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Die Nachnutzung ehemals militärisch genutzter Flächen, den sog. Konversionsflächen, haben aktuell eine hohe städtebauliche Relevanz. Der Umnutzungsprozess kann jedoch auch nach 25 Jahren Erfahrung nicht als routiniertes Arbeitsfeld bezeichnet werden. Insbesondere die Großflächigkeit der Liegenschaften und deren heterogene Nutzung, die unterschiedlichen Rahmenbedingungen sowie die Vielzahl der am Prozess beteiligten Akteure machen die Umnutzung zu einer komplexen strukturpolitischen und städtebaulichen Aufgabe, der oftmals ein langjähriger Planungs- und Durchführungsprozess zugrunde liegt. Innerhalb dieses Prozesses nimmt die Kommune eine Schlüsselrolle ein, da die Flächen nach Aufgabe der militärischen Nutzung in die Planungshoheit der Kommune fallen. Die Zielsetzung dieser Arbeit besteht in der Erarbeitung von Handlungsempfehlungen, die sich einerseits auf die rechtliche Einordnung der Konversionsflächen in Baden-Württemberg sowie die dabei auftretenden Probleme konzentrieren und andererseits auf die Organisation des Konversionsprozesses. Der Fokus liegt auf den rechtlichen Aspekten, insbesondere werden das Bauplanungs- und Bauordnungsrecht, der Bestandsschutz, der Denkmalschutz und das Umweltrecht näher betrachtet. Die Handlungsempfehlungen richten sich an alle kommunalen Akteure des Konversionsprozesses, insbesondere jedoch an die Kommune als Inhaberin der Planungshoheit.
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Seitenzahl: 122
Veröffentlichungsjahr: 2018
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Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Einleitung
Problemstellung und Praxisbezug
Zielsetzung und Aufbau der Arbeit
Grundlagen
Definition des Konversionsbegriffes
Flächentypen
Entwicklung der Konversion in Deutschland
Der Konversionsprozess
Akteure
Das Rückgabeverfahren
Grundsätzlicher Ablauf des Konversionsprozesses
Einflussfaktoren
Erfolgsfaktoren und Hemmnisse
Zwischenfazit
Rechtliche Beurteilung
Ausgangssituation und Zuständigkeit
Bauplanungs- und Bauordnungsrecht
Nutzungsänderung
Bauplanungsrechtliche Einordnung
Bestandsschutz
Denkmalschutz
Umweltbelastungen
Altlasten und schädliche Bodenveränderungen
Kampfmittel
Weitere Umweltbelastungen
Handlungsempfehlungen für Kommunen
Rechtliche Beurteilung und Vorgehensweise
Bauplanungs- und Bauordnungsrecht
Bestandsschutz
Denkmalschutz
Umweltbelastungen
Prozessmanagement und Organisationsstruktur
Stellung der Kommune
Start des Konversionsprojekts
Zusammenarbeit der Akteure
Methoden zur Konsensfindung
Beteiligung der Öffentlichkeit
Projektorganisation
Zusammenfassung der Erkenntnisse
Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Abs.
Absatz
AKG
Allgemeines Kriegsfolgengesetz
Art.
Artikel
BauGB
Baugesetzbuch
BauNVO
Baunutzungsverordnung
BauR
Baurecht (Zeitschrift)
BAYBGM
Der Bayerische Bürgermeister (Zeitschrift)
BBauBl
Bundesbaublatt
BBodSchG
Bundes-Bodenschutzgesetz
BBodSchV
Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung
Beschl.
Beschluss
BHO
Bundeshaushaltsordnung
BICC
Bonn International Center für Conversion GmbH
BImA
Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
BImAG
Gesetz über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
BMBau
Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau
BMF
Bundesministerium der Finanzen
BMUB
Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit
BMVg
Bundesministerium der Verteidigung
B-Plan
Bebauungsplan
BRS
Baurechtssammlung (Zeitschrift)
BVerwG
Bundesverwaltungsgericht
BVerwGE
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
BW
Baden-Württemberg
bzw.
beziehungsweise
ca.
circa
d. h.
das heißt
Dachvereinbarung
Dachvereinbarung zwischen dem BMVg und dem BMF
sowie der BImA zur Umsetzung des BImAG im Geschäftsbereich
BMVg –
des BMVg
BMF – BImA
DDR
Deutsche Demokratische Republik
DÖV
Die Öffentliche Verwaltung (Zeitschrift)
DSchG
Denkmalschutzgesetz
DVBl
Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift)
et al.
et alii (und andere)
f.
folgende (Seite)
ff.
folgende (Seiten)
GG
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
ggf.
gegebenenfalls
IABG
Industrieanlagenbetriebsgesellschaft mbH
KrWG
Kreislaufwirtschaftsgesetz
LBG
Landesbeschaffungsgesetz
LBO
Landesbauordnung für Baden-Württemberg
LV BW
Verfassung des Landes Baden-Württemberg
LVwVfG
Landesverwaltungsverfahrensgesetz
Mio.
Million
NATO
North Atlantic Treaty Organization
NJW
Neue Juristische Wochenzeitschrift (Zeitschrift)
Nr.
Nummer
NRW
Nordrhein-Westfalen
NS
Nationalsozialismus
NTS-AG
Gesetz zum Nato-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen
NVwZ
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
NVwZ-RR
NVwZ-Rechtsprechungs-Report
OVG
Oberverwaltungsgericht
PAK
Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe
PCB
Polychlorierte Biphenyle
PolG
Polizeigesetz
PVC
Polyvinylchlorid
Rn.
Randnummer
S.
Seite
sog.
sogenannt
Urt.
Urteil
v.
vom
VBlBW
Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg (Zeitschrift)
VGH
Verwaltungsgerichtshof
vgl.
vergleiche
VwV-
Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums über die
Kampfmittelbeseitigungsdienst
Aufgaben des Kampfmittelbeseitigungsdienstes
z. B.
zum Beispiel
ZfBR
Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergaberecht (Zeitschrift)
Abbildung 1: Formen der militärischen Konversion
Abbildung 2: Nachnutzungs-Priorität im Rückgabeverfahren
Abbildung 3: Grundsätzlicher Ablauf des Konversionsprozesses
Abbildung 4: Formen von Umweltbelastungen
Abbildung 5: Der Einflussbereich des Rechts im Konversionsprozess
Abbildung 6: Typische bauplanungsrechtliche Einordnung der Flächen
Abbildung 7: Akteure im Konversionsprozess
Abbildung 8: Zulässige Maßnahmen vor tatsächlicher Flächenrückgabe
Bis zum Jahr 2020 werden in Deutschland ca. 37 000 Hektar ehemals militärisch genutzter Liegenschaften zurückgegeben.1 Dies ist zum einen auf das im Jahr 2011 veröffentlichte Stationierungskonzept der Bundeswehr und der damit einhergehenden Dezimierung der Bundeswehrstandorte und Dienstposten sowie zum anderen auf den weiteren Abzug der ausländischen Gaststreitkräfte zurückzuführen.2 Damit hat die Nachnutzung der ehemals militärisch genutzten Flächen – den sog. Konversionsflächen – aktuell eine hohe städtebauliche Relevanz, die Kommunen befinden sich in einer Hochphase der Flächenrückgaben. Der Umnutzungsprozess kann jedoch auch nach 25 Jahren Erfahrung nicht als routiniertes Arbeitsfeld bezeichnet werden. Insbesondere die Großflächigkeit der Liegenschaften und deren heterogene Nutzung, die unterschiedlichen Rahmenbedingungen sowie die Vielzahl der am Prozess beteiligten Akteure machen die Umnutzung zu einer komplexen strukturpolitischen und städtebaulichen Aufgabe, der oftmals ein langjähriger Planungs- und Durchführungsprozess zugrunde liegt. Innerhalb dieses Prozesses nimmt die Kommune eine Schlüsselrolle ein, da die Flächen nach Aufgabe der militärischen Nutzung zurück in die Planungshoheit der Kommune fallen. Sie steht vor der Aufgabe, die Flächen rechtlich einzuordnen und einer wirtschaftlichen zivilen Nachnutzung zuzuführen.
Hierbei können sich für die zivile Nachnutzung der Flächen aus den einschlägigen rechtlichen Regelungen hohe Restriktionen ergeben – insbesondere im Hinblick auf die bauplanungsrechtliche Einordnung, die Genehmigungspflicht der Nachnutzung, den Bestands- und Denkmalschutz sowie die Altlasten- und Kampfmittelsituation. Neben den rechtlichen Belangen sind auch die Prozessstruktur, die Organisation und das Management von entscheidender Bedeutung für einen erfolgreichen Nachnutzungsprozess. Um die Chance für die städtebauliche Entwicklung der Region zu nutzen, hat die Gemeinde damit komplexe, umfangreiche Planungs- und Organisationsleistungen zu erbringen. Gerade Kommunen, die zum ersten Mal von der Konversion betroffen sind, benötigen aufgrund der vorhandenen Vielzahl an möglichen Rahmenbedingungen ein hohes Maß an Beratung. Die vorliegende Arbeit soll den Kommunen bei der Bewältigung der anstehenden Umnutzungsvorhaben als Hilfestellung und Ratgeber dienen.
Die Problemstellung zeigt auf, dass die zuständigen Behörden insbesondere in ihren originären Aufgaben, d. h. der Anwendung der Gesetze, unterstützt werden müssen. Daneben sind auch Hilfestellungen im Bereich der Organisation und des Managements dieses komplexen Prozesses vonnöten. Die vorliegende Arbeit folgt einem problemorientierten Ansatz und betrachtet daher nur die beiden genannten Bereiche. Andere Dimensionen des Konversionsprozesses wie beispielsweise die Nachnutzungsplanung, die Finanzierung oder die Vermarktung sind nicht Bestandteil der folgenden Ausführungen.
Die Zielsetzung dieser Arbeit besteht in der Erarbeitung von Handlungsempfehlungen, die sich einerseits auf die rechtliche Einordnung der Konversionsflächen in Baden-Württemberg sowie die dabei auftretenden Probleme konzentrieren und andererseits auf die Organisation des Konversionsprozesses. Der Fokus liegt auf den rechtlichen Aspekten, insbesondere werden das Bauplanungs- und Bauordnungsrecht, der Bestandsschutz, der Denkmalschutz und das Umweltrecht näher betrachtet. Die Handlungsempfehlungen richten sich an alle kommunalen Akteure des Konversionsprozesses, insbesondere jedoch an die Kommune als Inhaberin der Planungshoheit.
Entsprechend dieser Zielsetzung gestaltet sich auch der Aufbau der vorliegenden Arbeit. Zunächst werden in Kapitel B die theoretischen Grundlagen erläutert. Hierzu gehören neben der Definition des Konversionsbegriffs die Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands sowie der historische Hintergrund. Weiterhin wird der Konversionsprozess mit seinen wichtigsten Akteuren und Einflussfaktoren dargestellt. Darauf aufbauend fasst das Zwischenfazit in Kapitel B.IV.6 die wichtigsten Erkenntnisse zusammen. In Kapitel C erfolgt die rechtliche Beurteilung und Einordnung der Konversionsflächen, wobei der Schwerpunkt auf dem Baurecht, dem Bestandsschutz, dem Denkmalschutzrecht und dem Umweltrecht liegt. Innerhalb dieses Kapitels werden in einem ersten Schritt die einschlägigen rechtlichen Grundlagen erläutert und sodann auf die Konversionsflächen angewendet. Hierbei werden auch differierende Rechtsauffassungen dargelegt und abschließend bewertet. In Kapitel D werden aufbauend auf der vorangegangenen Analyse Ratschläge für den rechtlichen und organisatorischen Umgang mit Konversionsflächen gegeben. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der Erkenntnisse sowie einem Fazit und Ausblick in die Zukunft.
1 BMVBS, S. 4.
2 BMVBS, S. 4.
Der Begriff Konversion lässt sich von dem lateinischen Wort conversio ableiten, was so viel wie Umwandlung oder Umkehrung bedeutet.3 Eine Konkretisierung dieser kontextunabhängigen Beschreibung eines Wandels findet über den spezifischen Themenbereich statt, in welchem der Begriff verwendet wird.4 Hierbei ist anzumerken, dass der Konversionsbegriff keinesfalls nur im Zusammenhang mit dem militärischen Abrüstungsprozess aufzufinden ist, sondern ein breitgefächertes Anwendungsfeld hat – beispielweise in Bereichen der Religion, Rechtswissenschaft, Psychologie, Börse, Kerntechnik oder Sprachwissenschaft.5
Im Kontext des Militärs versteht man unter dem Begriff Konversion grundsätzlich die „Umwandlung militärisch gebundener Kräfte, Ressourcen und Strukturen für zivile Zwecke“.6 Hierbei lassen sich die in Abbildung 1 aufgezeigten Erscheinungsformen unterscheiden.
Abbildung 1: Formen der militärischen Konversion7
Bei der Rüstungskonversion handelt es sich um die Produktionsumstellung von Rüstungsgütern auf zivile Güter.8 Die Standortkonversion umfasst alle Sachverhalte, die sich aus der Abrüstung des Militärs in Bezug auf den Personalabbau und die Standortschließungen ergeben9 und lässt sich wiederum in die Flächen- und Beschäftigungskonversion untergliedern. Während die Beschäftigungskonversion in arbeitsplatzorientiertem Zusammenhang gesehen wird,10 handelt es sich bei der Flächenkonversion um die „Umnutzung ehemals militärisch genutzter
Liegenschaften und Gebäude für zivile Zwecke“.11 Die Flächenkonversion umfasst damit alle Maßnahmen und Aktivitäten, die für die Umnutzung erforderlich sind 12 und ist ein vielschichtiger Prozess, der aus zeitlich und inhaltlich voneinander abhängigen Teilaspekten besteht. Insgesamt führen alle diese Formen zur Konversion der Ressourcen Arbeit, Boden und Sachkapital.13 Aufgrund der aktuellen Praxisrelevanz beschränken sich die folgenden Ausführungen auf die Flächenkonversion.
Neben der militärischen Flächenkonversion ist auch die Umnutzung ziviler Konversionsflächen relevant. So umfasst der kontextunabhängige Begriff der Flächenkonversion die Umnutzung von Altstandorten des Militärs, der Industrie, Bahn, Post oder anderer Vornutzer. 14 Die unterschiedlichen Vornutzungen prägen die Flächen wesentlich und bilden damit die Rahmenbedingungen für eine potentielle Anschlussnutzung.15 Grundlegend sollte bei der Betrachtung von Konversionsflächen zwischen ehemals militärisch und zivil genutzten Liegenschaften unterschieden werden.
Aufgrund der flächenmäßigen Bedeutung und der aktuell großen Anzahl freiwerdender militärischer Liegenschaften beschränkt sich die folgende Betrachtung ausschließlich auf den militärischen Aspekt der Flächenkonversion. Zivile Brachflächen sind nicht Bestandteil dieser Arbeit. Wird im Folgenden von dem Begriff der Flächenkonversion gesprochen, ist darunter der Prozess der Umnutzung ehemals militärisch genutzter Liegenschaften zu verstehen. Hierbei werden die Begriffe Konversion und Liegenschaftskonversion als Synonyme der Flächenkonversion verwendet.
Innerhalb der Kategorie der militärischen Liegenschaften lassen sich verschiedene Nutzungstypen aufzeigen. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um Verwaltungsgebäude, Kasernen, Wohnanlagen für Angehörige der Gaststreitkräfte, Übungsplätze, Flugplätze und Depots.16 Entsprechend ihres Zwecks im Rahmen der militärischen Vornutzung weisen sie bestimmte Standortmerkmale auf. Die größten Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der geografischen Lage, der Liegenschaftsgröße und der Flächenbeschaffenheit. 17 Zur Nachnutzungsfindung ist daher oftmals eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Die rechtlichen Rahmenbedingungen des Konversionsprozesses sowie die Prozessstruktur und das Management hingegen lassen sich größtenteils übergreifend abhandeln.
Seit dem Beginn der 1990er Jahre findet in Deutschland ein schrittweiser Abrüstungsprozess statt, der sich einerseits in Form des Abzugs der ausländischen Gaststreitkräfte und andererseits in Gestalt des stetigen Personalabbaus der Bundeswehr zeigt.18 Bedingt durch diesen kontinuierlichen Truppenabbau werden in Deutschland zahlreiche militärische Liegenschaften freigesetzt.19 Die extremen Ausmaße dieses Prozesses sind insbesondere auf die geografische Lage Deutschlands während des Kalten Kriegs zurückzuführen: Die innerdeutsche Grenze zwischen Ost- und Westdeutschland bildete gleichzeitig die wichtigste Grenze zwischen den beiden vorherrschenden Machtblöcken – den NATO-Staaten und den Staaten des Warschauer Paktes. 20 Dementsprechend hoch war die Wahrscheinlichkeit einer militärischen Auseinandersetzung in Deutschland im Falle der Eskalation der Konfrontationsphase, was letztendlich die Konzentration der Streitkräfte beider Machtblöcke zur Folge hatte.21 Mit insgesamt ca. 1,5 Mio. in Deutschland stationierten Soldaten wies das Land zu dieser Zeit die weltweit höchste Militärdichte auf.22
Eine Annäherung der beiden Machtblöcke fand erst Mitte der 1980er Jahre statt und mündete letztendlich in der Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre 1990.23 Dieses einschneidende Ereignis beendete die Blockkonfrontation und damit auch die Bedrohungslage in Deutschland.24 Aufgrund dessen findet seit 1990 ein nachhaltiger Abrüstungsprozess statt, der auch heute noch vollzogen wird. 25 Dieser Abrüstungsprozess hat die Rückgabe großflächiger Militärareale zur Folge und ist damit Auslöser der Flächenkonversion.
Die Intensität der Flächenrückgaben ist von bestimmten Ereignissen abhängig; in den letzten 25 Jahren haben sich drei Wellen der militärischen Konversion herausgebildet. 26 Die erste Phase bilden hierbei die 1990er Jahre mit dem beginnenden Abzug der alliierten und sowjetischen Streitkräfte aus Deutschland. 27 Weitere Flächenrückgaben erfolgten aufgrund der Truppenreduzierung der Bundeswehr von 500 000 Soldaten im Jahre 1990 auf 285 000 Soldaten im Jahre 2000.28 Auslöser der zweiten Konversionswelle ist die erste Bundeswehrreform: Das im Jahre 2004 beschlossene Stationierungskonzept umfasste eine Truppenreduzierung auf 252 000 Soldaten bis zum Jahre 2010, eine Reduzierung der Zivilbeschäftigten von 120 000 auf 75 000 sowie die damit verbundene Reduzierung von 497 auf 392 Standorte.29 Die dritte und aktuelle Phase der Konversion begann im Jahre 2012 und wurde durch die 2011 beschlossene Neuausrichtung der Bundeswehr hervorgerufen. Demnach werden die Streitkräfte auf 185 000 und die Zivilbeschäftigten auf 55 000 Personen reduziert.30 Das Konzept beinhaltet weiterhin die Schließung bzw. Verkleinerung von mehr als 120 Standorten und die damit verbundenen Flächenrückgaben von ca. 15 000 Hektar.31 Parallel dazu wird die Präsenz der ausländischen Streitkräfte in Deutschland verringert. Insgesamt werden hierdurch bis zum Jahre 2020 über 37 000 Hektar Fläche freigesetzt, der Schwerpunkt der Rückgaben findet seit 2014 statt. 32 Die in Kapitel D niedergeschriebenen Handlungsempfehlungen sollen den Gemeinden in der aktuellen Konversionshochphase als Hilfestellung und Ratgeber dienen.
In diesem Kapitel wird das Basiswissen für ein grundsätzliches Verständnis des Konversionsprozesses vermittelt. Hierzu gehören die verschiedenen Beteiligten mit ihren Zuständigkeiten und teilweise gegenläufigen Interessen. Weiterhin wird ein Einblick in den grundsätzlichen Ablauf eines Konversionsprozesses, beginnend mit der Rückgabe der Fläche und endend mit der Realisierung der Umnutzung, gegeben. Abschließend werden die Einflussfaktoren auf den Konversionsprozess sowie die Erfolgsfaktoren und Hemmnisse aufgezeigt.
Bei der Flächenkonversion handelt es sich um einen vielschichtigen Prozess33 mit einer großen Anzahl von Akteuren, die jeweils unterschiedliche Interessen, Vorstellungen und Ziele haben. 34 Hierzu gehören neben der Kommune als Hauptverantwortliche der Eigentümer der Liegenschaft (in der Regel die BImA), das BMVg sowie die Bundeswehr, private Nachnutzer und Investoren, die Bundesländer sowie die Träger der Regionalplanung und ggf. Landkreise und Nachbarkommunen.35
Grundlage kommunalen Handelns sind die in Art. 28 Abs. 2 GG verankerten Hoheitsrechte.36 Hinsichtlich des Konversionsprozesses sind insbesondere die Gebiets-, Finanz- und Planungshoheit von Bedeutung, da sich aus ihnen wichtige Zuständigkeiten der Gemeinde ergeben.37 Sie ist damit die zentrale Akteurin der Flächenkonversion; das ehemalige BMBau bezeichnet die Umnutzung militärischer Liegenschaften als überwiegend kommunale Aufgabe.38
Die originäre Aufgabe der Gemeinde ist die Ausübung der Planungshoheit, d. h. die Schaffung von Baurecht für die brachliegende Fläche. Hierbei kommt der Gemeinde ein hoher Grad an Verantwortung, aber auch ein weitgehender Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum zu: Über die Bauleitplanung obliegt der Gemeinde die Entscheidung, welche zivilen Nachnutzungen in Zukunft zulässig sein werden.39 Da die militärischen Liegenschaften zumeist im bauplanerischen Außenbereich nach § 35 BauGB liegen, ist eine zivile Nachnutzung in der Regel ohne Bauleitplanung nicht möglich. Die weiteren Akteure können ihre Aufgaben daher zumeist erst wahrnehmen, nachdem Baurecht geschaffen wurde.40
Neben diesem hoheitlichen, gesetzlich verankerten Aufgabenbereich kann die Gemeinde weitere freiwillige Aufgaben übernehmen. Hier sind einerseits investive Betätigungen im Bereich der Erschließungs- oder Hochbaumaßnahmen, wie z. B. der kommunale Wohnungsbau zu nennen, andererseits ist jedoch auch die Frage des kommunalen Flächenerwerbs von Bedeutung. 41 Weiterhin hat die Kommune die Möglichkeit, durch die Übernahme der Organisation und des Managements den Konversionsprozess vollständig zu steuern.42 Die Interessen der Gemeinde liegen insbesondere in der positiven nachhaltigen Entwicklung des Gemeinwohls, der Verwirklichung ihrer städtebaulichen Ziele und der Erhöhung der Standortattraktivität.43
Die BImA ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BImAG eine bundesunmittelbare, rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts und wurde 2005 als Nachfolgeorganisation der Bundesvermögensanstalt gegründet. Im Sinne eines einheitlichen Liegenschaftsmanagements ist