Nachträgliche Schuldzinsen bei den Überschusseinkünften - Florian Schmid - E-Book

Nachträgliche Schuldzinsen bei den Überschusseinkünften E-Book

Florian Schmid

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Beschreibung

Aktuelle Änderung der Rechtsprechung Der Verfasser erörtert die aktuelle Fragestellung der Abzugsfähigkeit sogenannter nachträglicher Schuldzinsen bei den Überschusseinkunftsarten. Nachträgliche Schuldzinsen stehen im Spannungsverhältnis der Abgrenzung zwischen der steuerlich relevanten Erwerbssphäre und der steuerlich irrelevanten privaten Vermögenssphäre. Die Untersuchung nimmt insbesondere die Rechtsprechungsänderungen des VIII. Senats des Bundesfinanzhofs vom 16.03.2010 für Kapitaleinkünfte, § 20 EStG, sowie des IX. Senats vom 20.06.2012 und 08.04.2014 für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, § 21 EStG, in den Blick. Diese Entscheidungen brachen mit der jahrzehntelangen Judikatur, wonach Schuldzinsen, die nach der Beendigung der Einkünfteerzielung anfallen, nicht als Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG qualifiziert werden können. Zahlreiche Fragen offen In Folge dieser Entscheidungen sind zahlreiche Fragen ungeklärt, die erhebliche Risiken für Steuerpflichtige bedeuten. Der Verfasser untersucht daher die dogmatischen Grundlagen des Schuldzinsabzugs bei den Überschusseinkünften und gibt hierauf aufbauend Lösungsvorschläge für offene Fragen. Insbesondere setzt er sich kritisch mit den Begründungsansätzen des Bundesfinanzhofs auseinander: dem Paradigmenwechsel der Besteuerung von Überschusseinkünften durch Gesetzesänderungen sowie dem Surrogationsgedanken. Zudem wird die Auffassung der Finanzverwaltung nachgezeichnet. Ausgehend von einer genauen Analyse des Veranlassungszusammenhangs kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass eine weitgehende Abzugsfähigkeit nachträglicher Schuldzinsen geboten ist. Weiter erfolgt u.a. eine umfassende Auseinandersetzung mit der Zuordnung der Werbungskosten zur jeweiligen Einkunftsart sowie eine Einordnung in zeitlicher Hinsicht, die für die Kapitaleinkünfte wegen des mit der Abgeltungsteuer eingeführten Abzugsverbots des § 20 Abs. 9 EStG von Bedeutung ist.

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Münchener Schriften zum Finanz- und Steuerrecht Band 8

Herausgegeben von

Prof. Dr. Monika Jachmann, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Prof. Dr. Moris Lehner, Ludwig-Maximilians-Universität, München

Nachträgliche Schuldzinsen bei den Überschusseinkünften

Dr. Florian Schmid

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Print ISBN 978-3-415-05596-4 E-ISBN 978-3-415-05598-8

© 2015 Richard Boorberg Verlag

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

E-Book-Umsetzung: Datagroup int. SRL, Timisoara

Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresdenwww.boorberg.de

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2015 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen.

Mein Dank gilt an erster Stelle meiner Doktormutter Frau Professor Dr. Monika Jachmann, die mir die Möglichkeit zur Promotion gegeben und das Thema dieser Arbeit angeregt hat. Sie stand mir stets mit inspirierendem und konstruktivem Rat zur Seite und hat das Promotionsvorhaben in jeder Hinsicht unterstützt. Auch möchte ich mich für die Aufnahme dieser Arbeit in ihre Schriftenreihe bedanken.

Herrn Professor Dr. Moris Lehner gilt mein Dank für die Erstellung des Zweitgutachtens.

Ein besonderer Dank gilt auch Herrn Professor Dr. Bernd Heuermann, der mein Interesse für das Steuerrecht während meines Studiums an der Universität Heidelberg geweckt hat.

Von ganzem Herzen danke ich meinen Eltern, Birgit und Roland Schmid, und meiner Schwester Katrin, die mich immer auf meinem Weg bestärkt und gefördert haben, sowie Marielle für ihre großartige Unterstützung und ihren Zuspruch.

München, Juli 2015

Florian Schmid

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

A. Dogmatische Grundlagen

I. Nachträgliche Schuldzinsen

1. Schuldzinsen

a) Schuldzinsbegriff

b) Systematische Einbettung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG

2. Nachträgliche Schuldzinsen

a) Definition nachträglicher Schuldzinsen

b) Unterfall nachträglicher Werbungskosten

c) Abgrenzung

aa) Tilgungsleistungen

bb) Rückständige Schuldzinsen

cc) Anschaffungs- und Herstellungskosten

II. Wirtschaftlicher Zusammenhang beziehungsweise Veranlassungszusammenhang

1. Veranlassung im Rahmen der Werbungskosten

a) Auslegung der Veranlassung

b) Bestimmung des wirtschaftlichen Zusammenhangs

aa) Begriffliche Doppelnutzung

bb) Inhalt

c) Speziell bei nachträglichen Werbungskosten

d) Strukturelle Gleichbehandlung bei allen Überschusseinkunftsarten

e) Nähere Konkretisierung bei den einzelnen Einkunftsarten

f) Speziell bei Schuldzinsen

g) Bedeutung im Hinblick auf das objektive Nettoprinzip als Ausfluss der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit

h) Abgrenzung

aa) Vorübergehende Einstellung

bb) Auf Einstellung gerichtete Aufwendungen

2. Zusammenfassung

III. Einkünfteerzielungsabsicht

B. Allgemeine Problematik der Anerkennung nachträglicher Schuldzinsen als Werbungskosten

I. Zusammenhang zwischen Schuldzinsen und steuerbarer Tätigkeit

1. Trennung der Erwerbssphäre von der Privatsphäre bei den Überschusseinkunftsarten

2. Dualismus der Einkunftsarten als prägendes Element des Einkommensteuerrechts gegenüber notwendiger steuerrechtlicher Gleichbehandlung

II. Ursprünglicher Veranlassungszusammenhang

III. Keine Beendigung des Veranlassungszusammenhangs durch das Ende der Einkünfteerzielungstätigkeit

1. Dogmatische Herleitung

a) Einkünfteerzielungsvermögen

aa) Keine Begründung der Abzugsfähigkeit nachträglicher Schuldzinsen

bb) Keine generelle Anerkennung eines Einkünfteerzielungsvermögens

b) Notwendige Gleichbehandlung statt Dualismus wegen gesetzgeberischem Paradigmenwechsel

aa) Bei Kapitaleinkünften

bb) Bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung

cc) Zwischenergebnis

c) Surrogationsgedanke als Ansatz der geänderten Rechtsprechung des IX. Senats

aa) Inhalt der bisherigen Surrogationsrechtsprechung

bb) Herleitung

cc) Übertragbarkeit

dd) Zwischenergebnis

d) Lösung anhand der konsequenten Anwendung des Veranlassungszusammenhangs

aa) Zeitpunkt der Beurteilung

bb) Trennung der Erwerbssphäre von der Privatsphäre bei nachträglichen Schuldzinsen

cc) Notwendigkeit objektiver kausaler Betrachtung des Veranlassungszusammenhangs

dd) Fortbestehen des Veranlassungszusammenhangs über die Beendigung der Einkünfteerzielungstätigkeit hinaus

ee) Zusammenfassung

e) Ergebnis der dogmatischen Herleitung

2. Zuordnungsproblematik

a) Grundsätzliches zur Zuordnung von Werbungskosten

b) Zuordnung im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

c) Zuordnung im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen

d) Ergebnis

IV. Umfang und Grenzen der Anerkennung

1. Allgemein

2. Refinanzierungs- oder Umschuldungskosten

3. Vergleichbare sonstige Fälle neben der Veräußerung

a) Unfreiwillige Beendigung der Einkünfteerzielungstätigkeit

b) Freiwillige Beendigung der Einkünfteerzielungstätigkeit

aa) Fälle auf Grundlage einer Veräußerung

bb) Unentgeltliche Übertragung

c) Zusammenfassung

4. Grenzen der Anerkennung

a) Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung beziehungsweise Überlagerung

aa) Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung

bb) Überlagerungsgedanke als Grenze der Veranlassung, Urteil des IX. Senats vom 20.06.2012

b) Vorzeitige Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht

c) Zeitliche Grenzen der Anerkennung

5. Ergebnis

V. Sonstige Problemfälle

1. Vorfälligkeitsentschädigung

2. Persönliche Zurechnung bei gesellschaftsrechtlicher und gesamthänderischer Verbundenheit

a) Zurechnungsgrundsätze

b) Arten der Erzielung gemeinschaftlicher Einkünfte

aa) Vermögensverwaltende Personengesellschaften und sonstige Gesamthandsgemeinschaften

bb) Bruchteilsgemeinschaften

c) Exkurs: Bilanzierungspflicht der vermögensverwaltenden Personengesellschaft und Auswirkungen auf die Abzugsfähigkeit nachträglicher Schuldzinsen

C. Spezielle Fragestellungen innerhalb der einzelnen Einkunftsarten

I. Einkünfte aus Kapitalvermögen

1. Anwendbarkeit im Fall von § 17 Abs. 2 Satz 6 EStG

2. Abzugsfähigkeit nachträglicher Schuldzinsen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen im Zeitverlauf

a) Nachträglicher Schuldzinsabzug bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2001

b) Nachträglicher Schuldzinsabzug zwischen den Veranlagungszeiträumen 2002 und 2008

c) Nachträglicher Schuldzinsabzug ab dem Veranlagungszeitraum 2009

aa) Ausschluss des nachträglichen Schuldzinsabzugs durch § 20 Abs. 9 EStG

bb) Möglichkeit des teilweisen nachträglichen Schuldzinsabzugs nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG

d) Zwischenergebnis

II. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

1. Zwischenzeitliche Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht

2. Teilweise Eigennutzung des Vermietungs- oder Verpachtungsobjekts

III. Nichtselbstständige Einkünfte

IV. Sonstige Einkünfte

Fazit

Zusammenfassende Thesen

1. Begriffsbestimmung und systematische Grundlagen

2. Auslegung des Veranlassungszusammenhangs in Bezug auf nachträgliche Schuldzinsen

3. Trennung der Erwerbssphäre von der steuerlich irrelevanten privaten Vermögenssphäre

4. Keine Existenz eines Einkünfteerzielungsvermögens

5. Keine schlüssige Begründung auf Grund des gesetzgeberischen Paradigmenwechsels

6. Surrogationsgedanke als allgemeiner Begründungsansatz ungeeignet

7. Begründung anhand allgemeiner Veranlassungsgrundsätze

8. Zuordnung zur Einkunftsart der beendeten Tätigkeit

9. Umfang der Anerkennung

10. Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung als Grenze der Abzugsfähigkeit

11. Vorzeitige Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht als Grenze der Abzugsfähigkeit

12. Kein Abzug von Vorfälligkeitsentschädigungen im Rahmen der beendeten Tätigkeit

13. Gesellschaftsrechtliche Verbundenheit

14. Abzugsfähigkeit im Zeitverlauf

Ausblick

Literaturverzeichnis

Einleitung

Ein Steuerpflichtiger erwirbt darlehensfinanziert eine Immobilie zur Vermietung, die er aber nur wenige Jahre später wieder mit einem solchen Verlust veräußern muss, dass er aus dem Erlös nicht einmal die Darlehenssumme tilgen kann. Kann er nun diese Fehlinvestition wenigstens insofern zum Teil kompensieren, dass er die weiterhin anfallenden Darlehenszinsen steuerlich geltend machen kann? Dieses einfache und zugleich typische Beispiel verdeutlicht sofort die Problematik sogenannter nachträglicher Schuldzinsen. Einerseits können diese Zinsen beachtliche Summen erreichen1 und damit über wirtschaftliche Existenzen mitentscheiden, andererseits ist dieser Sachverhalt nicht konstruiert, sondern kommt real vor und beschäftigt regelmäßig die Finanzgerichte2.

Jahrzehntelang nahm dies aber genauso regelmäßig ein schlechtes Ende für die Steuerpflichtigen: War ursprünglich noch ein Abzug privater Schuldzinsen als Sonderausgaben möglich, schaffte der Gesetzgeber diesen zum Veranlagungszeitraum 1974 ab3 und schuf so erst die Problematik der Abzugsfähigkeit nachträglicher Schuldzinsen4. Seit dieser gesetzgeberischen Änderung war der Abzug nachträglicher Schuldzinsen im Rahmen der Überschusseinkünfte höchstrichterlich im Grundsatz ausgeschlossen5. Zwar verstummte die Kritik an dieser ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs nie ganz, aber obwohl zahlreiche Finanzgerichte dem Bundesfinanzhof die Gefolgschaft verweigerten und das steuerrechtliche Schrifttum in seltener, fast vollständiger Geschlossenheit diese höchstrichterliche Rechtsprechung kritisierte6, konnten Steuerpflichtige angesichts der konsequenten Verteidigung seiner Linie durch den Bundesfinanzhof eigentlich nicht auf eine Änderung dieser Rechtsprechung hoffen. Ausgelöst durch Gesetzesänderungen7, die deutlich in die Systematik des geltenden Einkommensteuerrechts eingriffen, sahen sich der VIII. Senat des Bundesfinanzhofs 2010 und der IX. Senat 2012 aber gezwungen, ihre Rechtsprechung zu überdenken und sowohl für Einkünfte aus Kapitalvermögen als auch für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung den Abzug dieser Zinsen im Grundsatz anzuerkennen. Der Bundesfinanzhof hat damit ein weiteres Mal bewiesen, dass selbst Auffassungen, die wie in Stein gemeißelt erscheinen, revidiert werden können. Zwar sind nachträgliche Schuldzinsen nicht wie etwa die Problematik sogenannter gemischter Aufwendungen einem breiten Publikum an Steuerpflichtigen bekannt. Sie sind jedoch ein mindestens genauso anschauliches Beispiel für die Anpassungsfähigkeit höchstrichterlicher Rechtsprechung an geänderte Gegebenheiten. Seit den genannten Rechtsprechungsänderungen des VIII. Senats sowie des IX. Senats des Bundesfinanzhofs sind zentrale Punkte ungeklärt, die erhebliches Konfliktpotential sowie Risiken für den Steuerpflichtigen bedeuten. Auch ist bisher unklar, wie die Finanzverwaltung in Einzelfragen auf die geänderte Rechtsprechung reagieren wird.

Die vorliegende Arbeit versucht daher, die sogenannten nachträglichen Schuldzinsen bei den Überschusseinkünften in einen größeren Rahmen zu setzen. Insbesondere bedarf es einer klaren dogmatischen Begründung und Durchleuchtung der neuen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Erst auf dieser Grundlage ist es möglich, weitere offene Fragen zu den Grenzen der Abzugsfähigkeit zu beantworten. Als Schnittmenge der Werbungskosten berühren nachträgliche Schuldzinsen zentrale Pfeiler des geltenden Einkommensteuerrechts. Hierin mag auch die stete Auseinandersetzung des Schrifttums mit dem Thema begründet sein. Es handelt sich bei dem Thema der nachträglichen Schuldzinsen im Rahmen der Überschusseinkünfte nicht um ein Randproblem, das keine dogmatische Tiefe besitzt und deshalb die jahrzehntelange Auseinandersetzung nicht lohnt. Vielmehr besitzt dieses eher unscheinbare Thema Bezug zu vielschichtigeren Fragestellungen8: Das objektive Nettoprinzip in Form des Werbungskostenabzugs als Ausfluss einer Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit, die Abgrenzung zwischen steuerbaren und nicht steuerbaren privaten Aufwendungen sowie der Dualismus der Einkunftsarten sind einige dieser klassischen Themen, die aufzuwerfen sind. Entscheidend für die Aufarbeitung ist aber vor allem der sogenannte Veranlassungszusammenhang. Jede Diskussion nachträglicher Schuldzinsen im Rahmen der Überschusseinkünfte muss sich zwangsläufig mit diesem Begriff auseinandersetzen. Gelegentlich wird dieses Prinzip, das gesetzlich nicht definiert ist, aber überhöht, gewissermaßen nach dem Jheringschen „Begriffshimmel“9 als leere Worthülse ohne Inhalt benutzt. Dabei gilt es gerade im Rahmen der nachträglichen Schuldzinsen, für deren Abzugsfähigkeit das Veranlassungsprinzip gewissermaßen die Kampflinie ist, normative Anknüpfungspunkte und Erwägungen zu finden.

Der Große Senat des Bundesfinanzhofs hat zweifelsohne Recht, wenn er die „Unterscheidung zwischen der durch die einzelnen Einkunftsarten definierten Erwerbssphäre und der der Besteuerung entzogenen Privatsphäre“ als „prägend“ für das deutsche Einkommensteuergesetz ansieht10. Ein Element dieser Abgrenzung ist die Zuordnung nachträglicher Schuldzinsen, die symbolisch für die gesamte Abgrenzungsproblematik ist. Bemerkenswert ist weiterhin, dass unter dem Begriff der nachträglichen Schuldzinsen im Rahmen der Überschusseinkünfte zwei Einkunftsarten zu erörtern sind: Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Wie bereits angesprochen besteht für beide inzwischen eine geänderte Rechtsprechung. Diese weist nicht nur auf den ersten Blick erhebliche Parallelen auf. Allerdings dürfen auch die Unterschiede dieser Einkunftsarten nicht vernachlässigt werden: Wer für eine der Einkunftsarten nur auf die Parallelität zur anderen verweist, greift zu kurz und wird der Bedeutung jeder einzelnen Einkunftsart nicht mehr gerecht.

Der Gang der Untersuchung ist daher folgender: Zunächst müssen die dogmatischen Grundlagen geklärt werden, die zentral für die Behandlung nachträglicher Schuldzinsen sind. (A.). Dabei ist die Begrifflichkeit der nachträglichen Schuldzinsen sowie die systematische Einbettung in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG zu klären. Die Bearbeitung nimmt sodann den Veranlassungszusammenhang als zentralen Anknüpfungspunkt der Abzugsfähigkeit nachträglicher Schuldzinsen näher in den Blick, wobei insbesondere dessen Auslegung in Bezug auf nachträgliche Werbungskosten und Schuldzinsen geklärt wird.

Im Hauptteil wird die kontroverse Materie der nachträglichen Schuldzinsen anhand dieser Grundbegriffe in die Systematik des Einkommensteuerrechts eingeordnet, um zu einer dogmatisch überzeugenden Grundlage für die Abzugsfähigkeit als Werbungskosten zu gelangen (B.). Als Begründungsansätze des nachträglichen Schuldzinsabzugs bei den Überschusseinkünften werden zunächst die Existenz eines Einkünfteerzielungsvermögens sowie die Auswirkungen tiefgreifender gesetzlicher Änderungen im Bereich der Überschusseinkünfte geprüft. Anschließend wird untersucht, ob der sogenannte Surrogationsgedanke den Abzug begründen kann. Zuletzt gilt es, das Veranlassungsprinzip selbst als Begründung heranzuziehen.

Nach der dogmatischen Herleitung ist eine Zuordnung der grundsätzlich abzugsfähigen nachträglichen Schuldzinsen zur richtigen Einkunftsart erforderlich. Im Anschluss wird auf den Umfang und die Grenzen der Anerkennung, insbesondere den sogenannten Grundsatz des Vorrangs der Schuldentilgung und seiner Herleitung sowie die vorzeitige Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht eingegangen. Zuletzt behandelt die Untersuchung im Hauptteil sonstige Problemfälle, die beiden zentralen Einkunftsarten, § 20 EStG sowie § 21 EStG, gemein sind.

Im letzten Teil der Arbeit werden dann vor dem gefundenen Hintergrund spezifische Probleme im Rahmen der einzelnen Einkunftsarten aufgearbeitet (C.). Hierbei bedarf es insbesondere der Untersuchung der Abzugsfähigkeit nachträglicher Schuldzinsen bei den Kapitaleinkünften im Zeitverlauf.

Im Rahmen der Bearbeitung wird zudem an geeigneter Stelle auf die jeweilige Verwaltungsauffassung eingegangen.

Auch wenn Bezüge und Anleihen sowie dogmatische Vergleiche zum Abzug nachträglicher Schuldzinsen als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG für die Behandlung bei den Überschusseinkünften teilweise unerlässlich sind, so soll doch klargestellt werden, dass Thema dieser Arbeit alleine die Anerkennung nachträglicher Schuldzinsen bei den Überschusseinkünften ist – alle Rückgriffe auf den Betriebsausgabenbegriff dienen lediglich deren dogmatischer Aufarbeitung.

A. Dogmatische Grundlagen

Zur Klärung der Anerkennungsfähigkeit nachträglicher Schuldzinsen bedarf es zunächst der begrifflichen Klärung derselben (I.). Nach §9 Abs.1 Satz 3 Nr.1 EStG ist für die Anerkennung von Schuldzinsen als Werbungskosten entscheidend, ob ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit einer Einkunftsart besteht. Folglich ist klärungsbedürftig, wann ein solcher vorliegt (II.).

I. Nachträgliche Schuldzinsen

Elementare Grundlage sogenannter „nachträglicher Schuldzinsen“ ist natürlich zunächst die Frage, was überhaupt unter „Schuldzinsen“ im Allgemeinen zu verstehen ist (1.). Sodann ist der Begriff näher unter dem Aspekt der Nachträglichkeit zu spezifizieren (2.).

1. Schuldzinsen

a) Schuldzinsbegriff

Den Begriff der Schuldzinsen gebraucht das Einkommensteuerrecht unter anderem in §9 Abs.1 Satz 3 Nr.1 Satz 1 EStG11. Hiernach sind Schuldzinsen Werbungskosten, soweit sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Das Einkommensteuergesetz benutzt diesen Begriff zwar, es fehlt aber eine steuergesetzliche Definition der Schuldzinsen selbst. Grundlage12 des Begriffs ist der zivilrechtliche Zinsbegriff als laufzeitabhängige, in Geld zu entrichtende Entgeltleistung für den Kapitalgebrauch13. Der einkommensteuerrechtliche Schuldzinsbegriff ist jedoch weiter zu verstehen: Die Rechtsprechung legt ihn gar sehr weit aus, nämlich als alle Leistungen in Geld oder Geldeswert, die ein Schuldner für die Überlassung von Kapital an den Gläubiger zu erbringen hat14. Darüber hinaus seien alle Aufwendungen15zur Erlangung oder Sicherung eines Kredits erfasst, also Kosten, die bei wirtschaftlicher Betrachtung des Vorgangs als Vergütung für die Überlassung von Kapital angesehen werden können16. Der Bundesfinanzhof legt diese Definition nahezu wortgleich in fast jeder seiner aktuelleren Entscheidungen zugrunde. Auch die einschlägige Kommentarliteratur wiederholt meist lediglich diese Standardformulierung17. Sucht man daher nach einem Grund für diese weite steuerrechtliche Auslegung des Zinsbegriffs18, ist auf den Regelungszweck der Vorschrift abzustellen: Erfasst sein sollen Aufwendungen, deren Zweck es ist, ein Darlehen zu erlangen oder zu sichern19. Entscheidend ist nach diesem Verständnis der wirtschaftliche Gehalt der Aufwendungen20. Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise sichert mit Blick auf das objektive Nettoprinzip und die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit die Wahlfreiheit des Steuerpflichtigen, die Einkünfteerzielung fremd zu finanzieren21. Vor diesem zweckorientierten Hintergrund ist über die bloß zivilrechtliche laufzeitabhängige Kapitalnutzungsvergütung hinaus einkommensteuerrechtlich auch eine Anerkennung von Darlehensnebenkosten und sonstigen Kreditkosten direkt unter den Schuldzinsbegriff des §9 Abs.1 Satz 3 Nr.1 Satz 1 EStG möglich22, auch wenn man bei dessen Wortlaut zunächst eher an den engeren zivilrechtlichen Begriff denkt. Mit Bezug auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise besteht eine Bindung an den zivilrechtlichen Inhalt eines Rechtsbegriffs nämlich nur, wenn nach Sinn und Zweck der Vorschrift feststeht, dass der steuerrechtliche Gesetzgeber gerade diesen zivilrechtlichen Inhalt meinte – ansonsten ist der Inhalt des Rechtsbegriffs im Steuerrecht eigenständig zu interpretieren. Eine solche strenge Orientierung am zivilrechtlichen Zinsbegriff ist für den steuerrechtlichen Zinsbegriff nicht erkennbar, weswegen eine weitere, wirtschaftliche Auslegung im Einkommensteuergesetz angezeigt ist.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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