefecht verstrickt ...«

»Es war meine Schuld«, sagte Glair, die sich von dem Schrecken bereits erholt hatte. »Ich glaube, ich habe wieder einmal einen Blick durch die dunkle Seite des Spiegels getan.«

Die Seehexe brauchte dies nicht näher zu erklären, Ciria und Storge wussten, was sie damit meinte. Es war Glairs besondere Begabung, jegliche Wasseroberfläche als magischen Spiegel benutzen zu können, um durch diesen in vergangene oder zukünftige Bereiche sehen zu können. Dadurch war es ihr, unter anderem, möglich, das Wetter vorauszusehen und zu beeinflussen. Manchmal passierte es dabei jedoch, dass sie an die Geister jener geriet, die in den Fluten den Tod gefunden hatten. Einem ähnlichen Erlebnis verdankte sie ihr schlohweißes Haar, das davor rabenschwarz gewesen war.

»Es heißt, dass auf der Schattenbucht ein Fluch liegt«, sagte Ciria. »Caerylls Fluch. Darum heißt auch eine der vorgelagerten Inseln so. Und man sagt, dass dieser Mann mit den Dämonen paktiert habe – und darum noch immer Einfluss auf die Stätte seiner Niederlage habe.«

»Man sagt gar vieles«, meinte Glair, aber sie fragte sich, ob sie durch den Blick in den Wasserspiegel nicht eine Kostprobe der Geschehnisse von vor dreieinhalb Großkreisen bekommen hatte – von der Seeschlacht um Caerylls Schwimmende Stadt Carlumen.

»Es heißt auch, dass Caeryll immer wieder zur Stätte seiner Niederlage zurückkommt«, sagte Storge verhalten.

»Ich weiß«, entgegnete Glair.

»Es wäre besser, die Schattenbucht zu verlassen«, sagte Ciria, schien es aber sofort wieder zu bereuen, denn sie berichtigte sich: »Ich meine, du solltest die Rostige besser nicht aufsuchen. Weißt du, dass sie eine ehemalige Hexe ist, die aus eurer Gilde verstoßen wurde?«

Glair nickte. Aber sie wusste auch, dass die rostige Shuk mehr als alle anderen über die Caeryll-Legende wusste – ausgenommen vielleicht, die Forscherin Vilge. Doch diese hielt sich nicht hier auf, sondern sollte sich auf der belagerten Burg Narein befinden.

»Was mag das für eine Frau sein, die rostet wie Eisen«, sagte Ciria schaudernd.

»Du darfst den Beinamen, den man der Leuchtturmwächterin gegeben hat, nicht so wörtlich nehmen«, sagte Glair lachend. »Euch beide brauche ich ohnehin nicht. Ihr könnt im Boot zurück bleiben.«

Der der Steilküste vorgelagerte Felsen ragte wie ein mahnender Finger in den bereits wolkenverhangenen Himmel. Und wie als Krone war ihm der sich nach oben verjüngende Leuchtturm aufgesetzt.

Das Boot legte an, Glair kletterte hinaus und begann mit dem beschwerlichen Aufstieg. Es gab keine Treppe, sondern nur einen steilen, felsigen Pfad, der sich um den Fels zum Leuchtturm hinauf ringelte.

Als Glair oben ankam, stand das Tor bereits offen. Von innen sagte eine quäkende Stimme.

»Ei, was für hohen Besuch ich bekomme! Seit man mich aus der Gilde verstoßen hat, war keine Hexe mehr bei mir. Wie habe ich diese ungewohnte Ehre nur verdient?«

»Man sagt, du seist eine Caeryll-Kundige«, sagte Glair in die Dunkelheit.

Ein gackerndes Lachen kam als Antwort.

Plötzlich sprühten Funken und entzündeten den Docht einer Öllampe. In ihrem Schein war eine krumme Gestalt zu erkennen, die über und über wie mit rotem Moos bewachsen war. Zuerst glaubte Glair, dass es sich um ein rostfarbenes Gewand handelte, doch bei genauerem Hinsehen erkannte sie, dass es Flechten waren, die die Haut überzogen. Die Bucklige hob den Kopf, und Glair sah, dass auch ihr Gesicht mit diesen rostigen Flechten bedeckt war.

»Entsetzt dich mein Anblick?«, fragte die Rostige belustigt. »Diesen Aussatz verdanke ich jenen, die mich aus der Gilde verstoßen haben. Es könnte sogar sein, dass er auf Hexen übertragbar ist.«

»Du kannst mich nicht erschrecken«, sagte Glair unbeeindruckt.

»Nein?«, fragte Shuk enttäuscht und warf die Arme in die Luft. »Dann eben nicht. Aber erwarte nicht, dass ich dir deine Unerschrockenheit lohne. Auch bitte ich, mein schlechtes Benehmen zu entschuldigen. Ich bin den Umgang mit ehrbaren Leuten nicht mehr gewöhnt. Ich habe es nur mit Seelendieben und Schlimmeren zu tun. Warum, sagtest du, hast du dich überwunden, mich aufzusuchen? Ach, ja. Ich soll eine Caeryll-Kundige sein. Dass ich nicht lache! Vilge nennt sich so ... aber wäre sie sich nicht zu gut, zu mir zu kommen, könnte ich ihr einiges erzählen, was sie von niemandem sonst erfahren kann. Ich habe sie von meinem Turm aus oft beobachtet, wie sie mit ihrem Boot in der Bucht kreuzte – aber stets auf falschem Kurs. Vilge hat meine Hilfe verschmäht, also soll sie dumm sterben.«

»Aber ich bin zu dir gekommen«, sagte Glair.

»Ah, ja, du, eine Hexe des achten Grades – was für eine Ehre. Komm mit!« Shuk nahm die Öllampe an sich und stieg damit eine Wendeltreppe hinauf. Dabei fuhr sie fort: »Ich habe meine Verfehlung gebüßt – und ich bereue. Die Hexengilde weiß das, aber keines dieser hochnäsigen Weiber hat mir bisher Gehör geschenkt. Sie lassen mich weiterhin leiden. Der Belag schlägt sich schneller an meinem Körper nieder, als ich ihn abschaben kann ... Was ich nicht schon alles versucht habe!«

»Vielleicht könnte ich ...«

»Halt den Mund! Ich will keine leeren Versprechungen hören!«

Sie erreichten die oberste Plattform des Leuchtturms. Ein plötzlich aufkommender Windstoß blies die Öllampe aus. Hier oben war es überhaupt sehr windig, während unten in der Bucht sich noch immer kein Lufthauch regte. Die Meeresoberfläche war noch immer spiegelglatt.

»Da kommt Caeryll!«, sagte Shuk und deutete nach vorne.

Glair versuchte, die Nebelwand mit den Augen zu durchdringen, und sie nahm sogar ihre kristallenen Zauberringe zu Hilfe. Aber die Rostige lachte sie nur aus.