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Auch stabile Unternehmen können in existenzielle Krisen geraten. Die Krisenauslöser lassen sich meist auf interne oder externe Faktoren zurückführen, die das Unternehmen plötzlich oder schleichend unterwandern. Globale Veränderungen, steigende Kosten, technologische Entwicklungen, ineffiziente Prozesse oder marktferne Produktentwicklungen führen Unternehmen jedoch nur dann in eine Gefahrenzone, wenn ihre Resilienz nicht ausgeprägt genug ist. Dr. Werner Boysen bietet Ihnen praxiserprobte Lösungsansätze und Methoden sowohl zur Krisenprävention als auch zur Sanierung von Unternehmen, die sich bereits in der Krise befinden. Sein Buch zeigt Ihnen, wie Sie Frühwarnzeichen erkennen und bewerten, die wahren externen und internen Faktoren identifizieren und rechtzeitig wirksame Maßnahmen dagegen einleiten. Inhalte: - Unternehmens-Check: Ist Ihr Unternehmen resilient? - Indikatoren für eine bereits eingetretene Unternehmenskrise - Beurteilung des Krisenstadiums und Identifikation der Krisenursachen - Prävention gegen drohende Unternehmenskrisen - Kurz-, mittel- und langfristig wirksame Maßnahmen zur Krisenbewältigung - Rechtliche Grundlagen und Erfordernisse in der wirtschaftlichen Unternehmenskrise - Integrierte Finanzplanung und Umsetzung der Sanierung
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Seitenzahl: 631
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Werner Boysen
Nachhaltige Bewältigung von Unternehmenskrisen
1. Auflage, Februar 2025
© 2025 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG
Munzinger Str. 9, 79111 Freiburg
www.haufe.de | [email protected]
Bildnachweis (Cover): © ArLawKa AungTun, iStock
Produktmanagement: Kerstin Erlich
Lektorat: Peter Böke
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Abb. 1: Entwicklung des MDAX, Monats-Chart vom 25. September 2024 (Quelle: TWS, https://www.tagesschau.de/wirtschaft/boersenkurse/mdax-index-846741/)
Abb. 2: Krisenstadien in Unternehmen
Abb. 3: Ouroboros. Zeichnung von Theodoros Pelecanos aus Synosios, einem alchemistischen Traktat aus dem Jahr 1478
Abb. 4: Beispiel für DB1 und DB2 nach Geschäftsfeldern
Abb. 5: Innovationsprozess für eine Industrieweberei
Abb. 6: Vergleich von Factoring-Konditionen
Abb. 7: Exemplarische Berechnung des Auszahlungsbetrages aus einem SLB
Abb. 8: Überbesicherung und Cash-Potenzial
Abb. 9: Strategieprozess (eigene Darstellung)
Abb. 10: Neun-Felder-Matrix nach McKinsey
Abb. 11: Megatrends (Quelle: www.zukunftsinstitut.de)
Abb. 12: Porters Five Forces (Porter 1980)
Abb. 13: Archetypen der Unsicherheit (Quelle: Boysen 2001)
Abb. 14: Business Model Canvas nach Osterwalder und Pigneur (2011) (eigene Darstellung)
Abb. 15: Konzept der Kernkompetenzen nach Horst Wildemann (2024)
Abb. 16: Ansoff-Matrix (Ansoff 1988)
Abb. 17: Spieltheoretische Ansätze nach Brandenburger und Nalebuff (1996) (Darstellung des Autors)
Abb. 18: Beispiele für Kreativitätstechniken (Quelle: Boysen 2003: 103).
Abb. 19: Initiativenportfolio nach McKinsey (2009)
Abb. 20: Das Unternehmen als System
Abb. 21: Vermeidbare Fehl- und Blindleistung in Prozessen
Abb. 22: Beispiel einer auszugweisen Prozessdarstellung
Abb. 23: Entscheidungsprozess
Abb. 24: Der kybernetische Diskurs durch Einbindung der Betroffenen in den Entscheidungsprozess (Quelle: Boysen 2011: 95)
Abb. 25: CyberPractice nach Boysen (2011: 84)
Abb. 26: Vertriebsposition nach Zielmärkten
Abb. 27: Gegenüberstellung der DNK-Kriterien mit Bezug zu den EFFAS- und GRI-SRS-Kriterien
Abb. 28: Doppelte Wesentlichkeit: Outside-in- und Inside-out-Perspektiven auf die Umwelt
Abb. 29: Täglicher Umsatz- und DB-Monitor
Abb. 30: Ausschnitt aus allwin
Abb. 31: Entwicklung der Planaufwendungen in [%]
Abb. 32: Entwicklung der Personalaufwendungen in der Krisen- und Sanierungsphase eines mittelständischen Unternehmens
Abb. 33: Beispiel für eine 13-Wochen-Liquiditätsplanung
Abb. 34: Liquiditätsüberwachung
Abb. 35: Führen als wesentliche Komponente des Managements
Abb. 36: Change-Prozess in Anlehnung an Kurt Lewin
Abb. 37: Faktoren der Veränderungsbereitschaft
Cover des Buchs »Management-Kybernetik«
Cover des Buchs »47 Perspektiven auf die Kybernetik«
Die deutsche Wirtschaft steht vor immensen Herausforderungen. Strukturelle Krisen, die fortschreitende Globalisierung und Deglobalisierung sowie der anhaltende Effizienzdruck schaffen ein zunehmend dynamisch-komplexes Umfeld. Dieses Umfeld ist insbesondere für mittelständisch geprägte Industrieunternehmen und industrienahe Dienstleister ein enormer Stresstest. Resilienz, die Fähigkeit, sich an Veränderungen anzupassen und trotz widriger Umstände neue stabile Zustände zu erreichen, wird zu einer überlebenswichtigen Eigenschaft. Doch genau diese Resilienz scheint zunehmend zu schwinden – ein Umstand, der eine Spirale für weitere Krisen in Gang setzt.
Dr. Werner Boysen hat mit seinem Buch Nachhaltige Bewältigung von Unternehmenskrisen. Soforthilfe für Industrieunternehmen und industrienahe Dienstleister ein Werk vorgelegt, das ebenso differenzierte wie zielgerichtete Antworten liefert. Es kombiniert umfassende Analysen mit praxiserprobten Lösungsansätzen und zeichnet sich durch einen stringenten Aufbau aus. In einer Zeit, in der Unsicherheiten und Disruptionen den wirtschaftlichen Alltag bestimmen, liefert dieses Buch wertvolle Orientierung und wirksame Hilfsmittel für Unternehmen in kritischen Phasen.
Mit der systematischen Analyse von Krisenanzeichen, deren Ursachen und dynamischen Zusammenhängen, bereitet Dr. Boysen den Boden für eine nachhaltige Krisenbewältigung. Die Leserinnen und Leser erhalten fundierte Checklisten, Leitfäden und konkrete Maßnahmenkataloge, die eine zügige und nachhaltige Stabilisierung durch die Ausbildung von Resilienz ermöglichen.
Dr. Werner Boysen bringt seine jahrzehntelange Erfahrung als promovierter Wirtschaftswissenschaftler, Maschinenbauingenieur, Unternehmensberater und Interim-Manager in dieses Werk ein. Seit über zwei Jahrzehnten hat er Unternehmen in scheinbar aussichtslosen Situationen geholfen, ihre Existenz zu sichern und neue Perspektiven zu entwickeln. Diese praktische Erfahrung ist in jedem Kapitel des Buches spürbar. Mit klarer Sprache und einem untrüglichen Gespür für das Machbare zeigt er auf, wie sich auch Unternehmen in fortgeschrittener Krisenlage erfolgreich stabilisieren können. Er verdeutlicht, dass es nie zu spät ist, Verantwortung zu übernehmen und die richtigen Maßnahmen einzuleiten – ein Gedanke, der gerade in herausfordernden Zeiten Mut macht.
Eine der zentralen Thesen des Buches lautet: »Krisen in Unternehmen sind weitgehend hausgemacht.« Dr. Boysen fordert Unternehmer und Führungskräfte auf, nicht auf externe Auslöser für Krisen zu verweisen wie geopolitische Unsicherheiten, Fachkräftemangel oder technologische Disruptionen, sondern zu analysieren, weshalb das Unternehmen unter diesen Rahmenbedingungen keinen erfolgreichen Weg gefunden hat, und die internen Schwachstellen zu beheben. Diese klar formulierte Aufgabe wird ergänzt durch umfassende Vorschläge für proaktive Maßnahmen, die die Widerstandskraft von Unternehmen durch die Entwicklung der Anpassungsfähigkeit stärken. Besonders eindrucksvoll ist die Art und Weise, wie er Krisenprävention als integralen Bestandteil nachhaltigen Wirtschaftens versteht – ein Aspekt, der in der bisherigen Literatur oft zu kurz kommt.
Ich selbst habe als Interim-Managerin genau die Phasen erlebt, wie Dr. Boysen sie beschreibt. Wenn eine akute Krise ein Unternehmen trifft, sind schnelle Entscheidungen und einschneidende Maßnahmen unter hohem Zeit- und Kostendruck unvermeidbar. Doch wie dieses Buch eindrücklich zeigt, kann ein solcher Zugzwang vermieden werden, wenn Warnsignale frühzeitig erkannt und rechtzeitig folgerichtige Schritte eingeleitet werden. Dr. Boysen gibt Leserinnen und Lesern Werkzeuge an die Hand, um genau das zu tun – und zwar unabhängig davon, in welchem Krisenstadium sich das Unternehmen befindet.
Seine Empfehlungen umfassen sowohl kurzfristig wirksame Maßnahmen als auch langfristige Konzepte, die Unternehmen zu mehr Resilienz und Anpassungsfähigkeit verhelfen. Dabei legt er besonderen Wert auf eine ganzheitliche Betrachtung der Unternehmenssituation und die Einbindung aller relevanten Stakeholder. Mit diesem Ansatz spricht das Buch neben Führungskräften und Entscheiderinnen und Entscheidern auch die Belegschaften an, die einen unverzichtbaren Beitrag zur Sanierung leisten können.
Dieses Buch ist weit mehr als eine Krisenbewältigungsanleitung. Es ist ein Plädoyer für nachhaltige Unternehmensführung, für den Mut zu Veränderungen und für die Übernahme von Verantwortung. Es motiviert dazu, Unternehmen nicht nur durch akute Krisen zu führen, sondern sie auf eine Weise zu stabilisieren, die langfristigen Erfolg und Wettbewerbsfähigkeit sicherstellt.
Für alle, die Verantwortung tragen – sei es in der Geschäftsführung, im Management oder in der Beratung –, ist dieses Buch ein unverzichtbares Werkzeug. Ich empfehle es Führungskräften, die ihre Unternehmen nicht dem Schicksal überlassen wollen und bereit sind, die Zukunft aktiv zu gestalten. Dr. Boysen liefert mit seinem Werk die dafür nötigen Einsichten und Instrumente.
Dr.-Ing. Marei Strack
Vorstandsvorsitzende des DDIM – Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e.V.
Die Gefahr von Unternehmenskrisen rückt nicht nur bei Fach- und Führungskräften, sondern auch bei Firmenkundenbetreuern in Geschäftsbanken stärker in das Blickfeld. Auslöser sind sowohl technologische als auch makroökonomische sowie politische Rahmenbedingungen. Im Zuge der PolykrisePolykrise, deren Ende nicht abzusehen ist, geraten immer mehr Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten.
Technologische, makroökonomische und politische Rahmenbedingungen
Getrieben von einem steigenden Effizienzdruck nimmt die globale Vernetzung zu und schürt weiteren Effizienzdruck. Diese Entwicklung in vielen Märkten und Wertschöpfungsnetzen wird von der exponentiell zunehmenden Leistungsfähigkeit von informationstechnischen Anwendungen beschleunigt. Paradoxerweise werden Prozesse trotz der höheren Informationsdichte unberechenbarer und unüberschaubarer.
Von Picot et al. wurde bereits 1996 beschrieben, dass entstehende modulare Organisationen, Netzwerke und Kooperationsgeflechte, elektronische Marktplätze ebenso wie die virtuelle Zusammenarbeit in komplexen Organisationsstrukturen die Unternehmensgrenzen verschwimmen lassen werden (blurring boundaries) (Picot et al. 1998: 2). Mittlerweile ist diese Ahnung zur Realität geworden, die einerseits agiles Arbeiten ermöglicht, andererseits sehr schnelle Veränderungen von Strukturen fördert.
Viele teilweise widersprüchliche Entwicklungen vollziehen sich parallel. So schreitet die globale wirtschaftliche Vernetzung weiter voran, während sich gleichzeitig Tendenzen der Deglobalisierung abzeichnen. Künftige Strukturen lassen sich kaum prognostizieren. Ungewissheiten und Diskontinuitäten häufen sich. Wir agieren in einem dynamisch-komplexen Umfeld, das ein agileres Arbeiten nahelegt als bislang.
Viele kritische Rohstoffe verknappen sich weiter; die Abhängigkeit von südostasiatischen Beschaffungsmärkten, insbesondere bezüglich technischer Komponenten, nimmt trotz der schmerzlichen Erfahrungen, die während der Corona-Zeit gemacht wurden, weiterhin zu. Auch das Spannungsverhältnis zwischen Klimaschutzbemühungen und der Erhaltung des Wohlstands in den Industrieländern bzw. dem wirtschaftlichen Aufstieg von Schwellenländern schwingt in dieser komplexen Gemengelage mit. Bezüglich der Technologien ist das Spiel offen: Neben dem Ausbau erneuerbarer Energieträger und der Wasserstofftechnologien werden auch fossile Energieträger wieder stärker in den künftigen Energiemix einbezogen, und die Atomenergie scheint wieder an Bedeutung zu gewinnen.
Der Standort Deutschland ist für Wirtschaftsunternehmen besonders herausfordernd. Viele Unternehmen mit Sitz in Deutschland verlieren im internationalen Vergleich sichtbar an Wettbewerbsfähigkeit. Die Standortnachteile in Deutschland wirken sich nicht nur auf die Wettbewerbsfähigkeit im Export aus, denn deutsche Unternehmen konkurrieren auch in den hiesigen Märkten mit ausländischen Wettbewerbern. Deutschland liegt gemäß der aktuellen, im Auftrag der Stiftung Mittelstand erstellten neunten Auflage der ZEW-Studie im Länderindex Familienunternehmen (vgl. https://www.familienunternehmen.de/de) nur noch auf dem 18. Rang der 21 analysierten Industrienationen. In der Studie werden sechs Subindizes ermittelt, nämlich Steuern, Arbeit, Regulierung, Finanzierung, Infrastruktur sowie Investitionen und Energie. Die Autoren der ZEW-Studie kommen zu folgendem Schluss: »Der Befund zur Position Deutschlands bietet erheblichen Anlass zur Sorge.« Die deutsche Wirtschaft war 2024 zum zweiten Mal rezessiv (Statistisches Bundesamt, 15.01.2025). Die Bundesregierung korrigiert ihre Erwartungen an das Wirtschaftswachstum für 2025 von 1,1 % auf 0,3 % (Handelsblatt, 24.01.2025). BDI-Präsident Peter Leibinger geht speziell auf die wachsenden strukturellen Probleme der deutschen Industrie ein, die auf strukturelle Schwäche des Standorts Deutschland zurückzuführen sind (BDI, 28.01.2025).
Diese Aussagen passen nicht dazu, dass der DAX-Index auf Rekordhoch geklettert ist. Aber der DAX repräsentiert nicht die deutsche Unternehmenslandschaft, sondern die Großunternehmen, von denen die meisten global tätig sind und weltweit produzieren. Möchte man wissen, wie es den mittelständischen Unternehmen in Deutschland geht, die überwiegend auf deutsche Teilmärkte angewiesen sind, sieht man sich am besten den MDAX an. Und der MDAX hat seit 2021 ein Viertel seines Wertes verloren (vgl. Abb. 1). Diese Entwicklung wird sich offenbar nicht umkehren. Das Herbstgutachten 2024 der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute kommt zu dem bitteren Schluss, dass Deutschland in absehbarer Zeit höchstens mit leichtem Wirtschaftswachstum rechnen kann (ebd.: 34). Eine aktuelle Studie des BDI (BDI 2024) sieht 20 % der industriellen Wertschöpfung in Deutschland als bedroht an.
Abb. 1:
Entwicklung des MDAX, Monats-Chart vom 25. September 2024 (Quelle: TWS,
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/boersenkurse/mdax-index-846741/
)
Unternehmen in Deutschland leiden laut der ZEW-Studie vor allem unter der überbordenden Bürokratie, der im Ländervergleich hohen Steuerlast, den hohen Lohn- und Energiekosten bei gleichzeitigem sich verschärfenden Fachkräftemangel und der zunehmenden Konkurrenz mit chinesischen Unternehmen. Wer seine Wertschöpfung nicht ins Ausland mit günstigeren Produktionsfaktoren verlagern kann, hat es in Deutschland schwer. Hinzu kommen in Deutschland unsichere politische Rahmenbedingungen vor einer weltweit sogar unüberschaubaren Kulisse. Steuer- und Subventionsentscheidungen haben einen großen Einfluss auf den Einsatz von Technologien, sozialpolitische Entscheidungen beeinflussen die Verfügbarkeit von Arbeitskräften, und politisch motivierte Embargos schlagen auf die Energie- und die Rohstoffverfügbarkeit und -preise durch. Die geopolitischen Zusammenhänge werden komplexer und unterliegen schnelleren und stärkeren Veränderungen. Aus diesem wabernden Potpourri wirtschaftshemmender Faktoren resultiert die zu beobachtende und nachvollziehbare geringe Investitions- und Innovationsbereitschaft der deutschen Betriebe, die deren internationale Wettbewerbsfähigkeit weiter schwächen. Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer Spirale nach unten, die weitere Unternehmenskrisen nach sich ziehen wird.
Entwicklung der Zahl der Unternehmensinsolvenzen
Unternehmenskrise, Zahl der InsolvenzenDie unberechenbaren wirtschaftlichen Szenarien werden von einer konjunkturell bedingten wirtschaftlichen Schwäche überlagert, die bereits ihre Auswirkungen zeigt: Fachleute gehen davon aus, dass die Anzahl der UnternehmensinsolvenzenUnternehmensinsolvenz nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit weiter zunehmen wird. Allianz Trade erwartet nach einem Anstieg der weltweiten Insolvenzen um 1 % in 2022 und 6 % in 2023 einen weiteren Anstieg um 10 % in 2024 (Somersan Coqui 2023). Das Bundesamt für Statistik destatis dokumentiert, dass die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland seit 2022 dramatisch steigt. Während im Jahr 2021 14.000 Unternehmen Insolvenz anmeldeten, waren es 2022 14.600 und 2023 bereits 17.800. Im Februar 2024 wurden 26,2 % mehr Regelinsolvenzen angemeldet als im Februar des Vorjahres (Statistisches Bundesamt 2024). Für Deutschland erwarten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute, unter anderem das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), deutlich zunehmende Insolvenzzahlen (Haufe 2023).
Der ifo-Geschäftsklimaindexifo-Geschäftsklimaindex ist im September 2024 zum vierten Mal in Folge weiter gefallen, und zwar sowohl in allen drei ausgewiesenen Kategorien: Klima, Lage und Erwartungen als auch in allen drei Geschäftskategorien: in der verarbeitenden Industrie, im Dienstleistungssektor und im Handel. »Die Kernbranchen der deutschen Industrie stecken in Schwierigkeiten.« (ifo Institut 2024). Der Ifo-Geschäftsklimaindex bildet vor allem die Erwartungen der Führungskräfte in der deutschen Wirtschaft ab und weist deshalb in die Zukunft. Offenbar hegen die Führungskräfte in der Wirtschaft wenig Hoffnung auf eine kurzfristige Verbesserung der Wirtschaftslage.
Aus dem Aktienhandel ist bekannt, dass das geschieht, woran viele Menschen glauben, weil sie sich darauf vorbereiten und dadurch die Eintrittswahrscheinlichkeit ihrer Erwartungen verstärken (self-fulfilling prophecy). Wenn Führungskräfte in den Unternehmen nicht an die Erholung der Wirtschaft glauben, liegt es nahe, dass sich die wirtschaftliche Krise tatsächlich weiter verschärft. Dann sind Unternehmen gut beraten, ihre Strukturen und sonstige Fixkosten kompromisslos an erwartete pessimistische Szenarien anzupassen, um die Phase der schwächelnden Konjunktur zu überstehen. Auch eine Bereinigung des Leistungsportfolios und Bestandsabbau können Unternehmen helfen, sich wettbewerbsfähig und liquide zu halten. Die Existenzsicherung muss Vorrang vor der Umsetzung von Zukunftsplänen haben. Die deutsche Wirtschaft im Ganzen fällt durch diese defensiven Strategien im internationalen Wettbewerb allerdings weiter zurück.
Tatsächlich ist unsere deutsche Wirtschaft im globalen Wettbewerb vulnerabel geworden, und zwar paradoxerweise genau deshalb, weil deutsche Unternehmen auf die bisherige Erfolgsgeschichte aufbauen (müssen). Nicht nur in BRICS-Staaten, sondern auch in Ländern Südostasiens, denken wir an Südkorea, werden viele Industrieunternehmen komplett neu aufgebaut und mit modernster und leistungsfähigster Technologie ausgestattet – quasi eine Entwicklung von der Dritten in die Erste Welt –, während in Westeuropa, speziell in Deutschland, die vorhandenen Ressourcen weitgehend weiterverwendet werden (müssen). Insofern fällt die deutsche Industrie nicht nur wegen des vergleichsweise hohen Lohnniveaus und der hohen Sozialleistungen im globalen Wettbewerb zurück, sondern auch wegen einer geringeren Leistungsfähigkeit von Maschinen und Anlagen (Vorschub, Taktzahlen, Arbeitsbreiten, Nutzenzahl, Verfügbarkeit, Stillstandszeiten). Dieser Zusammenhang wurde mir zum ersten Mal 1990 während einer Reise nach Brasilien bewusst, als ich im Umfeld von São Paulo lokale Zulieferer der damaligen Autolatina, einem strategisch angelegten Joint Venture von Volkswagen und Ford, besucht hatte. Paradoxerweise ist ein großer Anteil des Know-hows zum Aufbau dieser globalen Wettbewerber von deutschen Firmen »exportiert« worden – mit dem Ergebnis, dass sich heute die Wertschöpfung in andere Teile unserer Welt verschoben hat. Diese Entwicklung trägt zu Unternehmenskrisen in Deutschland bei. Der sich verschärfende globale Wettbewerb ist nur eine von vielen möglichen Krisentreibern, auf deren Bewältigung sich Unternehmen an Hochlohnstandorten wie Deutschland vorbereiten müssen. Die Ursachen für sich abzeichnende Probleme liegen direkt vor der Haustür von Unternehmen – oder besser gesagt: dahinter.
Das frühzeitige Erkennen geschäftsschwächender Entwicklungen und die rechtzeitige und entschiedene Sanierung von Unternehmen ist daher eine komplexe Herausforderung. Das Tückische an wirtschaftlichen UnternehmenskrisenUnternehmenskrise, wirtschaftliche Unternehmenskrisewirtschaftliche Unternehmenskrise ist, dass sie sich schleichend vollziehen: Während Unternehmenskrisen keinen expliziten Startpunkt und kein klar erkennbares Ende haben, sollte die Sanierung von Unternehmen als straff geführtes Projekt mit einem definierten Start und einem definierten Ende, an dem idealerweise das sanierte Unternehmen steht, organisiert und umgesetzt werden.
Die Erwartung weiterer wirtschaftlicher Unternehmenskrisen und die komplexen Wirkungsgefüge, die im Zuge einer Sanierung gezielt und gekonnt im gegebenen politischen Umfeld beeinflusst werden müssen, rufen bei mir eine Sorge um den Industriestandort Deutschland hervor.
Seit 2001 bin ich selbstständiger Unternehmensberater und Interim-Manager mit Schwerpunkten auf nachhaltige Ertragsverbesserung und Stabilisierung mittelständisch geprägter Unternehmen. Eine meiner Expertisen ist die Sanierung von produzierenden Unternehmen und industrienahen Dienstleistern aus akuten wirtschaftlichen Krisen heraus. Deshalb finden Sie in diesem Buch viele Beispiele aus produzierenden und industrienahen Unternehmen und weniger Beispiele aus dem Handel.
Zu den Klienten meiner Dr. Boysen Management + Consulting GmbH zählen Unternehmen des Maschinenbaus und Anlagenbauer, aber auch 1st- und 2nd-tier Zulieferer der Automobilindustrie, die Metall, Kunststoff oder technische Textilien verarbeiten. Daneben begleiten wir den technischen Fachgroßhandel und einige Speditionen in anspruchsvollen Phasen. Manche Unternehmen sind familiengeführt, andere werden von Private-Equity-Gesellschaftern gehalten.
Vor meiner Selbstständigkeit war ich zunächst als Fach- und seit 1990 als Führungskraft in der Automobilindustrie, dann in der Verpackungsindustrie und schließlich im Inhouse Consulting einer großen deutschen Bank tätig. Nach meinem Studium des Maschinenbaus arbeitete ich sowohl in der Fahrzeugkonstruktion als auch im Fahrzeugversuch für die Volkswagengruppe.
Bereits in dieser Zeit fiel mir auf, dass die Kombination hervorragend konzipierter Komponenten nicht zwangsläufig zu guten Ergebnissen führt; vielmehr ergibt sich die Qualität des Endproduktes aus dem abgestimmten Fit der Komponenten miteinander. Diese überaus wertvolle Erkenntnis hat mich während meines gesamten (beruflichen) Lebens begleitet und geprägt und meine Sinne für die Systemwissenschaften geweckt. In meiner Management- und Beratungspraxis habe ich immer darauf hingewirkt, das »Big Picture« im Blick zu haben und abgestimmte Entscheidungen zu treffen. Das hat meinen Klienten und mir regelmäßig geholfen, wirksame und nachhaltige Lösungen für große, teilweise für unlösbar gehaltene Herausforderungen zu finden. Die anspruchsvollste Herausforderung im Management von Unternehmen ist die Aufgabe, (akute) wirtschaftliche Krisen zu bewältigen. Genau das mache ich seit mehr als drei Jahrzehnten, davon 23 Jahre als selbstständiger Managementberater und Interim-Manager. Ich habe vielen Unternehmen in beinahe aussichtsloser Situation geholfen, wieder auf Kurs zu kommen. Dabei haben mir neben meinem Fachwissen eine Neugier für das Systemverhalten der Unternehmen, eine Portion Kreativität, Mut zu außergewöhnlichen Wegen, Konsequenz in der Umsetzung und zunehmend auch mein sich mit den Jahren entwickeltes Gespür dafür, was funktionieren kann, geholfen. Neues entsteht oft an den Schnittstellen zwischen Fachgebieten. Deshalb tausche ich mich interdisziplinär mit Kolleginnen und Kollegen in der Dachgesellschaft Deutsches Interim-Management (DDIM), insbesondere in der Fachgruppe »Projekt- und Programm-Management«, und im Bundesverband der KMU-Berater über Methoden und Erfahrungen aus. Als Vorstand der KMU-Berater-Akademie und aktives Mitglied der Deutsche Gesellschaft für System Dynamics (DGSD) bin ich an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Unternehmenspraxis tätig, bringe relevante Forschungsergebnisse in die Unternehmenspraxis ein und führe bewährte Vorgehensmodelle aus meinen Praxisprojekten über Fachbeiträge in die wissenschaftliche Diskussion zurück.
In meinen Sanierungsprojekten habe ich oft gesehen, dass die Belegschaft vor Ort nicht nur die Problemsymptome erleidet, sondern auch gute Sanierungsansätze liefert. Selten liegt ein grundlegendes Erkenntnisproblem vor; vielmehr mangelt es viel häufiger an der Zusammensetzung dieser Hinweise zu einem stimmigen Mosaik, an einem klaren Commitment des Managements zur konsequenten Sanierung und an der erforderlichen Umsetzungsdisziplin. Letzteres erfordert ein straffes Projektmanagement, einschließlich eines professionellen Projekt-Controllings.
Es gibt bereits einige gute Fachbücher über die Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen. Deshalb stellt sich die Frage, was dieses weitere Fachbuch bewirken soll. Dieses Buch differenziert sich in mehreren Aspekten von den bereits verfügbaren Fachbüchern.
Viele Titel konzentrieren sich auf die Unternehmensfinanzierung in wirtschaftlich angespannten Zeiten. Selbstverständlich ist die Durchfinanzierung von Sanierungsphasen ein entscheidender Baustein jeder Unternehmenssanierung. Zwar können Sanierungsmaßnahmen auf der Passivseite der Bilanz vorübergehend für Entspannung sorgen, verbessern aber in der Regel nicht die Ertragslage. Deshalb stehen Unternehmen, die sich mit Umschuldungen oder frischem Cash begnügen, nach kurzer Zeit wieder vor demselben Problem. Weitere Sanierungsschritte auf der Passivseite der Bilanz werden dann schwieriger bis unmöglich. Deshalb gelingt die Finanzierung mit erfahrenen Geschäftsbanken und professionellen Finanzdienstleistern nur, wenn ein stimmiges und nachvollziehbares leistungswirtschaftliches Konzept vorliegt. Einige Bücher bieten einen tiefen Einblick in das Finanzwesen von Unternehmen, erläutern die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung und liefern nützliche Kennzahlen; allerdings bieten sie darüber hinaus, trotz vielversprechender Titel, keine verwertbaren praxisgerechten Sanierungsansätze.
Andere Titel fokussieren auf die krisenrelevanten rechtlichen Themen, vor allem die persönliche Geschäftsführerhaftung, eine Komponente des Insolvenzrechts, im Interesse von Unternehmern und Fremdgeschäftsführern. Damit verbunden sind Fragen nach der Notwendigkeit der formalen Feststellung einer möglichen Zahlungsunfähigkeit, einer bilanziellen Überschuldung und einer Fortführungsprognose. In Restrukturierungs- und Sanierungsphasen, in denen Veränderungen umgesetzt werden sollen, kommt auch dem Vertragsrecht und dem Arbeitsrecht eine wesentliche Bedeutung zu, auf die diese Bücher eingehen. Aber zu erfahren, wie die Unternehmenssanierung gelingen kann, dürfen Sie von diesen Büchern nicht erwarten.
Sowohl die sichere Durchfinanzierung als auch die Klärung von Rechtsfragen sind für die erfolgreiche Restrukturierung und Sanierung von Unternehmen zweifellos unabdingbar. Deshalb gehe ich mit dem vorliegenden Werk auf diese wichtigen Aspekte selbstverständlich auch ein, fokussiere mich schwerpunktmäßig aber auf die leistungswirtschaftliche Sanierung von Unternehmen. Denn hier sehe ich den Kern einer nachhaltigen Unternehmenssanierung, der in vielen anderen Büchern unterrepräsentiert ist.
Auch in der Sanierungspraxis werden leistungswirtschaftliche Maßnahmen oft zu spät, mit zu geringer Kreativität, zu zaghaft und nicht mit ganzheitlichem Ansatz ergriffen und umgesetzt. Wie Wirtschaftsgüter unterliegen auch Unternehmen einem Alterungsprozess, der Verschleiß mit sich bringt. Durch eine falsche Handhabung können auch Unternehmen Schaden nehmen und an Funktionalität verlieren. Analog zur verbreiteten Einweg- und Wegwerfmentalität im Alltag werden auch kriselnde Unternehmen kaum noch fachmännisch »repariert«, sondern eher zerschlagen. In diesem Buch zeige ich, wie gefährdete Unternehmen handwerklich solide »repariert« werden können.
Die Unterschiede dieses Buchs erklären sich vor allem aus meinen in mehreren Jahrzehnten gesammelten Erfahrungen im operativen Management und in der Unternehmensberatung. Selten ist es die eine Ursache, die Missstände herbeiruft und nach deren Beseitigung alles wieder im Lot ist. Anspruchsvolle Unternehmenssanierungen und die nachhaltige Stabilisierung von Unternehmen habe ich immer durch eine wohldosiert abgestimmte Betätigung verschiedener strategischer und operativer Hebel erreicht.
Der Wahrnehmungshorizont von Menschen, die eine akute Unternehmenskrise bewältigen müssen, verschließt sich erfahrungsgemäß ziemlich schnell für kreative Ansätze. Dieses Buch öffnet Managerinnen und Managern in der Krise ohne Umschweife ihren Blickwinkel, um trotz des Handlungsdrucks notwendige und sinnvolle neue Lösungsfelder zu erkennen.
Dieses Buch bietet Ihnen praxiserprobte Lösungsansätze und funktionierende Vorgehensmodelle sowohl für die Krisenprävention als auch für die Unternehmenssanierung. Hierzu werden Sie nützliche Praxistipps, zahlreiche anschauliche Beispiele und den Zugang zu wertvollen Arbeitsmitteln finden. Alles ist darauf ausgerichtet, Sie bei der strategischen und operativen Bewältigung Ihrer Herausforderungen in der Krisensituation zu unterstützen. Auf die juristisch zu klärenden Sachverhalte wird an den entsprechenden Textstellen aufmerksam gemacht. Sie stehen aber nicht im Vordergrund dieses Buches. Verzichten Sie nicht auf eine kompetente juristische Begleitung durch Ihr Sanierungsprojekt.
Struktur nach Kapiteln
Wegen der Vielschichtigkeit der einer Unternehmenskrise zugrunde liegenden Problematik, wegen der vielen fachlichen Disziplinen und wegen der unterschiedlichen Anspruchsgruppen mit divergierenden Interessen ist das Thema der Unternehmenssanierung hochkomplex und verändert sich sogar im Zeitverlauf. Entsprechend dynamisch-komplex verwoben sind die Aspekte, die berücksichtigt und gemanagt werden müssen. In einem Buch kann man diese Komplexität und den notwendigen iterativen Lösungsweg in seiner Vernetzung leider nicht eins zu eins darstellen. Ich kann nur vorn anfangen und mich dann allmählich »vorrobben«. Dafür gibt es zwei sinnvolle Möglichkeiten: Ich könnte jede betriebliche Funktion nacheinander auf Krisenursachen analysieren und die Behebung der Krisenursachen einzeln behandeln. Das wird der realen Vernetzung und der gegenseitigen Beeinflussung der unterschiedlichen betrieblichen Funktionen aber nicht gerecht. Deshalb habe ich mich dafür entschieden, ausgehend von der Idealvorstellung eines gesunden Unternehmens, auf Abweichungen einzugehen (Krisenanzeichen) und nach der Befassung mit der Ursachenermittlung (Analyse) geeignete ganzheitlich konzipierte Maßnahmen zur Behebung der Krisenursachen im Gesamtunternehmen zu empfehlen (Sanierungskonzept), die dann in die Umsetzung gebracht werden können. Dabei knüpfe ich immer nahtlos an die Erkenntnisse aus dem jeweiligen Vorkapitel an. Was zunächst wie eine Redundanz erscheinen mag, ist als eine systematische Weiterentwicklung angelegt.
Ein Unternehmen ist dann gut aufgestellt, wenn es nachhaltig lebensfähig ist. Darauf wies Frederic Vester bereits hin (Vester 2011: 104), der Lebensfähigkeit mit »kybernetischer Reife« gleichsetzte, die zu wirtschaftlicher Stabilität führe. Weil dieser gedankliche Ansatz auch meiner Grundüberzeugung entspricht, beschreibe ich in Kapitel 1 dieses Buches, was meines Erachtens ein nachhaltig lebensfähiges Unternehmen auszeichnet.
Für die nachhaltige LebensfähigkeitLebensfähigkeit des Unternehmens gibt es den Begriff »Resilienz«Resilienz. Die Eigenschaft der Resilienz stattet Unternehmen mit einer besonderen Widerstandsfähigkeit aus, um bei einwirkenden inneren oder äußeren Störkräften immer wieder neue stabile Zustände zu finden. Es geht bei der Resilienz also nicht darum, Widerstand gegen Störkräfte auszuüben, sondern die Widerstandsfähigkeit für eine dynamische Stabilität zu entwickeln. Kybernetiker nennen diesen erwünschten Vorgang »Homöostase«.Homöostase
Nachdem Sie sich mit der Resilienz Ihres Unternehmens vertraut gemacht haben, lernen Sie in Kapitel 2 FrühwarnzeichenFrühwarnzeichen einer Krise einer drohenden Krise kennen. Diese machen Sie wachsam und achtsam für kritische Veränderungen, die eine Krise auslösen können. So können Sie rechtzeitig mit geeigneten Maßnahmen gegenlenken und im besten Fall den Eintritt drohender Krisen abwenden.
Definition: »Krise«
Eine Krise ist ein entscheidender Punkt bzw. ein Höhepunkt einer gefahrvollen Entwicklung, eine schwierige Lage. Der Begriff »Krise« leitet sich vom lateinischen »crisis« und dem griechischen »krísis« (κρίσις) ab. Das griechische Wort »krī́nein« (κρίνειν) bedeutet: scheiden, trennen, auswählen, entscheiden (vgl. https://www.dwds.de/wb/Krise).
Krisen entstehen üblicherweise nicht aus dem Nichts. Vielmehr können ihre Ursachen in der Regel auf frühere Entscheidungen zurückgeführt werden. Entsprechend werden Sie in Kapitel 3 in die oft zunächst unsichtbaren oder nicht behobenen KrisenstadienKrisenstadien eingeführt. Sie erfahren, wie aus den Krisenstadien systematisch die wahren Krisenursachen abgeleitet werden können. In den meisten Fällen ist nicht etwa eine einzelne Ursache für eine Unternehmenskrise verantwortlich, sondern ein ganzes Bündel von Ursachen, die sich in einem komplexen Zusammenspiel negativ auf das Unternehmen auswirken (»Diagnose«).
Nach dieser Grundlagenarbeit, die man in keinem Projekt zur Unternehmenssanierung überspringen sollte, geht Kapitel 4 schließlich darauf ein, wie Sie identifizierte und analysierte Unternehmenskrisen durch präventive Maßnahmen abwenden können (»Therapieempfehlung«).
In Kapitel 5 lernen Sie kurzfristig wirksame Maßnahmen zur Krisenbewältigung kennen, mit denen Sie das unmittelbare Überleben des Unternehmens sichern können. Seien Sie sich bewusst, dass Sie damit zunächst »nur« die Wiederbeatmung, Kreislaufstabilisierung und eine stabile Seitenlage erreicht haben. Die eigentliche Behandlung zu einem sanierten Unternehmen steht aber noch aus (»Einrenken, ggf. Amputieren, Reha«).
Insofern macht es, nachdem die unmittelbare Existenz gesichert ist, Sinn, mit einem LeitbildLeitbild eine klare Zielvorstellung von Ihrem sanierten Unternehmen zu entwickeln. Wie das geht, sehen Sie in Kapitel 6. Das Leitbild können Sie während des gesamten Sanierungsprozesses als Instrument zur Orientierung einsetzen. Sie werden in die einschlägige Methodik zur Definition von Sanierungsmaßnahmen eingeführt, die die KrisenursachenKrisenursachen beseitigen. Dieser Maßnahmenkatalog unterstützt Sie und Ihr Unternehmen dabei, das Leitbild zu erreichen, und zeigt auf, wie Sie die Wirkung der Maßnahmen beziffern können.
In Kapitel 7 stelle ich den Kern der Sanierung vor: Es geht darum, mittel- bis langfristig wirksame Maßnahmen zu konzipieren, mit denen Sie Ihr Unternehmen nachhaltig sanieren können.
In Kapitel 8 erfahren Sie, wie Sie die quantifizierten Maßnahmen in eine integrierte FinanzplanungFinanzplanung, integrierte Finanzplanungintegrierte Finanzplanung überführen können, die, ausgehend von einer Absatz- und Umsatzplanung, aus einer Gewinn- und Verlustplanung sowie einer Planbilanz besteht, die in eine Liquiditätsplanung mündet (»Heilungsprognose«).
Obwohl dieses Buch auf die strategischen und operativen Aspekte der Unternehmenssanierung fokussiert, kann ich meinen Leserinnen und Lesern, wie oben erwähnt, einige formaljuristische Erfordernisse und rechtliche Grundlagen in der wirtschaftlichen Unternehmenskrise nicht ersparen. Deshalb befasst sich Kapitel 9 damit, wie Sie Haftungsrisiken vermeiden können, die mit einer möglichen Insolvenz verbunden sind.
Während es bislang um konzeptionelle Arbeiten ging, widmet sich Kapitel 10 endlich der Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen. Diesem Kapitel können Sie entnehmen, wie Sie Ihr Sanierungsprojekt praxisgerecht planen, eine geeignete Projektorganisation erstellen und das Sanierungsprojekt zum Erfolg führen können (»Heilung«). Neben einer zweckmäßigen Organisation sind Leadership- und Change-Management-Fähigkeiten zwei wesentliche Voraussetzungen für eine gelingende Unternehmenssanierung.
In Kapitel 11 fasse ich die wesentlichen Empfehlungen, die ich in diesem Buch gebe, in konzentrierter Form zusammen.
Struktur innerhalb der Kapitel
Innerhalb der Kapitel können sich Leserinnen und Leser, die praxisrelevante Hinweise und Empfehlungen suchen, im Haupttext bewegen. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, in den hellgrau unterlegten Infoboxen Hintergrundinformationen und wissenschaftlich fundierte Theorien zu erfahren. Auch konkrete praxisrelevante Beispiele werden in grau unterlegten Kästen hervorgehoben. Im Text finden Sie zudem kontextbezogen Hinweise auf relevante Arbeitsmittel, die Ihnen Ihre Arbeit erleichtern.
Jedes Kapitel schließt mit themenbezogenen Reflexionsfragen ab, die dazu dienen, dass Sie die Materie unmittelbar auf ihr eigenes betriebliches Umfeld beziehen und wirksam anwenden können.
consultingcheck.comIn diesem Buch konzentriere ich mich auf die Aspekte des Managements, die für die Sanierung von Unternehmen relevant sind. Im Prinzip basieren diese Aspekte auf der Praxis guten Managements. Im Corona-Jahr 2021 habe ich mit www.consultingcheck.com eine virtuelle Anwendung der Unternehmensberatung geschaffen. In dieser Anwendung biete ich Fach- und Führungskräften kostenfreien Zugang zu grundlegenden Management-Skills über alle betrieblichen Funktionen. Nutzer können sich in einem virtuellen Dialog zu passenden Lösungsansätzen führen lassen. Sie können aber auch gezielt Themenfelder wählen, um direkt zu relevanten Lösungsansätzen zu gelangen.
Außerdem finden Nutzer auf www.consultingcheck.com zu vielen Herausforderungen nützliche Arbeitsmittel. Das können praxiserprobte Checklisten sein, es können Formatvorlagen sein, mit denen sich beispielsweise Businesspläne oder Sanierungskonzepte erstellen lassen. Außerdem sind fertig verformelte Rechen- und Simulationsanwendungen verfügbar. So können Sie zum Beispiel durch die Eingabe weniger Daten einen Korridor für den Wert Ihres Unternehmens ermitteln, können eine Liquiditätsplanung, einen Liquiditätsstatus oder eine Liquiditätsbilanz erstellen oder eine integrierte Finanzplanung vornehmen.
Das Ziel, das ich mit www.consultingcheck.com verfolge, besteht darin, Fach- und Führungskräften, die nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, ausgewiesene Unternehmensberater zu beauftragen, wichtige Impulse und pragmatisch konzipierte Hilfsmittel an die Hand zu geben, mit der Idee, »Management-Skills zu demokratisieren«. Außerdem eignet sich www.consultingcheck.com dazu, potenzielle Beratungskunden vorzuqualifizieren und sie in die Lage zu versetzen, Beratungsleistungen gezielter anzufragen.
Die Anwendung ist in deutscher, englischer und spanischer Sprache verfügbar und erreicht bereits einen großen Teil unserer Welt. An einigen Textstellen in diesem Buch verweise ich auf Arbeitsmittel, die auf www.consultingcheck.com verfügbar sind, damit Sie direkt auf weitere relevante Informationen zugreifen können, die entweder den Rahmen dieses Buchs sprengen würden oder im Buch nicht interaktiv angeboten werden können.
Dieses Buch wäre ohne die umfassende Praxiserfahrung, die ich in meinen Management- und Beratungsmandaten erlangen konnte, und die Menschen, die ich dabei kennenlernen durfte, nicht denkbar. Deshalb danke ich zuallererst meinen Klienten für ihr Vertrauen in meine Leistungen sowie den Führungskräften und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Unternehmen, die ich in anspruchsvollen Phasen begleiten durfte, für ihre Mitwirkung am Gelingen der Projekte und die Grundlage für die in diesem Buch präsentierten Beispiele.
Ich danke auch den Firmenkundenbetreuern und Intensivbetreuern bei den an Sanierungsprojekten beteiligten finanzierenden Geschäftsbanken für die Spiegelung der präsentierten Sanierungsideen und -konzepte, die meinen Korridor für das Machbare geschärft hat. Außerdem danke ich den begutachtenden Unternehmensberatern und Wirtschaftsprüfern für die überaus wertvollen Lerneffekte, die ich aus der Zusammenarbeit gewinnen konnte.
Auch ohne den konstruktiven Austausch mit meinen geschätzten Kollegen und Freunden, beispielsweise in der Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e. V. (DDIM) (https://ddim.de/) und im Bundesverband freier Berater e. V. (https://www.kmu-berater.de/) wäre mir dieses Buch auch nicht gelungen.
Mein Dank geht auch an Gabriele Romeike, die das Beratungsunternehmen Financial Projects (www.financialprojects.de) mit Sitz in Mülheim an der Ruhr betreibt. Gabriele hat mein Manuskript mit Fokus auf die Finanzierungsthemen sehr kritisch durchgesehen und mir viele wertvolle, konkrete Hinweise gegeben, die das Buch bereichern.
Explizit danke ich Kerstin Erlich, Produktmanagerin beim Haufe-Verlag, die das Buchprojekt auf kooperative Weise aufgenommen und organisatorisch begleitet hat.
Und ich danke auch allen, die im Hintergrund beim Haufe-Verlag an diesem Projekt mitgewirkt haben und die das Buch vermarkten werden, für ihren tollen Einsatz. Die Zusammenarbeit mit Haufe macht wirklich Freude.
Erste Ausgaben sind anfällig für kleine Fehler, und mein Anspruch war es, auch diese erste Ausgabe wirklich gut lesbar zu machen. Das vorliegende Buch ist mein zwölftes Fachbuch, aber es ist das erste Mal, dass ich das Manuskript bereits während der Konzeptphase habe gegenlesen lassen – und es hat sich absolut gelohnt. Gegengelesen hat Dr. Priska Jones (https://www.priska-jones.com), die mich im Frühjahr 2024 dazu animiert hat, dieses Buchprojekt aufzunehmen, um über meine Erfahrungen in der operativen Unternehmenssanierung zu schreiben. Als Nicht-Betriebswirtin war ihr kritischer Blick auf meine Ausführungen für das Buch äußerst wertvoll. Sie hat mich in dem strukturellen Aufbau des Buches bestätigt, mich darauf aufmerksam gemacht, in welche Fachbegriffe ich meine Leserinnen und Leser durch kleine Definitionen einführen sollte, zu welchen Passagen konkrete Beispiele meine Empfehlungen veranschaulichen würden und auf welchen Zitaturheber ich lieber verzichten sollte, weil er polarisiert, und nicht zuletzt hat sie einige Textstellen schöner formuliert. Vor allem hat sie mich während einer Phase voller Auslastung mit Projektarbeit dazu motiviert, engagiert weiterzumachen. Vielen Dank, liebe Priska, für Deine tolle Unterstützung während dieses Buchprojektes. Die Zusammenarbeit hat viel Spaß gemacht.
Vor allem bedanke ich mich bei Peter Böke (https://www.xing.com/profile/Peter_Boeke) für seinen weitblickenden und äußerst sorgfältigen Lektoratseinsatz, durch den das Buch deutlich an Qualität gewonnen hat. Peter Böke hat sich als Lektor schon früh eingebracht, erste Kapitel kritisch durchgesehen und mir dadurch geholfen, wesentliche formale und inhaltliche Aspekte für ein gutes Buch schon beim Schreiben zu berücksichtigen. Ich habe jedes der immer konstruktiven Gespräche mit Herrn Böke geschätzt. Er hat nicht nur für das einheitliche formale Layout des Buches gesorgt, sondern auch Schreibweisen und Typographisches vereinheitlicht und das Lesen mit manchen Formulierungsvorschlägen vereinfacht.
»Erfolg besteht darin, dass man genau die Fähigkeiten hat, die im Moment gefragt sind.«
Henry Ford
ResilienzUnternehmensresilienzWenn wir uns mit dem Thema einer Unternehmenssanierung beschäftigen, suggeriert dies, dass das betrachtete Unternehmen »erkrankt« ist. Wenn Unternehmen krank werden können, fehlt ihnen offenbar die notwendige Widerstandskraft, mit der sie Krankheiten abwenden können. Ihnen fehlt Resilienz. Wenn Sie sicher sind, dass Ihr Unternehmen resilient ist, können Sie sich die Lektüre eines Buches über die Unternehmenssanierung ersparen. Sind Sie sich über die Resilienz Ihres Unternehmens aber nicht ganz sicher, lohnt sich ein Blick in dieses Kapitel, denn Resilienz ist die wesentliche Eigenschaft lebensfähiger Unternehmen, insbesondere in einem zunehmend dynamisch-komplexen wirtschaftlichen Umfeld.
Komplexität ist üblicherweise negativ assoziiert. Dabei ist Komplexität eigentlich ein Maß für FreiheitsgradeFreiheitsgrad. Dynamische Komplexitätdynamische Komplexität ist synonym zu einer steigenden Anzahl möglicher Ereignisse und Entwicklungen, also zu höherer Unsicherheit, die gerade in Krisenzeiten gefürchtet wird. Die Sichtweise, dass eine hohe dynamische Komplexität auch mehr Chancen bietet, ist wenig verbreitet. Können Sie sich vorstellen, Komplexität als eine Quelle für Veränderungsfähigkeit und Lebendigkeit aufzufassen und sie ausdrücklich zu begrüßen? Und vordergründige Gegensätze nicht als Quellen für Konflikte zu betrachten, sondern sie als etwas Natürliches und Notwendiges zu akzeptieren? Haben Sie schon einmal versucht, die Koexistenz von Gegensätzlichem anzunehmen und eher die Verbindungen zu suchen, statt Ambivalenzen auflösen zu wollen? In dieser Sichtweise liegen Ansätze zur Bewältigung gegebener Komplexität. Ja, betrachten Sie Komplexität als gegeben. Sie lässt sich nicht reduzieren; es kann nur ein geeigneter Umgang mit Komplexität empfohlen werden.
Nun zum Begriff der Resilienz (vgl. Evertz und Krystek 2014: 387 ff.): Für Fachleute ist »Resilienz« ein prägnanter, für Laien aber ein nur wenig anschaulicher Begriff. Deshalb soll der Begriff »Resilienz«, der vom lateinischen Wort resilire (= zurückspringen, abprallen) abgeleitet ist, zunächst definiert werden. Resilienz ist die Fähigkeit, an Widerständen nicht zu zerbrechen, sondern sich bei der Einwirkung von Widerständen in einen neuen Gleichgewichtszustand bewegen zu können. Statt von Veränderung zerrüttet zu werden, beziehen resiliente Unternehmen also gerade aus der Veränderung ihre Stabilität. Das ist ein vermeintliches Paradoxon, das unserer gewohnten Haltung widerspricht: Wir möchten möglichst viele Variablen fixieren und leiten daraus ein Gefühl vermeintlicher Sicherheit und Stabilität ab. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Beweglichkeit schafft StabilitätStabilität. Dadurch dass Unternehmen beweglich sind, können sie sich aus innerer Kraft heraus an neue Rahmenbedingungen anpassen, indem sie sich ständig neu »einschwingen«. Diese Schwingungen sind nicht etwa ein verschwenderischer Mangel an Präzision, sondern sogar notwendig, um auf dynamische Weise Stabilität zu sichern. Der oft missverstandene, der Evolution entlehnte Satz »The fittest will survive« bezieht sich auf das gute Zusammenpassen (engl.: to fit), nicht auf permanente Höchstleistung. Je intensiver die wechselseitigen Interaktionen eines Unternehmens mit seinem Umfeld ausgeprägt sind, desto markt- und situationsgerechter entwickelt sich ein Unternehmen. Diese komplexen Rückkopplungen werden umso wichtiger, je weniger eindeutige Ursache-Wirkungs-Beziehungen es gibt. Mit zunehmender Ungewissheit spielt eine gelebte innere Vernetzung Unternehmen in die Hände. Jede Entscheidung und jede Handlung lösen Reaktionen aus, die ihre Wirkung auf das Unternehmen indirekt und zeitlich versetzt entfalten wird.
Die innere Kraft zur Bewegung muss bei resilienten Unternehmen nicht einmal von einer bestimmten Instanz ausgelöst werden; sie entfaltet sich emergent. EmergenzEmergenz, ein Fachbegriff aus den Naturwissenschaften, beschreibt die Ausbildung neuer Eigenschaften von Systemen durch die Vernetzung und die Interaktion seiner Komponenten (Subsysteme). Das Besondere am emergenten Verhalten von Systemen ist, dass sich die Eigenschaften oder Fähigkeiten, die sich auf der Makroebene zeigen, nicht durch die Analyse der einzelnen Komponenten erklären lassen. Die Wirkungsweise erfolgt in der Blackbox des komplexen Beziehungsgeflechts, das – da muss ich Sie enttäuschen – kaum explizit erfasst werden kann.
Übertragen auf Unternehmen, die als soziale Systeme aufgefasst werden können, bedeutet dies, dass Emergenz keine Eigenschaft ist, die »verordnet« werden kann; vielmehr entwickelt sich Emergenz in einem oft langjährigen Prozess. Ist die Emergenz einer Organisation so ausgelegt, dass sie das Unternehmen aus innerer Fähigkeit heraus im Einklang mit seinem Umfeld hält und so für seine Resilienz sorgt, macht dies den eigentlichen Wert von Organisationen aus, der kaum kopiert werden kann. Solche Unternehmen sind durch ihre innere Veränderungs- und Anpassungsfähigkeit stabil. Sie sichern sich ihre nachhaltige Existenz von innen heraus. Für Unternehmen, die ihre Resilienz aus ihrem emergenten Verhalten beziehen, werden bei Transaktionen hohe Preise gezahlt, die weit über die sich aus dem Ertragswert ergebenden Werte hinausreichen.
Beispiel: Resiliente Unternehmen sind wertvoller
Ein angelsächsisches Private-Equity-Unternehmen interessierte sich für den Erwerb eines Industrieunternehmens in Deutschland. In der Funktion eines Scouts führte ich dem Investor zwei relevante Targets zu, deren Geschäftsumfänge vergleichbar waren. Das erste Unternehmen wies für das vergangene Geschäftsjahr einen EBIT-Ertrag von 17 %, bezogen auf die Umsatzerlöse, aus, während das zweite einen stabilen EBIT-Ertrag um 10 % vorwies. Mein Klient entschied sich für das zweite Unternehmen, weil dessen Prozesse stabiler funktionierten und das Unternehmen flexibler und anpassungsfähiger aufgestellt war. Der Kaufpreis überstieg das übliche EBIT-Multiple deutlich.
Dass Resilienz für manche Investoren offensichtlich wichtiger ist als kurzfristiger Profit, stimmt mich zuversichtlich, weil Unternehmen daran erkennen können, dass sich der Einsatz für stabile Prozesse allmählich auszahlt.
Während nicht resiliente Unternehmen dazu neigen, Gefahren zu verdrängen, sie zu verschleiern oder zu bagatellisieren, nehmen resiliente Unternehmen oft selbst wenig sichtbare Risiken mit ihren Antennen feinfühlig auf und setzen Risiken sogar quasi als Enzyme für Veränderungen ein. Näher betrachtet müssen resiliente Unternehmen gar nicht auf konkrete Risiken vorbereitet sein, sondern entwickeln on the run die Fähigkeit, mit sich abzeichnenden Risiken sinnvoll umzugehen. Um handlungsfähig zu bleiben, sind zur Stabilisierung allerdings gewisse Redundanzen erforderlich, die als »Versicherungsprämie« zur Absicherung gegen Katastrophen akzeptiert werden sollten. Je weniger das formale Management interveniert, desto ungestörter entwickelt sich die organisationale Anpassungsfähigkeit von Organisationen. Im Umkehrschluss benötigen Unternehmen, die diese Selbstregelungsfähigkeit nicht hinreichend entwickelt haben, mehr Intervention, um Korrekturen umzusetzen – und je mehr Eingriffe in die natürliche Wirkungsbeziehungen der Organisation erfolgen, desto vulnerabler wird das Unternehmen. Abgesehen davon, dass auch die Intervention Energie und Aufwand kostet. Dann sollten Sie Ihre Energie lieber in die Entwicklung von Selbstregelungsfähigkeiten investieren, das heißt vor allem, …
in die achtsame Beobachtung von Veränderungen im relevanten Unternehmensumfeld (Märkte, Wettbewerb, Beschaffungsquellen, Öffentlichkeit etc.),
in die Fähigkeit jedes Einzelnen, strategisch zu denken und zu handeln,
in Empowerment der Belegschaft und
in Feedback-Prozesse.
Mich hat interessiert, nach welchen Kriterien die Resilienz von Unternehmen beurteilt und wie die ResilienzResilienzUnternehmensresilienzgefördert werden kann. Bereits 2011 habe ich fünf systemische Fähigkeiten herausgearbeitet, deren Ausprägungen über die Resilienz von Unternehmen entscheiden (Boysen 2011: 102 ff.). Diese systemischen Fähigkeiten sind:
die Kooperations- und Netzwerkfähigkeit,
die Innovationsfähigkeit,
die Ressourcenkompetenz,
die organisationale Flexibilität und Anpassungsfähigkeit und
die systemgerechte Planungs- und Führungskompetenz.
Der Wermutstropfen liegt darin, dass Sie diese fünf Fähigkeiten nicht direkt aus den Zahlen Ihrer Finanzbuchhaltung ablesen können. Die Finanzbuchhaltung liefert Ihnen nämlich lediglich die Auswirkungen der Ausprägung dieser Fähigkeiten als Ergebnisse. Die meisten Finanzzahlen dienen nur als Indikatoren; sie sind keine Variablen, die Sie direkt beeinflussen können. Um die Stabilität Ihres Unternehmens beeinflussen zu können, sollten Sie in diese fünf Fähigkeiten investieren.
Meine Erfahrung zeigt, dass Unternehmen, die alle fünf Fähigkeiten gleichmäßig gut ausgeprägt haben, besonders resilient sind. Wenn Sie Ihrem Unternehmen auf einer Skala von 0 bis 10 in jeder der fünf Fähigkeiten eine 7 beimessen würden, ist dies deutlich mehr wert als eine Bewertung von 10 in drei der Fähigkeiten und einer Bewertung von nur 2 für die beiden restlichen Fähigkeiten.
Um Ihnen die ganze Komplexität zu veranschaulichen, lege ich noch eins drauf: Es gibt nämlich auch wechselseitige Beziehungen zwischen den fünf systemischen Fähigkeiten.
Um Ihnen Anhaltspunkte für eine Beurteilung zu geben, wie gut die systemischen Fähigkeiten in Ihrem Unternehmen ausgeprägt sind, erläutere ich Ihnen in den folgenden Abschnitten in diesem Kapitel, welche konkreten Aspekte sich hinter den Fähigkeiten verbergen. Mithilfe dieser Ausführungen können Sie die fünf systemischen Fähigkeiten in Ihrem Unternehmen systematisch entwickeln und Ihr Unternehmen dadurch resilienter, also widerstandsfähiger machen.
Tool-Empfehlung
Machen Sie den Resilienz-Check, indem Sie das von mir bereits 2011 entwickelte und mehrfach überarbeitete webbasierte Self-Assessment SystemScan in Ihrem Unternehmen durchführen, von dem bereits viele Unternehmen profitiert haben. Die Beschreibung von SystemScan finden Sie auf www.consultingcheck.com unter Downloads.
Weder Menschen noch Unternehmen existieren allein im Raum; vielmehr sind sie Teile größerer Systeme, die sich aus verschiedenen Sphären zusammensetzen. Eine dieser Sphären sind die Gesellschafter bzw. Aktionäre, eine andere ist der Markt für die angebotenen Leistungen (Kundensegmente), eine weitere ist der Beschaffungsmarkt (Lieferanten), noch eine weitere ist die Gesellschaft bzw. die Öffentlichkeit, die ebenfalls Erwartungen an Ihr Unternehmen stellt, und wieder eine andere die Belegschaft. Unternehmen sind auch in die Sphären ihrer Wettbewerber und Leistungspartner eingebunden. Schließlich sind die Gesellschaft selbst und auch die Natur solche Systeme, in die unter anderem Menschen und Unternehmen eingebunden sind. In der Regel gibt es viele Überschneidungen dieser unterschiedlichen Sphären, die zu komplexen Interessenlagen führen können.
Aus systemischer Sicht entscheidet die Fähigkeit von Unternehmen, sich als natürliches Element in all diese Sphären stabil einzubetten, über ihren nachhaltigen Geschäftserfolg. Damit kommt der Qualität der Kooperations- und Netzwerkfähigkeit in Bezug auf die Überlebensfähigkeit eine Schlüsselrolle zu. Aber, Sie ahnen es: Auch die Anpassungsfähigkeit und auch die Innovationsfähigkeit spielen hier hinein.
NetworkingJede Initiative zur Zusammenarbeit fängt im Unternehmen an. Für das Funktionieren von Unternehmen ist nicht in erster Linie die Zusammen- und Zuarbeit innerhalb der hierarchischen Strukturen entscheidend; vielmehr kommt es auf die Qualität der Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungsprozesse an.
Qualität der SchnittstellenSchnittstelle: Großen Einfluss auf diese prozessuale Zusammenarbeit hat die Qualität des Informationsflusses an den Schnittstellen zwischen Funktionsbereichen und Abteilungen. Eine Grundvoraussetzung für das Funktionieren von organisationalen Prozessen ist, dass die Arbeitsfelder entlang des Geschäftsprozesses nahtlos aneinander anschließen und Informationen anschlussfähig vermittelt werden. Dafür sind die Relevanz und die Vermittlungsgeschwindigkeit der Informationen als wesentliche Kriterien ausschlaggebend.
Der Anspruch sollte aber höher liegen: Werden Schnittstellen nicht nur zur Durchleitung von Informationen und Arbeitsaufträgen eingesetzt, sondern auch für die Rückkopplung und für Feedback genutzt, ist eine notwendige Bedingung für eine agile Arbeitsweise erfüllt. Hier spielt auch die Unternehmenskultur eine wichtige Rolle. Den Bedarf an hilfreichen Informationen zu erkennen und zu decken, kann durch besondere Achtsamkeit und Flexibilität erreicht werden.
Qualität der EntscheidungsprozesseEntscheidungsprozess: Auch die Art, in der Entscheidungsprozesse ablaufen, beeinflusst die Qualität und die Stabilität des Geschäftes. Idealerweise werden Entscheidungen in funktionsübergreifenden Expertenteams um Schnittstellen gefunden, in die alle für die jeweilige Entscheidung wesentlichen Kompetenzen, Erfahrungen, Sichtweisen und Interessen einfließen. Durch den konstruktiven Diskurs zwischen Personen bzw. Organisationseinheiten mit unterschiedlichen Zugängen zu demselben Thema können bislang gar nicht wahrgenommene Möglichkeiten erschlossen werden, denn wirklich Neues entsteht oft an Schnittstellen zwischen Märkten, Technologien und Fachbereichen, seltener im Zentrum der Kompetenzbereiche.
Wenn Sie als Führungskraft Einfluss auf die Qualität der Schnittstellen und auf die Kommunikationskultur in Ihrem Unternehmen nehmen, werden Sie Blind- und Fehlleistungen innerhalb Ihrer Geschäftsprozesse verringern, die Leistungsfähigkeit und die Anpassungsfähigkeit verbessern, die Kundenzufriedenheit und letztlich auch die Mitarbeiterzufriedenheit steigern können.
NetworkingEine gute unternehmensinterne Kooperation mit anderen Organisationen ist eine Voraussetzung für die Anschlussfähigkeit von Organisationen an ihr wirtschaftliches Umfeld. Mit der engeren Verzahnung innerhalb von Wertschöpfungsketten und -netzwerken verschwimmen die Grenzen zwischen den Organisationen immer mehr. Beispielsweise können Beschaffungs-, Entwicklungs-, Fertigungs- oder Vermarktungsprozesse gemeinsam durchgeführt werden, um die Marktmacht (bargaining power) zu stärken oder die eigenen Fähigkeiten oder Kapazitäten zu erweitern.
Klare Abgrenzung zur komplementären Anbindung: Um in Kooperationsbeziehungen zwischen Organisationen die eigene Identität zu wahren und die Kräfte der Selbsterhaltung wirksam werden zu lassen, ist eine scharfe strategische und kompetenzbezogene Abgrenzung der eigenen Organisation gegenüber ihrer Außenwelt wichtig. In Wertschöpfungsketten und -netzen besteht nämlich andernfalls die Gefahr, als Organisation ungewollt in bestimmte Rollen hineinzutreiben und den eigenen strategischen Weg zu vernachlässigen. Kooperationsbeziehungen funktionieren umso besser, je schärfer das eigene Leistungsprofil an den Schnittstellen zu anderen Organisationen herausgearbeitet wird. Es kommt auf die Passgenauigkeit an.
Entwickeln ausgewählter Fähigkeiten: Je markanter Unternehmen ihre spezifischen Fähigkeiten herausstellen, desto werthaltiger können sie sich in ihr wirtschaftliches Umfeld einbetten. Die Entwicklung der eigenen Kernkompetenz und die Einbindung von Expertinnen und Experten zur Abrundung der unternehmenseigenen Expertise im Markt sind ebenso wichtig wie durchdachte Make-or-buy-Entscheidungen. Die Kooperation mit Forschungsinstituten und Co-Produktentwicklungen mit Leistungspartnern, Lieferanten und Kunden erweitern in der Regel nicht nur die technologische Leistungsfähigkeit, sondern führen zu marktfähigeren Produkten und binden Unternehmen außerdem oft unmittelbar in Märkte und Liefernetze ein. Kooperationen lassen Unternehmen auch flexibler auf Veränderungen reagieren. Mit der Entwicklungskooperation geht oft auch eine Vermarktungskooperation einher. Selbstverständlich müssen Sie gerade in Kooperationsbeziehungen auf die Ausgewogenheit zwischen individuellen und gemeinsamen Zielsetzungen achten. In diesem Zusammenhang sind Schutzrechte ein sensibles Thema, über das die Kooperationspartner möglichst von Beginn an Einigkeit erzielen sollten.
Achten Sie auch auf gute Beziehungen zu Ihren Geschäftsbanken. Dafür ist vor allem eine aktive, vorausschauende und aufrichtige Kommunikation grundlegend. Je besser der Firmenkundenberater Ihrer Geschäftsbank Ihr Geschäft und Ihre Pläne kennt, desto passendere Unterstützung wird er im Zusammenspiel mit seinen Fachkolleginnen und ‑kollegen anbieten können. Wenn Sie Ihre Ansprechpartner bei Geschäftsbanken frühzeitig in absehbare finanzielle Herausforderungen einbeziehen, werden Sie mit einer größeren Wahrscheinlichkeit Unterstützung erfahren. Nutzen Sie die Expertise Ihrer Ansprechpartner bei der finanzierenden Geschäftsbank mit kritischen wirtschaftlichen Unternehmenssituationen. Sie kann ein wertvoller Sparringspartner sein.
Führungskräfte haben einen wesentlichen Einfluss auf die Kooperationsfähigkeit und die gelebte Kooperationsintensität und damit auf die natürliche Einbettung ihrer Organisation in Wertschöpfungsnetze und Märkte. Fördern Sie die Entwicklung der organisationalen Kooperationsfähigkeit.
NetworkingDas Kooperieren von Unternehmen und das Arbeiten in Netzwerken ist kein statischer Zustand. Mit neuen Anforderungen sollten sich Unternehmenskooperationen weiterentwickeln, neue Kooperationspartnerschaften bilden und nicht mehr wertschöpfende Partnerschaften »ausgephast« werden.
Vorteile der Zusammenarbeit: Suchen Sie nach Möglichkeiten, durch Kooperationsbeziehungen eigene Fähigkeiten in ganz andere Anwendungen einzubringen, die Ihr Unternehmen allein nicht erschließen könnte. Damit alle Beteiligten von Kooperationen wirklich profitieren, sollten die Vorteile einer Zusammenarbeit von allen Kooperationspartnern regelmäßig überprüft werden. Viele Kooperationsbeziehungen sind schon lange nicht mehr »vibrant«, werden aber aus alter Verbundenheit oder Routine weiterhin bedient. Kappen Sie solche Kooperationsbeziehungen, die keine Früchte tragen, und suchen Sie aktiv nach neuen, aussichtsreichen Kooperationsbeziehungen. Auch in funktionierenden Kooperationsbeziehungen besteht oft Verbesserungspotenzial. Arbeiten Sie initiativ an der laufenden Verbesserung Ihrer grundsätzlich fruchtbaren Kooperationsbeziehungen. Eine informationstechnische Anbindung der kooperierenden Organisationen kann diesen Prozess unterstützen.
Strategischer Diskurs: Über reine Lieferbeziehungen hinaus verspricht der offene strategische Diskurs zwischen Kooperationspartnern zusätzlichen Wert. Insbesondere sollten Kooperationspartner nicht nur im unmittelbaren Geschäftsumfeld gesucht werden, sondern durchaus auch in thematischer, technologischer und/oder regionaler Entfernung, um sich komplementär ergänzen zu können und zusammen wirkliche Fortschritte erzielen zu können.
Nehmen Sie die Entwicklung und den Ausbau von Kooperationsbeziehungen als Investition in Ihre Agenda auf. Dieser dynamische Prozess muss geführt werden.
Viele Unternehmen sind bemüht, ihre Produkte und Dienstleistungen regelmäßig zu erneuern. Aber in viel weniger Unternehmen wird an Prozessinnovationen gedacht. Dabei geben doch die Prozesse vor, in welcher Weise Produkte und Dienstleistungen im Unternehmen entstehen. Werden Beobachtungen, Ideen und Anregungen als Impulse aus dem Markt aufgenommen und gemeinsam mit potenzialstarken Lead Customers zu nachfragegerechten Marktleistungen umgesetzt, oder werden neue Produkte »von innen heraus« entwickelt und erst im Vorserienstadium im Markt präsentiert? Letztere Verfahrensweise ist voraussichtlich mit höheren Akzeptanz- und Erfolgsrisiken behaftet.
Die InnovationsfähigkeitInnovationsfähigkeit ist eine überlebenskritische Eigenschaft, die im Unternehmen stark ausgeprägt sein sollte. Dazu benötigen Unternehmen geeignete Methoden, eine passende Organisation und vor allem einen wirksamen Innovationsprozess.
Das unumstößliche Kriterium, an dem die Existenzfähigkeit eines Unternehmens festgemacht werden kann, ergibt sich aus der Beurteilung der Lücke, die sich auftut, wenn das Unternehmen plötzlich nicht mehr existieren würde. Wenn das Verschwinden eines Unternehmens keine maßgeblichen Auswirkungen auf sein Umfeld hätte, ist es entbehrlich. Eine nachlassende Nachfrage wird sich zwangsläufig in geringeren Margen niederschlagen.
Aber auch Unternehmen mit marktgerechten Produkten können trotz großer Nachfrage und anerkennenswerter operativer Leistungen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, wenn es sich bei den Produkten um (austauschbare) Commodities handelt oder eine große Abhängigkeit von einzelnen Kunden oder Lieferanten besteht. Denn unter jeder dieser beiden Eigenschaften leidet die relative Verhandlungsposition von Unternehmen.
Fördern Sie deshalb eine positive Einstellung zu Innovationen, die auch von der Bereitschaft getragen wird, Bisheriges – auch Verhaltensmuster – aufzugeben, um dem Neuen Raum zu geben, sich zu entfalten.
Innovationswille: Die Innovationsfähigkeit von Unternehmen steht und fällt mit der positiven Einstellung des Managements zur Innovation. Ohne dieses klare Bekenntnis des Managements zur Innovation werden Organisationen an ihren Bemühungen scheitern, innovativ zu werden.
Innovationsprozess: Ein wichtiges Kriterium für die Resilienz von Unternehmen ist die Innovationsfähigkeit. Dies setzt zunächst den Willen zur marktgerechten Differenzierung durch sinnvolle Innovationen voraus. Um sicherzustellen, dass kontinuierlich nach Innovationsmöglichkeiten gesucht wird, anstatt nur punktuell akute Probleme zu lindern, wird in resilienten Unternehmen ein formaler InnovationsprozessInnovationsprozess etabliert. Der Innovationsprozess stellt sicher, dass relevante Ideen generiert werden. In einer zweiten Phase werden anhand des Innovationsprozesses die aufgenommenen Ideen systematisch daraufhin überprüft, ob sie die strategische Ausrichtung des Unternehmens unterstützen und zu welchem Grad sie dazu beitragen, eigene Ziele zu erreichen und (künftige) Kundenerwartungen zu erfüllen. Schließlich werden von einem Innovations-Team, das sich interdisziplinär zusammensetzt, Budgets für die schrittweise Umsetzung ausgewählter Ideen freigegeben.
Produkt-, Prozess- und Systeminnovationen: Beim Begriff »Innovation« denken viele ausschließlich an das Schaffen neuer, kreativer Produkte. Neben den Produktinnovationen liegt in vielen Unternehmen vor allem Potenzial in der Prozess- und in der Systeminnovation. Innovationen beschränken sich nicht auf technische Themen, sondern können auch in geschäftlichen und organisatorischen Bereichen gesucht und gefunden werden. Dazu zählen beispielsweise innovative Geschäftsmodelle, innovative Organisationsstrukturen, innovative Arbeitszeitmodelle und innovative Preis- und/oder Service-Strategien.
Dieser Überbau, bestehend aus einem funktionierenden Innovationsprozess, einer erklärten Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen, anpassungsfähigen Prozessen und marktgerechten Strategien und Geschäftsmodellen, bildet die notwendige Basis für die Innovationsfähigkeit.
Impulse für Innovationen müssen generiert werden.
Ideengenerierung outside-in
IdeengenerierungIdeen für Innovationen können mithilfe verschiedener Methoden gesammelt werden. Bewährt haben sich Workshops gemeinsam mit Kunden (Community Assessment), die durch den Einsatz von Kreativitätstechniken gestützt werden. Dabei sollten die Ideen vor dem Hintergrund wahrscheinlicher Szenarien gesucht werden. Besonders wenn die Zukunft sehr ungewiss ist, sollten Ideen gesammelt werden, die die alternativen Entwicklungen des Unternehmens bei Eintritt bestimmter Szenarien fördern. Auf diese Weise können sich Unternehmen auf völlig unterschiedliche künftige Ausprägungen vorbereiten – und halten sich resilient.
Wichtig ist, dass die Impulse für Innovationen entweder aus der Marktbeobachtung abgeleitet oder gemeinsam mit Lead-Customers entwickelt werden. In innovativen Unternehmen nutzen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – nicht nur die Vertriebsmitarbeiter – all ihre Kontaktpunkte in Zielmärkten, bei Leistungspartnern und bei Lieferanten, um möglichst viele relevante Beobachtungen und Impulse aufzunehmen und in das Unternehmen hineinzuleiten. Stellen Sie sicher, dass diese »osmotische Haut« Ihres Unternehmens funktioniert, denn die Verfolgung von Ideen aus dem eigenen Unternehmen heraus, die nicht im Markt »geerdet« sind, verzehren Ressourcen und haben nur geringes Erfolgspotenzial. Natürlich ist es förderlich, wenn in der Belegschaft Impulse für Innovationen entstehen, die in den Innovationsprozess aufgenommen werden, aber tun Sie sich den Gefallen, in frühem Stadium Lead-Kunden in den Innovationsprozess einzubinden.
Kristallisieren Sie gemeinsam mit Lead-Kunden und/oder Begünstigten in Ihrer Organisation den konkreten Nutzen und Wert heraus, den Ergebnisse von Innovationsprojekten für Kunden und/oder Ihre eigene Organisation liefern sollen, um dem kreativen Prozess eine klare Orientierung zu geben.
Ideen-Management
Ideen-ManagementMit geeigneter Methodik können alle aufgenommenen Ideen parallel validiert, konkretisiert und weiterentwickelt werden. Erst in dem Moment, in dem Kosten für Prototypen oder die finale Entwicklung zur Serienreife anfallen, sind anhand definierter Kriterien sorgfältige Entscheidungen zur Filterung der kreativen Ansätze zu treffen (Stagegate-Prozess). Scheuen Sie sich nicht, sich gegen die Weiterentwicklung von Ideen zu entscheiden, die die Kriterien zum aktuellen Zeitpunkt nicht erfüllen, aber verwerfen Sie die Ideen nicht, sondern halten Sie sie in Ihrem Portfolio, um sie zu gegebenem Zeitpunkt zu reaktivieren.
Innovative Unternehmen verstehen es sogar, zufällig entstandene »entgleiste« Ergebnisse, die ungeplant aus dem alltäglichen Arbeitsprozess hervorgehen, auf ihr Innovationspotenzial und ihre mögliche Nutzbarkeit in ganz anderem Kontext zu untersuchen. Ein bekanntes Beispiel sind hier die Haftnotizblöcke Post-it von 3M: Es wird erzählt, dass 3M einen Klebstoff entwickelt hatte, der leider keine dauerhafte Verbindung ermöglichte; die verklebten Komponenten ließen sich voneinander lösen. Aus diesem misslungenen Entwicklungsergebnis entstand angeblich die Idee der Post-its.
Manche Unternehmen suchen auch außerhalb der eigenen Branche nach übertragbaren Impulsen und Lösungsmöglichkeiten. Sie prüfen Lösungsansätze, die in anderen Anwendungen erfolgreich sind, auf ihr Anwendungspotenzial für einen aktuellen Zusammenhang. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist die Kombination der Fototechnik und der IT zu Scannern und Fotokopierern.