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Die nachhaltige Wirksamkeit der internationalen Entwicklungszusammenarbeit wird seit jeher in Frage gestellt. Zahlreiche Entwicklungsmaßnahmen scheitern aufgrund von Fehlern in der Projektkommunikation innerhalb eines Projektteams oder auch in der Kollaboration mit Projektpartnern. Annalies A. Beck richtet den Fokus auf die komplexen Kommunikations- und Wissensmanagementprozesse im Rahmen der Zusammenarbeit von Entwicklungsprojekten und betrachtet diese aus handlungs-/ kulturtheoretischer Sicht. Auf der Basis von 28 ausgewerteten Interviews mit Vertretern von ICT4D-Projekten in 12 Ländern der Regionen Lateinamerika, Ostafrika und Südasien eröffnet die Autorin neue Perspektiven zur Frage, wie eine nachhaltig wirksame Zusammenarbeit und Projektkommunikation gestaltet werden kann und erörtert auch, welche Rolle der Einsatz von neuen digitalen Kommunikations- und Kollaborations-Technologien wie Social Media spielt. Abgeleitet aus den Forschungsergebnissen liefert das Sustainable Development Collaboration Principles-Modell Empfehlungen zur optimierten Gestaltung der projektbezogenen Zusammenarbeit sowie zum sinnvollen Einsatz von Social Media. Das Modell lässt sich weltweit in der Entwicklungszusammenarbeit anwenden und leistet einen Beitrag zur Steigerung der nachhaltigen Wirksamkeit von Entwicklungsprojekten.
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Seitenzahl: 473
Veröffentlichungsjahr: 2020
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Annalies A. Beck
Nachhaltig wirksame Kollaboration in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit
Bedingungen und Handlungsempfehlungen unter besonderer Berücksichtigung des Einsatzes von Social Media am Beispiel von ICT4D-Initiativen in Lateinamerika, Ostafrika und Südasien
Zugl.: Dissertation, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2019
Impressum
Texte: © Copyright Annalies A. Beck
Umschlag: © Copyright Annalies A. Beck
Druck: epubli – Ein Service der neopubli GmbH, Berlin
Vorwort
Die folgende Arbeit entstand als Dissertation im Fachbereich Interkulturelle Wirtschaftskommunikation an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
In den vier Jahren bis zur Einreichung meiner Dissertation bin ich um einige Lebenserfahrungen reicher geworden. Ich bedanke mich bei allen Menschen, die mich auf dem Weg zur Promotion begleitet haben. Vor allem danke ich meiner Familie, Bastian, Jonathan, Lucia, Benjamin, Evi, Alfred, Marlene und Fritz für ihr Verständnis und ihren Optimismus zu jeder Zeit.
Ich danke außerdem ganz besonders
Prof. Dr. Stefanie Rathje (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin) und Prof. Dr. Jürgen Bolten (Friedrich-Schiller-Universität Jena) für die freundliche Betreuung und die fachkundigen Hinweise zu meiner Arbeit
Prof. Dr. Laurenz Volkmann (Friedrich-Schiller-Universität Jena) für die Übernahme des Kommissionsvorsitzes und die Ermöglichung einer virtuellen Disputation
meinen 28 InterviewpartnerInnen in Lateinamerika, Ostafrika und Südasien für ihre Offenheit und Gesprächsbereitschaft
Eva Sander vor allem für die umfassende Unterstützung bei der Visualisierung meiner Ideen
Dr. Anna Hansch für den fachlichen Austausch und die Bestärkung zur Promotion
Andrea Mayr, Ayca Nina Zuch, Denise Rosenbauer, Elisabeth Jungklaus, Dr. Lisa Nguyen, Stefanie John und Stefanie Nölkel für wertvolle Rückmeldungen zu meiner Arbeit und besondere Freundschaften
Dr. Diana Krieg und Dr. Ricarda Rehwaldt vor allem für die kollegiale Beratung
Edda Wilde für das zielgenaue Coaching und die Ermutigung, das Promotionsprojekt zu starten (und zu beenden)
allen (ehemaligen) MitarbeiterInnen des
Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft
und des
Instituts of Electronic Business
in Berlin für die Inspiration und Forschungsmotivation, insbesondere im Rahmen der langjährigen Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Dr. Thomas Schildhauer
allen MitarbeiterInnen der Graduiertenakademie der Friedrich-Schiller-Universität Jena für die kompetente Beratung bei allen organisatorischen Fragen einer externen Doktorandin
der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin für das Coaching-Angebot für Promotionsinteressierte und Promovierende und vor allem für die finanzielle Unterstützung meiner Promotion im Rahmen des
Berliner Programms zur Förderung der Chancengleichheit in Forschung und Lehre
.
2030 ist das Jahr, bis zu welchem die Sustainable Development Goals (SDG), die 2015 durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen (VN){1} in New York verabschiedet wurden, im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit (EZ){2} erreicht werden sollen. Die zugrundeliegende Agenda sieht 17 Ziele vor, wobei das neunte Ziel lautet: „Build resilient infrastructure, promote inclusive and sustainable industrialization and foster innovation“ (UN, 2015: 14). Seitens des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wird bereits 2013 (S. 6f) festgestellt: „Der Zugang zu Wissen und seine Umsetzung in innovative Produkte, Prozesse und Dienstleistungen werden immer mehr zu zentralen Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung.“ Nachhaltige internationale EZ bedarf folglich Innovation. Diese lässt sich wiederum nur umsetzen, wenn zuvor der Zugang zu Wissen geschaffen wird. Neue Internettechnologien, insbesondere Social Media, bieten innovative Möglichkeiten für den intra- und interorganisationalen{3} Umgang mit Wissen in der internationalen EZ.
Holtz (vgl. 2000) und Nuscheler (2008: 5) regen an, anstelle von „Nachhaltigkeit“ vielmehr von „nachhaltiger Wirksamkeit“ der internationalen EZ zu sprechen. Diesem Ansatz wird im Rahmen dieser Studie gefolgt. Die nachhaltige Wirksamkeit einer Vielzahl von Maßnahmen, die im Rahmen der internationalen EZ umgesetzt werden, wird seit jeher in Frage gestellt (vgl. Stockmann, 2016; vgl. Moyo, 2011; vgl. Rist, 2008). Dies soll anhand des Beispiels der ICT4D-Initiativen{4} erläutert werden. ICT4D steht für Information and Communication Technologies (ICT{5}) for Development{6}, verstanden als Initiativen, bei denen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) eingesetzt werden, um die Lebensumstände für Menschen in entwicklungsschwachen{7} Regionen zu verbessern (vgl. Heeks, 2009). Die Tatsache, dass weltweit bis zu 70 % der ICT4D-Initiativen scheitern (vgl. IEG, 2011; vgl. Dodson et al., 2013), begründet den Bedarf einer Ursachenanalyse sowie den Einbezug neuer Lösungsansätze, um die „failure rate“ (ebd.; Marais, 2011: 100) solcher „Entwicklungsmaßnahmen“ (Bialluch/Görgen, 2013) künftig zu senken. Leslie et al. (2018: 2) stellen hierzu fest: „Development professionals [...] are at particular cross-roads with some commentators suggesting that these organisations have failed in their mission to effect transformational change for the poor.“ Trotz der vorhandenen Analysen zum Scheitern von Entwicklungsprojekten (vgl. Baduza/Khene, 2015; vgl. Sanner/Nielsen, 2018) existieren keine allgemeingültigen Kriterien, anhand derer sich der Erfolg{8} einer Maßnahme bewerten lässt. Die Durchführung von allgemeinen Erfolgsmessungen in Bezug auf Entwicklungsmaßnahmen ist dementsprechend unmöglich (vgl. Klingebiel, 2013; vgl. Nuscheler, 2008). Ebenso lassen sich hierzu keine empirischen Belege finden (vgl. Stockmann, 2016). Die stetige Zunahme an durchgeführten Evaluationen einzelner Projekte leisten lediglich einen auf Organisationen, Länder oder Sektoren{9}beschränkten Beitrag (vgl. Klingebiel, 2013). Wenn diese Evaluationsberichte in der Praxis üblicherweise lediglich an Projektbeteiligte verteilt werden, bleiben übergreifende und nachhaltig wirkende Lerneffekte aus (vgl. Raftree, 2015), von denen andere Entwicklungsprojekte hinsichtlich ihres eigenen Projekterfolgs profitieren würden.
Die vorliegende Studie zielt nicht darauf ab, den Erfolg bzw. nachhaltige Effekte bestimmter Entwicklungsmaßnahmen nachzuweisen. Sinnvoll erscheint vielmehr die wissenschaftliche Analyse von Faktoren, die die nachhaltige Wirksamkeit von Entwicklungsprojekten begünstigen und bedingen. Eine Vielzahl von existierenden Evaluationsberichten einzelner Entwicklungsmaßnahmen deuten auf einen Wirkungszusammenhang unterschiedlicher Rahmenbedingungen in den jeweiligen entwicklungsschwachen Regionen hin, die die nachhaltige Wirksamkeit von Entwicklungsprojekten beeinflussen. Holtz (2000: 8) führt hierzu an, worin er die entscheidenden Hemmnisse nachhaltiger Wirksamkeit sieht: „Mängel bei der finanziellen und institutionellen Absicherung der Vorhaben, den allgemeinpolitischen und sektoralen Rahmenbedingungen, der Akzeptanz und dem Verhalten der Zielgruppen, aber auch Inkompetenz auf der Seite der Geber, die Überfrachtung der EZ mit anderen Zielen und mangelnde Kohärenz entwicklungspolitischer Ziele [...] mit anderen Politikbereichen.“ Gurstein (vgl. 2006) und Krigsman (vgl. 2009) sind der Meinung, dass die Hauptursache für das Scheitern zahlreicher Entwicklungsmaßnahmen in Kommunikationsproblemen während der Umsetzung eines Entwicklungsprojekts liegt und sprechen demenentsprechend von folgenschweren „communication failures“ (ebd.). Warum es zu diesen Kommunikationsproblemen kommt und welche Implikationen damit verbunden sind, soll in dieser Studie untersucht werden. Somit bietet es sich an, den Fokus auf eine Analyse der intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit im Rahmen von Entwicklungsmaßnahmen zu richten und die Bedingungen der Kommunikation zwischen den beteiligten Akteuren näher zu betrachten. Auf diese Weise kann diese Studie einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung entscheidender Einflüsse auf die nachhaltige Wirksamkeit von Entwicklungsmaßnahmen leisten.Bezugnehmend auf das Forschungsfeld der Wirtschaftskommunikationswissenschaften und angrenzenden Forschungsdisziplinen wird angenommen, dass die nachhaltig wirksame Umsetzung von Entwicklungsmaßnahmen von komplexen organisationalen Kollaborations-{10} und Kommunikationsprozessen abhängt, in deren Rahmen Wissen transferiert wird. Dabei geht es zum einen um die intraorganisationale Kollaboration auf projektinterner Ebene. Diese betrifft die Zusammenarbeit, die Beziehungen sowie die Kommunikation zwischen Projektmitgliedern bzw. Mitarbeitern{11} von Non-Governmental-Organisations (NGOs) (deutsch: Nichtregierungsorganisationen, NROs) oder Nonprofit-Organisations (NPOs) (deutsch: nicht-gewinnorientierte Organisationen), die in der Regel für die Durchführung von Entwicklungsmaßnahmen verantwortlich sind.
Zum anderen steht die interorganisationale Kollaboration auf projektexterner Ebene im Forschungsinteresse dieser Arbeit. Diese bezieht sich auf die Zusammenarbeit, die Beziehungen sowie die Kommunikation zwischen einer solchen Projektorganisation und organisationsexternen Akteuren wie Förderpartnern oder anderen Entwicklungsprojekten.
Es geht bei der Beschäftigung mit der nachhaltigen Wirksamkeit von Entwicklungsmaßnahmen in dieser Studie folglich nicht um die Betrachtung von (Projekt-)Zielgruppeneffekten{12}. Die Betrachtung sektorspezifischer Aufgaben der Projektbeteiligten bzw. die Auseinandersetzung mit Projektzielgruppen bzw. Leistungsempfängern von Entwicklungsprojekten wird in dieser Studie ausgeklammert. Stattdessen geht es um die Analyse der verschiedenen Kollaborationsformen, deren Wirkungen auf intra- und interorganisationaler (Projekt-)Ebene und deren Einfluss auf die nachhaltig wirksame Umsetzung einer Entwicklungsmaßnahme.
In Bezug auf die angestrebte nachhaltige Wirksamkeit einer Entwicklungsmaßnahme ist der Transfer von projektspezifischem Wissen zwischen den beteiligten Akteuren unabdingbar und steht im Zentrum der intra- und interorganisationalen Kollaboration. Teammitglieder internationaler Entwicklungsprojekte agieren zum Teil räumlich getrennt voneinander. Innovative inernetbasierte IKT wie Social Media{13} erfüllen innerhalb von Organisationen u. a. den Zweck, Wissen orts- sowie zeitunabhängig mit einer beliebig großen Anzahl von Personen teilen zu können. Im April 2020 verzeichnet das DataReportal (vgl. 2020) 4,6 Milliarden Internetnutzer weltweit, von denen 3,8 Milliarden Social-Media-Anwendungen (vgl. Hootsuite, 2020) nutzen. In einer unter 5.352 NGOs in 164 Ländern und sechs Kontinenten durchgeführten Studie zum Einsatz von Social Media geben 93% der Nutzer an, eine Facebook Fan-Seite{14} für die projektexterne Kommunikation ihrer Organisation zu nutzen (vgl. Nonprofit Tech For Good, 2018: 11). Dies führt zu der Annahme, dass die Social-Media-Nutzung auch in der intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit von Entwicklungsprojekten eine Rolle spielt. Somit stellt sich zum einen die Frage, wie seitens der Projektbeteiligten mit Wissen umgegangen wird, unter welchen Bedingungen die intra- und interorganisationale Zusammenarbeit gestaltet wird und inwiefern dabei Social-Media-Anwendungen zum Einsatz kommen.
Empirische Untersuchungen zu den Bedingungen der nachhaltig wirksamen intra- und interorganisationalen Kollaboration in Entwicklungsprojekten liegen nicht vor. Entsprechend unerforscht ist der Einsatz von Social Media in der intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit von Entwicklungsprojekten. Tayyar (vgl. 2013), de Bastion (vgl. 2013) und Steltemeier (vgl. 2018) bestätigen dies und weisen auf das Potenzial des Einsatzes digitaler Technologien in der projektbezogenen Zusammenarbeit von Entwicklungsmaßnahmen hin.Derzeit kann lediglich auf Studien u. a. von Hoffjann & Pleil (vgl. 2015) zum allgemeinen Einsatz von Social Media in NGOs zurückgegriffen werden. Zum Einsatz von Social Media in der organisationsinternen und -externen Kommunikation haben zudem u. a. Moqbel & Nah (vgl. 2017) und Klier & Lautenbacher (vgl. 2013) empirische Ergebnisse veröffentlicht. Dennoch besteht insbesondere in Bezug auf den Anwendungskontext von NGOs weiterhin erheblicher Forschungsbedarf (vgl. Hoffjann/Gusko, 2018: 295).Andere Publikationen fokussieren bspw. den Einfluss von Social Media auf die Bu¨rgerbeteiligung in entwicklungsschwachen Regionen (vgl. Tim et al., 2014), was sich somit lediglich auf die Arbeit mit den Projektzielgruppen einer Entwicklungsmaßnahme bezieht, nicht jedoch auf die intra- und interorganisationale Zusammenarbeit von Entwicklungsprojekten. Darin zeigt sich die Forschungslücke zwischen Theorie und Praxis. Im Rahmen dieser Studie wird angenommen, dass es für die Optimierung von Entwicklungsprojekten weltweit im Sinne der nachhaltigen Wirksamkeit einen deutlichen Vorteil darstellt, wenn dargelegt wird, welchen Bedingungen die intra- und interorganisationale Zusammenarbeit in Entwicklungsprojekten unterliegt und welcher Stellenwert Social Media beizumessen ist. Die empirische Untersuchung trägt dazu bei, aufzuzeigen, um welche Bedingungen es sich handelt, welche Konsequenzen sich daraus ergeben und wie mit diesen Anforderungen seitens der Projektbeteiligten umgegangen wird. Ziel ist es, basierend auf empirischen Daten ein Konzept zu entwickeln, das Verantwortliche von Entwicklungsprojekten dabei unterstützt, bisherige Kommunikationsprozesse zu hinterfragen und die intra- sowie interorganisationale projektbezogene Zusammenarbeit unter Berücksichtigung eines sinnvollen Einsatzes von Social Media nachhaltig zu optimieren. Inwiefern damit nachhaltig wirksam Einfluss auf den Projekterfolg genommen werden kann (vgl. Gurstein, 2006; Krigsman, 2009), soll im Rahmen dieses Forschungsvorhabens untersucht werden.
Entsprechend der Problemstellung, -eingrenzung und des Forschungsziels liegt dieser Studie folgende übergeordnete Forschungsfrage zugrunde:
Wie kann die nachhaltig wirksame intra- und interorganisationale Kollaboration in Bezug auf Entwicklungsmaßnahmen der internationalen EZ unter Berücksichtigung eines sinnvollen Einsatzes von Social Media gestaltet werden?
Die Beantwortung der zentralen Forschungsfrage erfordert zunächst eine theoretische Klärung des Verständnisses in Bezug auf die Besonderheiten intra- und interorganisationaler Kollaboration im Kontext der internationalen EZ. Zudem gilt es aufzuzeigen, welche Funktionen Social Media im Rahmen der internationalen EZ erfüllen können. Mit diesem Vorwissen soll ein Modell zu den unter den interviewten Projektbeteiligten erkennbaren Gestaltungsansätzen der intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit von Entwicklungsmaßnahmen entwickelt werden. Dieses basiert auf den zu eruierenden Bedingungen der unterschiedlichen zu untersuchenden Kollaborationsformen. Zugleich stellt es die Grundlage für die Konzeptentwicklung zur Optimierung der Zusammenarbeit aus Forschersicht dar.
Folgenden Forschungsfragen wird nachgegangen:
Welchen Bedingungen und Anforderungen stehen Projektmitglieder von Entwicklungsprojekten im Rahmen der intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit gegenüber und welche Rolle spielt dabei der Einsatz von Social Media?
Inwiefern wirken sich die ortsbezogenen Gegebenheiten entwicklungsschwacher Regionen als individuelle kontextspezifische Bedingungen der Projektmitglieder auf deren Social-Media-Nutzung aus?
Worin manifestieren sich projektspezifische Bedingungen und welche Relevanz wird diesen bei der intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit beigemessen? Inwiefern tragen bestimmte Kommunikationsinstrumente zur nachhaltigen Wirksamkeit von Kommunikations- und Arbeitsprozessen im Rahmen der Zusammenarbeit bei und welcher Stellenwert kommt Social-Media-Anwendungen zu?
Welche Folgen gehen mit den Bedingungen der intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit von Entwicklungsmaßnahmen einher?
Mit welchen Einstellungen, Verhaltensweisen, Bedürfnissen und Erwartungen reagieren die Projektmitglieder auf die Bedingungen ihres Arbeitsalltags?
Welche Handlungsstrategien folgen auf die Reaktionen? Wie wird die intra- und interorganisationale Zusammenarbeit seitens der Projektmitglieder in der Praxis gestaltet?
Wie sollte die intra- und interorganisationale Zusammenarbeit in Entwicklungsprojekten vor dem Hintergrund der gewonnenen Erkenntnisse aus Forschersicht optimaler Weise gestaltet werden?
Im Forschungskontext der interkulturellen Kommunikationswissenschaften erfordert die Beantwortung dieser Forschungsfragen einen qualitativen, theoriegenerierenden Forschungsansatz. Vor dem Hintergrund des Erkenntnisinteresses wird die empirische Untersuchung mithilfe des Forschungsansatzes der Grounded Theory Methodik (GTM) durchgeführt.
Als Untersuchungsgegenstand dienen ICT4D-Initiativen, die als Beispiel für Entwicklungsmaßnahmen der internationalen EZ fungieren. Die zu untersuchenden Projekte{15} befinden sich in den entwicklungsschwachen Regionen Lateinamerikas, Ostafrikas und Südasiens. Die Forschungsquellen stellen vor allem leitfadengestützte Interviews mit ICT4D-Projektmitgliedern unterschiedlicher Hierarchielevels dar.
Dem dargelegten Forschungsziel dieser Studie entsprechend ergibt sich folgender Aufbau der Arbeit (s. Abb. 1):
Kapitel 2 schafft ein grundlegendes Verständnis der relevanten Begriffe, indem zunächst Entwicklungsmaßnahmen im Kontext der internationalen EZ definitorisch eingeordnet werden. Dies impliziert eine Diskussion des Nachhaltigkeitsbegriffs in Bezug auf die fragliche Wirksamkeit von Entwicklungsmaßnahmen. Es folgt eine eingehende Betrachtung der Besonderheiten von Entwicklungsprojekten aus handlungstheoretischer Sicht. Hierzu wird zunächst das Handlungs- bzw. Akteursfeld eines Entwicklungsprojekts beschrieben, in dessen Zentrum die vor dem Hintergrund variierender Handlungskontexte agierenden Akteure stehen. Dabei wird die handlungs- um eine kulturtheoretische Perspektive erweitert und der Fokus auf die Beziehungsverhältnisse zwischen den handelnden Akteuren sowie die Entstehung reziproker{16} Beziehungen gerichtet. Die Erläuterung der Relevanz wissensbasierten Handelns im Rahmen von Entwicklungsprojekten und deren intra- und interorganisationaler Zusammenarbeit stellt Bezüge zu Wissensmanagementtheorien her. Aus den Erkenntnissen zur Entstehung reziproker Beziehungen wird abgeleitet, dass Wissen im Rahmen einer Entwicklungsmaßnahme nachhaltig wirksam generiert und intraorganisational innerhalb eines Projektteams sowie interorganisational an Projektpartner oder andere Entwicklungsprojekte weitergegeben werden kann, wenn zwischen den agierenden Akteuren reziproke Beziehungen bestehen.
Im zweiten Teil des Kapitels wird der Social-Media-Begriff im Kontext von Organisationen definiert. Social-Media-Anwendungen werden hinsichtlich ihrer Funktionen klassifiziert, wobei der Fokus auf die Funktionen Kommunikation und Beziehungsaufbau bzw. -pflege gerichtet wird. Neben einer Analyse der bisher erforschten Nutzungsvorteile und Risiken, die mit dem Einsatz von Social Media in Organisationen verbunden werden, wird das Potenzial aufgezeigt, das Social Media im speziellen Kontext von Entwicklungsprojekten beizumessen ist.
Kapitel 3 beinhaltet die Begründung bezüglich der Entscheidung für den Forschungsansatz der GTM. Dazu wird auf die Gegenstandsangemessenheit der Methodik sowie deren Einsatz bei vergleichbaren Studien eingegangen. Das erkenntnisgetriebene Vorgehen wird beschrieben, zudem werden die Stärken und Schwächen der Methodik diskutiert. Es folgt eine Begründung der Auswahl der Forschungs- und Datenquellen, wobei vor allem auf die Fallauswahl der ICT4D-Projekte eingegangen wird. Dem schließt sich eine Dokumentation der Vorbereitung und des Ablaufs der Feldforschung an. Darauf folgt eine Beschreibung des Vorgehens bei der Datenanalyse, die anhand von Auswertungsbeispielen nachvollziehbar veranschaulicht wird. Schließlich wird die Methode kritisch reflektiert, wobei die empirische Untersuchung anhand von sieben Gütekriterien bewertet wird.
Abbildung 1: Aufbau der Arbeit
Kapitel 4 präsentiert den ersten Teil der Auswertungsergebnisse, der die Bedingungen an die intra- und interorganisationale Zusammenarbeit in ICT4D-Projekten unter Einbezug der Frage, welche Rolle Social Media dabei spielt, umfasst. Damit Social-Media-Anwendungen grundsätzlich genutzt werden können, müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein. Hierzu werden zunächst die variierenden kontextabhängigen Bedingungen der Social-Media-Nutzung, die von den Interviewten thematisiert werden, betrachtet. Es wird deutlich, dass persönliche, gesellschaftliche und politische sowie infrastrukturelle Faktoren die Social-Media-Nutzung der Projektbeteiligten beeinflussen.
Im zweiten Schritt werden die aus Sicht der Befragten relevanten projektspezifischen Bedingungen der intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit dargelegt. Es bestätigt sich, dass der Umgang mit Wissen untrennbar mit den zwischen den Akteuren bestehendenBeziehungen verbunden ist. Dies betrifft sowohl die intra- als auch die interorganisationale Kollaboration. Die Beziehungen wiederum werden vor allem durch die örtliche Nähe oder Distanz zwischen den kommunizierenden Akteuren bestimmt. Die einzelnen Phasen des Wissensmanagementprozesses, Wissensgenerierung, Wissenstransfer und -austausch sowie Wissensanwendung liefern die Struktur für die Darlegung der Auswertungsergebnisse. Dabei wird herausgearbeitet, dassneben der Face-to-Face-Kommunikation ebenso Social-Media-Instrumente für die analysierten Wissensmanagementphasen in der intra- sowie in der interorganisationalen Zusammenarbeit der untersuchten ICT4D-Projekte eingesetzt werden. Die Ergebnisse werden anhand relevanter Erkenntnisse aus der Forschungsliteratur diskutiert.
Kapitel 5 stellt den zweiten Teil der Auswertungsergebnisse dar. Diese beziehen sich auf die Reaktionen der interviewten Projektmitglieder in Bezug auf die in Kap. 4 eruierten Bedingungen der intra- und interorganisationalen Kollaboration, die wiederum die kontextspezifischen Bedingungen der Social-Media-Nutzung sowie die projektspezifischen Bedingungen der Zusammenarbeit umfassen. Es wird dargelegt, dass daraus zunächst fünf dominierende Einstellungs- und Verhaltensdynamiken resultieren. Zu diesen zählen Passivität versus persönliches Engagement, Reputationssorge versus Anerkennung, Akzeptanzprobleme versus Mitbestimmung, Detailfokus versus ganzheitliche Wirkungsintention und Technologiekritik versus Veränderungsbewusstsein. Des Weiteren werden anhand von Interviewaussagen zentrale Handlungsstrategien identifiziert, mit denen die befragten Projektmitglieder die intra- und interorganisationale Zusammenarbeit gestalten. Diese Gestaltungsansätze zeigen, wie die Projektbeteiligten mit den zuvor eruierten Einstellungs- und Verhaltensdynamiken umgehen und sind somit als deren Reaktionen zu verstehen. Es werden sowohl Leitgedanken als auch Arbeitshaltungen eruiert, die von den Befragten als Handlungsstrategien eingesetzt werden. Im Zentrum steht die Emergenz der MIAVO-Kompetenzen zur Gestaltung der Zusammenarbeit in den analysierten ICT4D-Initiativen, was zugleich die Grundlage für das Handlungskonzept darstellt, das in Kap. 6 beschrieben wird. MIAVO steht als Akronym für die additiven Kompetenzen Motivationsförderung, Innovativität, Vertrauensbildung und Optimierungsbereitschaft, wobei der letztgenannten Kompetenz eine Schlüsselrolle zukommt: Projektbeteiligte können – das lässt sich anhand der Aussagen der Befragten ableiten – über eine oder mehrere Kompetenzen verfügen, mindestens jedoch über Optimierungsbereitschaft, die allen Projektmitgliedern zugeschrieben wird. Es wird ferner dargelegt, dass die Anwendung der MIAVO-Kompetenzen aus Sicht der Interviewten ein besonderes Potenzial entfaltet, wenn sie seitens der Projektbeteiligten eingesetzt werden, um den vorherrschenden Einstellungs- und Verhaltensdynamiken gezielt entgegenzuwirken. Dementsprechend stellt sich heraus, dass ungeachtet der mithilfe bestimmter Social-Media-Anwendungen gepflegten, reziprozitätsintensiven Beziehungen zwischen Projektmitgliedern und externen Anspruchsgruppen, die MIAVO-Kompetenzen ausschlaggebend dafür sind, dass die Projektbeteiligten den Anforderungen des Arbeitsalltags tatsächlich nachhaltig wirksam gerecht werden. Folglich sind die MIAVO-Kompetenzen als zentrales Gestaltungsmittel der nachhaltig wirkungsvollen intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit zu verstehen. Auch diese Erkenntnisse werden anhand vergleichbarer Forschungsergebnisse diskutiert.
Kapitel 6 beinhaltet mit den Sustainable Development Collaboration (SDC) Principles ein Konzept mit konkreten Handlungsempfehlungen zur Optimierung der intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit in Entwicklungsprojekten aus Forschersicht. Dazu werden die aus Sicht der Befragten relevanten Gestaltungsansätze, insbesondere die in Kap. 5 eruierten MIAVO-Kompetenzen, hinreichend miteinbezogen und in praxistaugliche Handlungsmaßnahmen übersetzt. Zunächst werden die Anforderungen an das Konzept dargelegt. Die drei Prinzipien, die auf die nachhaltige Wirksamkeit der Zusammenarbeit abzielen, lauten: (1) Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses, (2) Berücksichtigung individueller Voraussetzungen und (3) Generierung projektübergreifender Lerneffekte. Diese werden auf der Grundlage der Ergebnisse der empirischen Studie entwickelt. Zu jedem Prinzip werden konkrete Maßnahmen vorgestellt, die den sinnvollen Einsatz von Social Media implizieren und sich auf Fallbeispiele der durchgeführten Untersuchung stützen. Dabei soll das Konzept weniger als Vorgehensmodell mit chronologischem Phasenablauf verstanden werden, sondern vielmehr den Projektverantwortlichen dazu dienen, bedarfsorientiert einzelne Maßnahmen auszuwählen und miteinander zu kombinieren. Schließlich werden auch die Erfolgsfaktoren bzw. die nachhaltige Wirksamkeit des Konzepts beschrieben, um die Forschungsfrage zu beantworten, wie die intra- und interorganisationale Zusammenarbeit in Entwicklungsprojekten optimaler Weise zu gestalten ist.
Kapitel 7 bietet als zusammenfassende Schlussbetrachtung zunächst einen Überblick über die gewonnenen Erkenntnisse. Die Ergebnisse werden zudem kritisch reflektiert und hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit auf vergleichbare Forschungskontexte überprüft. Letztlich erfolgt ein Ausblick auf die mögliche empirische Anschlussforschung zur Thematik der inter- und intraorganisationalen Zusammenarbeit in der internationalen EZ.
Abbildung 2: Kapitelübersicht: Theoretischer Rahmen
Die vorliegende Studie basiert auf der Forschungsfrage, wie die nachhaltig wirksame intra- und interorganisationale Kollaboration in Bezug auf Entwicklungsmaßnahmen der internationalen EZ unter Berücksichtigung eines sinnvollen Einsatzes von Social Media gestaltet werden kann. Dies setzt ein gemeinsames Verständnis der verwendeten Begriffe voraus, welches in diesem Kapitel geschaffen werden soll. Für das Forschungsinteresse dieser Studie sind primär Entwicklungsmaßnahmen relevant, die von NGOs oder NPOs durchgeführt werden. Dementsprechend werden theoretische Erkenntnisse der NGO-/ NPO- und organisationsübergreifenden Forschung miteinbezogen.
Im ersten Teilkapitel (2.1) werden Entwicklungsmaßnahmen im Kontext der Entstehungsgeschichte der internationalen EZ definitorisch eingeordnet. Dies impliziert auch eine Diskussion des Nachhaltigkeitsbegriffs in Bezug auf die fragliche Wirksamkeit von Entwicklungsmaßnahmen. Anschließend werden die Besonderheiten der intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit im Rahmen von Entwicklungsprojekten in Anlehnung an Erkenntnisse aus der Handlungstheorie definiert. Dies schließt eine eingehende Betrachtung der an einer Entwicklungsmaßnahme beteiligten Akteure und deren Beziehungen zueinander mit ein. Außerdem wird auf den Umgang mit räumlich verteilten Projektkollegen und projektspezifischem Wissen eingegangen, das im Rahmen einer Entwicklungsmaßnahme generiert sowie weitergegebene wird und für die nachhaltige Wirksamkeit eines Projekts relevant ist.
Das zweite Teilkapitel (2.2) beginnt mit einer grundlegenden Auseinandersetzung mit dem Social-Media-Begriff im Kontext von Organisationen. Social-Media-Anwendungen werden hinsichtlich ihrer Funktionen klassifiziert, wobei der Fokus entsprechend des Anwendungskontextes von Entwicklungsprojekten und den zuvor eruierten organisationsbezogenen Besonderheiten auf die Funktionen der Ermöglichung von Kommunikation und Beziehungsaufbau bzw. -pflege gerichtet wird. Dem schließt sich eine Gegenüberstellung der Nutzungsvorteile und Risiken an, die mit dem Einsatz von Social Media in Organisationen verbunden sind.
Darauf aufbauend stellt der dritte Teil des Kapitels (2.3) das Potenzial heraus, das Social-Media-Anwendungen, die im Kontext von Entwicklungsprojekten genutzt werden, beizumessen ist. Das Kapitel endet mit einer Zusammenfassung der theoretischen Grundlagen (Kap. 2.4).
Dieses Kapitel bietet eine Zusammenfassung über bisher erforschte grundlegende Erkenntnisse zu Entwicklungsmaßnahmen, wobei diese vor allem hinsichtlich ihrer Umsetzung und bezogen auf die Besonderheiten der intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit betrachtet werden. Hierzu erfolgt zunächst eine definitorische Einordnung der Begriffe (Kap. 2.1.1), wobei auf die internationale EZ im Allgemeinen und sodann auf Entwicklungsmaßnahmen als spezielles Handlungsfeld eingegangen wird. Dem schließt sich ein Überblick über die vorliegenden Annahmen zur fraglichen Nachhaltigkeit von Entwicklungsmaßnahmen an (Kap. 2.1.2). Der dritte Teil des Kapitels umfasst eine eingehende Betrachtung der Besonderheiten von Entwicklungsprojekten aus handlungstheoretischer Sicht (Kap. 2.1.3).
Die Diskussion der Nachhaltigkeitsfrage internationaler Entwicklungsmaßnahmen und die nähere Betrachtung organisationaler Besonderheiten setzt eine definitorische Einordnung der zentralen Begrifflichkeiten voraus. Der nächste Abschnitt (2.1.1.1) bietet eine kompakte Abhandlung zur Schaffung eines grundlegenden Zugangs zum Themenfeld und zum weitgefassten Begriff der internationalen EZ. Das Teilkapitel 2.1.1.2 verortet Entwicklungsmaßnahmen im Kontext der internationalen EZ und generiert ein gemeinsames Verständnis für wesentliche in dieser Studie verwendete Bezeichnungen.
Im Hinblick auf die u. a. von Radermacher (2015: 77) beobachteten „Entwicklungsdefizite“ und den damit verbundenen Herausforderungen scheint die Auseinandersetzung mit der Entwicklungsthematik notwendiger denn je.{17} Sangmeister (2018) betitelt die gegenwärtige Situation als „EZ 4.0“ und meint damit die „vierte industrielle Revolution der EZ“. Vor dem Hintergrund der schnell wachsenden Weltbevölkerung stellt sich die Frage des geeigneten Umgangs mit Ressourcen. Ausgehend von der Einsicht, dass „die Lösung globaler Probleme nicht von einzelnen Staaten geleistet werden kann“ (Stockmann, 2016: 451), kam es 1945 zum Zusammenschluss der UN.Zu diesem zählt u. a. das United Nations Development Program (UNDP), die Weltgesundheitsorganisation (engl. World Health Organization, WHO) und die Weltbank (engl. World Bank Group, WBG). Radermacher (2015: 73) fasst die gegenwärtige Situation wie folgt zusammen: „Nur im Fall einer engen internationalen Zusammenarbeit mit den Zielen Wohlstand für alle und Nachhaltigkeit erscheinen eine nachhaltige Entwicklung und eine Welt in Balance erreichbar zu sein.“ Diese Art der internationalen Zusammenarbeit streben globale Initiativen wie die Vereinbarung der UN zu den Millenniumentwicklungszielen (engl. Millennium Development Goals, MDG){18} an, die einen „großen Schritt in den internationalen Entwicklungsanstrengungen“ (ders., 2015: 83) darstellen.{19}
Klingebiel (2013: 6) weist darauf hin, dass Fragen zur Definition der internationalen EZ „oft schwierig und politisch sensibel“ sind. Dies begründe sich vor allem in deren zunehmender Komplexität (vgl. Leslie et al., 2018: 1). Koch (2012b: 51) meint hierzu: „Akteure mit z. T. sehr unterschiedlichen Interessen und Voraussetzungen arbeiten im Rahmen von Programmen und Projekten zusammen um nachhaltige Entwicklungswirkungen zu erzielen“. Wagt man dennoch einen Definitionsversuch, soll internationale EZ zunächst vom inzwischen „verpönten“ (Gomes et al., 2001: 2) Begriff der Entwicklungshilfe abgegrenzt werden und Entwicklung{20} „im Sinne eines zielgerichteten Handelns“ (ebd.) verstanden werden. In Stockmanns (2016: 612) Verständnis ist Entwicklung „etwas das von innen heraus als aktiver Prozess geschehen muss; dabei kann EZ ein stimulierender Faktor sein, aber nicht mehr.“ Holtz (2013: 43) resümiert: „Entwicklung ist vielmehr ein mehrdimensionaler, komplizierter, langwieriger, sozio-ökonomischer Prozess, der auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse und die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen abzielt, Freiheit von Not und Furcht für alle anstrebt, Frieden und Sicherheit garantiert und spätestens seit der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro einer nachhaltigen, menschenwürdigen Entwicklung sowie der Zukunftsfähigkeit von Gesellschaften und der Einen Welt verpflichtet ist.“ Für Ihne & Wilhelm (2013: 8) bedeutet EZ die „praktische Durchführung von entwicklungspolitischen Programmen und Projekten in Planung, Durchführung und Evaluation.“ Im Sinne des Erkenntnisinteresses der vorliegenden Studie, in der es primär um die konkrete Umsetzung der internationalen EZ im Rahmen einzelner Entwicklungsmaßnahmen geht, erscheint diese Definition besonders passend.
Auch wenn sich die Motive für EZ inzwischen verändert haben (vgl. Nuscheler, 2006: 26ff; Sangmeister/Schönstedt, 2010: 27ff; Ihne/Wilhelm, 2006: 6ff), kann es der internationalen EZ als oberstes Ziel weiterhin zugeschrieben werden, „Länder in ihren Bemühungen um soziale und wirtschaftliche Fortschritte zu unterstützen“ (Klingebiel, 2013: 5) und sich vor allem für die Armutsbekämpfung einzusetzen (vgl. ders., 2013: 15).
Die Akteure der EZ betreffend wird grundsätzlich bzgl. der Art der Zusammenarbeit bzw. der Partner unterschieden (vgl. ders., 2013: 24; vgl. Nuscheler, 2006: 508 ff.; Klingebiel, 2013: 24): Geht es bspw. im Rahmen der staatlichen EZ um die „direkte Kooperation mit dem Partnerland“ (Ihne/Wilhelm, 2013: 19){21}, handelt es sich um eine bilaterale Zusammenarbeit. Multilaterale Zusammenarbeit umfasst hingegen die „EZ mit internationalen Organisationen und Institutionen“ (dies., 2013: 23). Klingebiel (vgl. 2013: 23) weist darauf hin, dass neben staatlichen EZ-Gebern auch eine Vielzahl nichtstaatlicher bzw. privater Geber und Stiftungen existiert. Im Rahmen dieser Studie rückenvor allem die Entwicklungsmaßnahmen dieser nichtstaatlichen Organisationen in den Fokus. Arten und Formen der oftmals komplexen Durchführung internationaler EZ können in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation des Partnerlandes stark differieren. Um zumindest partiell ein tiefergehendes Verständnis zu generieren, dienen in dieser Studie im Sinne einer bewussten Mikroperspektive ausgewählte Entwicklungsmaßnahmen (auch Entwicklungsprojekte, Entwicklungshilfeprojekte) als Beispiel für die Umsetzung internationaler EZ. Dies setzt eine definitorische Einordnung des Begriffs Entwicklungsmaßnahme, die im nächsten Abschnitt erfolgt, voraus.
Zur Beschreibung der Handlungsfelder und Aktivitäten der internationalen EZ finden sich in Literatur und Praxis unterschiedliche Kriterien und Klassifizierungen{22}. Im Rahmen dieser Studie sind vor allem sektorbezogene Kategorisierungen von Entwicklungsmaßnahmen von Interesse, die implizieren, dass Entwicklungsmaßnahmen darauf abzielen, die Lebensumstände der Bevölkerung in entwicklungsschwachen Regionen im Bereich bzw. Sektor{23} der ländlichen Entwicklung, nachhaltigen Infrastruktur, Sicherheit/ Wiederaufbau/ Frieden, sozialen Entwicklung, Umwelt und Klima, Wirtschaft bzw. Beschäftigung sowie Staat und Demokratie zu verbessern (vgl. GIZ, 2020). Grundsätzlich werden in dieser Studie unter Entwicklungsmaßnahmen der internationalen EZ sowohl einzelne Entwicklungsprojekte als auch die projektbezogene Arbeit von Organisationen{24} gefasst, die als Entwicklungsinitiativen{25} im Sinne der EZ-Ziele agieren. Blickt man auf die Organisationsstrukturen und Organigramme von Entwicklungsvorhaben, wird deutlich, dass diese sich sowohl sektor- als auch landesübergreifend ähneln (vgl. Wardenbach, 2013: 395). Im Gegensatz zu Nothilfe-Initiativen geht es bei Entwicklungsprojekten vielmehr um die langfristige Unterstützung bedürftiger Regionen (vgl. ebd.). Dennoch werden Projektbudget und -dauer zuvor festgelegt (vgl. European Commission, 2004: 8). Dazu erläutert Kühl (1998: 53):
„Bei einem Entwicklungshilfeprojekt handelt es sich um ein geschlossenes, technisch, zeitlich und wirtschaftlich klar abgrenzbares Vorhaben [...] Zugrunde liegt der Projektkonzeption die Vorstellung, daß über diese Organisationsform ein bestimmtes Ziel effizient, schnell und kontrollierbar erreicht werden kann.“
Bei einer solchen Entwicklungsmaßnahme können grundsätzlich drei Projektphasen, nämlich Planung, Durchführung und Abschluss, unterschieden werden{26} (vgl. Bialluch/Görgen, 2013: 523; Huber-Grabenwarter, 2014: 12). Diese drei Phasen finden sich auch in der Literatur zu klassischen Projektmanagementansätzen wieder, wobei hierbei zumeist fünf Phasen beschrieben werden (vgl. Department for Business, Innovation & Skills, 2007; vgl. Millner/Majer, 2013: 343; vgl. Drews et al., 2014: 25ff).
Abbildung 3: Typischer Ablauf eines Entwicklungsprojekts in fünf Phasen
(eigene Darstellung in Anlehnung an European Commission, 2004: 16; Millner/Majer, 2013: 343)
In diesem Sinne veröffentlicht die European Commission 2004 (S. 16) den „Cycle of Operations“ (s. hierzu auch Abb. 3). Des Weiteren äußern sich Stockmann (vgl. 2002), Campilan (vgl. 2003), Befani et al. (vgl. 2014), Hollow (vgl. 2010) und Rogers (vgl. 2012) und zu ihrem jeweiligen Begriffsverständnis von Planung, Implementierung und Evaluation von Entwicklungsprojekten/ -initiativen im Rahmen der internationalen EZ. Somit gilt es in Bezug auf die in erster Linie seitens NGOs und NPOs initiierten Entwicklungsmaßnahmen{27} bzw. im Kontext der projektbezogenen internationalen EZ, klassischen Projektmanagementansätzen folgend, die jeweils sektorabhängigen Aufgaben strukturiert und zielorientiert zu bearbeiten.In dieser Studie liegt der Fokus auf einer näheren Betrachtung der Implementierungs- bzw. Umsetzungsphase solcher Entwicklungsprojekte.
Internationale EZ zielt darauf ab, nachhaltig wirksame Entwicklung sowie entsprechende Transformationsprozesse voranzutreiben und zu unterstützen (vgl. Schwaab/Seibold, 2014: 157f). Dabei erscheint es notwendig, eine Abgrenzung zu der im Rahmen der EZ praktizierten Organisationsberatung (vgl.Reineke, 1995; vgl. v. Ameln, 2006) vorzunehmen: Die Stärkung von Kapazitäten in Partnerländern (engl. capacity building) (vgl. u. a. Tayyar, 2013) definieren Carneiro et al. (2015: 12) wie folgt: „The improvement of the ability of people, organisations, institutions and society to manage their affairs successfully.“ Wardenbach (2013: 395) erklärt in diesem Zusammenhang die Beratungsintention:„Einheimische NGO[s] sollen in die Lage versetzt werden, die von ihnen geplanten Hilfsprojekte völlig eigenständig durchzuführen und langfristig aus lokalen Einkommensquellen [...] auch eigenständig zu finanzieren.“
Entsprechend der Ziele internationaler EZ stellt sich die Frage, wie „Veränderungsprozesse“ (Huber-Grabenwarter, 2014: 12) in entwicklungsschwachen Ländern{28} herbeigeführt und umgesetzt werden können. Stockmann (2016: 578f) weist in diesem Zusammenhang auch auf ein übergeordnetes Ziel hin: „Die Mehrheit der EZ-Projekte ist nicht auf die Steigerung des Wirtschaftswachstums ausgerichtet [...], sondern auf die Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen.“ Die Umsetzung von Entwicklungsmaßnahmen in verschiedenen Sektoren soll genau diesen Zweck erfüllen. Dazu erläutert Koch (2012b: 2): „Entwicklungsprojekte können als Kooperationssysteme gesehen werden, in denen mehrere Partner aus verschiedenen Ländern (und Kulturen) zusammenarbeiten, um bestimmte Ziele und Wirkungen zu erreichen“. Welche Wirkungen gemeint sind und inwiefern diese als nachhaltig angesehen werden können, wird im nächsten Teilkapitel erläutert.
Ohne einen umfassenden entwicklungspolitischen Diskurs{29} eröffnen zu wollen, liegt es im Rahmen der Untersuchung von Entwicklungsmaßnahmen nahe, die Frage nach deren Wirksamkeit zu stellen. Es gilt ein gemeinsames Verständnis von Nachhaltigkeit im Kontext der internationalen EZ zu schaffen und zu klären, welche Implikationen mit dem Nachhaltigkeitsbegriff verbunden sind.
Grundsätzlich stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien Aktivitäten im Rahmen der internationalen EZ als nachhaltig zu bewerten sind. Ausgehend von der Tatsache, dass dem Nachhaltigkeitsbegriff grundsätzlich ein „interdisziplinärer Charakter“ (Eckardt, 2011) zugeschrieben wird, gilt es, sich auf eine Deutung zu beziehen, die im Kontext der internationalen EZ angebracht ist. Holtz (2000: 54) liefert hierfür eine besonders passende Bezugsgrundlage: „Nachhaltig [...] ist die EZ, [...] wenn ihre positiven Wirkungen nach Beendigung der Unterstützung von außen fortbestehen und wenn die EZ Hilfe zu einer [...] Selbsthilfe leistet, die zu dauerhaften Erfolgen führt.“ Ihne & Wilhelm (2013: 7) definieren nachhaltige Entwicklung als eine „auf Dauer tragfähige, menschenwürdige, sozial- und umweltverträgliche Entwicklung“.
Abbildung 4: Wandlung strategischer Konzepte der EZ
(eigene Darstellung in Anlehnung an Jahn, 2012: 33)
Dem entspricht auch Stockmanns (2016: 614) Definition: „Eine nachhaltige Entwicklung besteht [...] in der Summe aller Strategien und Maßnahmen, die die wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung eines Landes fördern, um die Lebensbedingungen der dort lebenden Menschen zu verbessern.“
Es erscheint sinnvoll, zunächst mit einem Fokus auf die Meilensteine der Entwicklungsgeschichte in den letzten drei Jahrzehnten herzuleiten, wie es zur Verwendung des Begriffs der „nachhaltigen Entwicklung“ (Nuscheler, 2008; Jahn, 2012; Klingebiel, 2013; Heuser/Abdelalem, 2018; Wagner, 2016; Debiel, 2018) kam. Stockmann (2016: 445) erläutert dies wie folgt: „Nachdem die Grenzen des Wachstums den progressiven Fortschrittsglauben erschüttert hatten, gewann das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung zunehmend an Bedeutung.“ Abb. 4 zeigt, wie sich die Konzepte gewandelt bzw. gegenseitig abgelöst haben.
Erwähnt wurde der Begriff der nachhaltigen Entwicklung erstmals 1987 im Brundtland-Bericht (vgl. WCED, 1987). Es folgte (s. Abb. 5) 1992 die UN-Konferenz in Rio de Janeiro, auf der u. a. die Agenda 21 verabschiedet wurde:
„Nach der Agenda 21 sind es in erster Linie die Regierungen der einzelnen Staaten, die auf nationaler Ebene die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung planen müssen in Form von Strategien, nationalen Umweltplänen und nationalen Umweltaktionsplänen. Dabei sind auch regierungsunabhängige Organisationen und andere Institutionen zu beteiligen.“ (Lexikon der Nachhaltigkeit, 2015)
Einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung stellten die 2000 auf der UN-Generalversammlung beschlossenen MDG dar (vgl. Kap. 2.1.1.1).
„The MDGs were a pledge to uphold the principles of human dignity, equality and equity, and free the world from extreme poverty. The MDGs, with eight goals and a set of measurable time- bound targets, established a blueprint for tackling the most pressing development challenges of our time [...] The MDGs have made a profound difference in people’s lives. Global poverty has been halved five years ahead of the 2015 timeframe [...] The concerted efforts of national governments, the international community, civil society and the private sector have helped expand hope and opportunity for people around the world. But more needs to be done to accelerate progress.“ (UN, 2014: 3)
2015 wurde deutlich, dass die ambitionierten MDG nur zum Teil erreicht wurden (vgl. Radermacher, 2015: 77; Stockmann, 2016: 459).Daraufhin wurde im Rahmen der UN-Vollversammlung am 25.09.2015 in New York die „2030 Agenda für Sustainable Development“ mit neuen bzw. die MDG ersetzenden Zielen (vgl. Radermacher, 2015: 89), die SDG, verabschiedet:
“This ambitious and universal agenda{30} will reinforce the international community’s commitment to poverty eradication and sustainable development, and will seek to integrate in a coherent and balanced manner the social, economic and environmental dimensions of sustainable development.“ (European Report on Development, 2015: 46)
Betrachtet man die EZ trotz aller genannten Bemühungen und formulierten Ziele als ein „von Machtasymmetrien und Ungleichheiten geprägtes Feld“ (Nguyen, 2016: 72), können sich „politische Debatten, Kompromisse, vorhandene Machtstrukturen und sich rasch verändernde Rahmenbedingungen“ durchaus hinderlich auf eine nachhaltige Entwicklung auswirken. Inwiefern die EZ die Entwicklung in bestimmten Ländern positiv beeinflusst wird immer wieder diskutiert (vgl. Moyo, 2011; vgl. Rist, 2008; vgl. Wohlgemuth/Carlsson, 2000). Das sog. „Mikro-Makro-Paradoxon“ (Mosley, 1986) impliziert, „dass es zwar viele wirksame Projekte und Programme gibt, die sich jedoch nicht zu gesamtwirtschaftlichen Effekten verdichten, sodass auf der Makroebene – mit ökonomischen aggregierten Makrodatenanalysen – keine robusten Effekte nachweisbar sind“ (Stockmann, 2016: 577). Klingebiel (2013: 58f) teilt diese Meinung: „Wenn es tatsächlich all die positiven EZ-Wirkungen gäbe, mu¨ssten sich auch auf Länder- oder Sektorebene entsprechende empirische Belege finden; dies ist häufig nicht der Fall.“ Moyo (2011: 81f) bedauert die fehlende langfristige Perspektive zahlreicher Entwicklungsmaßnahmen: „Eine kurzfristig effektive Intervention bewirkt oft genug keine nachhaltigen Langzeitverbesserungen.“
Abbildung 5: Meilensteine auf dem Weg zu einer nachhaltig wirksamen EZ
(eigene Darstellung)
Die Tatsache, dass sich anhand von makroökonomischen Analysen nicht nachweisen lässt, „ob die beobachteten Effekte wirklich auf die EZ zurückzuführen sind und warum [...], spricht für die Durchführung von Projekt-, Programm- und Sektorevaluationen“ (Stockmann, 2016: 578). Dies führte in den letzten Jahren zu einem regelrechten „Boom an Evaluationen“ (ders., 2016: 612). Dabei wird es als problematisch wahrgenommen, dass finanzielle Mittel bei EZ-Projekten eher in die Gestaltung der Leistung fließen als in die Verwaltung, was die Evaluation miteinschließt (vgl. ders., 2016: 551). Stockmann (2016: 564) macht darauf aufmerksam, Evaluationsberichte mit Vorsicht zu beurteilen: „Unsystematisch aneinandergereihte Defizitschilderungen mögen zu anregenden Diskussionen führen, taugen jedoch nicht als empirische Basis, um die (Un)Wirksamkeit der EZ oder wenigstens von Programmen [...] zu belegen.“ Seiner (ders., 2013: 541) Meinung nach „weist die Evaluation in der EZ eine Reihe von Defiziten auf, die ihren potenziellen Nutzen einschränkt“. Dementsprechend weist ders. (vgl. 2016: 596) darauf hin, dass die Durchführung einer Evaluation keinesfalls zum Selbstzweck werden darf. Somit muss eben gar nicht „jedes Projekt oder Programm [...] einer Wirkungsanalyse unterzogen werden“; vielmehr sollte das „zu erwartende Lernpotenzial“ (ebd.) das Hauptargument sein. Nuscheler (2008: 11) meint hierzu:
„Es ist schwierig, die Wirksamkeit der EZ zu messen, weil sie mit einem viel‐dimensionalen Zielsystem operiert [...] Es liegt also weder an dem aus langer Erfahrung gespeisten Wissen, wo die Probleme liegen und was EZ leisten soll, noch am Mangel an Daten, dass die umfangreiche und aufwendige Evaluationspraxis, die schon große Archive füllt, die Zweifel an der Wirksamkeit der EZ nicht beseitigen konnte. Es besteht kein Mangel an Evaluierung, sondern ein Mangel an Transparenz.“
Stockmann (2013: 544) stellt fest, dass Evaluationsberichte „häufig nur von den Projekt- und Programmbeteiligten“ zur Kenntnis genommen werden, was „darüber hinaus gehende[n] Lernprozesse“ (ebd.) verhindert.
„Dabei zeigt sich kein Unterschied zwischen staatlichen und nicht-staatlichen, großen oder kleinen EZ-Organisationen; um die inter-institutionellen Lernprozesse ist es nicht weitaus schlechter bestellt, da die meisten Organisationen ihre Evaluationsberichte der Öffentlichkeit vorenthalten und damit einer Nutzung sowie Relevanz- und Qualitätsprüfung entziehen.“ (ebd.)
Ehlers & Wolff (2008: 695) geben zu denken, dass „Lernen im EZ-Sektor als Lernen einzelner Organisationen wie als Sektorlernen [...] offensichtlich ein komplizierter, nuancenreicher Prozess [ist], der kaum selbstverständlich erkennbaren und ohne weiteres konsensfähigen Zielen folgen dürfte“. Trotz des vorhandenen Diskussionspotenzials zu Ergebnisüberprüfungen der EZ sind Wirkungsevaluationen auch in der Wissenschaft bisher kaum auffindbar (vgl. Stockmann, 2016: 585).
Dieses Dilemma, mit dem sich die EZ auseinandersetzen muss, wirft die Frage auf, welchen Einfluss der Fortschritt der Digitalisierung und neue Technologien haben. Das BMZ stellt bereits 2013 (S. 13) in einem Bericht zu Schlüsseltechnologien fest, dass IKT einen „wichtigen Beitrag [leisten], um die Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen.“{31}.
Gerade aufgrund der auch innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte hohen Anzahl gescheiterter Entwicklungsprojekte und -initiativen (vgl. IEG, 2011; Dodson et al, 2013; vgl. Baduza & Khene, 2015; vgl. Sanner/Nielsen, 2018) erscheint es notwendig, die Ursachenforschung voranzutreiben.
Diskussionen um die Frage der nachhaltigen Wirksamkeit und zu den möglichen Ursachen für das Scheitern von Entwicklungsmaßnahmen finden sich u. a. bei Moyo (vgl. 2011), Dedrick & Sharma (vgl. 2007), Heeks (vgl. 2012), Holtz (vgl. 2000), James (vgl. 2009), Kleine et al. (vgl. 2014), Nuscheler (vgl. 2008), Santiago et al. (vgl. 2012), Waweru (vgl. 2013), Yonazi (vgl. 2011) und Stockman (vgl. 2016). Mehrfach werden die „ungleiche Verteilung von Macht und Ressourcen [...], die inhärente Asymmetrie der ‚Entwicklungshilfe‘“ (Gomes et al., 2001: 2) und die Auswirkungen des „white savior complex“{32} für das Scheitern von EZ-Projekten verantwortlich gemacht. Längst wurde erkannt, dass langfristige Entwicklungsfortschritte nur erreicht werden können, wenn es gelingt, „Betroffene zu Beteiligten“ (v. Ameln, 2006: 87) zu machen und vielmehr„Hilfe zur Selbsthilfe“ (Holtz, 2000) zu leisten. Dennoch wird immer wieder von zahlreichen Entwicklungsmaßnahmen berichtet, die ihr eigentliches Ziel, Partizipation und nachhaltige Wirksamkeit, verfehlen.{33} Daneben greift Mefalopulos (2008: 8) auch den Aspekt der Kommunikation zwischen Projektverantwortlichen und Anspruchsgruppen auf, die die Qualität einer Entwicklungsmaßnahme maßgeblich beeinflussen kann: „The history of development has included failures and disappointments, many of which have been ascribed to two major intertwined factors: lack of participation and failure to use effective communication.“{34}
Es stellt sich die Frage der Berücksichtigung entscheidender Rahmenbedingungen. Nguyen (2016: 71) vermisst im Rahmen der internationalen EZ eine ausführliche Diskussion zur „kulturellen Bedingtheit von Entwicklungszielen, -vorgaben und -methoden“. Stockmann (2016: 450) konkretisiert diese Feststellung und merkt an, dass die „Kontextbedingungen der einzelnen Länder und ihre Entwicklungsniveaus ausschlaggebend dafür sein müssen, wie Entwicklung vorangetrieben und welche Konzepte eingesetzt werden“.{35} Fraglich ist, inwiefern sich die nachhaltige Wirksamkeit von Entwicklungsmaßnahmen vor dem Hintergrund neuer „Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Vernetzung“ (Gimpel, 2018: 61) verändert. In diesem Zusammenhang gilt es auch die Thesen von Wang & Bar (vgl. 2015), Reilly (vgl. 2010), Loudon & Rivett (vgl. 2011) und Smith et al. (vgl. 2011) zur „Open Development{36}“-Bewegung einzubeziehen, die den Einfluss eines offenen Umgangs mit EZ-projektspezifischem Wissen diskutieren. Grundsätzlich bedarf es eines umfassenden Wissens, um den komplexen Anforderungen entwicklungsschwacher Regionen gerecht zu werden, was auch Haas & Schwaab (2013: 243) betonen:
„Wissen ist entwicklungspolitisch zum Schlüsselbegriff geworden. Er gewinnt als Produktionsfaktor{37} neben Arbeit, Kapital und Boden stark an Bedeutung [...] Wo Wissen fehlt, so die gängige Hypothese, bleibt Entwicklung eingeschränkt.“
V. Guretzky (2001) geht noch einen Schritt weiter und merkt an, dass EZ „im wesentlichen aus Wissenstransfer“ besteht. Diese Annahme erfordert wiederum zunächst eine Auseinandersetzung mit einer Deutung des Wissensbegriffs in Organisationen, die mit der Umsetzung von Entwicklungsprojekten betraut werden. Das folgende Teilkapitel bietet hierzu einen grundlegenden Überblick über die Organisation von Entwicklungsmaßnahmen, indem sowohl die beteiligten Akteure, deren Beziehungen zueinander sowie deren Umgang mit Wissen beschrieben wird.
Im Folgenden wird erläutert, worin sich die Zusammenarbeit im Rahmen von Entwicklungsprojekten grundsätzlich manifestiert. Die empirische Untersuchung der Bedingungen der intra- und interorganisationalen Kollaboration setzt die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses für das jeweilige Handeln der an der Zusammenarbeit beteiligten Akteure voraus. Dies legt zunächst eine Auseinandersetzung mit dem Begriff der Handlung nahe.
In Anlehnung an die arbeitspsychologische Handlungstheorie (vgl. u. a. Hacker, 1978) und insbesondere Volperts (vgl. 1974) Begriffsdefinition folgend, soll ein solches Handeln von Entwicklungsprojektbeteiligten als bewusstes, zielgerichtetes Verhalten verstanden werden. Um Handlungen bzw. menschliches Verhalten zu differenzieren, schlägt Rasmussen (vgl. 1983) drei Kategorien vor: Er unterscheidet zwischen fertigkeitenbasiertem Handeln („skill-based behaviour“), regelbasiertem Handeln („rule-based behaviour“) und wissensbasiertem Handeln („knowledge-based behaviour“; s. Abb. 6).
Abbildung 6: Fähigkeiten, Regeln und Wissen als Handlungsdeterminanten nach Rasmussen (1983)
(eigene Darstellung)
Akteure handeln entsprechend ihrer Fähigkeiten fertigkeitenbasiert, wenn sie unbewusst oder automatisiert Aufgaben erledigen (vgl. Rasmussen, 1983: 257). Regelbasiertes Handeln ist zu beobachten, wenn die Aktivität eines Akteurs mit einer gezielten Anweisung und/ oder Kontrolle einhergeht. Diese Handlungsweise wird durch ihre Zielorientierung charakterisiert, obwohl das jeweilige Ziel oftmals nicht explizit formuliert wird, sondern vielmehr implizit mit der regelgeprägten Situation verknüpft wird (vgl. ders., 1983: 258). Rasmussen (ebd.) gibt zu denken: „The boundary between skill-based and rule-based performance is not quite distinct.“ Es erscheint sinnvoll, sich im Folgenden vor allem auf die dritte Kategorie des wissensbasierten Handelns zu konzentrieren, das sich deutlich von den zuvor genannten Handlungsweisen abhebt. Insbesondere Situationen, die von Unbestimmtheit und Komplexität geprägt sind (vgl. ebd.; vgl. Ramnarayan/Kumar, 1996) und die sich im Kontext von Entwicklungsprojekten durchaus ereignen (vgl. Kap. 2.1.1; Kap. 2.1.2), implizieren bzw. erfordern wissensbasiertes Handeln.
Dieses Unterkapitel gliedert sich in zwei Teile: Unter 2.1.3.1 wird die handlungstheoretische Sicht um eine Betrachtung organisationskulturbezogenener Besonderheiten von Entwicklungsprojekten ergänzt. Dabei wird ein Fokus auf die Definition der an einem Entwicklungsprojekt beteiligten Akteure, deren Handlungskontexte sowie deren Beziehungsverhältnisse zueinander gelegt. Auf dieser Grundlage wird im zweiten Teil (Kap. 2.1.3.2) des Kapitels die Relevanz des wissensbasierten Handelns im Rahmen eines Entwicklungsprojekts näher ausgeführt.
In diesem Teilkapitel werden die Handlungs- und Akteursfelder von Entwicklungsmaßnahmen näher betrachtet. Entsprechend den Annahmen Boltens (vgl. 2017) wird mit einem Akteursfeld die Kulturzugehörigkeit eines Akteurs bezeichnet. Dies setzt zunächst eine Definition des Kulturbegriffs voraus. Entsprechend der etymologischen Herleitung Boltens (vgl. 2009) und der lateinischen Herkunft des Wortes („colere/ cultum“, dt. bebauen, pflegen; vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 2020) wird vor allem die Übersetzung „Pflege“ als relevant angesehen. Im Folgenden wird somit dargelegt, inwiefern Beziehungen zwischen Akteuren, die in einem bestimmten Handlungskontext agieren, gepflegt werden. Dabei wird vor dem Hintergrund jüngerer Kulturbegriffsdiskussionen (vgl. Busche et al., 2018; Schmidt-Lux et al., 2016; Bolten, 2015; Hansen, 2009) eine strukturprozessuale Perspektive gewählt, welche impliziert, dass vielmehr von einer Mehrfachzugehörigkeit zu unterschiedlichen kulturellen Akteursfeldern (vgl. Bolten, 2016: 30) ausgegangen wird. Dementsprechend wird den Ansätzen Rathjes (vgl. 2004) und Schmidts (vgl. 2008) gefolgt, dass sich die Kultur einer Entwicklungsprojektorganisation aus miteinander vernetzten Akteursfeldern zusammensetzt und sich in den (Reziprozitäts{38}-)beziehungen der einzelnen beteiligten Akteure manifestiert (vgl. Bolten, 2014). Folglich wird im Rahmen dieser Arbeit nicht von einem Akteursfeld, sondern von mehreren Akteursfeldern gesprochen, in denen die an einem Entwicklungsprojekt beteiligten Akteure agieren.
Abbildung 7: Akteursfelder eines Entwicklungsprojekts
Zudem wird ein Fokus auf die individuellen Handlungskontexte und im Sinne einer „Netzwerkperspektive“ (Bolten, 2014: 32) auf die bestehenden Beziehungsverhältnisse zwischen den einzelnen Akteuren gelegt (s. Abb. 7). Da Kommunikation als zentraler Treiber für die Entwicklung und Konstitution von Organisationskulturen{39} verstanden werden darf (vgl. Jetzke, 2015: 43), soll auf die Kommunikationsprozesse zwischen den handelnden Akteuren ebenso ein besonderes Augenmerk gerichtet werden. Dementsprechend gliedert sich dieses Teilkapitel in eine Betrachtung der handelnden Akteure (Kap. 2.1.3.1), individuellen Handlungskontexte (Kap. 2.1.3.2) und Akteursbeziehungen (Kap. 2.1.3.3).
Bei einer Analyse der kontext- und entwicklungsprojektspezifischen Besonderheiten der intra- und interorganisationalen Zusammenarbeit stehen die handelnden Akteure im Zentrum der akteursfeldbezogenen Betrachtung. Dementsprechend werden in diesem Abschnitt die an einer Entwicklungsmaßnahme im Rahmen der internationalen EZ beteiligten Akteure näher betrachtet.
Ein Großteil der Entwicklungsmaßnahmen{40} wird von NGOs oder NPOs durchgeführt (vgl. Wardenbach, 2013: 397). Die Definition einer NGO entspricht oftmals nicht der Begriffsbezeichnung, da tatsächlich zahlreiche NGOs existieren, die „einen Teil oder sogar die Mehrheit ihrer Finanzmittel vom Staat erhalten und deshalb auch dessen Regelmechanismen und Beeinflussungsversuchen unterworfen sind“ (Stockmann, 2016: 545). Im klassischen Sinne wird eine NGO als eine „nach rechtlichen Prinzipien gegründeteInstitution [verstanden], die durch ein Mindestmaß an formaler Selbstverwaltung, Entscheidungsautonomie und Freiwilligkeit gekennzeichnet ist und deren Organisationszweck primär in der Leistungserstellung im nicht-kommerziellen Sektor liegt“ (Bruhn/Herbst, 2016: 606).
NPOs können zugleich die Eigenschaften einer NGO aufweisen. Horak & Heimerl (2007: 167) bezeichnen NPOs als „soziale Systeme, in denen wie in anderen Systemen auch Ziele verfolgt, Pläne erstellt sowie Entscheidungen getroffen und kontrolliert werden“.
Nach Horak et al. (vgl. 2007: 197) lassen sich bei einer typischen NPO sechs Anspruchsgruppen (auch Stakeholder) unterscheiden, zu denen die Klienten, Mitarbeiter, Geldgeber, Konkurrenten, die Öffentlichkeit und die Medien gehören. Abb. 8 zeigt in Anlehnung an dies. (ebd.) fünf Anspruchsgruppen, wobei die Bezeichnungen auf den Kontext der internationalen EZ(vgl. Wardenbach, 2013) übertragen bzw. entsprechend angepasst werden. Wie eingangs erwähnt klammert die vorliegende Studie eine Betrachtung der Projektzielgruppe (auch Begünstigte, Leistungsempfänger) aus, weswegen diese auch an dieser Stelle nicht näher betrachtet wird (vgl. Kap. 1.1).
Eine Besonderheit von NGOs und NPOs in der EZ liegt darin, dass es sich im Rahmen von Entwicklungsmaßnahmen zumeist um „komplexe Problemstellungen [handelt], die mit herkömmlichen Managementmethoden und Instrumenten kaum zu bewältigen sind“ (Horak/Heimerl, 2007: 168). Da diese Anforderungen und Aufgaben äußerst vielfältig sein können (vgl. Campilan, 2003; vgl. Wang/Bar, 2015), gilt es aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Studie eine weitere Abgrenzung vorzunehmen: Genau wie die Leistungsempfänger als Zielgruppe einer Entwicklungsmaßnahme in dieser Studie nicht weiter thematisiert werden, treten auch detaillierte Beschreibungen der sektorbezogenen Aufgaben und fachlichen Leistungen der Projektbeteiligten in den Hintergrund. Vielmehr werden die davon unabhängig existierenden interpersonalen Kommunikations- und Arbeitsprozesse, die wiederum auf den Beziehungen{41} zwischen den Akteuren basieren und die projektbezogene Zusammenarbeit maßgeblich prägen, in den Fokus gerückt.
Abbildung 8: Relevante Anspruchsgruppen eines Entwicklungsprojektsim Rahmen der intra- und interorganisationalen Kollaboration
(eigene Darstellung in Anlehnung an Horak et al. 2007: 197)
Bezugnehmend auf die vier zu fokussierenden Anspruchsgruppen (vgl. Abb. 8) lässt sich das Projektteam, das sich wiederum in lokal beschäftigte Projektbeteiligte im jeweiligen Einsatzgebiet (auch on the ground staff, ground staff){42} und entfernt agierende Kollegen (auch remote staff{43}) aufteilt (vgl. Nguyen, 2016; vgl. Wardenbach, 2013; vgl. Kuo, 2016), von der projektexternen Öffentlichkeit sowie Projektpartnern und anderen Entwicklungsprojekten mit ähnlichen Aufgaben abgrenzen.
Somit sind für diese Studie Entwicklungsprojekte relevant, die folgende Merkmale aufweisen: Ihr Organisationssitz befindet sich entweder vor Ort im Einsatzgebiet oder aber ggf. auf einem anderen Kontinent weit entfernt davon. Die Organisationsmitglieder können dementsprechend unterschiedliche Nationalitäten sowie kulturelle Hintergründe haben. Auch wenn sie im Einsatzgebiet angesiedelt sind, wird dennoch zwischen remote-Projektmitgliedern bzw. remote staff im Büro und Projektbeteiligten im Einsatzgebiet bzw. ground staff{44}, die im direkten Kontakt mit der Projektzielgruppe stehen, unterschieden. Das jeweilige Projektteam{45} arbeitet ggf. lediglich virtuell zusammen, da sich einzelne Projektbeteiligte an unterschiedlichen Arbeitsplätzen (s. o.) befinden. Sie stehen mit mindestens einer projektexternen Organisation im Austausch bzw. befinden sich in einem partnerschaftlichen Verhältnis, das auf Leistungserbringung und fachlicher Expertise gegen finanzielle Förderung oder dem gegenseitigen fachlichen Wissens- und Erfahrungsaustausch beruhen kann (vgl. Wardenbach, 2013: 395).
Entsprechend dieser für Entwicklungsprojekte typischen Anspruchsgruppenkonstellation{46} kommt es zwischen den Akteuren zu Handlungsabläufen, die als Arbeits- bzw. Kommunikationsprozesse verstanden werden. Hierin manifestiert sich die intra- und interorganisationale Kollaboration der Entwicklungsprojekte. Dabei spielen die jeweiligen Akteurskontexte eine entscheidende Rolle. Die Abhängigkeit der Akteurskommunikation von den existierenden Handlungskontexten wird im folgenden Abschnitt näher erläutert.
Im Zentrum des Forschungsinteresses dieser Arbeit steht eine empirische Untersuchung der intra- und interorganisationalen Kollaboration von Entwicklungsmaßnahmen. Anstelle von fachlichen Aufgaben und projektspezifischen Inhalten wird vielmehr die Art der Zusammenarbeit zwischen den zuvor bestimmten Akteuren (vgl. Abb. 8) fokussiert. Dabei wird angenommen, dass sich die Gestaltung der Zusammenarbeit und somit das Handeln der einzelnen Akteure in verschiedenen zu analysierenden Kommunikationsprozessen manifestiert. Ausgehend von einer Betrachtung des Akteursfelds gilt es dabei auch den jeweiligen Akteurs- bzw. Handlungskontext näher zu betrachten.
Wenn im Folgenden die Begriffe Kollaboration oder Zusammenarbeit verwendet werden, beziehen diese sich primär auf die Kommunikationsebene, auf der sich die Zusammenarbeit vollzieht. Dementsprechend findet die intraorganisationale Zusammenarbeit innerhalb eines Projektteams zwischen remote und ground staff statt. Der Begriff interorganisational bezieht sich hingegen auf die Zusammenarbeit zwischen einem Projektteam und der projektexternen Öffentlichkeit, zu der vorhandene oder potenzielle Projektpartner sowie andere Entwicklungsprojekte gehören (s. Abb. 9).
Nach Zerfaß (vgl. 1996) sind organisationsinterne bzw. intraorganisationale und organisationsexterne bzw. interorganisationale Kommunikation zu unterscheiden. Mefalopulos (2008: 5) liefert eine Definition der intraorganisationalen Kommunikation im Rahmen von Entwicklungsprojekten: „To facilitate the flow of information within an institution/project.“ Ders. (ebd.) beschreibt auch deren zentrale Funktion:
„Ensure timely and effective sharing of relevant information within the staff and institution units. It enhances synergies and avoids duplication.“
Abbildung 9: Intra- und interorganisationale Kollaboration im Rahmen von Entwicklungsprojekten
Gabriel & Röhrs (2017: 64f) konkretisieren die zentrale Aufgabe der intraorganisationalen Kommunikation wie folgt:
„Sie unterstützt [...] die Verbreitung von Informationen und Wissen, wobei unterschiedliche Ziele verfolgt werden, so z. B. zum Austausch von Erfahrungen, zur Gewährleistung der Sicherheit, zur Steigerung der Transparenz der [organisationsbezogenen] Vorgänge, zur Förderung des Lernens und der Motivation, die sich beispielsweise durch positive Rückkopplungen steigern lässt.“
Die organisationsinterne Kommunikation kann in verbaler (auch Face-to-Face-Kommunikation{47}), schriftlicher oder digitalgestützter bzw. internetbasierter Form stattfinden (vgl. ebd.). In Bezug auf die Öffentlichkeit zielt die interorganisationale Kommunikation{48} darauf ab, die Mission und Aktivitäten der Organisation zu vermitteln (vgl. Mefalopulos, 2008). Voss (vgl. 2007) definiert dies auch als Medien- bzw. Pressearbeit. Jegliche Kommunikations- und Arbeitsprozesse werden entscheidend beeinflusst, wenn sich die Projektbeteiligten einer Entwicklungsmaßnahme oder auch die Projektpartner in der Projektumsetzungsphase an unterschiedlichen Orten befinden. Zauner & Simsa (2007: 389) stellen hierzu fest: „NPOs neigen stärker als gewinnorientierte Unternehmen dazu, das Spannungsfeld von Nähe und Distanz zugunsten eines freundschaftlich-kameradschaftlichen Klimas zu ignorieren.“
Findet die Kommunikation entfernungsbedingt digital statt, entstehen „virtuelle Räume“ (Stegbauer, 2001: 144{49}), die zunächst den Eindruck wecken als würden sie „wesentliche strukturbildende Eigenschaften“ (ebd.) missen. Bezogen auf die erforderlichen Arbeitsprozesse gelten für diese die Annahmen zur virtuellen Zusammenarbeit. Ale Ebrahim et al. (2009: 1578) definieren ein virtuell zusammenarbeitendes Team wie folgt: “Small temporary groups of geographically, organizationally and/ or time dispersed knowledge workers who coordinate their work predominantly with electronic information and communication technologies in order to accomplish one or more organization tasks.”