Mythor 112: Der magische Bann - Paul Wolf - E-Book

Mythor 112: Der magische Bann E-Book

Paul Wolf

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Beschreibung

Mythor, der Sohn des Kometen, begann seinen Kampf gegen die Mächte des Dunkels und des Bösen in Gorgan, der nördlichen Hälfte der Welt. Dann, nach einer relativ kurzen Zeit des Wirkens, in der er dennoch Großes vollbrachte, wurde der junge Held nach Vanga verschlagen, der von den Frauen beherrschten Südhälfte der Lichtwelt. Und obwohl in Vanga ein Mann nichts gilt, verstand Mythor es nichtsdestoweniger, sich bei den Amazonen Achtung zu verschaffen und den Hexenstern zu erreichen, wo er endlich mit seiner geliebten Fronja zusammenkam. Gegenwärtig befinden sich der Sohn des Kometen und seine Gefährten, zu denen inzwischen auch Fronja, die ehemalige Erste Frau von Vanga, und Burra, die Amazone, gehören, inmitten der Schattenzone. Bislang hat die Gruppe um Mythor gegen alle Schrecknisse bestanden, die von den Dämonen und ihren Helfern gegen sie ins Feld geführt wurden. Aber Darkon, der Herr der Finsternis, ruht nicht. Er hat längst einen Plan geschmiedet, der den Sohn des Kometen endgültig ins Verderben führen soll. Dieser Plan, der indessen der Vollendung entgegengeht, sieht vor, zwei weit entfernte Orte miteinander zu verbinden und auf solche Art und Weise zwei Freunde zusammenzuführen, von denen der eine den anderen meuchlings töten soll. Die Verbindung erzeugt DER MAGISCHE BANN ...

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Nr. 112

Der magische Bann

von Paul Wolf und Hugh Walker

Mythor, der Sohn des Kometen, begann seinen Kampf gegen die Mächte des Dunkels und des Bösen in Gorgan, der nördlichen Hälfte der Welt. Dann, nach einer relativ kurzen Zeit des Wirkens, in der er dennoch Großes vollbrachte, wurde der junge Held nach Vanga verschlagen, der von den Frauen beherrschten Südhälfte der Lichtwelt. Und obwohl in Vanga ein Mann nichts gilt, verstand Mythor es nichtsdestoweniger, sich bei den Amazonen Achtung zu verschaffen und den Hexenstern zu erreichen, wo er endlich mit seiner geliebten Fronja zusammenkam.

Gegenwärtig befinden sich der Sohn des Kometen und seine Gefährten, zu denen inzwischen auch Fronja, die ehemalige Erste Frau von Vanga, und Burra, die Amazone, gehören, inmitten der Schattenzone.

Bislang hat die Gruppe um Mythor gegen alle Schrecknisse bestanden, die von den Dämonen und ihren Helfern gegen sie ins Feld geführt wurden. Aber Darkon, der Herr der Finsternis, ruht nicht. Er hat längst einen Plan geschmiedet, der den Sohn des Kometen endgültig ins Verderben führen soll.

Dieser Plan, der indessen der Vollendung entgegengeht, sieht vor, zwei weit entfernte Orte miteinander zu verbinden und auf solche Art und Weise zwei Freunde zusammenzuführen, von denen der eine den anderen meuchlings töten soll.

Die Verbindung erzeugt DER MAGISCHE BANN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Mythor – Der Sohn des Kometen in der Fliegenden Stadt.

Burra – Die Amazone erreicht den Boden von Gorgan.

Nottr – Der Barbar im magischen Bann.

Thonensen – Der Sterndeuter bekämpft Magie mit Magie.

Taurond und Duzella – Zwei junge Tauren.

Donahin

1.

Carlumen

Hukender heiß ich, Schwertträger Mokkufs bin ich.

Geboren, wie der Held auch, im Lande Ibserien, jedoch nicht von solch edler Abstammung wie er, fand ich gnädige Aufnahme bei seinem Geschlecht auf Burg Komauf. Ihm zu dienen, bis der Fährmann mich holt, habe ich gelobt.

Vernehmt, was ich zu singen habe über Mokkuf, meinen Herrn und Gebieter, einen Helden, wie kein zweiter je geboren.

Einem Traum folgend, den sein Leibmagier Mevoir ihm gedeutet, brach er mit sieben Waffenträgern in die Schattenzone auf, um den sagenumwobenen Schatz von Carlumen, der Fliegenden Stadt Caerylls, zu heben. Der ibserische Held meisterte alle Gefahren, die sich ihm in diesem unglaublichen Reich der Finsternis entgegenstellten. Doch verlor er beim Abstieg in die tiefsten Niederungen des Dämonenreichs und bei Kämpfen ohne Zahl Waffenträger um Waffenträger, bis nur noch ich, Hukender, der Schwertträger, ihm verblieb.

Unter der Bürde des gesamten Rüstzeugs geleitete ich den ibserischen Recken bis an den entferntesten Ort jenes nicht fassbaren Finsterbaums, der sich über die gesamte Schattenzone verzweigt. Und hier, in der Spitze der tiefsten Wurzel, fand mein edelblütiger, furchtloser Herr und Gebieter Carlumen im Bann der Schlange Yhr. Er, der allen Gewaltentrotzte, der Sieger zahlloser Kämpfe, der Unerschrockene, sah sich an seinem Ziel um den Lohn seiner Mühen betrogen, denn einen Schatz von schimmerndem Gold und glitzerndem Edelgestein fand er nicht.

Nachdem er seine Heldenhaftigkeit und sein Waffengeschick so oft unter Beweis gestellt hatte, erwartete ihn hier die größte Bewährungsprobe. Für den Helden Mokkuf und mich, seinen Schwertträger, führt erst ein Weg nach Ibserien zurück, wenn der hier tobende Kampf beendet und der Sieg errungen ist.

Der Nykerier gebietet über Mokkufs Waffen, die ich, Hukender, ein Ibserer wie der Held, doch von niederer Herkunft, für ihn trage.

*

Es kam der Moment, da schien die zähe Masse sie erdrücken zu wollen. Sie stiegen bereits seit Stunden durch einen engen Kamin in die Tiefe, der aus ineinander verkeiltem Treibgut gebildet wurde. Gesteinsbrocken, Ruinenreste, geborstene Schiffsmaste und -planken hatten sich in der senkrechten Mittelachse des träge rotierenden Trichters zu einem Gerüst vermengt, an dem Mythor und seine Gefährten Halt fanden.

Der Abstieg war beschwerlich, und sie kamen nur langsam voran. Dennoch waren sie froh, dass sie ihren Weg selbst bestimmen konnten und den hier herrschenden Gewalten nicht hilflos ausgeliefert waren.

Das war nicht immer so gewesen. Hinter ihnen lagen Tage des Schreckens und der Entbehrungen. Es war keiner unter ihnen, der nicht schon mehrmals mit seinem Leben abgeschlossen hatte. Aber mit dem Mut der Verzweiflung hatten sie den tödlichen Gefahren getrotzt, hatten über die dunklen Elemente gesiegt und sich gegenseitig angespornt.

Sie waren eine verschworene Gemeinschaft geworden, in der jeder für jeden kämpfte – einer für alle und alle für einen. Denn sie hatten längst erkannt, dass sie diese letzte Hürde vor dem nahen und doch so fernen Ziel nur überwinden konnten, wenn sie zusammenhielten. Es war fast, als hätte ihnen Moogeth, dieses Gemeinschaftswesen, das in der Unterwelt von Scadrach herrschte, ein Beispiel gegeben.

Scadrach war ein Eiland aus Feuer und Wasser, in dem diese beiden unverträglichen Elemente miteinander harmonierten. Und Mythor hatte eine Gruppe aus Wesen um sich geschart, die verschiedenster Herkunft und Abstammung waren und die ihre sonst unvereinbaren Lebensanschauungen in der Stunde der Bewährung doch aufeinander abgestimmt hatten.

Das war schon während des Abstiegs auf der Dämonenleiter so gewesen, und es wurde immer deutlicher, je näher sie Yhr kamen – jenem Ort, wo sie Caerylls Fliegende Stadt Carlumen wussten, Mythors Ziel.

Wo anders hätte die Amazone Jarana der verhassten Scida die Hand gereicht, um sie vor dem Absturz zu bewahren? An jedem Ort der Lichtwelt wäre die stolze Burra lieber in den Tod gegangen, als die Hilfe eines Beuteldrachen anzunehmen, hier aber fand sie es nicht unter ihrer Würde, sich an seinen Schwanz zu klammern, um eine Klippe zu überwinden.

Robbin, der Pfader, hatte die Führung übernommen. Ihm folgten dichtauf Fronja und Mythor. Dahinter kamen Scida und Burra. Letztere hatte Heeva und Lankohr auf ihren Schultern sitzen, sie schien das Gewicht des Aasenpärchens nicht zu spüren. Sie regte sich nur darüber auf, wenn sie die beiden dabei ertappte, wie sie ihre Nasen aneinander rieben.

»Hört mit dem Geschmuse auf!«, schalt sie sie dann.

»Wir halten Kriegsrat«, behauptete Lankohr daraufhin.

»Wie lange sind wir unterwegs?«, erkundigte sich Mythor bei Robbin, der einen untrüglichen Zeitsinn hatte, jedoch nicht gewillt war, darüber Auskunft zu geben, wie es ihm möglich war, Stunde und Tag zu bestimmen.

»Es rundet sich der neunte Tag, seit wir am Letzten Ufer von Scadrach aufgebrochen sind«, antwortete der Pfader, der auch während des anstrengenden Abstiegs Zeit fand, an seinen Körperbinden zu nesteln und sie immer wieder neu zu wickeln. Manchmal schien es, dass er sich dieser Tätigkeit gar nicht bewusst war. Sie war für ihn so selbstverständlich wie das Atmen.

»Wäre es nicht wieder an der Zeit, eine Rast einzulegen?«, meinte Mythor mit einem Blick nach oben. »Die anderen sind schon ziemlich weit zurückgefallen.«

Hinter Burra war eine große Lücke entstanden, und weit oben tauchten gerade die beiden ungleichen Gestalten von Cryton und Nadomir auf. Der Götterbote und der Königstroll, was für ein Paar!, dachte Mythor. Und er fragte sich, ob der Götterbote ihm zürnte, weil er sein Angebot ausgeschlagen hatte, ihm in höhere Gefilde zu folgen. Aber nein, sagte er sich, Cryton rechnete es ihm sogar hoch an, dass er, Mythor, seine Freunde nicht im Stich ließ. Er war deswegen sogar so sehr von ihm angetan, dass er erklärte, ebenfalls an seiner Seite bleiben zu wollen. Doch wer vermochte schon zu sagen, welche Gründe einen Götterboten dazu bewogen?

»Wir warten, bis die anderen zu uns gestoßen sind«, entschied Robbin. »Dann setzen wir den Abstieg fort. Wie schon eine alte Pfaderregel sagt, macht das Rasten hungrig. Aber unsere Vorräte an Nahrung, Wasser und Salz sind fast schon aufgebraucht. Abgesehen davon sollten wir zusehen, dass wir weiterkommen, solange wir festen Grund unter den Füßen haben. Wer weiß ...«

Robbin verstummte, als von oben ein durchdringendes Rumoren erklang.

»Hört ihr des hungrigen Beuteldrachen Magenknurren?«, rief Burra lachend.

Ihr Gelächter verstummte augenblicklich, als sich das Geräusch wiederholte. Durchdringender und lauter, kam es diesmal von allen Seiten. Der Felsbrocken, auf dem Mythor stand, wurde erschüttert und neigte sich knirschend zur Seite.

Fronja stieß einen spitzen Schrei aus, als plötzlich ein dicker Holzbalken barst, der die Mauerreste eines Gebäudes gestützt hatte, das zwischen anderem Strandgut eingekeilt war. Die Ruine stürzte in sich zusammen, und die Trümmer fielen krachend in die Tiefe.

Mythor sprang hinzu und packte Fronja am Arm, um sie vor dem Absturz zu bewahren.

»Danke«, sagte sie und entwand sich seinem Griff. »Ich bin kein schwaches Püppchen, das den starken Arm eines Gorganers braucht.«

»Findest du nicht, dass du in dem Bestreben, deine Selbständigkeit unter Beweis zu stellen, maßlos übertreibst«, sagte Mythor. »Es gab auch schon Situationen, in denen du mir beistandest. Du musst zwischen Bevormundung und Kameradschaft unterscheiden lernen.«

»Du bist der Verblendete von uns beiden«, erwiderte Fronja.

Mythor wusste, woher ihre Ablehnung kam. Sie dachte, dass ein Bildzauber ihn an sie band, und darum wehrte sie alle seine Versuche, ihr näherzukommen, vehement ab. Dass sie dabei weit übers Ziel hinausschoss, wollte sie nicht wahrhaben. Und Mythor konnte ihr nicht klarmachen, dass er viel tiefere Gefühle für sie empfand, als ein Liebeszauber schaffen konnte. Er nahm sich fest vor, dieses Missverständnis aus der Welt zu räumen, sobald sich die Gelegenheit dazu ergab. Es stand wie eine Mauer zwischen ihnen, und er wusste, dass auch Fronja stark darunter litt.

Im Augenblick war jedoch nicht die Zeit dafür, dieses Thema zu erörtern. Von oben erklang ein furchtbarer Schrei, der in einem donnerartigen Grollen unterging. Dann rief eine der Amazonen:

»Der Schacht stürzt ein!«

Durch die Lücke, die hinter der eingestürzten Mauer entstanden war, quoll eine graue, blasenwerfende Masse. Aus ihr schob sich ein dicker, mehrere Körperlängen messender Stoßzahn irgendeines verendeten Ungeheuers hervor – und genau auf Burra zu. Die Amazone sprang mit einem wütenden Aufschrei zur Seite und entging so knapp dem Schicksal, von dem Stoßzahn aufgespießt zu werden.

Scida hatte auf einer hölzernen Plattform Schutz gesucht, die zwischen zwei Felsen eingeklemmt war. Doch unter dem Druck der einfallenden Masse wurde der obere Felsbrocken fortgewälzt, und die Plattform mit Scida kippte um. Die alternde Amazone verlor den Halt, fiel auf Mythor und riss ihn mit sich in eine Woge des grauen, zähflüssig hervorquellenden Breies, in den zuvor auch schon Robbin geraten war.

»Haltet euch aneinander fest!«, rief der Pfader. »Wir müssen zusammenbleiben, sonst sind wir verloren. Lasst euch von dem Schleim nicht verschlingen.«

Mythor trat kräftig mit den Beinen aus und stellte erleichtert fest, dass er sich auf diese Weise aus der zähflüssigen Masse befreien konnte. Robbin klammerte sich an Scidas Rücken fest, und Mythor hatte die Amazone seinerseits am Gürtel zu fassen bekommen. Ein Blick nach oben zeigte ihm, dass alles Treibgut, das den Kamin gebildet hatte, in Bewegung geraten war.

Er sah den Kleinen Nadomir behände von Fels zu Fels springen, ohne dass er dabei die Hände aus seinem Muff nahm. Cryton folgte etwas langsamer. Der Umhang, der seine Körperbilder verhüllen sollte, flatterte wie im Wind.

»Schließt zu uns auf!«, rief Mythor nach oben. »Wir dürfen uns nicht aus den Augen verlieren und müssen versuchen, gemeinsam eine rettende Insel zu erreichen.«

Eine zarte Hand streckte sich in sein Blickfeld. Er blickte hoch und erkannte Fronja. Dankbar ergriff er ihre Hand, wagte es jedoch nicht, sich an ihr hochzuziehen, um sie nicht mit ins Verderben zu reißen.

Da griff Burra mit ihren Pranken zu und hob Mythor mit Scida und Robbin im Schlepptau zu sich und Fronja herauf. Die Amazone und die Tochter des Kometen hatten sich auf eine Felsnadel gerettet.

Kaum hatte Mythor wieder festen Boden unter sich, da traf auch schon Nadomir ein, dem kurz darauf Cryton folgte. Rings um sie türmten sich wahre Berge des schleimartigen Breies, aus dem bizarre Gebilde aufragten, verschlungen wurden und an anderer Stelle wieder an die Oberfläche traten.

»Es ist überwältigend und schrecklich zugleich«, sagte Scida beeindruckt. »Können wir überleben? Oder waren alle unsere Mühen umsonst und finden wir hier unser Grab?«

»Sei still, Alte!«, herrschte Burra sie an. »Solange wir atmen, können wir unser Geschick auch bestimmen.«

»Ich glaube, wir haben es bald überstanden«, sagte Robbin, ohne zu erklären, wie er das meinte.

Tertish erreichte die rettende Insel und zog sich mit ihrem gesunden Arm auf die Felsnadel. In der Nähe trieben noch weitere Amazonen, die sich mittels Schwimmbewegungen näherten.

»Zu Hilfe!«, hörten sie da Gerrek rufen. Als sie in die Richtung blickten, aus der seine Stimme kam, sahen sie ihn schräg über ihnen, wie er sich verzweifelt gegen zwei Felsbrocken stemmte, die ihn zwischen sich zu zermalmen drohten.

Eine Amazone, deren Helm das Blitzzeichen zierte, stand über ihm und war gerade dabei, eine vier Fuß hohe Steinstatue zwischen die beiden Felsen zu klemmen. Sie hatte es kaum geschafft, da verließen Gerrek die Kräfte. Er machte einen Satz nach vorne. Die Steinstatue hielt die beiden Felsen lange genug auseinander, so dass sich der Beuteldrache in Sicherheit bringen konnte. Er stürzte kopfüber in eine Schleimkaskade, und für einen Moment war nur die Spitze seines Schwanzes zu sehen. Einen Atemzug später schoss eine Flammenzunge durch die graue Masse, und Gerreks Kopf tauchte auf.

»Wir sind fast vollzählig«, stellte Burra nach einem kurzen Rundblick fest. »Außer Gerrek fehlt nur noch Dorema, die dem Beuteldrachen das Leben gerettet hat. Wenn die beiden zu uns stoßen, wird es allerdings etwas eng werden.«

»Alles halb so schlimm«, behauptete Robbin. »Das Ärgste haben wir überstanden. Was wie eine Katastrophe ausgesehen hat, ist in Wirklichkeit eine ganz normale Begleiterscheinung. Wir haben das Ende des Trichters erreicht.«

Mythor hatte bemerkt, dass sie weiter nach unten geglitten waren und die gefährliche Zone hinter sich gelassen hatten. Der Fluss der grauen Masse verlief geordneter, es gab keine entgegengesetzten Strömungen mehr. Die Felsnadel, auf der sie Schutz gesucht hatten, glitt allmählich wieder aus der zähen Masse heraus, wurde förmlich ausgestoßen. Die gegenüberliegende Seite entrückte immer mehr, so dass man einen besseren Überblick gewann.

Mächtige Wogen und Kaskaden des träge fließenden grauen Schleimes erhoben sich nach allen Richtungen und bewegten sich zusätzlich in der sich kreisförmig nach unten drehenden Strömung. Mythor hatte plötzlich den Eindruck eines sturmgepeitschten Meeres, dessen Wasser zu berghohen Wellen aufgeschichtet wurde – zu einer gigantischen Flutwelle, die entlang der Schattenzone über die Welt raste, die an diesem Ort jedoch um ein Vielfaches verlangsamt wurde und fast zum Stillstand gekommen war.

Der Vergleich kam nicht von ungefähr, sondern drängte sich Mythor in Erinnerung an seine erste Durchquerung der Schattenzone mit der Goldenen Galeere auf. Prinz Nigomirs Schiff war damals den tobenden Gewalten zum Opfer gefallen, und Mythor hatte dabei die gesamte Ausrüstung des Lichtboten verloren – beinahe auch sein Leben. Und nun war er wieder am Grund der Schattenzone, doch die Flutwelle war zu bizarren Gebirgen eines sich nur träge verformenden Breies erstarrt. Welche unheimlichen Kräfte sorgten dafür?

Robbin schien Mythors Gedanken erraten zu haben, denn er sagte an ihn gewandt:

»Wir befinden uns bereits im Bannkreis der Schlange Yhr. Hier irgendwo muss Carlumen gestrandet sein. Aber wer weiß, ob es die Fliegende Stadt überhaupt noch gibt.«

Plötzlich brach die Wand des turmhoch aufragenden Schleimes, auf dessen Krone die rettende Felsnadel balancierte, auseinander. Ein riesiger Echsenkopf stieß durch, wild ausschlagende Beine folgten mit einem gepanzerten Körper.

»Ein Yarl!«, rief der Kleine Nadomir aus. »Nutzen wir die Gunst des Augenblicks und wechseln wir auf seinen Panzer über. Auf diese Weise könnten wir unsere Reise bequem fortsetzen.«

Mythor zögerte einen Augenblick. Aber als das Riesentier zur Hälfte aus der Schleimwoge ausgebrochen war und er die Gebäudereste auf seinem Panzer sah, befahl er:

»Wir steigen auf den Yarl um. Es handelt sich um ein gezähmtes Tier, so dass es uns nicht schwerfallen sollte, es zu steuern.«

Er ging mit gutem Beispiel voran und ließ sich über die graue, glitschige Schleimwand in die Tiefe gleiten. Die anderen machten es ihm sofort nach und landeten bald nach ihm auf dem Yarl-Panzer.

»Besser hätten wir es gar nicht treffen können«, meinte Mythor zufrieden. »Der Yarl bringt uns rascher vorwärts und bietet uns den denkbar besten Schutz.«

»Und wie willst du diesem Ungeheuer klarmachen, in welche Richtung es uns bringen soll?«, fragte Gerrek zweifelnd.

»Ich bin in Churkuuhl aufgewachsen, einer Nomadenstadt, die auf den Rücken von Yarls gebaut war«, sagte Mythor. »Ich war zwar kein Yarl-Führer, aber einige Kniffe habe ich ihnen abgeschaut.«

Der Sohn des Kometen war zuversichtlich, dass die in Churkuuhl gesammelten Erfahrungen ihm nun von Nutzen sein würden.

*

Auf, auf, Hukender, spute dich, der ibserische Held Mokkuf, dein Herr und Gebieter, braucht Rüstung und Schwert! Hörst du nicht das Heulen der Sirene, die Alarm bläst? Hörst du nicht die Stimme des Nykeriers, der zu den Waffen ruft?